Latein Wörterbuch - Forum
„Cunis“ wie ein Nest? — 2536 Aufrufe
Cherämon am 13.10.15 um 16:00 Uhr (Zitieren)
Schon wieder ein Satz aus Lohensteins „Blumen“:

Quod ipsum Candoris tui certissimus Character est, cum Hortus infantem Humanitatem floreis exceperit Cunis; omnesque nisi Humanitatis expertes Florum Amorem ab Incunabulis imbiberint.

Weshalb dein äußerst zuverlässiger Charakter selbst glanzvoll ist, weil der Garten die kindliche Bildung durch die Blumen beherbergt wie ein Nest; und (ja) wenn nicht alle Gebildeten die ungeteilte Liebe zu den Blumen von Kindesbeinen an eingesogen haben.

Auch mit dem „cum“ bin ich mir nicht sicher. Dankeschön!
Re: „Cunis“ wie ein Nest?
proponens am 13.10.15 um 17:07 Uhr (Zitieren)
Versuch:

Gerade dies ist ein ganz zuverlässiges Merkmal deines Glanzes/Reinheit ? , weil der Garten deine kindliche Bildung (dich mit deiner kindl. Bildung) mit (s)einer Wiege aus Blumen aufgenommen hat und alle außer denen, die keine Bildung haben (expers = ohne Anteil an) die Liebe zu Blumen von Kindesbeinen an /„mit der Muttermilch“ eingesogen haben.

Leider kenne ich den Kontext nicht.
Re: „Cunis“ wie ein Nest?
Klaus am 13.10.15 um 17:08 Uhr, überarbeitet am 13.10.15 um 18:00 Uhr (Zitieren)
Beitrag geöscht. Überschneidung mit proponens.
Re: „Cunis“ wie ein Nest?
Cherämon am 13.10.15 um 17:23 Uhr (Zitieren)
@proponens: die Übersetzung passt zum Kontext, dankeschön!
Re: „Cunis“ wie ein Nest?
Kuli am 13.10.15 um 18:23 Uhr (Zitieren)
Humanitas muss man hier wohl sowohl i. S. v. „Menschheit“ als auch von „Bildung“ verstehen. Mit dem Garten im Satz ist wohl das Paradies gemeint.

„Gerade dies ist das sicherste Zeichen deiner Lauterkeit, da ein Garten die Menschheit in ihrer Kindheit in seinem blumigen Schoß beherbergt hat und alle, sofern sie nur der Menschheit angehören, die Liebe zu den Blumen von der Wiege an eingesogen haben.“
Re: „Cunis“ wie ein Nest?
filix am 13.10.15 um 19:03 Uhr, überarbeitet am 13.10.15 um 19:28 Uhr (Zitieren)
„quod ipsum“ dürfte sich auf das „illicium“ aus dem Satz davor beziehen - „Ipse enim mihi & horti tui oculati testes sunt, quo illicio te trahat omnis in floribus compendi facta formositas“. „Dieser [Reiz]/ diese [Verlockung] selbst ist das unzweifelhafteste Anzeichen deiner Reinheit, da doch ein Garten die Menschheit in ihrer Kindheit beherbergt hat und alle, wenn sie nicht ohne menschliches Gefühl <sind>, die Liebe zu den Blumen von der Wiege an eingesogen haben.“ Kurzum, ein ganz und gar unschuldiges Vergnügen leitet den Widmungsempfänger.
Re: „Cunis“ wie ein Nest?
indicans am 13.10.15 um 19:33 Uhr (Zitieren)
Nemo hoc in foro esse videtur, qui nostrum filicem kuliumque superare possit.
Qui iterum atque iterum efficiunt, ut ceteros invidia pallescere oporteat.
Dum talia lumina lucent, huic foro timendum non est.
Quis vobis aquam ante Kalendas Graecas umquam porrigat ? :))
Re: „Cunis“ wie ein Nest?
Cherämon am 13.10.15 um 21:39 Uhr (Zitieren)
Weil ich kaum meine Dankbarkeit einen angemessenen Ausdruck geben kann, hier ein Strauß von Blumen, der denjenigen gefallen möge, die sich sich so bewundernswert mit ihren Übersetzungskünsten hervorgetan haben:

