Kann mir eventuell jemand bei der Textkritik helfen? Ich kann nicht erklären, warum die eine Variante besser als die andere sein sollte..
Beispiel:
habebat prudentiam cum iuris civilis tum rei militaris.
Er hatte Kenntnis sowohl des bürgerlichen Rechts als auch des Militärwesens.
In der Textkritik steht, dass andere Handschriften statt des cum’s tum konjizierten, sprich:
habebat prudentiam tum iuris civilis tum rei militaris.
tum-tum würde man doch als bald-bald übersetzen oder? Weiß nicht, wie ich sowas begründen soll.
D.h., inhaltlich würden beide Varianten passen. Woran kann ich dann die Entscheidung des Editors begründen? [quote=msg_33758_1]tum...tum = einmal... dann
Nun, es gibt zum einen die äußre, zum andren die innre Textkritik.
Äußre bedeutet, daß man mit Hilfe von Alter und Zahl der Codices argumentiert, die eine gewisse Lesart vertreten (z.B. a, b und c sind älter, d ist jünger; führen nun die Ältren eine andre Lesart als der Neue, ist es wahrscheinlich, daß der Neue fehlerhaft ist).
Innre bedeutet, daß man mit Hilfe des Sinnes des Satzes argumentiert; daneben schenkt man den Worten „lectio brevior“ bzw, „lectio difficilior“ Aufmerksamkeit, d.h. die kürzere Lesart bzw. die schwerer Lesart ist wahrscheinlicher; man nimmt an, daß mit der Zeit mehr hinzugekommen ist, als ursprünglich dort stand, bzw. es zu Vereinfachungen (z.B. durch zu viel denkende Abschreiber) gekommen ist.
Ich würde erst einmal mit dem Sinn argumentieren und gasts Hinweis heranziehen.
Die Frage ist immer: Was steht in den Codices?
Man sieht bei ausführlichen Ausgaben vorne (Einführung), aus welchen Codices die Abschriften stammen. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder ist die Stelle korrupt oder undeutlich oder fehlerhaft. Es werden dann die Abschriften verglichen. Das Wahrscheinlichste wird dann genommen oder interpoliert. Ein „c“ oder „t“ in einer Handschrift kann auch sehr ähnlich sein.
Man muß auch immer daran denken, ob sich der Sinn eines Satzes wirklich entscheidend verändert. Ein gewisser Prof. in der Uni Salzburg hat mir mal gesagt: Wenn der Satz nicht entscheidend verändert wird, dann tut man sich leicht. Viel schwieriger sind Sinnveränderungen oder echte Textausfälle.
Danke für die Antworten. Aber eine Sache verstehe ich noch nicht. Wieso handelt es sich bei tum..tum um den lectio difficilior? Cum und tum lesen sich doch gleichermaßen schwer/leicht? Beide sind auch kurz.
Danke schonmal im Voraus!
also cum ist die jüngere Lesart (gehört zum Hyparchteypen ς ) und tum die ältere (Handschrift L und P)
Warum entscheidet sich der Editor dann für die jüngere Lesart, die ja wahrscheinlich dann eher falsch ist?
I
"recentiores non deteriores:
Ein Philologensprichwort: „Jüngere (scil. Codices) sind nicht unbedingt schlechter.“ Entgegen landläufiger Meinung muss z. B. eine Handschrift des 15. Jhdts. nicht unwichtiger/schlechter sein als eine des 9. Jhdts., denn es kann sein, dass sie auf eine (verlorene) Quelle zurückgeht, die besser war, als die erhaltene Hs. des 9. Jhdts."