Da hier kein Adverb vorliegt, wäre mein ÜS-Vorschlag:
Lange (Zeit) konnten sie nicht ruhig (als Ruhige) leben. In diesem Fall wäre die deutsche Übersetzung identisch mit der ÜS des lateinichen Satzes "Diu quiete vivere non poterant.
Da es im Deutschen (anders als im Englischen oder Französischen) keine regelmäßige vom Adjektiv abzuleitende Adverbbildung gibt, die sich formal vom Adjektiv in prädikativer Verwendung unterschiede (in beiden Fällen steht die unflektierte Form des Adjektivs), fallen beide Übersetzungen dem Augenschein nach zusammen.
Z. T. wird die Ansicht vertreten, dass ein vom Adjektiv abgeleitetes Adverb im Deutschen überhaupt nicht vorkomme*, sondern stattdessen nur das (unflektierte) Adjektiv in adverbialer Funktion, das entweder subjekt- bzw. objektbezogen (entspricht dem prädikativ verwendeten Adjektiv im Lateinischen) oder prädikatbezogen (entspricht dem lateinischen Adverb) gebraucht wird.
Ein kontrastierender Gebrauch von Adverb und präd. Adj. dürfte in lateinischer Prosa kaum zu finden sein, so dass auch bei der Übersetzung nicht differenziert werden braucht. (Der Subjektbezug ist bei Körper- und Seelenzustände bezeichnenden Adjektiven inhaltlich vorgegeben.) Das gilt auch für vivere. Nach Krebs’ Antibarbarus wird klassisch fast nur das Adverb verwendet und dort, wo bei Plautus, also vorklassisch, vivere mit Adjektiv gebraucht wird, kommt es in der Bedeutung einem esse nahe.
Entsprechend wird man auch Ciceros ego vivo miserrimus (Att. 3, 5) mit „Ich bin sehr unglücklich“ übersetzen.
___________ *) M. E. wird aber aus den wenigen, unregelmäßigen Fällen, in denen im Deutschen dem Adjektiv ein formal unterscheidbares Adverb zugeordnet ist (wie: lieb, Adj. — gern, Adv.), deutlich, dass man die adverbial gebrauchten Adjektive sehr wohl als Adverbien bezeichnen kann.
Dieter ist lieb. (präd. Adj. als Prädikatsnomen)
~
Dieter isst gern. (Adv.)
Dieter spielt lieb mit seiner Schwester. (präd. Adj.)
~
Dieter spielt gern mit seiner Schwester (Adv.)
Vielen Dank, Kuli, für deinen ausführlichen und erhellenden Beitrag!
In meinem Beispiel:
Tum Romani eos beate / beatos vivere putabant.
könnte man in der ÜS vielleicht noch wie folgt unterscheiden:
Prädikativum: Daraufhin glaubten die Römer, dass diese glücklich lebten/seien.
Adverbiale: Daraufhin glaubten die Römer, dass diese eine glückliche Lebensart hätten.
Gut. Aber die Angabe „Zwischen dem präd. Gebrauch eines Adj. und dem zugehörigen Adv. gibt es oft (!) Bedeutungsunterschiede“ im Neuen Menge steht auf doch recht wackligen Füßen. Denn die angeführten Belege beschränken sich auf die semantisch einander nahestehenden Wörter sciens und prudens sowie deren Antonyme insciens und imprudens, wovon prudens und insciens (mit jeweils einer Stellenangabe) als sehr selten und imprudens als teilweise gleichbedeutend mit imprudenter bezeichnet werden.
Re: Adjektive - Adverbien
filix am 21.2.14 um 11:34 Uhr, überarbeitet am 21.2.14 um 11:35 Uhr (Zitieren)
Die aufgestellte Behauptung ist allerdings dürftig belegt.
Wie ist es z.B. mit „sobrius“/„sobrie“, also dem Unterschied zwischen: „Nemo enim fere saltat sobrius, nisi forte insanit ...“ (Pro Murena 13) und „... intellegemus, quam sit turpe diffluere luxuria et delicate ac molliter vivere, quamque honestum parce, continenter, severe, sobrie“ (De off. I, 106)?
Richtig schön wäre natürlich eine Gegenüberstellung für dasselbe (oder ein sinnentsprechendes) Verb. Dass vivere klass. meist mit Adv. steht, war ja oben schon erwähnt worden.
Ja, trotzdem ist in meinen Augen der Unterschied klar - dass „vivere“ unter allen Umständen ein Adverb erzwingt, wo es auf diesen Unterschied ankommt, bezweifle ich. Das Credo eines passionierten Trinkers könnte m.E. etwa „male sobrius bene vivitur“ lauten.