Etliche vergnügen sich mit einem in sich selbst gewickeltem Blatte; andere haben ihrer wol hundert in einem Püschel. Viel Stiele tragen nur eine Blume; offt aber pranget einer mit Schocken. Etliche sind so zart / als giengen sie nur im Hembde / oder als wären sie gar nackt / oder mit gewebtem Winde bekleidet; andere hingegen tragen Samet / oder gar Rauchwerck; viel scheinen auch gar von Gold- und Seiden-Stücken erhoben zu seyn. Etlicher Blumen Haupt ist haaricht / und entweder wie ein Wichtel- Zopff verwickelt / oder ihre Locken zierlich ausgekämmet. Diese bilden offene Schalen / Schilde / Becher; jene enge Pfeiffen und Schwerdter für. Nicht wenig sind mit Helmen oder Feder-Püschen gethürmet; andere sind harte / und runtzlicht; andere glatt und weich und so zärtlich / ja gleichsam Lufft; welche nicht nur für dem Anrühren fliehen / sondern gleichsam durch einen Anblick verwundet / durchs Anhauchen in Ohnmacht versätzt / durch Anfühlen getödtet werden.
Re: „Cunis“ wie ein Nest?
filix am 15.10.15 um 0:36 Uhr, überarbeitet am 15.10.15 um 0:36 Uhr (Zitieren)
Besten Dank für die Blumen, aber den wirklich mühsamen Teil der dedicatio, in der Lohenstein den poeta doctus heraushängen lässt, haben wir noch gar nicht berührt - z.B. „Siquidem ad ardua nati nec in Smindiridis Lecto Rosis strato Desidiae Sepulchrum, sed Otii Secessum inveniunt, neque minus soli sunt, quam in profundissima Solitudine“, in dem eine Geschichte aus Aelianus mit zwei Zitaten aus Justus Lipsius bzw. Cicero verschnitten wird. Wofür übersetzt du die Chose?

Re: „Cunis“ wie ein Nest?
Cherämon am 15.10.15 um 11:27 Uhr (Zitieren)
Es wäre schön, wir noch ein wenig Licht ins Dunkel bringen könnten! Was die Anspielungen auf antike Bildungsbestände betrifft, so habe ich das befürchtet und auch schon wahrgenommen, dass da noch einiges auf mich zukommt. Später wird von Cicero über Horaz bis zu Epikur kein Gartenliebhaber ausgelassen. Mein Interesse an dem Text ist dem Umstand geschuldet, dass ich momentan eine germanistische Doktorarbeit über Lohensteins Roman schreibe, und vergleichend auch ein paar Stellen aus dem Gesamtwerk heranziehe. Das grobe Thema ist die Naturwahrnehmung, und da passen die „Blumen“ ganz gut ins Bild. P. S.: Die Fußnote zum Dank für deine Mithilfe ist schon geschrieben!

Hier noch ein Übersetzungsversuch für den erwähnten Satz.

Es geht vorher um die angestrengten Augen ...

Wenn sie nämlich <zum Hohen geboren?> nicht das Grab der Untätigkeit <für sich> entdecken, das wie das Bett des Smindiris mit Rosen bedeckt ist, sondern fortdauernde Muße <finden>, sind sie auch nicht weniger allein als in der tiefsten Einsamkeit.

Wirklich sinnvoll ist der Satz nicht und auch das „ad arduo nati“ verstehe ich nicht.
Re: „Cunis“ wie ein Nest?
filix am 15.10.15 um 12:00 Uhr, überarbeitet am 15.10.15 um 12:10 Uhr (Zitieren) II
Zunächst einmal der Vorspann, einschließlich der schon übersetzten Partien:

„... imo quotidie fere novas species modo e Calyce, modo e Gemma, modo e Vagina protuberantes Oculis objicit, ut Animos Novitatis Lenocinio potentius alliciat animatis Mundi picturis. Cum vero in his Naturae Artisque Operibus multos etiam horrida, inculta, opaca, haud raro quoque magis Umbrae quam Lux delectent; forsitan & Genius tuus aliquantisper Poematibus meis tenebitur, licet rudibus Floribus Imitamentis. Ipse enim mihi & Horti tui Testes sunt, quo illicio Te trahat omnis in Floribus compendi facta Formositas. Quod ipsum Candoris tui certissimus Character est, cum Hortus infantem Humanitatem floreis exceperit Cunis; omnesque nisi Humanitatis expertes Florum Amorem ab Incunabulis imbiberint. Neque innocens haec Voluptas arduo Muneri tuo Momentisque rerum plus adimit quam Apes Suctu Florum Melligini. Quin imo otium hoc Animum publicis Curis fractum, multis Lucubrationibus festum instar Pictorum Oculos longa Intentione hebetatos ad certum Virorem colligentium refocillat.“

"Ja sie [i.e. die Natur] stellt sogar beinahe täglich neue Arten, die bald aus einem Kelch, bald aus einer Knospe, bald aus einer Blattscheide hervorwachsen, vor Augen, um die Gemüter durch das Lockmittel der Neuheit <noch> stärker für die beseelte Malerei der Welt zu gewinnen. Da in der Tat bei diesen Werken der Natur und der Kunst sogar schreckliche, ungeordnete, dunkle Dinge, nicht selten sogar die Schatten viele <Menschen> mehr als das Licht erfreuen, so wird vielleicht auch dein Genius eine Weile durch meine Dichtungen ergötzt werden, und sei es bloß durch kunstlose Nachahmungen der Blumen. Er [dein Genius] selbst und deine Gärten sind mir nämlich sichtbare Zeugen dafür, durch welche <Art> Verlockung die ganze in Blumen angesparte Schönheit dich <an sich> zieht. Diese [Verlockung] selbst ist das unzweifelhafteste Anzeichen deiner Reinheit, da doch ein Garten die Menschheit in ihrer Kindheit beherbergt hat und alle, wenn sie nicht <gänzlich> ohne menschliches Gefühl sind, die Liebe zu den Blumen von der Wiege an eingesogen haben.
Auch entzieht diese unschuldige Leidenschaft deinem äußerst mühevollen Amt und der Bedeutung der Geschäfte nicht mehr als die Bienen durch ihr Saugen dem Honigsaft der Blumen <rauben>.
Ja vielmehr erquickt diese Muße den durch die Sorgen um das Gemeinwesen entkräfteten, durch viele nächtliche Sitzungen ermüdeten Geist ganz nach der Art der Bilder, die durch lange Anspannung erschöpfte Augen zu entschlossenem Grünen/neuer Lebenskraft sammeln."


Dann kommt besagter Satz:

„Siquidem ad ardua nati nec in Smindiridis Lecto Rosis strato Desidiae Sepulchrum, sed Otii Secessum inveniunt, neque minus soli sunt, quam in profundissima Solitudine.

„Sofern ja die für <die Bewältigung> große<r> Herausforderungen Geborenen im mit Rosen bestreuten Bett des Smindirides* kein Grab des Müßiggangs sondern einen Rückzugsort für <ihre> Muße finden**, sind sie auch nicht weniger einsam als in tiefster Einsamkeit***.“

Um das zu verstehen, muss man die darin verarbeiteten Anspielungen aufschlüsseln:

Smindirides/Smindyrides*, ein legendärer Sybarit, also der Inbegriff des reichen, versnobten Städters der gr. Antike, soll sich nach Aelian var. hist. 9, 24 noch über die den Schlaf störende Härte eines Bettes aus Rosenblättern beschwert haben.

Bei „nec ... Desidiae Sepulchrum, sed Otii Secessum inveniunt“ handelt es sich um ein Teilzitat aus Justus Lipsius' Traktat De Constantia, der im dritten Kapitel über diejenigen spottet, die in ihren Gärten nur herumspazieren oder schlafen, statt darin, wie Weise und Gelehrte es tun, durch in Muße geübte geistige Tätigkeit die eigene Weisheit zu vermehren. Im Original:

”At eorumdem industriam in hortis etiam cognosce. Sedent, circumambulant, oscitant, dormiunt. nec aliud. prorsus ut non otii sui secessum hunc habeant, sed desidiae sepulcrum. Profanum genus!

