Nordrhein-Westfalen, mithin das größte deutsche Bundesland, schafft das Latinum als Studienvoraussetzung für die geisteswissenschaftlichen Fächer ab.
Dies wird Folgen für die Wahl des Faches Latein an den Gymnasien haben.
Wirklich bedenkenswert. Es liegt aber auch am Fach selbst und an der Universität. Man hätte schon längst gegensteuern, sich neu aufstellen und präsentieren können.
Andererseits verstehe ich es :Ironie: :
Wenn man sieht wie sich Menschen wie gastmitkleinemg (wahrscheinlich auch maerens) oder Ailourofilus, die sich mit Latein mehr oder weniger intensiv beschäftigen, hier aufführen. Das schreckt jeden, der positiv über Latein denkt, schon ab.
In der WAZ habe ich gelesen, dass mal wieder eine böse rotgrün-Regierung was zurückfahren will. Ich finde eine Schwächung des Lateinischen in der Gesellschaft nicht gut, zwinge mich aber immer zum liberalen Gedanken, dass künstlicher Zwang dem Fach nicht gut tut. Warum sollte ein Student des Englischen oder Chinesischen Latein lernen oder ein Philosoph Latein lernen müssen? Es ist ja ein künstliches Interesse das aufrecht erhalten wird und dem Fachbereich nicht den Anschein des Interessanten, sonder den des dämlichen Übels gibt.
Nur sehr wenige meiner Latein-Schüler studieren Fächer, für die sie das Latinum brauchen - sue haben trotzdem Latein. Wie ist eigentlich die Schul-Latinums-Situation in NRW?
Für die Philosophie und die Geschichte, aber auch für die Germanistik gilt, daß ein größerer oder kleinerer Teil der Quellen/Texte in lateinischer Sprache verfaßt ist. Was die Philosophie angeht, so gilt dies bekanntlich auch für das Griechische.
Bei der Anglistik und Romanistik kann ich es nicht beurteilen, vermute es aber.
Es erscheint mir bedenklich, daß man da in Zukunft komplett den diversen Übersetzungen ausgeliefert sein soll.
Wie soll man sich künftig sogar eine Promotion in alter Geschichte oder antiker Philosophie vorstellen?
Übrigens benötigen Lateinlehrer künftig in NRW auch nicht mehr das Graecum.
Bis vor zwei Jahren (Zeitpunkt meiner Pensionierung) hat in NRW etwa ein Drittel der Gymnasiasten sich für das Latinum entschieden. Die Anforderungen dafür sind kontinuierlich herabgesetzt worden.
Der Einbruch wird dann wohl jetzt kommen, wenn man das Latinum nicht mehr fürs Studium benötigt.
Fürs Studium der Sinologie benötigt man Lateinkenntnisse natürlich nicht.
All das ist aber auch ein weiterer Schritt weg von einem Verständnis gymnasialer Allgemeinbildung, welches die europäische Tradition einschließt.
Re: Latinum in NRW
gastmitkleinemg am 17.5.16 um 12:32 Uhr (Zitieren)
Mit ( v.a.dem heutigen) Schullatein allein kommt man bei den Quellen in diesen Fächer nicht allzu weit, oder?
Es wird nicht reichen, um Lukrez', Ciceros oder Senecas philosophische Texte, Tacitus und Sueton als historische Quellen selbständig zu übersetzen. Doch man ist - wie ich oben schrieb - Übersetzungen dann nicht mehr vollständig ausgeliefert. Man kann z.B. eine freie von einer wörtlichen Übersetzung unterscheiden und entsprechende Vorsicht walten lassen. Man kann weiterhin die verschiedenen Bedeutungen bestimmter Wörter nachschlagen und sich so bewußt machen, daß auch eine andere Bedeutung an der betreffenden Stelle möglich wäre. All das ist für einen kritischen Umgang mit einer Quelle unerläßlich.
Ich bin auch der Meinung, dass gymnasiale Bildung eigentlich nicht ohne Latein auskommt. Liberale Gedanken halten sich bei mir auch in Grenzen. Aber tatsächlich war es bis in die späten Neunziger in Heidelberg so, dass Japanologen und Sinologen das Latinum haben mussten - weil sie in der gleichen Fakultät waren. Es hatte immer den Anschein, dass die Latinistik noch eine zusätzliche Daseinsberechtigung brauchte. Eine ungute Situation. Und eine wenig authentische.
Ich meinte immer nur den Zwang zum Latinum. Ein gewissenhafter und guter Philosoph wird sich seine eigenen Gedanken machen, genauso wie evtl. eine Kunstgeschichtlerin etc. Wer es für sich und sein Studium im authentischen Sinne braucht, wird sich wohl weiterbilden, nehme ich an. Viele andere machen die Kurse und drei Kreuze nach der mündlichen Prüfung. Manche hassen Latein danach vielleicht nicht. Aber das ist die pessimistische Sicht.
Ich bin überhaupt überrascht über die Regelung. Ich habe mich vor Elterninformationen bei verschiedenen Unis umgeguckt und gesehen, dass in Baden-Württemberg das Latinum keine generelle Voraussetzung für bestimmte Fächer an allen Unis ist. Eine Freundin hat in Karlsruhe Kunstgeschichte studiert und brauchte das Latinum für den Masterabschluss. Nicht für den Bachelorabschluss. Sie hätte es nicht für den Master in einer anderen Stadt gebraucht. Gibt es noch feste Vorschriften für bestimmte Fächer, die nicht von den Unis vorgegeben werden?
Für meine Schule bin ich mir sicher, dass so eine Regelung keine Auswirkung auf das Wahlverhalten haben würde. Einige Eltern haben ja noch keine Vorstellung, ob ihr Fünftklässler eine Geisteswissenschaft studieren wird. Global gesehen hat es aber bestimmt Auswirkungen.