Abriss der Grammatik
Für die Sprachen, die zur Westgruppe der indogermanischen Sprachen gehören, ist es üblich, Grammatiken nach dem Muster der lateinischen Grammatik aufzustellen, denn Latein war für lange Zeit Gelehrtensprache, es hat bereits in der Antike Fachleute gegeben, die sich mit seiner Grammatik beschäftigten, und Latein ist eine typische westindogermanische Sprache.
Das bedeutet praktisch, dass die lateinischen Fachbegriffe viel häufiger verwendet werden als z.B. die deutschen, weswegen Grammatik mitunter in Fachvokabelpaukerei ausartet. (Solche Fachwörter, deren Bedeutung man kennen soll, werden im folgenden Text außer in Überschriften unterstrichen.)
Alle diese Sprachen sind flektierende Sprachen. das heißt, sie verändern Wortformen: „Häuser“ zu „Haus“, „ging“ zu „gehen“… („flektierend“ heißt „beugend“. Der Gegensatz sind agglutinierende („zusammenballende“) wie Chinesisch oder Indianersprachen, die nur durch Stellung und Nebeneinandersetzen neue Inhalte bilden.)
Für diese Grammatiken gilt dann:
Grammatik im allgemeinen Sinn (Sprachlehre) wird eingeteilt in einige Gebiete, die aber an Schulen selten als eigenständiger Bereich erwähnt werden:
Phonologie (Lautlehre): Welche Laute kommen in der Sprache vor? Welche sind bedeutungstragend? Wie unterscheidet sich im Klang „Lerche“ von „Lärche“? Wieso ist „Sau“ etwas anderes als „Schau“, aber hamburgisch „s-pitz“ das Gleiche wie in sonst üblicher Aussprache „schpitz“?
Vokabeln:
Vokal Selbstlaut (a,e,i,o,u; y; ä,ö,ü)
Konsonant Mitlaut (b,d,f,g …)
Diphthong Zwielaut (au, ei, eu…) Die Laute sind übrigens zu scheiden von den Buchstaben, mit denen sie dargestellt werden! Ob man „ks“ schreibt wie in „Hexe“, „Häcksel“, „Achse“, „Kekse“ (die müssen spinnen, die Deutschen! So viele Schreibungen für den gleichen Laut), ist Sache der
Orthographie (Rechtschreibung): Wieso werden lange Selbstlaute im Deutschen meist durch Verdoppelung (Aal, Beet, Moor) oder mit h (Ahle, Lehre, Mohr) markiert, aber i wird im Wortinneren mit e gedehnt (Kies), am Wortanfang gar nicht (Igel) - es sei denn, wir haben ein Fürwort (ihm, ihnen, ihr) oder die Ihle ? Und wie kommt es dann zu der seltsamen Schreibung „Vieh“?
Metrik (Vokal-)Längenlehre, Prosodie (Silbenmessung): Der Teil der Grammatik, der von den Längen und Kürzen, Betonungen und dann von den Rhythmen und Versen handelt.
Auch in der Schule behandelt als klassische Sparten der Grammatik werden dagegen meist
Grammatik im engeren Wortsinn (Formenlehre): Beugungs- und Steigerungsformen…,
Syntax (Satzlehre): die Lehre von den Satzteilen und Satzarten im Satzbau.
Es gibt im übrigen einen fließenden Übergang zu den Gebieten, die sich mehr mit dem Inhalt des Gesagten beschäftigen, wie der Idiomatik („Ausdruckskunde“ ist keine gelungene Übersetzung) zur Frage „mit welchen Sprachmitteln wird etwas ausgedrückt“), die wieder Stilkunde und anderes umfasst.
Wörter werden eingeteilt nach Wortarten und diese nach drei Wortartengruppen.
Die erste Gruppe umfasst die Wortarten, die man deklinieren (nach Fällen beugen kann), die Nomina (Namenwörter; Einzahl: Nomen). Das sind
Substantiv Hauptwort („Haus“, „Erich“, „Eltern“, „Liebe“)
Adjektiv Eigenschaftswort („blau“, „gut“, „höher“)
Artikel Geschlechtswort („der“, „die“, „das“, „ein“; diese Wortart wird im Lateinischen nicht gefunden!)
