Γραικύλος schrieb am 19.10.2021 um 15:27 Uhr (Zitieren)
Bezug auf:
Auch wenn der Hippokratische Eid die Abtreibung verbietet [ὁμοίως δὲ οὐδὲ γυναικὶ πεσσὸν φθόριον δώσω], befassen sich sehr viele medizinische Werke der Antike mit Empfängnisverhütung und Abtreibung. Hopkins hat 22 medizinische Autoren untersucht und ist bei 15 auf die Angabe von Abtreibungsmethoden gestoßen, bei 11 auf empfängnisverhütende Methoden.
Es gab wohl einen Bedarf nach Familienplanung oder sonstige Verhütung unerwünschten Nachwuchses.
In vielen und gerade in nichtmedizinischen Werken wird nicht einmal so klar zwischen Abtreibung (φθόριον) und Empfängnisverhütung (ἀτόκιον) unterschieden, wie Soranos von Ephesos es tut.
Empfängnisverhütung setzt zudem ein gewisses Verständnis der Art, wie Empfängnis stattfindet, voraus, worüber Kenntnisse in der antiken Bevölkerung vermutlich nicht sehr verbreitet waren, im Vergleich zu magischen und religiösen Vorstellungen. Hopkins zitiert einen anderen Wissenschaftler, der 260 Hypothesen über die Fortpflanzung gezählt habe.
Obendrein sind die von Ärzten empfohlenen Mittel zur Empfängnisverhütung von sehr unterschiedlicher Qualität, wobei diese Qualität wiederum von Ärzten nur schwer, von der sonstigen Bevölkerung kaum zu überprüfen war, denkt man an all die komplizierten Wege, auf denen eine Schwangerschaft eintreten oder eben nicht eintreten kann. Ist ein Mann, eine Frau unfruchtbar, hat der Verkehr zu einem ungeeigneten Zeitpunkt stattgefunden oder war das Mittel erfolgreich? Ein Mann verwendet ein solches Mittel, seine Partnerin wird dennoch schwanger – hatte sie noch mit einem anderen Mann Umgang? Derlei ist schwer zu entscheiden.
In welchem Umfang tatsächlich abgetrieben wurde bzw. empfängnisverhütende Mittel eingesetzt wurden, ist kaum zu bestimmen. Hopkins nimmt an, daß die späte Republik und die frühe Kaiserzeit wegen ihres Skeptizismus, ihrer eher rationalen Einstellung und des promisken Sexualverhaltens dem Konzept der Nachwuchsplanung bzw. -verhinderung günstig waren, während in der frühen Republik und der späten Kaiserzeit religiöse Weltbilder und rigidere Sexualmoral dominierten, in letzterer auch unter dem zunehmenden Einfluß des Christentums.
Daß Augustinus nach einer dreizehnjährigen Beziehung zu einer Konkubine und mehreren Affären nur einen Sohn hatte, gibt freilich zu denken.
Antike Autoren, selbst Satiriker, äußern sich nur selten zu dieser Praxis. Daß z.B. Augustus sich durch eine eigene Gesetzgebung um die Erhöhung der Kinderzahl bemühte, deutet an, daß sie zumindest in den höheren Gesellschaftsschichten, um es ihm ging, verbreitet war. Selbst eine so naheliegende Methode zur Empfängnisverhütung wie der coitus interruptus darf – wie auch der Vergleich verschiedener Kulturen zeigt – nicht ohne weiteres als weithin bekannt und praktiziert vorausgesetzt werden. Speziell in Rom gibt es keinen Nachweis dieser Methode.
In den meisten vorindustriellen Gesellschaften und so vermutlich auch in der Antike überwogen Abtreibung und Kindstötung die weitaus unsicherere Empfängnisverhütung. Dem entspricht auch die oben angegebene häufigere Erwähnung der Abtreibung in medizinischen Werken.
Re: Nachwuchsplanung in der Antike
Γραικύλος schrieb am 19.10.2021 um 18:15 Uhr (Zitieren)
Γραικύλος schrieb am 19.10.2021 um 18:42 Uhr (Zitieren)
Das Kapitel über den Gebrauch der Abortiva und der Mittel, welche die Conception verhindern, findet sich in der "Gynäkologie" des Soranos unter XIX, §§ 60-65.