“Aber sieh dir deren Tätigkeit in den Gärten einmal an! Sie sitzen, gehen herum, gähnen vor Langeweile, schlafen ein. Nichts sonst. Sodass sie gewiss dort keinen Rückszugsort für ihre Muße, sondern ein Grab für ihren Müßiggang besitzen. (Welch) gewöhnliche Gattung!”

“neque minus soli sunt, quam in profundissima Solitudine”*** endlich ist eine Anspielung auf Cicero De off. 3, 1ff., wo es über Scipio Africanus' Verhältnis zum Otium heißt:

"P. Scipionem, Marce fili, eum, qui primus Africanus appellatus est, dicere solitum scripsit Cato, qui fuit eius fere aequalis, numquam se minus otiosum esse, quam cum otiosus, nec minus solum, quam cum solus esset.
Magnifica vero vox et magno viro ac sapiente digna; quae declarat illum et in otio de negotiis cogitare et in solitudine secum loqui solitum, ut neque cessaret umquam et interdum conloquio alterius non egeret.”

“Publius Scipio, mein lieber Marcus, – jener, der zuerst den Beinamen Africanus erhielt – soll sich nach Cato, der ungefähr gleichen Alters mit Scipio war, öfter geäußert haben, er sei nie weniger müßig, als wenn er Muße habe, und nie weniger einsam, als wenn er sich in der Einsamkeit befinde.
Fürwahr ein herrliches, eines großen und weisen Mannes würdiges Wort! Es beweist, dass er gewohnt war, in Zeiten der Muße über Geschäfte nachzudenken und in der Einsamkeit sich mit sich selbst zu unterhalten; er war also niemals untätig und versagte sich gerne zuweilen die Unterhaltung mit anderen." (Übersetzung: Ueblen/Gottwein)

Mit anderen Worten: der Widmungsträger hat zwar in der Beschäftigung mit seinem Blumengarten eine in den Augen mancher vielleicht dekadent erscheinende Leidenschaft (worauf die Erwähnung des Sybariten zielt), macht aber davon den Gebrauch eines Weisen und Gebildeten (J. Lipsius), freilich in einem Maß, das seine Rolle als Herrscher nicht gefährdet, sondern dem ermüdeten Staatsmann, fern davon in stupide Untätigkeit zu verfallen, Rekreation und neue Kraft zur Bewältigung seiner Aufgaben verschafft (Cicero/Africanus).
Re: „Cunis“ wie ein Nest?
Cherämon am 15.10.15 um 12:33 Uhr (Zitieren)
Ganz herzlichen Dank! Ich hatte „animatis Mundi Picturis“ als „lebendige Bilder der Welt“ übersetzt, aber „beseelte Malerei der Welt“ passt viel besser, weil Lohenstein biologische Vorgänge oft durch Vergleiche mit dem Handwerk oder der Malerei erläutert und dabei eine bestimmte Seelentheorie einfließen lässt. Auch an dem „entschlossenem Grünen“ bin ich bald verzweifelt. Zum Lipsius-Zitat passt auch eine Stelle aus dem Roman, wo es über die Gärten heißt, „die meisten hegten sie nur zum Zunder ihrer Eitelkeit / und zu Haupt-Küssen ihres Müssigganges“, wohingegen ihr eigentlicher Sinn in der Erbauung und Belehrung bestünde.
Re: „Cunis“ wie ein Nest?
Cherämon am 15.10.15 um 16:58 Uhr (Zitieren)
An diesem Satz habe ich gerade schwer zu knabbern:

Caeterum Extrema saltem hujus Svavitatis eos deliberare, qui Hortorum Deliciis saturi Musarum Flores nauseant ...

Ein ganz unsicherer Versuch:

Aber über diese äußersten Annehmlichkeiten haben diese am wenigsten nachzudenken, die sich vor den Reizen der Gärten ekeln ...
Re: „Cunis“ wie ein Nest?
indicans am 15.10.15 um 17:16 Uhr (Zitieren)
Versuch:

dass im übrigen diejenigen das Äußerste wenigstens dieser Annehmlichkeit abwägen, die, satt von den Wonnen der Gärten, sich vor den Blumen/Blüten der Musen ekeln.

Der 1. Teil steht im ACI. Ob hier ein finites Verb oder indir. Rede vorliegt, kann ich ohne Kontext nicht sagen.