Pronomen Fürwort („ich“, „dein“, „wer?“, „derjenige“, „diese“)
und eine Wortart, die man nach der Bedeutung der Wörter gebildet und traditionell hier eingefügt hat, obwohl die Wörter selbst gar nicht immer deklinierbar sind, nämlich das
Numerale Zahlwort; Mehrzahl Numeralia („eins“, „Drittel“, „fünfmal“, „zweiter“, „einige“)
Die zweite Gruppe umfasst nur eine Wortart, die man konjugieren (nach Personen beugen) kann, das
Verb Tätigkeitswort („laufen“, „bin“, „hatte“, „gelesen“)
Die dritte Gruppe umfasst die Wortarten, die nicht gebeugt werden können, die Partikel („kleinen Wörter“). Das sind
Adverb Umstandswort, Mehrzahl Adverbien („oft“, „heute“, „hier“)
Konjunktion Bindewort („und“, „oder“, aber auch „dass“, „wenn“, „weil“, „sooft“)
Präposition Verhältniswort („an“, „auf“, „wegen“, „zum“)
Interjektion Ausrufwort („pfui!“, „au!“, „Himmelkruzifixsackerment!“)
Die Nomina bilden Formen der Flexion (Beugung) nach der Dreiteilung
das kann zunächst sein
Nominativ 1. Fall, Werfall (der Bauer, die Eltern)
Genetiv 2. Fall, Wesfall (des Bauern, der Eltern)
Dativ 3. Fall, Wemfall (dem Bauern, den Eltern)
Akkusativ 4. Fall, Wenfall (den Bauern, die Eltern)
Das Deutsche hat nur diese vier Fälle und steht damit etwa in der Mitte. Ursprüngliche indogermanische Sprachen haben nämlich acht, aber die Zahl nimmt in der Sprachentwicklung immer mehr ab: Im Lateinischen werden noch sechs Fälle unterschieden, Altgriechisch hat fünf und Neugriechisch drei, Englisch hat noch zwei (teacher, teacher’s) und das offenbar auch nicht mehr lange, denn of the teacher ist auf dem Vormarsch. Auch Deutsch wird bald nur noch drei Fälle haben, denn die Tage des deutschen Genetivs scheinen ebenfalls gezählt (von meinem Vater statt meines Vaters und wer voll des süßen Weines einer Sorge eingedenk ist, ist nicht sehr up to date).
Die übrigen indogermanischen Fälle waren der
Ablativ auf die Frage woher? wovon getrennt? Im Deutschen steht hierfür meist Dativ. Latein hat diesen Casus noch im Singular; im Plural fällt die Form auch im Lateinischen mit dem Dativ zusammen.
Vokativ, der Anredefall („O Claudia!“), der im Deutschen durch den Nominativ vertreten wird, aber im Lateinischen noch einige Formen bildet,
Instrumentalis auf die Frage womit? wodurch?, der im Deutschen mit Präpositionen umschrieben wird und im Lateinischen im Ablativ aufging,
Lokativ auf die Frage wo? (und wann?), der im Deutschen höchstens in Spuren wie „daheim“, „zu Hause“, „Tags darauf“ von „Heim“, „Haus“, „Tag“ noch erkennbar ist. Ein echter, aber vom Duden nicht sanktionierter Berliner Lokativ ist dagegen die Handy-Aussage „Ick bin Kutschi“ für „Ich bin am Kurt-Schumacher-Platz“. Latein hat noch Reste, setzt aber meist den Ablativ ein.
(Mehrzahl Numeri), das kann sein
Singular Einzahl (der Baum)
Plural Mehrzahl (die Bäume)
Manche Sprachen kennen noch den
Dual Zweizahl, um die Besonderheit eines zusammengehörigen Paares zu beschreiben. Ein ferner Abklatsch davon ist etwa „Hand“, „beide Hände“, „zwei Hände“ für Singular, Dual, Plural. Insofern ist „beide“ als Dual von „zwei“ der einzige deutsche Dual. Im Lateinischen haben wir noch zwei Vokabeln mit dekliniertem Dual, nämlich duo, „zwei“ und ambo, „beide“ und eine erstarrte Form, octo (nicht flektierbar „acht“, der Dual von quattuor, „vier“ - beide Hände ohne Daumen).
