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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd (595 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 28.11.2023 um 12:42 Uhr (Zitieren)
Palaiphatos (4. Jhdt. v.u.Z.?): Unglaubliche Geschichten:
Man sagt, dass die Achaier, die als Helden in dem hohlen hölzernen Pferd [ἐν ξυλίνῳ κοίλῳ ἵππῳ] waren, Ilion [Troia] niederwarfen. Allzu mythenhaft ist diese Sage.

Die Wahrheit ist vielmehr folgende: Sie bauten ein hölzernes Pferd mit Rücksicht auf das Maß der Tore, damit es nicht hineingezogen werden und so [in die Stadt] kommen könne, sondern sie an Größe überrage. Die Scharführer [aus dem griechischen Argos] aber lagerten sich in einem Hohlweg bei der Stadt, der bis heute Argeier-Hinterhalt [Ἀργείων λόχος] heißt. Da kommt ein Überläufer von den Argeiern, Sinon, [zu den Troern] und sagt ihnen, gemäß einem Orakel würden für den Fall, dass sie das Pferd nicht in die Stadt einbrächten, die Achaier zurückkehren, wenn sie es aber hineinbrächten, würden sie nicht mehr kommen. Die Troer hören dies, reißen die Mauer ab und führen das Pferd hinein. Gerade, als sie [diesen Erfolg] feiern, fallen die Hellenen durch das Mauerstück ein, das jene abgerissen hatten – und so wurde Ilion eingenommen.

[16]

Auffallend, daß dieser Entmythologisierer den Trojanischen Krieg als solchen für historisch hält.
Re: Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd
Marcella schrieb am 29.11.2023 um 07:56 Uhr (Zitieren)
Aber welch ein respektloser Blick auf den Mythos!
Dieser Palaiphatos will wissen, was wirklich dran ist.
Solche textkritschen Fragen bezüglich der Bibel führten ab dem 18. Jahrhundert dazu, dass die Autorität der Kirchen untergraben wurde.
Re: Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd
filix schrieb am 29.11.2023 um 18:42 Uhr (Zitieren)
Wer hat eigentlich aufgebracht, dass das hözerne Pferd eigentlich ein Schiff(styp) war?
Re: Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd
Bukolos schrieb am 29.11.2023 um 22:33 Uhr (Zitieren)
Zitat von Γραικύλος am 28.11.23, 12:42Auffallend, daß dieser Entmythologisierer den Trojanischen Krieg als solchen für historisch hält.

Auch Herodots und Thukydides' rationalisierende Überschreibungen des Trojamythos melden ja keinen Zweifel an der Historizität des Trojanischen Krieges selbst an. (Ob man überhaupt einen antiken Text findet, der das Ereignis an sich in Zweifel zieht?) Bei Palaiphatos ergibt sich schon aus der Prämisse des εἰ μὴ ἐγένετο, οὐκ ἂν ἐλέγετο (praef.), dass zwar falsch ist, wie die Trojasage erzählt wird, nicht aber dass sie erzählt wird.
Re: Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd
Bukolos schrieb am 29.11.2023 um 22:40 Uhr (Zitieren)
Zitat von Bukolos am 29.11.23, 22:33ergibt sich

sc. für ihn
Re: Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd
Bukolos schrieb am 29.11.2023 um 22:43 Uhr (Zitieren)
..., nicht aber, dass ...
Re: Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd
Γραικύλος schrieb am 30.11.2023 um 14:09 Uhr (Zitieren)
An filix:

Von dieser Annahme, es sei ein Schiffstyp gewesen, habe ich irgendwo einmal gelesen. Weißt Du etwas Näheres darüber?