Re: „Cunis“ wie ein Nest?
filix am 15.10.15 um 18:44 Uhr, überarbeitet am 15.10.15 um 21:46 Uhr (Zitieren)
Der ganze Satz lautet:

„Caeterum Extrema saltem hujus Suavitatis eos deliberare, qui Hortorum Deliciis saturi Musarum Flores nauseant, amicissime Frater, Exemplo meo doces, haud ignarus, quod Natura per odoris Florum Halitus ingeniosam Animis inspiret Faecunditatem.“

Mit Vorbehalt zwar, aber ich denke, dass hier, wofür auch die Beispiele im Folgenden
sprechen, von einer überschüssigen Inspiration der Kunst durch die Natur die Rede ist:

„Im Übrigen <kannst> du an meinem Beispiel, liebster Bruder, kaum unwissend, dass die Natur durch den Dufthauch der Blumen die Geister zu erfinderischer Fruchtbarkeit anregt, lehren, dass die Extreme dieser Lieblichkeit diejenigen reiflich erwägen <sollten>, welche von den Wonnen der Gärten gesättigt die Blumen der Musen erbrechen könnten.“
Re: „Cunis“ wie ein Nest?
Cherämon am 15.10.15 um 20:42 Uhr (Zitieren)
Ei, ei, ei, jetzt wird es aber langsam verschwurbelt. Es sind beides sehr schöne Übersetzungen, aber leider verstehe ich meinen Lohenstein nicht mehr so ganz. Ich werde morgen erst einmal den nächsten Abschnitt übersetzen und dann noch mal zu diesem Satz zurückkehren, denn er ist ja nicht unwichtig, weil hier der Autor über sich selbst schreibt. Dankeschön einstweilen!
Re: „Cunis“ wie ein Nest?
Klaus am 15.10.15 um 20:50 Uhr (Zitieren)
Zitat von Cherämon am 15.10.15, 11:27Doktorarbeit

Allein für die Übersetzung gebührt dir schon der Doktorhut!
Re: „Cunis“ wie ein Nest?
filix am 15.10.15 um 22:44 Uhr, überarbeitet am 15.10.15 um 22:58 Uhr (Zitieren)
Die folgenden Beispiele drücken diese von der Natur inspirierte künstlerische Produktion, die selbst wie dadurch hervorgetriebene Blüten erscheint, doch ziemlich deutlich aus:

„Hisce Naso debet, quod plures locutus sit flores, quam Tellus edit. Maronis & Horatii eliquata Poemeta vix maderent Nectare, nisi in Maecenatis Villa fragrantium Florum Suspiriis fuissent irrorata. Divinus Plato in umbrosis Academiae Nemoribus, non minore suavitate, quam qui Virtutem & Voluptatem Gemellos fecit Epicurus, inter florida Hortorum Volumina philosophatus est. ...“

„Diesen da ist Naso verpflichtet, da er mehr Blumen redete, als die Erde hervorbringt. Die geklärten Gedichte Vergils und Horaz' tröffen kaum so vor Nektar, wenn sie nicht am Landgut des Maecenas durch die Ausdünstungen der stark duftenden Blumen benetzt worden wären. Der göttliche Plato philosophierte in den schattenreichen Hainen der Akademie mit nicht geringerer Süße/Annehmlichkeit als Epikur, der Tugend und Lust zu Zwillingsschwestern machte, umgeben von den aus Blüten bestehenden Schriften der Gärten ...“

Dermaßen von ätherischer Schönheit, Duft und Nektar übersättigt kann der ingeniöse Mensch nicht anders als sich erbrechen, das heißt, seinerseits in einem Schwall künstlerischer Hervorbringungen, den Blumen der Musen eben, sich ergießen.
Re: „Cunis“ wie ein Nest?
Cherämon am 16.10.15 um 12:07 Uhr (Zitieren)
Das ist groß!