Manche Nomina sind
singulare tantum Einzahlwort; Mehrzahl: singularia tantum: Sie kommen nur in der Einzahl vor wie „Einigkeit“ und die meisten anderen Wörter auf -heit und -keit, Namen wie „Mars“, und - falls nicht in Fachsprachen oder poetisch eine Mehrzahl gebildet wird - Gattungsbegriffe wie „Sand“, „Schnee“, „Luft“) oder sie sind
plurale tantum Mehrzahlwort; Mehrzahl: pluralia tantum: Sie kommen nur in der Mehrzahl vor wie „Eltern“, „Sperenzchen“, „Fisimatenten“)
(Mehrzahl Genera), das kann sein
masculinum männlich (er, der Mann)
femininum weiblich (sie, die Frau)
neutrum sächlich (es, das Buch)
Das Geschlecht richtet sich dabei entweder nach der Wortform (dem Wortende), z.B. sind alle deutschen Substantive auf -chen neutrum („Hündchen“, „Mädchen“, „Schräubchen“), das ist das genus grammaticale (das grammatische Geschlecht), oder das Geschlecht richtet sich nach der Wortbedeutung, z.B. sind alle deutschen PKW männlich (der Mercedes, der Opel, der Cleo), dafür alle Motorzweiräder weiblich (die Harley-Davidson, die Horex, die Kreidler). Das ist das genus naturale (das natürliche Geschlecht).
Übrigens ist der deutsche Plural geschlechtslos! Es gibt immer nur eine Form für alle Geschlechter: „Die schönen Männer / Frauen / Mädchen“…
Adjektive (und später die Adverbien und die Verbform der Partizipien) kennen eine weitere Art der Flexion (Beugung), nämlich die Komparation (Steigerung) nach
Positiv Grundform (gut, geeignet)
Komparativ Vergleichsform (besser, geeigneter)
Superlativ Höchstform (best, geeignetest)
Verwendet man Komparativ und Superlativ nicht in Vergleichen, sondern zum Ausdruck von „ziemlich viel, sehr viel“, dann heißt diese Verwendung Elativ: „Eine ältere Dame spendete höchstes Lob.“
Bei einigen Wortarten, die zu den Nomina gezählt werden, werden Unter-Wortarten unterschieden. So kennt man bei den
- Substantiven das nomen proprium (Eigenname: „Hans“, „Deutsche“, „Anden“) neben dem Sachwort,
- Artikeln den bestimmten („das“) und den unbestimmten („ein“) - wie gesagt, nicht im Lateinischen,
- Pronomina eine ganze Reihe von Typen:
Pronomen personale persönliches Fürwort („ich“, „du“, „sie“)
P. reflexivum rückbezügliches („sich“)
P. possessivum besitzanzeigendes („mein“, „dein“, „ihr“). Auch das kann in der 3. Person reflexiv („sein Haus“) und nichtreflexiv („dessen Haus“) sein.
P. demonstrativum hinweisendes („dieser“, „jener“)
P. relativum bezügliches („derjenige, welcher“) Das gibt es auch als P. rel. indefinitum unbestimmt bezügliches („jeder, der“, „alles, was“)
P. interrogativum fragendes („wer?“ „was?“ „welches?“)
P. indefinitum unbestimmtes („jemand“, „jeder“, „niemand“, „keiner“, „nichts“)
P. correlativum wechselbezügliches („so, wie“, „so einer, wie“), auch wieder indefinit: „irgendsoeiner, wie“
Es gibt außerdem einige Adjektive und einige Adverbien, die den Pronomina so nahestehen, dass sie
Pronominaladjektiv „einer“, „allein“, „ein ganzer“, „ein anderer“ oder
Pronominaladverb genannt werden. Die Pronominaladverbien werden dabei genauso eingeteilt wie die Pronomina selber, also Interrogativa („wo?“ „wann?“), Demonstrativa („hier“, „dorthin“, „daher“, „ebendort“), Indefinita („irgendwo“, „anderswohin“) usw.