An Bukolos:

Um sagen zu können, wie weit die Antike mit der Entmythologisierung ging, müßte man m.E. zunächst sagen, was man im Hinblick auf den Trojanischen Krieg darunter versteht. Palaiphatos subtrahiert die Krieger im Pferd, behält aber das Pferd bei. Die Amazonen (und damit die Penthesilea-Episode) leugnet er.
So kann man ja weiter fragen: Wie steht es mit dem Urteil des Paris? Wie mit dem Einwirken der Götter? Wie mit der Existenz bestimmter Helden wie Achill und Odysseus?
Unter Umständen behält man dann nur einen Krieg zwischen Griechen und Trojanern um irgendetwas, und das wäre dann die komplette Entmythologisierung. Zwischen dieser und Homer gibt es zahlreiche Zwischenstufen, also sozusagen partielle Entmythologisierungen.
Re: Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd
filix schrieb am 30.11.2023 um 16:30 Uhr (Zitieren)
Some authors have suggested that the gift might also have been a ship, with warriors hidden inside.[16] It has been noted that the terms used to put men in the horse are those used by ancient Greek authors to describe the embarkation of men on a ship and that there are analogies between the building of ships by Paris at the beginning of the Trojan saga and the building of the horse at the end;ships are called "sea-horses" once in the Odyssey. This view has recently gained support from naval archaeology: ancient text and images show that a Phoenician merchant ship type decorated with a horse head, called hippos ('horse') by Greeks, became very diffuse in the Levant area around the beginning of the 1st millennium BC and was used to trade precious metals and sometimes to pay tribute after the end of a war.That has caused the suggestion that the original story viewed the Greek soldiers hiding inside the hull of such a vessel, possibly disguised as a tribute, and that the term was later misunderstood in the oral transmission of the story, the origin to the Trojan horse myth.


Die unter [16] in der engl. Wikipedia angegebene Quelle aus 2004 lässt sich allerdings nicht mehr einsehen, ihr Autor ist offenbar Biochemiker und Hobbyhistoriker. Ich bilde mir allerdings ein, die These schon einmal früher gelesen zu haben, weiß allerdings nicht mehr wo.



Zur Frage, ob es in der Antike Zweifel an der Historizität des Trojanischen Krieges gegeben hat, bringt James I. Porter in Homer: The very idea (2023, S. 160f.) folgende, ich würde sagen gewagte Montage unterschiedlicher Typen des Zweifels:

Modern scholars tend to deny that the historicity of Troy was ever questioned in antiquity, but the facts tell a different story. Stesichorus radically reimagined the Trojan War. Early allegorists from the sixth to fifth century could dismiss the Iliad's surface nar-rative as a pretense: the poem for them was not about war; it was a map of the physical and moral universe. Lucretius insisted that historical events, strictly speaking, are not real (per se) existents (atoms and void) but only ephemeral accidents with a qualified claim to reality, and he gave as his star examples the abduction of Helen and the Trojan War.

The Roman Stoic Epictetus dismissed Homer's poems as being about "things which neither exist nor ever will;' much as a later philosophical commentator, Hermias, would do on Neoplatonic grounds in the early fifth Century.

What Dio Chrysostom thought about the historicity of the Trojan War is unclear, but his dim view of Homer's veracity speaks for itself: turning the plot of the Iliad inside out, Dio declared Homer's poetry to be "a kind of dream, an obscure and vague one at that."
Re: Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd
Bukolos schrieb am 30.11.2023 um 23:07 Uhr (Zitieren)
Zitat von filix am 30.11.23, 16:30James I. Porter in Homer: The very idea (2023, S. 160f.)

Danke dafür!

Zitat von filix am 30.11.23, 16:30Die unter [16] in der engl. Wikipedia angegebene Quelle aus 2004 lässt sich allerdings nicht mehr einsehen

Wer die Zumutungen von academia[dot]edu nicht scheut, kann das Bändchen dort erhalten: https://www.academia.edu/31442546/Troy_c_1700_1250_BC

Die Stelle, auf die der Wikipedia-Artikel sich bezieht, lautet:

The Horse can, of course, be explained away as a ship. Apollodoros (Epitome 5.15) describes the process of putting men inside the Horse with the word embibazo, a term regularly used of putting men on board a ship. Homer does say ships 'serve as horses' (Odyssey 4.708) for men crossing the sea. Euripides compares the Horse to a 'dark ship' (Trojan Women 539), and in an inspired moment Tryphiodoros calls it a 'vessel' (Taking of Ilios 185), while Quintus Smyrnaeus (Fall of Troy 12.427-34) elaborately likens its entry into Troy to a ship launching. (S. 51-52)