Ich mache mal weiter. Hier ist mein sehr unsicherer Übersetzungsvorschlag für die sich daran anschließende Passage:

Jure igitur Tullio Consuli rustica Vitae degendae Ratio in Contemplatione posita rerum, Deorum Vitae simillima & Sapiente visa est dignissima, ut hinc Sullam sponte Dictatura cedentem, Diocletianum, posita Purpura, Olera Lactucasque Salonae ferentem non nisi ineptissimi rideant; illi autem Saxi vel Chimarae speciem prae se ferant, qui non discolore Florum risu, gemeo Herbarum nitore, trepido Arborum Lusu, liquida Fontium diffluentium Laetitia afficiuntur, & in Cogitationes Scintillulis divinae nobis impressae Imaginis dignas extenuantur.

Ego certe extra me & in rustica Vitae Desiderium rapior, quoties Plinium in Laurentino suo rusticantem audio, centiesque in Villa mea Kittelau inter nemorosos Colles Verbis ejus laxavi Animum: „Nihil hic audio, quod audivisse, nihil dico, quod dixisse poeniteat: Nemo me apud quempiam sinistris Sermonibus carpit; neminem ipse reprehendo, nisi unum, cum parum commode scribo; nulla spe, nullo timore felicior, nullis rumoribus inquietior. Mecum tantum & cum Libellis loquor. O rectam finceramque Vitam! O dulce Otium honestumque ac pene omni negotio pulchrius! Verum secretumque ...! quam multa invenitis, quam multa dictatis!“

Zurecht hat sich daher der Konsul Tullius (Cicero?) bei seinem Leben auf dem Land der Kontemplation jener Dinge gewidmet, die dem Leben der Götter ähnlich und der Weisheit äußerst würdig erscheinen. Nichts als unpassend ist das Gelächter darüber, dass hier Sulla freiwillig die Diktatur abgetreten hat, Diokletian den Purpur abgelegt und zu Salon Grünzeug und Lattich gesät hat. Jene, die nicht vom bunten Gelächter der Blumen, dem seufzenden Glanz der Gärten, dem schwankenden Spiel der Bäume, der flüssigen Freude der fließenden Quellen ergriffen werden, ertragen auch nicht den Anblick des Felsens und der Welle, und sie entbehren der würdigen Gedanken jenes Bildes, das uns durch den göttlichen Funken eingeprägt worden ist.

Ich werde jedoch sehr wohl – und nicht nur ich – vom Verlangen nach dem Landleben ergriffen, so oft ich höre, dass auch Plinius auf seinem Gut in Laurentium gewesen ist, und ich habe hundert Mal meinem Geist auf meinem Anwesen in Kittelau, zwischen vielen Hügeln, durch dessen Worte Erleichterung verschafft: „Nihil hic audio, quod audivisse, nihil dico, quod dixisse poeniteat ... ”
Re: „Cunis“ wie ein Nest?
Cherämon am 16.10.15 um 14:42 Uhr (Zitieren)
Ein weiterer Teil mit vielen vorbehalten:

Ita mecum fando facundior mihi Orator videor, quam cum in Curia Quiritibus loquor, & cum Quintiliano mihi imaginor: esse aliquem, nescio, an maximum ex secretis Studiis Fructum, ac tam puram Voluptatem Litterarum, cum ab Actu recesserunt, & Contemplatione sui fruuntur. Quam & saluberrimam esse judicabit, quisquis aureae Delphici Templi Inscriptioni fidem habuerit quod gnothi seauton [gr. Erkenne dich selbst] humanae Sapientiae Compendium, omniaque extra se noscendi Semita sit.

