Vielen Dank. Aber ist das ante portas auch wirklich der Ursprung unserer Redewendung? Zumindest im wikipediaartikel wird es ja auf etwas negatives, das bevorsteht, beschränkt.
Re: Vor der tür
Kuli am 9.6.16 um 19:21 Uhr, überarbeitet am 9.6.16 um 19:27 Uhr (Zitieren)
Das spricht auch nach meinem Empfinden gegen eine Entlehnung aus dem Lateinischen. Der Grimm* listet dagegen für die deutsche Redensart zahlreiche Belege bis hinab zur Reformationszeit auf, die eine wertungslose Verwendung in Bezug auf das angekündigte Ereignis zeigen.
Als zweiter Einwand wäre anzuführen, dass in der Phrase Hannibal ante / ad portas eben nicht von einer (Haus-)Tür, sondern von (Stadt-)Toren die Rede ist.
filix am 9.6.16 um 20:43 Uhr, überarbeitet am 9.6.16 um 20:45 Uhr (Zitieren)
Es fällt allerdings auf, dass auf die ältesten Belege die in der WP ausgesprochene Vermutung zutrifft - hier stehen Tod, Elend, Alter, Krankheit & Co vor der Türe.
Luther (1545) übersetzt Jak. 5, 9: Seufftzet nicht widernandern / lieben Brüder / auff das jr nicht verdampt werdet. Sihe / der Richter ist fur der thür. (ecce iudex ante ianuam adsistit [BSV ed. Weber/Gryson]; ἰδοὺ ὁ κριτὴς πρὸ τῶν θυρῶν ἕστηκεν [UBS GNT])
Womöglich drückt sich darin der Unterschied von Kollektivbedrohung und Individualbedrohung aus - letztere gälte in Gestalt von Tod und Gericht jedem einzelnen Gläubigen, geht man von der Annahme aus, dass sich die Wendung ursprünglich der Sprache der Bibel verdankt.
Aber wird nicht der Jüngste Tag von gläubigen Christen als positives Ereignis verstanden? Im angeführten Lutherzitat ist von Hoffnung die Rede. Vielleicht hast du Recht, einen biblischen Ursprung anzunehmen. Neben der von dir angeführten Stelle, käme auch Matth. 24, 32-33 in den Blick: „An dem feigenbawm lernet ein gleichnis / wenn sein zweig itzt safftig wird / vnd bletter gewinnet / so wisset jr / das der Somer nahe ist. Also auch / wenn jr das alles sehet / so wisset / das es nahe fur der thür ist.“ Luther 1534 (Ab arbore autem fici discite parabolam: cum iam ramus eius tener fuerit, et folia nata, scitis quia prope est aestas: ita et vos cum videritis haec omnia, scitote, quia prope est in ianuis.)
Re: Vor der tür
filix am 10.6.16 um 0:39 Uhr, überarbeitet am 10.6.16 um 0:53 Uhr (Zitieren)
Ja, das habe ich zu sehr zugespitzt beim Versuch, den Gegensatz zum Kollektiv (Tor) herauszustellen - aber verschiebt sich nicht mit fortschreitender Parusieverzögerung die Sache auf das Individuum, das zunehmend mit Furcht, nicht nur sehnlicher Erwartung auf Tod (das nunmehr schlechthin imminente Ereignis, das die Chancen des Sünders auf Umkehr begrenzt) und Gericht blickt? Spätestens bei Augustinus liest man:
Die Frage ist also, ob nicht historisch betrachtet zunächst der Verständnishorizont der Epoche der Übersetzer die, so die Vermutung stimmt, die Redewendung in die deutsche Sprache eingeschleust haben, deren Verwendungsweise bestimmt - und die, berücksichtigt man die von Grimms zusammengetragenen ältesten Beispiele, spricht doch vorrangig von Unangenehmem.
Die überwiegende Zahl der (von Google Books offerierten) Belege aus dem 16. Jh., in denen „vor der Tür“ in übertragener Bedeutung verwendet wird, steht sicherlich in einem eschatologischem Zusammenhang und das macht die von dir herausgestellte Bedeutung der Tür als Sinnbild einer letzten Bastion zwischen unabweislicher existentieller Bedrohung und dem Individuum nachvollziehbar.*
Daneben finden sich jedoch auch früh schon Beispiele, in denen nicht vorherrschend auf das Einzelschicksal bzw. das Gottesgericht Bezug genommen wird, indem, wie in der heute üblichen Verwendung der Redensart, das nahe Bevorstehen einer Jahreszeit oder eines Datums bezeichnet werden soll. Ich denke, dass hier die Tür nicht in ihrer Schutzfunktion, sondern bloß als räumlich-zeitlicher Nahbereich des Sprechers erscheint.
*) Man erinnert sich auch an Parallelen in der antiken Literatur, etwa das berühmte Pallida mors aequo pulsat pede pauperum tabernas / regumque turres mit dem eindringlich sich in seiner Frequenz steigernden Pochen der Plosive.
Vielen Dank für die zahlreichen Belege und die angeregte Diskussion. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Redewendung schon in der Antike bekannt war, ob sie dort jedoch negativ oder positiv konnotiert war, ist nicht klar.
Der Bezug zu ante portas scheint eher unwahrscheinlich.
??
Das Bisherige zusammenfassend kann man sagen, dass die deutsche Redensart „(der Winter, Weihnachten u. ä. steht) vor der Tür“ wahrscheinlich in keinem näheren Zusammenhang mit dem sprichwörtlichen Hannibal ante portas steht, sondern wohl biblischen Ursprungs ist.
Die Phrase in foribus zur Bezeichnung nahen Bevorstehens eines Ereignisses wird schon von Hieronymus* verwendet und kommt dann auch im Mittellateinischen vor, so dass die Redensart nicht als direkte Übernahme aus der Bibel ins Deutsche eingedrungen sein muss.
* Iam incanuit caput, tremunt genua, dentes cadunt et frontem obscenam rugis arat, vicina est mors in foribus, designatur rogus prope: velimus nolimus, senes sumus. (ep. 3, 54, 14)