Die Ausführungen reproduzieren teilweise jene auf den δουράτεος ἵππος gemünzte Schiffsmetaphorik, die vorher von Michael J. Anderson (The Fall of Troy in Early Greek Poetry and Art, Oxford 1997) gesammelt präsentiert wurde, der erklärt: "[W]e might now perceive the horse as a kind of ship in disguise" (S. 22). Aber die Idee ist, sofern sie von dem bekannten Hohlraumexperten stammt, etwa anderthalb Jahrzehnte älter:

The Trojans thought they had enough food but had not reckoned on the people besieging them having these large ships. The Trojan horse was the large wooden ship—that did the task of horse—out of whose belly poured armed troops. (R. Buckminster Fuller, Critical Path, New York 1981, S. 69 f.)

Bei Palaiphatos gibt es übrigens ebenfalls ein Pferd, das ein Schiff ist.
Re: Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd
Bukolos schrieb am 30.11.2023 um 23:24 Uhr (Zitieren)
... task of horses ...
Re: Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd
Γραικύλος schrieb am 30.11.2023 um 23:49 Uhr (Zitieren)
Mit der Annahme eines "Trojanischen Schiffes" habe ich drei Probleme:
1. Wieso wäre für ein Schiff eine eigener Erfinder erforderlich gewesen (Epeios), der ja schon bei Homer erwähnt wird und z.B. bei Quintus Smyrnaeus sogar einen großen Auftritt hat?
2. Wie kann man in einem Schiff der damaligen Zeit effektiv Leute verstecken und sich einigermaßen sicher sein, daß sie nicht entdeckt werden?
3. Selbst wenn man annimmt, daß manche Stellen auch (!) auf ein Schiff passen, tun es andere eindeutig nicht, wenn nämlich eindeutig von einem Pferd die Rede ist.
Re: Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd
Γραικύλος schrieb am 01.12.2023 um 00:49 Uhr (Zitieren)
Zu 2.:
Wer immer ein Schiff übernimmt, wird es doch von oben bis unten durchsuchen.
Re: Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd
Bukolos schrieb am 01.12.2023 um 11:21 Uhr (Zitieren)
Und dennoch soll sich Entsprechendes 1590 in Breda zugetragen haben. Der Vergleich mit dem unheilschwangeren Pferd lag übrigens auch für Zeitgenossen auf der Hand:

Iam credi res gesta licet, non vana poësis,
Machina Troiani qua celebratur equi.
Quem foetum hostibus, et fatali funere Troiae,
Ipsa intra muros traxit, et arce stitit.
Hoc Herauguerus meruit, qui talibus ausis
Tale edi facinus posse reapse probat.
Cum navi occultus, quanque ipse attraxerat hostis,
Bredae ausu simili illabitur, et potitur.
Hoc differre tamen: quod Troia hoc corruit astu:
Sed Breda excusso est libera facta iugo.

Aber das Problem des narrativen Theseusschiffs (Welche Elemente einer Erzählung lassen sich austauschen, so dass man dennoch von derselben Erzählung sprechen kann?), das du weiter oben mit Blick auf Mythenrationalisierungen angeschnitten hast, sollte doch auch bei der Schiffsthese wirksam sein.
Re: Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd
Γραικύλος schrieb am 01.12.2023 um 15:02 Uhr (Zitieren)
Witzig, der Breda-Fall.

Bei der Mythenkritik zum Trojanischen Krieg kann ich mir recht einfach alle möglichen Zwischenstufen von "irgendein Krieg um Troja" bis zu "persönliches Eingreifen des Ares auf dem Kampfplatz" als für wahr gehalten vorstellen. Ja, ein narratives Theseusschiff.

In dem anderen Fall, dem von Pferd oder Schiff, fällt mir das nicht leicht. Wir heute können in den Texten verschiedene Deutungsmöglichkeiten sehen, aber den damaligen Autoren muß doch entweder ein Pferd oder ein Schiff vorgeschwebt haben. Selbst wenn man metaphorisch ein Schiff als Seepferd bezeichnen konnte.
Und der Epeios-Aspekt macht für mich klar, daß es sich um eine spektakuläre, technisch umzusetzende Erfindung gehandelt haben muß, nicht bloß den Einfall, ein Schiff auf ungewöhnliche Weise einzusetzen. Wie gesagt, in der Intention der damaligen Autoren.
Re: Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd
Γραικύλος schrieb am 01.12.2023 um 15:37 Uhr (Zitieren)
Aus Anlaß des Breda-Falles: Das "Trojanische Schiff", sofern es eines gewesen sein sollte, konnte - anders als in Breda - nicht relativ unauffällig in die Stadt navigieren; vielmehr müßten es die Trojaner in ihre Stadt gezogen haben. Ohne vorherige Prüfung seines Inhaltes?
Re: Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd
filix schrieb am 01.12.2023 um 19:43 Uhr (Zitieren)
Von einer genialen Erfindung* ist wenigstens bei Homer ausdrücklich nirgendwo die Rede, ein Schiff baut sich, ist es auch längst erfunden, allerdings nicht von selbst, das erfordert spezielle Fertigkeiten**, die nicht jeder mitbringt. Epeios zimmert die hölzerne Falle nach Od. 8.493 mit der Hilfe Athenes, die wiederum u.a als Schutzherrin des Schiffsbaus, die Beistand beim Bau bei der Argo leistete oder diese sogar selbst selbst baute, gilt, genoss aber auch als Herrin der Pferde*** kultische Verehrung. Mit anderen Worten, der Raum für Spekulationen ist ziemlich groß.


* »Adolf Kleingünther, who devoted a monograph to the conceptual and literary pattern of the "first inventor," attempted to examine the ancient source of this literary form in the period before the development of these complex catalogues of inventors. He argued that, although this genre was especially prominent in Greek literature and even considered quint-essentially Greek, it cannot be found in Homer or Hesiod.«

** » In these works, neither humans nor gods invent things, rather they are blessed with special expertise. In several places, Homer told how Athene and Hephaestus endowed an artisan with special talent (Od. 6. 131-134; 7.110; 20.72; cf. I/. 5.59-60; 15.411; Od. 8.493), though no invention is described.« (Guy Darshan: Stories of Origins in the Bible and Ancient Mediterranean Literatur, S. 153f.)


*** https://www.jstor.org/stable/24812331[/sub]
Re: Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd
filix schrieb am 01.12.2023 um 19:46 Uhr (Zitieren)
*sie genoss …
Re: Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd
Γραικύλος schrieb am 01.12.2023 um 19:55 Uhr (Zitieren)
Sing vom Gefüge des Pferdes aus Balken [ἵππου δουρατέου]!
Dieses erbaute Epeios mit Hilfe Athenes

So steht's in der Odyssee: Pferd aus Balken, von Epeios erbaut mit Hilfe von Athene.
Ja, aber sie hatten doch 100 Schiffe! Warum mußten sie da ein weiteres bauen, und dann auch noch eines, bei dem sie göttliche Hilfe brauchten, das also nicht als Routinekonstruktion durchging?
Das alles leuchtet mir bei einem hohlen Pferd viel mehr ein, zumal da auch ἵππος steht und man sich schon ziemlich verrenken muß, um daraus ein Schiff zu machen.
Ich empfinde das als kontraintuitiv.
Re: Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd
Γραικύλος schrieb am 01.12.2023 um 20:22 Uhr (Zitieren)
Ich habe hier
https://www.albertmartin.de/altgriechisch/forum/?view=9967
schon deutlich gemacht, daß ich ein Problem habe, diese Homer-Stelle zu verstehen, erst recht, wenn es sich um ein "Trojanisches Schiff" handeln sollte.
Der ἵππος soll bereits auf dem Markt in Troja stehen, während die griechischen Schiffe noch gar nicht abgesegelt sind?
Re: Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd
filix schrieb am 01.12.2023 um 20:55 Uhr (Zitieren)
Troja, wo immer bislang genau verortet, lag aber doch nie direkt am Meer (Hisarlık Tepe z.B. ist 6,5 km von der Ägäis entfernt), der Marktplatz als Startpunkt steht bei Homer im Gegensatz zum Burgberg, auf den die Troer das Ding ziehen zu lassen, Ziel der List ist - ich sehe da keine allzu großen Schwierigkeiten. Die Griechen stellen das Ding ab, ziehen sich wohl in einige Kilometer Entfernung ans Meer zurück und erwecken den Eindruck der unmittelbar bevorstehenden Abfahrt. Das ist natürlich aus der Vogelschau eines Erzählers geschildert, der sich um die tatsächlichen Beobachtungen und Kommunikationsvorgänge nicht kümmert. Aber das ist ein von der Frage, was die Griechen da gebaut und abgestellt haben, gänzlich unabhängiges Problem.