- Bei den Numeralia schließlich unterscheidet man
Cardinale Grundzahl („eins“, „zwei“, „drei“…)
Ordinale Ordnungszahl („der erste“, „zweitens“, „die dritten“…)
Distributivum Einteilungszahl („je ein“, „je zwei“…; „einfach“, „doppelt“, „dreifach“…)
Adverbiale Zahladverb („einmal“, „zweimal“, „dreimal“…)
Verben sind sehr viel formenreicher als Nomina. Zunächst einmal kennt man die Verbformen, die zu einer bestimmten Person („ich, du, er, sie, es…“) gehören, das sind die Formen des
„(auf die Person) begrenztes Verb“. Hier wird in Fünfteilung unterschieden
1.Person „ich laufe, wir laufen“
2.Person „du läufst, ihr lauft, lauf!“
3.Person „er läuft, sie laufen“
Das ist Singular („ich laufe“) oder Plural („wir laufen“) wie bei den Nomina. Den Dual („wir beide lieben einander“) als besondere Form überlassen wir dem Altgriechischen.
(Mehrzahl Tempora) Hier werden drei Hauptzeiten und drei Nebenzeiten unterschieden. Die Hauptzeiten sind
Präsens Gegenwart („ich liebe, du gehst“)
Imperfekt (Präteritum) Vergangenheit („ich liebte, du gingst“)
Futur (Futur I) Zukunft („ich werde lieben, du wirst gehen“)
Im Deutschen werden offensichtlich manche Formen (wie das Futur) nicht durch echte Beugung, sondern durch Umschreibung mit Hilfs-Verben („sein, werden, haben“) gebildet. Das ist generell in indogermanischen Sprachen so, wenngleich der Umfang dieses Hilfseinsatzes unterschiedlich ist.
Die drei Nebenzeiten sind
Perfekt vollendete Gegenwart („ich habe geliebt, du bist gegangen“)
Plusquamperfekt vollendete Vergangenheit („ich hatte geliebt, du warst gegangen“)
Futurum exactum (Futur II) vollendete Zukunft („ich werde geliebt haben, du wirst gegangen sein“)
Tatsächlich ist der Gebrauch der Tempora in verschiedenen Sprachen unterschiedlich, weil oft mehr ausgedrückt wird als nur die absolute oder relative Zeit:
„Er ist fortgegangen“ meint nicht das Gleiche wie „er ging fort“ - im ersten Fall klingt mit, dass er jetzt noch weg ist!
Zeitlose Wahrheiten stehen im Deutschen z.B. im Präsens („Helgoland ist eine Insel“) - weswegen „Du bist blöd“ als grundsätzliche Behauptung beleidigender ist als „Du warst (bei der gewissen Gelegenheit) blöd“ -.
Vergangenes wird im Deutschen im Imperfekt erzählt („Es war einmal…“), im Lateinischen aber im Perfekt usw.
Da diese versteckte Bedeutung häufig wichtiger ist als die bloße Zeitangabe, gibt es daher mitunter auch noch Verbformen, die mit Hilfsverben besondere Bedeutungen neben der Zeit beschreiben, wie im Englischen die Verlaufsform des Präsens I am doing neben I do oder im Lateinischen Umschreibungen mit der Bedeutung „ich will, beginne gerade zu tun“ oder „es muss getan werden“ neben „ich tue, es wird getan“. Solche Formen heißen periphrastisch (umschreibend).
(Mehrzahl Modi) Hier wird unterschieden zwischen
Indikativ Wirklichkeitsfom („du tust, du hast getan“)
Konjunktiv Möglichkeitsform („du tätest“, „du hättest getan“)
Imperativ Befehlsform („tu!“, „du sollst tun!“)
Imperative gibt es nur im Präsens und Futur I, Konjunktive nicht im Futur I und II.
