Ich würde zu dieser Übersetzung ein paar Überlegungen zur Diskussion stellen wollen.
Carus im uneigentlichen Sinn (= lieb) wird, soweit ich sehe, nur in Hinsicht auf Personen gebraucht, nicht auf Sachen.
Im eigentl. Sinn (= teuer) ist es hier unangebracht, da wahrscheinlich weder beim Käfig noch beim Zweig ein materieller Wert (für den Vogel) angesprochen werden soll.
Der Komparativ carior bei ramus impliziert, dass für den Gegenstand, zu dem der Vergleich angestellt wird, der Positiv Geltung hätte. Es soll aber wohl nicht ausgedrückt werden, dass dem Vogel der Käfig lieb, der Zweig aber lieber ist.
Ob die Freiheit der deutschen Ausdrucksweise (wo eben der Komparativ auch in ein Verhältnis zum Antonym ausdrücken kann) im Lateinischen möglich ist, müsste überprüft werden, bevor man sie in die Zielsprache übernimmt.
honestum ei vile est, cui corpus nimis carum est, Sen.: c. caput, Verg. u.a.: patria, quae mihi est vitā meā multo carior, Cic.: paucis carior fides quam pecunia fuit, Sall.: hoc est gratum nobisque est carius auro, Catull.
Da Verfahren, zunächst die Sinnhaftigkeit des Gegenteils zu prüfen, hätte man doch schon beim ramus inornatus (lol) anwenden können.
Die Kritik am Komparativ richtet sich zunächst gegen die dt. Vorlage.
Gerne erwarten wir das Ergebnis der Überprüfung, die ja jedem frei steht, der sie für notwendig hält.
Für mich fraglicher ist, ob die idiomatische Rede vom goldenen Käfig ein Römer ohne weiteres verstanden hätte.
Nun ja, drei der fünf Belege gehören ebenjener Preissemantik an, die, wie gesagt, das Empfinden des Vogels eher nicht angemessen wiedergeben dürften und das vergilische carum caput steht metonymisch für die geliebte Person. Bliebe immerhin „patria, quae mihi est vitā meā multo carior“.
Dass die Verwendung des Komparativs in der Vorlage durchaus deutschem Sprachgebrauch entspricht, hatte ich ja oben bereits geschrieben, ob sie ins Lateinische übernommen werden kann, bleibt weiterhin offen.
Bei der Übersetzung von „einfach“ sollte der Kontrast zu „golden“ bei der Übersetzung bewahrt werden. Fällt eines der möglichen Antonyme zu simplex in dasselbe Bedeutungsfeld wie aureus? Ist inornatus/„schmucklos“ tatsächlich eine so lächerliche Wahl?
Redensarten, die als verkürzte Ausdrucksweisen den Kontext, dem sie entstammen, aufscheinen lassen, sind gewiss meist nicht übertragbar. Das vorliegende Sprüchlein erhellt sich allerdings selbst, zumindest in den Kulturräumen, in denen Ziervogelhaltung bekannt ist (wozu die Römer ja gehörten). Etwas Analoges zum goldenen Käfig mag, wer will, in Martials cavea eborea erkennen, auch wenn es da wohl nicht um die gesanglichen Qualitäten des Insassen geht.
das sehe ich nicht. Im übrigen ist die Trennung in Preis- und „Gefühls“semantik vom Deutschen her gedacht - einem Römer wäre das nicht eingefallen, s. die Beispiele.
eher nicht, aber das liegt doch auch an der Vorlage! Inornatus - was ich jedenfalls für ein unpassendes Epitheton zu ramus hielte - ergäbe ja nur dann Sinn, wenn man aureus eben nicht wörtlich nähme, sondern metaphorisch für „aufwendig und schmuckvoll gestaltet“, was der übliche Verwendungszusammenhang nicht nahelegt, und damit die schwache Vorlage verbesserte.