Was ἵππου δουρατέου angeht, wollen die Verfechter der Schiffsthese, wie im oben zitierten englischen Wikipediartikel bzw. den von Bukolos dargestellten Quellen zu lesen, darin einen metaphorischen oder verdunkelten Ausdruck für ein Schiff bzw. einen Schiffstyp sehen. Aber kehren wir die Beweislast einmal um: Warum ausgerechnet ein monströses hölzernes Pferd? Dass es (als Teil des Täuschungsplans, der seine Verbringung in die Stadt und Unversehrtheit begünstigen soll) als Weihegeschenk für Athene ausgegeben wird, steht, irre ich nicht, erst in der Bibliotheke des Apollodor.


Re: Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd
Γραικύλος schrieb am 01.12.2023 um 23:39 Uhr (Zitieren)
Die Trojaner finden also auf der Ebene zwischen Meer und Stadt ein Schiff. Mitten im Sand. Und ohne zu prüfen, was sich darin befindet, ziehen sie es - na, wohin paßt ein Schiff am besten? - auf ihren Marktplatz.

Klingt für mich eher nach Lukians "Wahren Geschichten" als nach Homer.
Re: Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd
filix schrieb am 01.12.2023 um 23:55 Uhr (Zitieren)
Die Trojaner finden also auf der Ebene zwischen Meer und Stadt ein riesiges Pferd aus Holz … Woran hängt deine Plausibilitätspräferenz genau? Dass Pferde gewöhnlich nicht im Wasser leben?
——-

Zu den Distichen über Bredas Einnahme - ist quanque = quantumque?
Re: Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd
filix schrieb am 02.12.2023 um 03:08 Uhr (Zitieren)
Ohne aus dem Trojanischen Krieg einen Seekrieg machen zu wollen, aber die Antike kennt doch eine lange Tradition Schiffsteile (und bisweilen ganze Schiffe) als Trophäen auch in einiger Entfernung zum Meer zu präsentieren - soll heißen, auch wenn sein Auftauchen auf dem Marktplatz (sofern die Übersetzung von Od. 8.504 es trifft, was insinuierte, dass der sich außerhalb der Befestigung befand) merkwürdig bleibt und der Mangel an Vorsicht erstaunlich, so ist seine Verschleppung als Siegeszeichen doch nicht völlig abwegig. Der überdimensionierte Holzgaul kann nicht beanspruchen, eine vergleichbare Praxis aufzurufen, oder?
Re: Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd
Γραικύλος schrieb am 02.12.2023 um 03:13 Uhr (Zitieren)
Woran hängt deine Plausibilitätspräferenz genau?

1. Die planenden Griechen müssen die Wahrscheinlichkeit minimieren, daß das Objekt auf seinen Inhalt hin untersucht wird, und die Wahrscheinlichkeit maximieren, daß es in die Stadt gebracht wird. Bei Schiffen nun denkt man selbstverständlich an einen Inhalt; ein großes Pferd aus Holz hingegen ist dermaßen ungewöhnlich, und Pferde werden auch nicht standardmäßig mit einem kritischen Inhalt verbunden, daß die Griechen hierhin günstige Chancen sehen dürfen.
Ein Schiff auf den Markt zu bringen, erscheint mir geradzu absurd. Große Pferdedarstellungen in der Stadt hingegen kennt man doch gut.

2. Der Einfall mit dem hohlen Pferd ist sensationell (und dermaßen spektakulär, daß er nur ein einziges Mal funktioniert, weil er sich herumspricht). Diese völlig neue Konstruktion macht die Erwähnung eines eigenen Konstrukteurs, der zudem göttlicher Inspiration bzw. Hilfestellung bedarf, plausibel. Ein Schiff hingegen? Warum überhaupt eines bauen? Die Griechen haben doch genug davon!

