Γραικύλος schrieb am 06.03.2024 um 00:32 Uhr (Zitieren)
5 Moses = Deuteronomium 28:
Deutlich wird hier auch die Tendenz, jede das jüdische Volk ereilenden Katastrophe, um sie nicht Gottes Untreue zuschreiben zu müssen, auf einen Bruch des Bundes durch die Juden selbst zurückzuführen.
Re: Gottes Segen und Fluch #4
Marcella schrieb am 06.03.2024 um 11:47 Uhr (Zitieren)
Dazu kommt, dass Gott hier unverhältnismäßig mehr Drohungen und Flüche ausstößt als Segensverheißungen - gefühlt im Verhältnis 1:4.
Achtung: Schwarze Pädagogik!
Und im Erfinden von immer neuen Heimsuchungen ist er großartig!
Re: Gottes Segen und Fluch #4
Johannes schrieb am 06.03.2024 um 13:59 Uhr (Zitieren)
Die Frage ist nach dem Sitz im Leben und aus welchen Köpfen das zu welchen Zwecken stammt.
Dass so ein naiver Rachegott überwunden werden muss, ist nur eine Frage der Zeit.
Mit dem NT sollte sich das erledigt haben.
Mit dem banalen Tun-Ergehens-Zusammenhang kommt man auch ohne ihn aus.
Alles hat seine Folgen, im Guten wie im Bösen.
Re: Gottes Segen und Fluch #4
Γραικύλος schrieb am 06.03.2024 um 14:35 Uhr (Zitieren)
Ganz so steht es wohl nicht.
1. Schon im Judentum gab es Bestrebungen, dieser "Moses-Tradition" ein "Zurück zu Abraham!" entgegenzusetzen.
2. Dieser Dualismus von Verheißung und Drohung findet sich ja durchaus auch im NT, insbesondere in den häufigen Erwähnungen von Gericht und Hölle.
3. Die drei abrahamitischen Religionen - Judentum, Christentum und Islam - haben alle eine Sprache der religiös grundierten Gewalt entwickelt, die in ihren fundamentalistischen Spielarten bis heute zum Zuge kommt.
Ich empfehle:
Jan Assmann: Totale Religion. Wien ³2018
Re: Gottes Segen und Fluch #4
Johannes schrieb am 06.03.2024 um 15:49 Uhr (Zitieren)
Das hast du schon Recht, aber der Grundtenor ist ein anderer als im AT.
Zudem wäre zu klären, wieviel davon dem historischen Jesus definitiv zuzuordnen ist und was nur nachösterliche Gemeinde-Theologie ist, die interessengeleitet ist.
Ohne Mindestdruck funktioniert keine Gesellschaft, v.a. wenn sie immer größer wird.
Da müssen Normen her und Sanktionen, weil die Liebesfähigkeit des Menschen
schnell an ihre Grenzen gerät, v.a. wenn es ums nackte Überleben geht.
Erst kommt das Fressen, dann die Moral.
Wer verhungert ist, braucht keine Moral mehr.
Das ist die normative Kraft des nüchtern Faktischen.
Assman starb kürzlich, wie ich las.
Re: Gottes Segen und Fluch #4
Γραικύλος schrieb am 06.03.2024 um 16:09 Uhr (Zitieren)
Assmann zieht die von Carl Schmitt eingeführte Kategorie des Ernstfalls heran: Eine "puritanische Verschärfung" von Religion entsteht vor allem in einer Krise. Wie etwa heute im Islam angesichts einer (gefühlten oder wirklichen) Bedrohung durch "den Westen".
Bei den Juden damals waren es: die Eroberung durch die Assyrer, dann durch das Neubabylonische Reich (danach ist das 5. Buch Moses entstanden), später (zur Zeit des Makkabäer-Aufstandes) auch eine interne Bedrohung durch reform- und assimilationsbereite Juden.
Jan Assmanns Bücher kann ich nur empfehlen. Er hat sich ja vom Fach-Ägyptologen, auch unter dem Einfluß seiner Frau Aleida, zum Kulturwissenschaftler entwickelt, mit einem starken Akzent auf der Achse Ägypten - Israel.
Was Assmann übrigens noch erwähnt, ist die Schrift "De ira Dei" des Laktanz. Eine wichtige Passage daraus habe ich hier schonmal vorgestellt: