Klar, die Römer kannten ja weder whatsapp noch sms.
In der Literatur gibt es (natürlich schriftlich überlieferte) real gehaltene Reden, natürlich in Hochsprache. Alltagssprache findet man vor allem in Komödien.
Überhaupt hatten die Historiker der Antike ihre Freude daran, Reden ihrer Helden und Feinde in wörtlicher Rede, gerne auch fingiert, wiederzugeben. Livius ist voll davon.
Re: Direkte Rede
historicus-criticus am 22.11.20 um 16:44 Uhr (Zitieren) I
nur fingiert natürlich ?
Welche Rede soll wirklich so gehalten worden sein, wie diese Historiker sie wiedergaben?
Gratias ago.
Ich hatte zu Lebzeiten noch nie eine Lateinlektion, wie ihr möglicherweise schon erraten habt und bin richtig froh über all die interessanten Antworten.
Ich kannte weder die oratio recta, noch die oratio obliqua.
Wenn ich da noch eine zweite Frage stellen darf:
wie sähe da der Singular aus, wenn Livius z.B. geschrieben hätte, dass Romulus Rom gegründet hätte?
Stimmt: Romulus urbem Romam condiderut?
Bei der oratio obliqua habe ich noch nicht einmal einen Verdacht.
Die o.o. ist ein Anwendungsbeispiel, bei dem u.a. der AcI verwendet wird.
Dennoch werden beide Themen in Grammatiken separat abgehandelt
- auch in der zitierten Grammatik.
Dies gilt es auseinanderzuhalten.
Mit welcher Begründung? Hier wird der Inhalt einer (schriftlichen) Äußerung eines vom Sprecher verschiedenen Subjekts mitgeteilt. Das gehört zu den wesentlichen Merkmalen indirekter Rede, auch wenn eine umfassende Definition nicht ganz leicht ist.
Weil man bei einem Satz mit AcI gewöhnlich nicht den Begriff „o.o.“ benutzt.
Mir geht um den lat. Begriff, nicht den Inhalt.
Die o.o. umfasst ferner meist mehrere Sätze, die nicht nur AcIs enthalten müssen.
Dabei tritt das auslösende Verb nur am Anfang auf.
In Textausgaben wird die o.o. meist durch ein Kolon abgetrennt, um den Beginn
der o.o. kenntlich zu machen.
vgl.
His Caesar ita respondit: eo sibi minus dubitationis dari, quod eas res quas legati Helvetii commemorassent memoria teneret, atque eo gravius ferre quo minus merito populi Romani accidissent; 2 qui si alicuius iniuriae sibi conscius fuisset, non fuisse difficile cavere; sed eo deceptum, quod neque commissum a se intellegeret quare timeret neque sine causa timendum putaret. 3 Quod si veteris contumeliae oblivisci vellet, num etiam recentium iniuriarum, quod eo invito iter per provinciam per vim temptassent, quod Haeduos, quod Ambarros, quod Allobrogas vexassent, memoriam deponere posse? 4 Quod sua victoria tam insolenter gloriarentur quodque tam diu se impune iniurias tulisse admirarentur, eodem pertinere. 5 Consuesse enim deos immortales, quo gravius homines ex commutatione rerum doleant, quos pro scelere eorum ulcisci velint, his secundiores interdum res et diuturniorem impunitatem concedere. 6 Cum ea ita sint, tamen, si obsides ab iis sibi dentur, uti ea quae polliceantur facturos intellegat, et si Haeduis de iniuriis quas ipsis sociisque eorum intulerint, item si Allobrogibus satisfaciant, sese cum iis pacem esse facturum. 7 Divico respondit: ita Helvetios a maioribus suis institutos esse uti obsides accipere, non dare, consuerint; eius rei populum Romanum esse testem.
Soso, man und gewöhnlich. MBS definieren die explizit als Oratio obliqua bezeichnete indirekte Rede in § 470 ohne solche Einschränkungen und präsentieren einen simplen Satz mit AcI in Abhängigkeit von einem verbum dicendi unter dem fettgedruckten Spaltentitel Oratio obliqua als Beispiel. Auch Im RH liest man nichts davon.
Den lateinischen Begriff der Oratio obliqua an eine bestimmte Textlänge, Anzahl von einem verbum dicendi oder sentiendi abhängigen grammatischen Strukturen oder das Vorkommen von Nebensätzen binden zu wollen, ist eine textlinguistische Entscheidung, die sich in historischen Lehrwerken da und dort finden mag, kann aber offensichtlich nicht die von dir behauptete Geltung beanspruchen.
Kühner/Stegmann II 2, S. 545 unter oratio obliqua:
„Wenn der Nebensatz bloß der Form nach Nebensatz ist, aber dem Sinne nach die Geltung eines Hauptsatzes hat, kann der Nebensatz durch den Accus. c. Inf. ausgedrückt werden.“
Da der AcI an anderer Stelle (II 1, S. 687 ff.) behandelt wird, ist das doch wohl so zu verstehen, daß AcI und oratio obliqua eine gemeinsamen Schnittmenge haben, mehr nicht.
Nicht jeder AcI stellt einen Fall indirekter Redewiedergabe dar. Das hat auch niemand behauptet, wohl aber, der Terminus Oratio obliqua sei für eine einzelnen von einem verbum dicendi oder sentiendi abhängigen AcI, der eine indirekte Mitteilung der Äußerungen oder Überlegungen eines vom Sprecher verschiedenen Subjekts darstellt, unüblich. Das stimmt jedoch nicht, wie man z.B. bei MBS oder RH sehen kann.
Die zitierte Regel bei Kühner/Stegmann leitet eine Aufzählung von Ausnahmen ein, wo statt des zu erwartenden konjunktivischen Nebensatzes in der indirekten Rede ein AcI gewählt wird.
Ja, ich wollte nur sagen, dass man nicht bei jedem AcI, der ein Referat enthält,
sofort von der o.o. zu sprechen pflegt.
(Fast) Jeder, nicht nur Schüler, würde auf die Frage, welche Konstruktion hier vorliegt,
antworten: „ein AcI“ und nicht „eine “o.o."
Ich hoffe, das das verständlich genug ist.
Das ist insofern vernünftig, als dass indirekte Rede (o.o.) keine Konstruktion ist, sondern Indirektheitskontext voraussetzt, den der AcI an sich nicht herstellen kann und auch der Trägersatz nur semantisch vermittelt. Man muss das Zusammenspiel der Bedeutungen von scribere und Livius verstehen, um die im AcI dargebotene Information als Äußerung eines anderen, von der hier durch den Sprecher berichtet wird, aufzufassen.