Dass ich nicht vorher drauf gekommen bin, Euch zu fragen!
Eine Bekannte hat mir vor geraumer Zeit einen Auszug aus einem Kirchenbuch gegeben, damit ich den lateinischen Text lesen und übersetzen kann, aber mit einigen Dingen kam ich gar nicht zurecht, z.B. mit der Formulierung:
ante missae parochialis solemnia.
Es geht hierbei um eine Hochzeit.
Kennt Ihr Euch da aus?
zu „ante missae parochialis solemnia“: Gibt es dazu einen kompletten Satz?
„ante“ kann ja Adverb sein - dann fehlt das Verb; oder es kann Präposition sein - dann fehlt der passende Kasus.
„missae solemnia“ paßt zusammen: „feierliche Entlassungen“, im Sinne von „Ite missa est“?
„parochialis“: Adjektiv zu „parochia“: der Sprengel eines Bischofs, also das Bistum- aber Adjektiv zu welchem Substantiv?
Das wirkt verstümmelt.
zu „Dominica infra octavam Nativitatis“:
„infra octavam Nativitatis“: innerhalb der Weihnachtsoktav
„dominica“: „dominicum, i, n.“ ist der sonntägliche Gottesdienst. Ergibt: die sonntäglichen Gottesdienste innerhalb der Weihnachtsoktav.
Die Prädikate kommen alle eine halbe Seite später, so etwas wie „... fragte ich“.
Ich hatte gedacht, dass „solemnia“ ein Substantiv ist, also:
ante ... solemnia ... interrogavi,
und dachte, dass missae parochialis zusammengehört, also:
ante solemnia missae: Vor den (solemnia) der (missae parochialis).
Wenn „missae“ eine Genitiv ist, paßt es grammatisch zu „parochialis“, vom Sinn her allerdings nicht so gut; allenfalls: missa parochialis - Bischofsmesse, vom Bischof gehaltene Messe.
Aber ein „sol(l)emnia“ als Substantiv kennt der Georges nicht - was bei Kirchenlatein nicht viel sagen mag.
Und das „ante“ ohne Verb bzw. ohne Akkusativ stört mich immer noch.
Da sind einige „dominicae“ erwähnt, und ich wusste nicht so recht, wie ich es ins Deutsche übersetzen kann - meine Zustimmung also (als Laie) und meinen Dank!
„dominicae“ gefallen mir in diesem Zusammenhang gar nicht. Dann müßte es sich nämlich um das Adjektiv „dominicus, a, um“ handeln - wozu mir dann wieder das Bezugswort (Substantiv) fehlt.
Ich habe, wie gesagt, „dominica“ als Substantiv, und zwar als Plural zu „dominicum“ gedeutet.
Ach, o je! Passt auf jeden Fall.
Die Grobstruktur des Satzes ist übrigens:
Anno Domini ... ante Missae parochialis Solemnia ego (Name im Nom.) (Namen im Akk.) in ecclesia mea parochiali publice interrogavi ... solemniter matrimonio junxi ...
Ich hoffe, dass die Lücken nicht wichtig sind, zumindest habe ich keine Hinweise auf fehlende Akkusative gefunden.
Leider muss ich los, danke aber für Deine Hilfe.
Also freihändig:
Im Jahre des Herrn ... habe ich (X) vor den Feierlichkeiten der bischöflichen Messe den (Y) in meiner bischöflichen Kirche öffentlich befragt ... Ich habe sie feierlich im Ehestand verbunden ...
missa parochialis solemnia -> die feierliche Sonntagsmesse
Mein Vorschlag:
Im Jahr des Herrn ..habe ich vor der feierlichen Sonntagsmesse NN und NN in meiner Pfarrkirche öffentlich befragt...
und feierlich im Ehestand verbunden
Ah, das ist mal ein Wort!
Was heißt denn „parochialis“ in diesem Zusammenhang genau?
Bei „den (Y) ... befragt“ habe ich übersehen, daß Arborius von „Namen“ (Plural) im Akkusativ geschrieben hatte.
Dann hat sich die Wortbedeutung gegenüber der Georges-Zeit verschoben ... und wir brauchen keinen Bischof zu bemühen, der ja auch nur bei der Firmung, nicht bei der Eheschließung benötigt wird.