3. Ich sehe keinen einzigen antiken Autor, der eindeutig von einem Schiff spricht, hingegen etliche, die eindeutig von einem Pferd sprechen.

Das sollte doch reichen, um eine Plausibilitätspräferenz zu begründen.
Re: Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd
Γραικύλος schrieb am 02.12.2023 um 03:14 Uhr (Zitieren)
Als ich das geschrieben & abgeschickt habe, hatte ich Deinen letzten Beitrag nicht vor Augen.
Re: Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd
filix schrieb am 02.12.2023 um 03:45 Uhr (Zitieren)
Gegen 1. und 2. ließe sich einwenden, dass es durchaus ein spezielles Schiff gewesen sein könnte, das so raffiniert konstruiert wurde, dass eben, was es in geheimen Hohlräumen an todbringendem Verderben birgt, unentdeckt bleibt. Also keines von der Stange, welche Modelle die Feinde nach über zehn Jahren Krieg zu kennen glauben. Bzw. nur äußerlich, sodass sie sich eben in der falschen Sicherheit des Vertrauten wiegen und es bei einer Sichtkontrolle belassen, die Trophäe schließlich in die befestigte Stadt schleppen. All das bleibt bei Homer offen.

Re: Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd
Γραικύλος schrieb am 02.12.2023 um 13:03 Uhr (Zitieren)
Man könnte sagen, daß die Einführung einer solchen zusätzlichen Annahme, die durch keine Textaussage gestützt wird, als ad-hoc-Hypothese Ockhams Rasiermesser zum Opfer fällt.

Inwieweit hat Quintus Smyrnaeus, der den Fall ja ganz eindeutig im Sinne von Pferd schildert, auf ältere, für uns verlorene Quellen zurückgegriffen, z.B. auf die "Ilias mikra"?
Re: Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd
filix schrieb am 02.12.2023 um 13:39 Uhr (Zitieren)
Nun, deine Annahmen zur historischen Psychologie der Täuschung werden auch in keiner Weise durch den Text gestützt - du stellst, nicht anders als ich, der nebenbei aus schierem Vergnügen am Testen von Hypothesen den advocatus naviculae spielt, Überlegungen an, warum ein Pferd eher als ein Schiff zu bauen und vor der Nase der Feinde zu platzieren, praktikabler scheint und der List wahrscheinlicher zum Erfolg verhelfen soll.

Es ist indes in keiner Weise überzeugend in meinen Augen, dass das Kuriosum notwendigerweise weniger Verdacht erweckt als das manipulierte Gewohnte.

Flieht nicht Odysseus mit den Gefährten an den Bauch der vertrauten Schafsböcke sich klammernd, die Polyphem daher nur flüchtig kontrolliert, kehrt er nicht zunächst in der Verkleidung eines Bettlers, der als Figur kein Aufsehen erregt, zurück, um schließlich Rache zu nehmen, in der Minderzahl mitten unter Feinden, ein trojanisches Pferd quasi im eigenen Haus? Soll heißen: An Beispielen für die psychologische Neigung, uns durch das Vertraute betrügen zu lassen, herrscht von der Antike bis heute, da wir auf Links bekannt scheinender Absender klicken und uns einen Trojaner einfangen, kein Mangel.

Zur Attraktivität des Dings: Was wäre verführerischer, als auch symbolisch in der Trophäe über seefahrende Feinde, die die Ilias nicht zuletzt in ihrer Stärke über den Schiffskatalog charakterisiert, zu triumphieren, die eben mit dem Schiff von so weit her gekommen sind, um einen Belagerungskrieg zu führen, und nicht zu Pferd?

