Latein Wörterbuch - Forum
Zeitverhältnis: AcI im Postquamsatz — 1861 Aufrufe
Noro am 1.6.13 um 23:50 Uhr (Zitieren) I
Hallo,
ich übersetze mit meinen Schülern bald folgenden Satz, bei dem ich echt an mir selbst zweifele und mich über Rat freuen würde:

Postquam latrones te rapuisse audivi, te quasivi.
Nachdem ich gehört hatte, habe ich dich gesucht. - soweit ist es klar, aber:

was mache ich mit meinem vorzeitigen rapuisse?
nachdem ich gehört hatte, dass die Räuber dich geraubt hatten, habe ich dich gesucht?
nachdem ich gehört hatte, dass die Räuber dich raubten, habe ich dich gesucht?

Da wir nichts Vorzeitigeres zum Plusquamperfekt haben, würde ich von der grammatischen Seite her zumindest auch zum Plusquamperfekt im AcI greifen wollen. Ich finde aber, dass es komisch klingt, die 2. Variante mit Präteritum gefällt mir besser.

Vielen Dank schonmal
Re: Zeitverhältnis: AcI im Postquamsatz
Lothar am 2.6.13 um 0:10 Uhr (Zitieren) I
das ist in meinen augen ein deutsches problem. meine umformung: nachdem ich gehört hatte, dass du in die hände der räuber gefallen warst, habe ich ...

das superplus kennen wir also auch ...

bonne nuit.
Re: Zeitverhältnis: AcI im Postquamsatz
filix am 2.6.13 um 3:20 Uhr (Zitieren) II
Der lat. Inf. Perfekt im AcI (hier: rapuisse) trägt nur das Genus verbi (hier: Aktiv) und das Zeitverhältnis (hier: Vorzeitigkeit) in sich, von Seiten des verbum regens (hier: audivi) und des Subjektsakkusativs (hier: latrones) wachsen ihm lediglich abs. Tempus gemäß den in der Zielsprache geltenden Zeitenfolgeregeln (das Problem der Fragestellung) bzw. Person und Numerus im Übergang zur finiten Form in der Übersetzung zu. Nun bietet aber das Verb „hören“ im Dt. zwei Optionen - es kann im Komplementsatz mit dem Indikativ oder mit dem Konjunktiv stehen .
Diesbezüglich macht der lat. Satz grundsätzlich keine Vorgabe, d.h. es liefert der AcI keine Entscheidungshilfen, da in ihm der Modus nicht differenziert wird (es gibt keinen lat. Infinitiv Konjunktiv versus Inf. Indikativ)

Unter der Prämisse, dass „hören“ im Dt. mit dem Indikativ stehen soll und der Raub eine abgeschlossene Handlung in der Vergangenheit darstellt, die ihrerseits vor der Handlung des Hörens sich ereignet hat, ist

1. „Nachdem ich gehört hatte, dass die Räuber dich geraubt hatten, habe ich dich gesucht.“

korrekt.

Lothars Umformulierung weicht ins Zustandspassiv Präteritum aus (das geschmähte Superplusquamperfekt lautete „... geraubt gehabt hatten“) und berührt die Frage, wie in solchen Zeitverhältnissen Zustände ausgedrückt werden sollen, die ihren Anfang vor der Handlung des übergeordneten Satzes genommen haben, aber über diesen hinaus andauern („Nachdem er gesehen hatte, was dort für Zustände herrschten und wohin sich die Lage zu entwickeln drohte, reiste er unverzüglich ab.“).
Das lässt sich aber hier
1. nicht mit dem Genus verbi (rapuisse = eindeutig: Aktiv) und der durch den Inf. Perfekt klar angezeigten Vorzeitigkeit im Verhältnis zum verbum regens im lat. Satz und
2. schwer mit dem semant. Gehalt der gewählten Übersetzung als „rauben“ vereinbaren.
Die Vorlage zu Lothars Übersetzung müsste also „... te a latronibus raptum esse audivi“ lauten, wobei erschwerend hinzukommt, dass das Lat. keine so klare Differenzierung zwischen Vorgangs- und Zustandspassiv kennt wie das Dt.


Unter der Prämisse, dass „hören“ mit dem Konjunktiv im Komplementsatz a) einen in Bezug auf die Mitteilung vorzeitigen Inhalt wiedergeben und b) der Bezug zur Glaubwürdigkeit dieses Inhalts überhaupt thematisiert werden soll, wird es noch viel komplizierter.
„Nachdem ich gehört hatte, dass die Räuber dich geraubt hätten, habe ich dich gesucht.“ drückt nicht nur eine in Bezug auf den Zeitpunkt des Hörens vorzeitige Handlung (den Raub) sondern auch über den Konjunktiv II einen Zweifel am Wahrheitsgehalt aus, denn dass derselbe Konj.II hier nur wegen der Ununterscheidbarkeit vom Konj. I eintrete, der ja bei einer Wiedergabe eigentlich angezeigt sei, ist zweifelhaft. Wie bereits oben bemerkt, ergibt sich dies allein aus den Möglichkeiten der Zielsprache, der lat. AcI verschweigt solches.
Re: Zeitverhältnis: AcI im Postquamsatz
Klaus am 2.6.13 um 9:01 Uhr (Zitieren) I
Salve filix, verbum „ lucubrare“ , quod heri didici, in te optime adhibendum est. Cum philologus non sim, non necesse sit, omnia de sententiis supra scriptis intellegere.
Re: Zeitverhältnis: AcI im Postquamsatz
Lothar am 2.6.13 um 9:34 Uhr (Zitieren) I
den eingeber störte offensichtlich die stilistisch in der tat unschöne doppelung von „hatte ... hatten“. das hatte ich mit der freieren übertragung umgehen wollen. jedenfalls ist die „korrekte“ übersetzung fern einer modernen AcI-freien sprache.
Re: Zeitverhältnis: AcI im Postquamsatz
Lateinhelfer am 2.6.13 um 10:34 Uhr (Zitieren) I
„dass du in die hände der räuber gefallen warst“