Der Konjunktiv, der die Möglichkeit, die Nicht-Wirklichkeit oder den Wunsch ausdrückt, verwendet seine Zeiten im Deutschen viel stärker hierfür als für die Beschreibung der exakten Zeit. „Hätte er das getan“ ist nichtwirklich (er hat eben nicht), „würde er das tun“ ist möglich, „täte er das doch“ ist gewünscht.
Hier wird unterschieden zwischen
Aktiv Tatform („er wäscht“)
Passiv Leideform („er wird gewaschen“)
In manchen Fällen gibt es auch noch ein Medium „Mittelform“ („er wäscht sich“), wenn Aktiv und Passiv zusammenfallen. Es gibt auch Fälle, in denen die grammatische Form und die Bedeutung im Genus nicht übereinstimmen. Die deutsche Form „ich heiße Klaus“ ist beispielsweise der Form nach Aktiv, aber der Bedeutung nach Passiv (Sie bedeutet ja „ich werde (von anderen) genannt“ im Unterschied zum aktiven „ich heiße dich Adam“).
Verben mit dieser Besonderheit heißen Deponens (Mehrzahl Deponentia; im engeren Sinne sind dies allerdings nur die mit aktiver Bedeutung in passiver Form wie „ich werde verrückt“ in der aktiven Bedeutung „ich schnappe über“ im Gegensatz zur passiven Bedeutung „Der Schrank wird verrückt“.)
„unbegrenztes Verb“. Das sind also die Formen ohne bestimmte Person. Da haben wir
Infinitiv Nennform („lieben, geliebt haben, lieben werden, geliebt werden, geliebt worden sein…“) in Aktiv und Passiv und in den Zeiten Präsens, Perfekt und Futur.
Partizip Mittelwort. Das sind vom Verb abgeleitete Adjektive („liebend, geliebt“) in Präsens Aktiv, Perfekt Passiv, im Lateinischen auch Futur Aktiv und allen Formen wie ein Adjektiv.
Gerundium Das ist der als Substantiv verwendete Infinitiv. Im Deutschen erkennt man ihn an der Großschreibung: Von „zu lieben“ wird das Gerundium „das Lieben, des Liebens…“ gebildet, also alle Formen eines Singular neutrum.
Gerundivum ist entsprechend die als Adjektiv verwendete Form. Sie tritt im Deutschen nur in Umschreibungen noch auf: „Ein liebenswürdiger Freund“ (von „lieben“: ein „zu liebender“), „ein achtbarer Mensch“ (von achten: ein „zu achtender“) vermittelt etwas hiervon.
Supinum Auch ein weiteres vom Infinitiv abgeleitetes Substantiv „das 'zu lieben'“ ist selbst dort, wo es noch vorkommt (im Lateinischen z.B.) sehr selten und auf manche Redewendungen beschränkt. Im Deutschen wird meist der Infinitiv selbst verwendet: „Um zu bestehen, muss man…“ (= „Für das Bestehen muss man…“) „Es ist fürchterlich zu hören, dass der Unfall…“ (im Gegensatz zum „echten“ Infinitiv „Die Band ist fürchterlich (schlecht) zu hören“.)
Die Satzlehre als zweites Teilgebiet der Sprachlehre behandelt Satzteile und Satzkonstruktionen. Entsprechend ist bei der Frage nach einem Wort im Satz sorgfältig zu unterscheiden zwischen seiner Grammatik und seiner Syntaxfunktion, sonst landet man sehr schnell in Teufels Küche (und zwar am unteren Ende der Gabel). In „Der Bauer pflügt“ ist „der Bauer“ also von der Grammatik her Nominativ Singular masculinum, von der Syntax her aber Satzgegenstand, so wie „pflügt“ einerseits 3. Person Singular Indikativ Präsens Aktiv und andererseits Satzaussage ist. Natürlich gibt es Verbindungen, beispielsweise steht ein Satzgegenstand regelmäßig im Nominativ.