Zur letzten letzten Frage:

Die Frage, auf welche Quellen Quintus von Smyrna sich für die Abfassung seines Epos stützte, ist schwierig zu beantworten und hat zu teilweise umstrittenen Ergebnissen geführt. Vermutlich verwendete er nicht die alten Gedichte des epischen Kyklos, sondern u. a. ein mythographisches Handbuch, wie viele inhaltliche Übereinstimmungen mit der in die gleiche Kategorie fallenden Bibliotheke des Apollodor nahelegen.
Re: Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd
Bukolos schrieb am 05.12.2023 um 19:01 Uhr (Zitieren)
In der homerischen Darstellung entgeht das in die Stadt gezogene Objekt nicht dem Argwohn der Troer (denn als Troerin agiert Helena in der Szene, die Menelaos seinen Gästen in der Telemachie schildert), es sei mit argivischen Heroen angefüllt (Od. 4, 274 ff.). Und das würde ja im bisherigen (spielerischen) Argumentationszusammenhang dafür sprechen, dass es sich dabei nicht um eine jeden Verdacht, einen κοῖλον λόχον zu bilden, von sich weisende Pferdestatue handelte.

Zitat von filix am 1.12.23, 23:55Zu den Distichen über Bredas Einnahme - ist quanque = quantumque?

Ich hätte es als et quam (mit Bezug auf navi) gedeutet. Beim Wortlaut habe ich mich am Text der Flugschrift Histoire memorable de la reprinse de la ville et chasteau de Breda ..., Middelbourgh 1591, orientiert:

https://books.google.de/books?id=HEdKAAAAcAAJ&pg=PP19
Re: Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd
filix schrieb am 06.12.2023 um 00:10 Uhr (Zitieren)
Tatsächlich haben spätere Ausgaben fast alle quamque, also:

Cum navi occultus, quanque/quamque ipse attraxerat hostis,
Bredae ausu simili illabitur, et potitur.

Auf einem Schiff verborgen, und dieses (Schiff) hatte der Feind selbst herankommen lassen, schlich er sich mit ähnlichem Wagemut in Breda ein und brachte es in seine Gewalt.
Re: Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd
Bukolos schrieb am 06.12.2023 um 20:06 Uhr (Zitieren)
Zitat von filix am 6.12.23, 0:10und dieses (Schiff) hatte der Feind selbst herankommen lassen

Mit Blick auf die den Versen vorangehende Darstellung der Ereignisse, in der die Parallelität zur Trojasage so weit getrieben wird, dass als unfreiwillige Helfer der Eindringlinge die Nachfahren der Aineaden selbst tätig werden*, kann attraxerat hier wohl auch in seiner nicht-kausativen Bedeutung verstanden werden.

*
Et le Samedy enuiron deux heures apres midy fut ouuert l'escluse, par laquelle icelui bateau fut amené dans le Chasteau, y estant tiré par aucuns soldats Italiens de la garnison : en ce semblables aux des jadis peu aduisez & miserables Troyens, qui faciliterent l'entree de leur ville à ce grand cheual de bois, que les Grecs leurs ennemis faisoient semblant d'auoir dedié & consacré à la Deesse Minerue, gardienne de la ville de Troye, pour l'appaiser à cause du Palladium par eux clandestinement enleué de son temple, lequel estant aussi plain & garni des soldats, amena le sac & ruine sur ladite ville.

Und am Samstag, ungefähr zwei Stunden nach Mittag, wurde die Schleuse geöffnet, durch welche dieses Boot in die Festung gebracht wurde, hineingezogen von einigen italienischen Soldaten der Garnison - in dieser Hinsicht Ebenbilder der seinerzeit schlecht beratenen und unglücklichen Troer, die es ermöglichten, mit Hilfe jenes großen, hölzernen Pferdes in ihre Stadt einzudringen, von dem die Griechen, ihre Feinde, vorgaben, es der Göttin Minerva als Weihgabe bestimmt zu haben, der Schutzherrin der Stadt Troja, um sie dafür zu besänftigen, dass von ihnen das Palladium aus ihrem Tempel heimlich entwendet worden war. Es (das Pferd) war ebenfalls berstend voll von Soldaten, die Plünderung und Zerstörung über besagte Stadt brachten.
Re: Die Wahrheit (?) über das hölzerne Pferd
Bukolos schrieb am 06.12.2023 um 20:26 Uhr (Zitieren)
die Plünderung und Zerstörung über besagte Stadt brachten.

es brachte Plünderung und Zerstörung über besagte Stadt.
 
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