Vor den Messen (Plural muss es heißen. Die Proklamation zur Ehe sollte 3x erfolgen.
Unter der angegebenen Wiki-Adresse findet sich unter Traumatrikel- das Formular
die Vorschrift, wie solche Einträge zu machen sind. Und da steht:
Traumatrikel (Das Formular)
Forma describendi conjugatos in libro tertio.
Anno ... die ... mensis ... denunciationibus praemissis tribus continuis diebus festivis, quarum prima die ... secunda die ... tertia die ... inter missae parochialis solemnia habita est, nulloque legitimo impedimento detecto, ego N. rector hujus ecclesiae parochialis N., civitatis vel loci N., filium N. parochiae s. N. et N., filiam N. seu reictam quondam N. (si vidua fuerit) hujus seu parochiae s. N. in ecllesia N. interrogavi, eorumque mutuo consensu habito solemniter per verba de praesenti matrimonio conjunxi, praesentibus testis notis N., filio N., qui habitat in parochia s. N., et N. (etc.), postea eis ex ritu sanctae matris ecclesiae (si tamen nuptias benedixerit) in missae celebratione benedixi.
Übersetzung:
Formular, die Verheirateten im 3. Buch aufzuzeichnen.
Im Jahr ..., am Tag ..., im Monat ..., nachdem an drei aufeinanderfolgenden Sonntagen die Proklamationen erfolgt sind (von denen die erste am ..., die zweite am ..., die dritte am ... während der feierlichen Sonntagsmesse gehalten wurde) und nachdem kein rechtmäßiges Ehehindernis entdeckt worden ist, habe ich, ..., Pfarrer dieser Pfarrkirche ..., in der Stadt oder im Dorf ..., den ..., Sohn von ... aus der Pfarrei ..., und ..., Tochter von ... oder die Witwe des ... (wenn sie eine Witwe ist), aus dieser Pfarrei oder der Pfarrei ... in der Kirche St. ... befragt, und nachdem ich beider wechselseitige Zustimmung erhalten habe, habe ich sie mit den Trauungsworten verbunden, in Gegenwart der bekannten Zeugen ..., Sohn von ..., der in der Pfarrei ... wohnt, und ... (etc.), und danach habe ich sie gemäß dem Ritus der heiligen Mutter Kirchen in der Meßfeier gesegnet.
„ante missae parochialis solemnia“: „ante“ mit dem Nominativ Plural? Und müsste es dann nicht „parochiales“ heißen?
Und wenn „missae“ ein Genitiv sein sollte, würde das zwar zu „parochialis“ passen, wäre aber für „ante“ und „solemnia“ immer noch rätselhaft.
SOLEMNIA --> NEUTRpLURAL. ---->FEIERLICHKEITEN
Missa parochialis: eine Missa cantata, die der Pfarrer an allen Sonn- und Feiertagen für seine Gemeinde feiern muss.
Leider wurden im Kirchenbuch statt des Datums die kircjlichen Feier- oder Namenstage angegeben.
Was bedeuten
2 ta Nativitatis feria oder auch
Feriä 3tä Nativitatis
Leider wurden im Kirchenbuch statt des Datums die kirchlichen Feier- oder Namenstage angegeben.
Was bedeuten
2 ta Nativitatis feria oder auch
Feriä 3tä Nativitatis
ja, es sind wohl die Weihnachtstage gemeint.
warum 3?
Ich meine, das es der 6. Januar wäre (Erscheinung des Herrn, Hl. drei Könige, Epiphanias)
Bin mir aber nicht sicher...
6. Januar kann nicht sein, der Tag wird auch als Epiphanias angegeben. Und die folgenden Sonntage mit 1., 2., post .... usw.
Wurde vielleicht der 24. als der 1. Feiertag gezählt und der 25. + 26. dann als 2. und 3.?
So wäre der Heilige Abend der 1.Tag
(die Römer zählten die Tage immer von Sonnenaufgang zu Sonnenaufgang,
d.h. unser 24.Dezember galt bis Sonnenaufgang des 25. Dezembers)
Aber ob diese Zählweise in einem Kirchenbuch Verwendung fand?
Aus welchem Jahr ist es denn?