Ein einfacher (nicht erweiterter Satz) kommt in den drei Spielarten
expressio Aussagesatz „Der Bauer pflügt.“
rogatio Fragesatz „Pflügt der Bauer?“
imperativa Befehlssatz „Pflüge!“
vor. Nachdem die Byzantiner die Satzzeichen erfunden haben, erkennt man die Spielart leicht am Satzende. Bei den Fragesätzen wird übrigens zwischen Wortfragen (mit Fragewort: „Wer hat wem was wie weggenommen?“) und Satzfragen (der ganze Satz wird ohne Fragewort in Frage gestellt: „Hast du…?“) unterschieden.
Auch der einfache Satz enthält grundsätzlich die beiden grundlegenden Satzteile
Subjekt Satzgegenstand (auf die Frage „wer oder was …?“) und das
Prädikat Satzaussage (auf die Frage „was wird getan?“).
Alle übrigen Satzteile werden dann als Erweiterung eines dieser beiden Satzteile eingeführt werden.
Das Prädikat kommt in zwei Spielarten vor, der Art mit einem Vollverb in finiter Form („Er tut, tat, täte…“) und der Art mit Nomen und Hilfsverb („Er ist krank, war Bauer, wäre gesund“). Im zweiten Fall unterscheidet man
Prädikatsnomen, eben dieses Nomen im Prädikat, und
Kopula die „Kopplung“, also die Hilfsverbform.
Es ist Ansichtssache, wie man angesichts der Behauptung, Sätze hätten immer Subjekt und Prädikat, Sätze behandelt, in denen Satzgegenstand oder Satzaussage offenbar fehlen. Befehlssätze scheinen z.B. kein Subjekt zu haben. Hier wird behauptet, das „du“ stecke im Imperativ. Im Lateinischen kommt so etwas auch bei Aussagesätzen oft vor: „amas“ „du liebst“.
In anderen Fällen fehlt die Kopula (bei Sätzen vom Typ „Ende gut, alles gut.“) Hier wird Ellipse (Auslassung) angenommen, das heißt, die geplagten Grammatiker behandeln den Satz, als wäre er vollständig. Aber Prachtstücke der Prosa wie „Abfahrt Hamburg 7h30, Ankunft Altona 7h45“ sind kein Satz!
Jedes Nomen (also zunächst das Nomen des Subjekts oder das Prädikatsnomen) kann erweitert werden, zum Beispiel durch Adjektive, Partizipformen oder andere Nomina: „Der Bauer“ > „Der fleißige Bauer, der arbeitende Bauer, der dritte Bauer, der Bauer Meyer, der Bauer dieses Gutsherren…“ „Er ist Schmied“ > „Er ist ein guter Schmied, seines Glückes Schmied, der Schmied des Dorfes, der einzige Schmied im Umkreis“…
So etwas heißt Attribut (Beifügung). Das Attribut gehört mit zu dem Satzteil, zu dem das Nomen gehört, welches näher bestimmt wird. Attribute von Attributen sind durchaus üblich: „Der Knopf der Uniform des großen Kurfürsten…“ (Uniform zu Knopf, Kurfürst zu Uniform, groß zu Kurfürst; alles zusammen ist ein zusammengesetztes Attribut zu Knopf).
Wenn ein Attribut aus einem Substantiv im gleichen Casus, Numerus und (möglichst) Genus wie das Bezugswort besteht, dann heißt dies als Unterform des Attributs eine Apposition („an-die-Seite-Stellung“) (Der Bauer Hans; der Bauer, mein Freund; das Ehepaar Schulze, meine Gäste; das Haus des Meisters Eder …)
Es gibt drei typische Erweiterungen von Verbformen (also beispielsweise von Prädikaten). Sie werden zu dem Satzteil gerechnet, zu dem auch die Verbform gehört.
Erstens kann die Verbform von einem Nomen begleitet werden, das bezeichnet, worauf sich die Tätigkeit bezieht: „Ich wasche das Kind, sage es dem Vater, gedenke des Verstorbenen…“ Diese Erweiterung heißt Objekt. Objekte stehen immer in einem für die Situation typischen Casus, der allerdings niemals ein Nominativ (oder Vokativ) ist. Deswegen werden diese objektbildenden Fälle als Casus obliquus (abhängiger Fall; Mehrzahl „Casūs obliqui“) dem Casus rectus („aufrechter“ Fall) Nominativ/Vokativ gegenübergestellt. Welche Objekte im Einzelnen Genetivobjekt, Dativobjekt, Akkusativobjekt sein sollen, hängt im Regelfall vom Verb ab.