müsste dann im Plusquamperfekt II so lauten:
dass du in die hände der räuber gefallen gewesen warst


..."und unter dieser Bewegung schloss Amadeus langsam die Augen. Er hatte sie in das Gesicht des Bruders gerichtet gehabt
E.Wiechert- Missa sine nomine


Ich habe die große Lücke gelöscht (aus Lesbarkeitsgründen).
Re: Zeitverhältnis: AcI im Postquamsatz
ONDIT am 2.6.13 um 10:36 Uhr (Zitieren) I
Danke.
Re: Zeitverhältnis: AcI im Postquamsatz
Lateinhelfer am 2.6.13 um 10:36 Uhr (Zitieren) I
Das hat ONDIT am 02.06.2013 um 10:11 Uhr geschrieben.
Re: Zeitverhältnis: AcI im Postquamsatz
Graeculus am 2.6.13 um 11:59 Uhr (Zitieren) I
Variante:
Nachdem ich gehört hatte, du seist in die Hände der Räuber gefallen, habe ich ...
Re: Zeitverhältnis: AcI im Postquamsatz
filix am 2.6.13 um 12:07 Uhr (Zitieren) I
„Nachdem ich gehört hatte, du seist in die Hände der Räuber gefallen, habe ich ...“ wählt Option II - „hören“ mit dem Konjunktiv - drückt so zusätzlich einen Vorbehalt in puncto Wahrheitsgehalt aus, schummelt aber gleichfalls beim Genus verbi, „rapuisse“ ist und bleibt Aktiv.

„Er hatte sie in das Gesicht des Bruders gerichtet gehabt“ ist und bleibt als Superplusquamperfekt standardsprachlich betrachtet inkorrekt.


jedenfalls ist die „korrekte“ übersetzung fern einer modernen AcI-freien sprache.


Wo siehst du hier in der Übersetzung einen dt. AcI? Was heißt „modern“?

Re: Zeitverhältnis: AcI im Postquamsatz
filix am 2.6.13 um 12:24 Uhr (Zitieren) I
„schummelt aber gleichfalls beim Genus verbi“ - genauer gesagt, bürdet die Ü. „rapere“ den Charakter eines dt. Vorgangsverbs auf, den es so nicht besitzt (auch wenn es formal betrachtet Aktiv ist).
Re: Zeitverhältnis: AcI im Postquamsatz
Lothar am 2.6.13 um 12:59 Uhr (Zitieren) I
mein vorschlag war, dieses hatte ... hatten zu vermeiden. aci-fern ist unsere sprache, sodass wir bei 1:1-übersetzungen nur mit großen anstrengungen dieses hatte ... hatten vermeiden können. nirgendwo behaupte ich, dass in irgendeiner übersetzung ein aci vorkommt.

ich höre die nachtigall trapsen. na jetzt. :-)

modern übersetzen heißt: der leser soll so weit wie möglich nicht spüren, dass es sich um eine übersetzung handelt.
Re: Zeitverhältnis: AcI im Postquamsatz
filix am 2.6.13 um 13:21 Uhr (Zitieren) I
Das Ungelenke haftet schon der Vorlage an. Stilistische Härten können nicht durch grammatisch problematische Umformulierungen umschifft werden, will man das Problem verstehen. Am „hatten ... hatten“ erkennt man nicht unbedingt eine Übersetzung - eher den Willen, möglichst viel an „Grammatik“ schon in die lat. Vorgabe zu zwängen.
Re: Zeitverhältnis: AcI im Postquamsatz
Lothar am 2.6.13 um 15:42 Uhr (Zitieren) I
ich glaub, wir haben uns alle zu viel mühe gegeben. ganz oben überlas ich den vertipper „quasivi“. das soll quasi quaesivi heißen. :-)
Re: Zeitverhältnis: AcI im Postquamsatz
Noro am 2.6.13 um 17:30 Uhr (Zitieren) I
Danke schonmal, für die vielen Antworten. Es beruhigt mich etwas, dass es auch unter euch Diskussionen dazu gibt.
Kurz: Natürlich meinte ich quaesivi.
Ich werde das mit den Schülern im Plenum klären, vor allem auch das mit dem Konjunktiv 2 (wobei so etwas heute kaum noch im Sprachvermögen derSchüler ist).
Danke für euren Rat
 
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Das Ungelenke haftet schon der Vorlage an. Stilistische Härten können nicht durch grammatisch problematische Umformulierungen umschifft werden, will man das Problem verstehen. Am „hatten ... hatten“ erkennt man nicht unbedingt eine Übersetzung - eher den Willen, möglichst viel an „Grammatik“ schon in die lat. Vorgabe zu zwängen.
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