Das Kirchenbuch wurde 1641 mit der Gründung der ev. Gemeinde in Jutroschin begonnen. Geführt vom selben Pastor bis dieser nach 15 Jahren 1656 vertrieben wurde.
Er schrieb auch 2. + 3. Feiertag zu Ostern und Pfingsten, trug sie aber als Paschatos und Pentecost ein.
Die Oster- und Weihnachtszeit gilt in der Kirche ja länger als unsere zivilen Kalenderfeiertage. Die Feiertage die wir heute haben gab es damals sicher noch nicht. Mit „Feiertag“ ist wohl nicht unbedingt ein arbeitsfreier Tag gemeint.
das nicht, aber damals haben 90% der Menschen in der Landwirtschaft gearbeitet.
und damals musste sich die Landwirtschaft nach der Natur richten,
d.h. im Winter war weniger zu tun als im Frühjahr und im Herbst.
Die Menschen hatten auf alle Fälle die Möglichkeit, auch werktags, zu kirchlichen Feiertagen den Gottesdienst, der 2-3 Stunden dauerte, zu besuchen.
Natürlich waren das alle keine „gesetzlichen“ und „tarifvertraglich garantierten“ Feiertage, aber Weihnachtstage mit den kürzesten Tagen im Jahr waren doch wohl etwas arbeitsfreiere Tage...
(Im Feudalwesen MUSSTEN die Untertanen sogar zum Gottesdienst erscheinen...)
(cuius regio eius religio!)
allerdings mussten natürlich die Kühe und das andere Vieh tagtäglich versorgt werden, auch am heiligen Sonntag...
und was sollte man machen, wenn ab der 10 stunde (unser 16:00uhr) die Sonne unterging und esnoch kein elektrisches Licht gab?
Kerzen oder andere Beleuchtung konnten sich nur reiche Leute leisten....
(ein Kienspan, die „Beleuchtung“ der ärmeren Schichten, war eigentlich nur eine Orientierungshilfe...)
aus wikipedia:
Eine Besonderheit des evangelischen Weihnachtsfestes, die bis in die Reformationszeit zurückreicht, ist es, das Weihnachtsfest auch auf den zweiten (früher gar den dritten) Weihnachtstag auszudehnen
und
Im Mittelalter entwickelte sich aus dem ursprünglichen Triduum ein separates Ostertriduum, das die ersten drei Tage der Osteroktav von der restlichen Feierwoche abhob. Später wurde dieser arbeitsfreie Zeitraum verkürzt, bis nur noch der Ostermontag als gesetzlicher Feiertag erhalten blieb.
Herzlichen Dank Hilde und Bibulus.
Für die Angabe des richtigen Datums war mir wichtig wie gezählt wurde, wenn mit dem dritten Feiertag der Dienstag nach Ostern oder (aus heutiger Sicht) der zweite Weihnachtsfeiertag gemeint war ist es ausreichend. Ob der Tag arbeitsfrei war oder nicht ist dabei nebensächlich.
Aus heutiger Sicht ohnehin merkwürdig dass die kirchlichen Feier- und Namenstage angegeben wurden und nur selten ein konkretes Datum (wenn es keinen passenden Tag gab). Das Datum der Geburt oder des Todes war anscheinend Nebensache, auf die Kirchenhandlung kam es an und die wurde dokumentiert.
Nochmals vielen Dank
Peter
Wie sollten auch Menschen, die des Lesens und
Schreibens unkundig waren, das genaue Datum
einer Geburt, die ja im Hause stattfand, oft sogar
ohne Hebamme oder andere Hilfe, dokumentieren?
Bedenke, der einzigste im Dorf oder Gemeinde, der Lesen und Schreiben konnte, war der Pfarrer...
So was wie Schulpflicht wurde erst in der Zeit der
Aufklärung (ca. 1750) eingeführt...
Taufen sollten bzw. mussten sogar spätestens am dritten Tag nach der Geburt stattfinden, sonst gab es Mecker (Kirchenbuße). Soweit konnten die Einwohner immerhin noch zählen. Viele in dem Ort waren Handwerksmeister und Kirchenjuraten. Letztere mußten über die Einnahmen und Ausgaben Rechnung legen (auch das ist im Kirchenbuch vermerkt). So ganz ungebildet waren die Gemeindemitglieder also nicht. Auch wenn einige ihren Nachnamen nicht kannten...