Grundsätzlich wird das Akkusativobjekt das unmittelbare Ziel der Handlung bezeichnen und daher direktes (unmittelbares) Objekt genannt. Das Dativobjekt beschreibt, wem die Handlung nützt, schadet, zukommt… und wird daher indirektes (mittelbares) Objekt genannt. (Ebenso das seltene Genetivobjekt, das beschreibt, wessen man begierig, kundig, eingedenk, teilhaftig, mächtig, voll… ist).
Verben, die direkte Objekte führen können (und nur die!) pflegen ein vollständiges Passiv auszubilden. Sie heißen transitives Verb (Gegensatz: intransitives Verb): „Ich male das Bild“ > „Das Bild wird von mir gemalt“ gegenüber „Sie gefällt dem Jüngling“ > nix mit Passiv.
Es gibt viele Fälle, in denen mehrere Objekte auftreten: Ich nenne ihn Hans, gebe ihm das Brot, es gereicht ihm zum Vorbild…
Zweitens kann zu der Verbform eine adverbielle Bestimmung treten. Diese Bestimmung gibt Antwort auf die Frage der Umstände der Handlung. „Adverbiell“ heißt „zum Verb“ und so trifft es sich günstig (ist aber eher zufällig), dass viele adverbielle Bestimmungen aus Adverbien bestehen („oft, hier, günstig“). Die adverbiellen Bestimmungen können aber auch aus einer Präposition und einem Nomen bestehen („auf dem Dach, während des Regens, ins Haus“). Die adverbiellen Bestimmungen werden nach der Art der Bestimmung in unübersichtlich viele Arten eingeteilt (die später im Zusammenhang mit Nebensätzen wichtig werden):
Adverbielle Bestimmung
lokal des Ortes („hier, dorthin, von drüben, ins Gras…“);
temporal der Zeit („heute, seit gestern, im Mai, davor, danach“) mit den drei Untertypen
iterativ der Wiederholung („jedes Mal, immer wieder“),
inversiv des jähen Wechsels („plötzlich, unerwartet“),
koinzident des Zusammenfallens („gleichzeitig, während des …, zusammen mit…“);
kausal des Grundes („darum, wegen des Regens“);
final des Zieles (Zweckes) („dafür, zur Vermeidung von…“);
konsekutiv der Folge („damit, dadurch“)
konzessiv der Einräumung („abgesehen von…, trotz der…, obgleich“)
komparativ des Vergleichs („so - wie“)
Die dritte Art der Verberweiterung nimmt eine Mittelstellung zwischen Attribut und adverbieller Bestimmung ein: Das Prädikativum erweitert das Prädikat mit einer Beifügung zu einem anderen Nomen (meist dem Subjektsnomen): „Der Hirsch wurde lebendig gefangen.“ Das ist kein Attribut (müßte ja heißen: „Der lebendige Hirsch wurde gefangen“) und keine adverbielle Bestimmung (der Hirsch war lebendig, nicht das Fangen!)
Das ist es eigentlich mit den Satzteilen im einfachen oder erweiterten Satz. Es gibt noch ein paar Einwürfe und Einschübe, die offiziell nicht als Bestandteil des Satzes und daher nicht als Satzteil zählen wie die Verwendungen von Vokativen oder Interjektionen. (Im Deutschen werden sie daher mit Komma, Klammern, Gedankenstrichen vom Satz getrennt:) „Holger, komm her!“ „Pfui, schäm dich!“
Alle Satzteile und Teile von Satzteilen können in Reihungen und Aufzählungen auftreten; soweit hier Konjunktionen verwendet werden, gehören sie zum Satzteil. z.B. gereihtes Prädikat: „Er kam, sah und siegte.“ Auch die einfachen oder erweiterten Sätze (zusammengefasst: „die Hauptsätze“) können gereiht werden. Die Konjunktionen werden dann meist nicht zu einem der Sätze gezählt: „Ich gehe ins Kino und du gehst zu Klaus“.
Bleibt der zusammengesetzte Satz, die Periode. Sie ist aus Haupt- und Nebensätzen zusammengesetzt.
Grundregel ist hierbei: Jeder Satzteil eines Satzes kann durch einen Nebensatz ersetzt (oder ergänzt) werden.
Nebensätze sollten also nichts Neues bringen. Gemein ist nur, dass Nebensätze auch Sätze sind, deren Satzteile also durch Nebensätze (zweiten Grades) ersetzt werden können usw.
Die Nebensätze werden entweder nach der Art des ersetzten Satzteiles oder, im Falle der adverbiellen Bestimmung, nach deren Art benannt. So entstehen z.B.
Subjektssätze „Wer das liest, ist doof.“
Attributssätze (Relativsätze) „Der Bauer, dessen Hof versteigert wurde, …“
Objektsätze „Sage mir, wo du warst, wem du begegnet bist und ob du Hunger hast.“ (indirekte Fragen) „Dies bewirkt, dass die Tür zugeht.“
Prädikatserweiterungen (für ein Prädikatsnomen) „Die Sache ist, dass wir kein Geld haben.“
Konjunktionalsätze Das sind die eine adverbielle Bestimmung ersetzenden Nebensätze. Sie heißen so, weil sie mit typischen Konjunktionen beginnen:
lokal des Ortes („wo das passierte,…“);
temporal der Zeit („als das passierte, nachdem das passierte, bevor das passierte,…“) mit den drei Untertypen
iterativ der Wiederholung („jedes Mal, wenn das passierte; sooft das passierte,…“),
inversiv des jähen Wechsels („als plötzlich das passierte; kaum, als es passierte,…“),
koinzident des Zusammenfallens („indem das passierte, während das passierte,…“);
kausal des Grundes („weil das passierte,…“);
final des Zieles (Zweckes) („damit das passiert,…“);
konsekutiv der Folge („so dass das passiert,…“)
konzessiv der Einräumung („obwohl das passierte,…“)
komparativ des Vergleichs („je eher das passiert, desto…“)
Die Beispiele erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit!
Bemerkenswert ist oft die consecutio temporum (Zeitenfolge). Gemeint ist die Wechselwirkung des Tempus in Haupt- und Nebensatz in Abhängigkeit von der relativen Zeit:
„Er betritt das Haus, nachdem er sich die Schuhe abgetreten hat,
als er die offene Tür erblickt,
bevor er seinen Mantel ablegen wird. Hauptsatz im Präsens, vorzeitiger Nebensatz im Perfekt, gleichzeitiger im Präsens, nachzeitiger im Futur.
Aber da wird im Deutschen sehr stark geschludert (insbesondere, wenn es gilt, Futura zu vermeiden).
Und schließlich können Sätze Konstruktionen enthalten. Darunter versteht man die Verwendung bestimmter Casus oder Verbformen in einer für die jeweilige Sprache typischen (also oft schwer übersetzbaren) Weise. Die Konstruktion ersetzt einen Satzteil wie ein Nebensatz.
Eine typische deutsche Konstruktion ist z.B. die Infinitiv-Konstruktion mit „um - zu“ stellvertretend für einen Finalsatz: “Um früh heimzukommen, wählten sie eine Abkürzung„. Die Rechtschreibreform erlaubt übrigens das Fortlassen des Kommas, denn formal liegt ja kein eigener (abzutrennender) Nebensatz vor!
Eine andere Konstruktion (um noch eine aus dem Bereich der Nomina zu bringen) ist die des Dativs aus finalen Gründen (zur Betonung des Wunsches): „Dass du mir ja früh nach Hause kommst!“ Dieser nur mit Mühe mit üblicher Syntax erklärbare Dativ heißt übrigens Dativus ethicus.
Konstruktionen muss man also einzeln kennen lernen; sie gehorchen keiner sprachübergreifenden Regel. Typische lateinische Konstruktionen sind zum Beispiel der Ablativus absolutus (Abl.abs.) statt einer adverbiellen Bestimmung oder ein Accusativus cum infinitivo (AcI) als Objektersatz.