So habe ich mich nie als Redner gewandter sprechen sehen, als wenn ich in der Kurie für die Bürgerschaft gesprochen habe, obwohl mir Quintilian vor Augen stellt: esse aliquem, nescio, an maximum ex secretis Studiis Fructum, ac tam puram Voluptatem Litterarum, cum ab Actu recesserunt, & Contemplatione sui fruuntur. (Ich weiß nichts Größeres, als sich allein den Studien zu widmen, was bedeutet, sich von allen Angelegenheiten zurückzuziehen, und sich allein an der Selbstbetrachtung zu erfreuen. Quint. De Orat. II 18, 4.) Und wie es auch jeder für heilsam erachten wird, welcher der goldenen Inschrift auf dem delphischen Tempel glauben schenkt: dass “Erkenne dich selbst” die Richtschnur menschlicher Weisheit sei, und auch der Weg, alles außer sich zu erkennen.
Re: „Cunis“ wie ein Nest?
filix am 16.10.15 um 15:59 Uhr, überarbeitet am 16.10.15 um 18:44 Uhr (Zitieren) I
„Mit Recht erschien dem Konsul <M.> Tullius <Cicero> eine ländliche Lebensführung, die sich in die Betrachtung der Dinge versenkt, dem Leben der Götter am ähnlichsten und des Weisen am würdigsten, sodass daher nur die läppischsten <Charaktere> <einen> Sulla, der freiwillig als Diktator abdankt, <einen> Diokletian, der, nachdem er den Purpur abgelegt hat, in Salona Grünzeug und Lattich erntet, auslachen.
Jene aber zeigen das Antlitz eines Steins oder eines Untiers, die nicht vom bunten Lächeln der Blumen, dem juwelengleichen Glanz der Pflanzen, dem unruhigen Spiel der Bäume, der reinen Freude überschäumender Quellen ergriffen werden, und sie zerstieben zu Gedanken, die <bloß> den Fünkchen der uns eingeprägten göttlichen Erscheinung angemessen sind.
Gewiss vergesse ich mich und werde von der Sehnsucht nach dem Landleben fortgetragen, sooft ich von Plinius, der auf seinem Landgut in Laurentum lebt(e), höre, und ich habe hundert Mal auf meinem Anwesen in Kittelau, umgeben von bewaldeten Hügeln, durch dessen Worte mir Erleichterung verschafft:

Nichts höre ich hier, was mich gehört zu haben, nichts sage ich, was ich gesagt zu haben bereue. Keiner setzt jemanden vor mir mit böswilligem Gerede herab, ich selbst tadele keinen außer mir, wenn ich nicht geschickt genug schreibe; keine Hoffnung, keine Furcht plagt mich, kein Geschwätz regt mich auf: nur mit mir und meinen Büchern rede ich. O du reines, unverfälschtes Leben! O du süße, ehrenhafte Muße, fast schöner als jedes Geschäft! O Meer, o Küste! Du wahrhafter und heimlicher Musensitz! Wie vieles lasst ihr mich finden, lasst ihr mich schreiben! (Plin. min. ep. 1,9)

So im Selbstgespräch scheine ich ein gewandterer Redner zu sein, als wenn ich in der Kurie/im Rat zu den Bürgern spreche, und ich halte mir mit Quintilian vor Augen, dass es einen, vielleicht sogar den größten Gewinn gibt bei den Studien in der Abgeschiedenheit und einen so unverfälschten Genuss der Literatur, wenn sie sich von der Tätigkeit zurückgezogen haben und der Selbstbetrachtung hingeben (Quint. De Orat. II 18, 4).
Und diese (i.e. die Selbstbetrachtung) wird jeder für die heilsamste halten, der der goldenen Inschrift auf dem delphischen Tempel zutraut, dass Γνῶθι σεαυτόν (Erkenne dich selbst!) ein Kompendium menschlicher Weisheit ist und auch der Weg, alles außer sich zu erkennen."
Re: „Cunis“ wie ein Nest?
Cherämon am 16.10.15 um 16:51 Uhr (Zitieren)
O wow, so langsam gehen mir die Worte aus. Da ist ja beides formidabel, sowohl der Inhalt wie auch die Übersetzung!

Auch wenn es mir langsam peinlich ist, hier, soweit ich gekommen bin, noch ein weiterer Teil:

Aber mir war bis jetzt in dieser annehmlichsten Einsamkeit das Gewürz der Umarmung von dir, meiner zweiten Hälfte, in meinem Anwesen freilich noch lieblicher, in welchem alle beide die Reinheit der frühesten Zeiten und die Süßigkeit des goldenen Zeitalters gekostet und über die Nichtigkeiten der Höfe, über das gemeine Volk und nicht selten über uns selbst gelacht haben. Ich habe nicht gedacht, dass wir uns irgendeinmal anderswo als hier und in deinen Gärten zusammen mit dem berühmten Mann und Herrn Posadowski und mit wenigen anderen Freunden der sehr idyllischer Gemeinschaft erfreuen könnten. Uns hat die Nacht geholfen, denn sonst hätte keiner von uns den Überfluss unserer Freundschaft genießen können. O klare Nacht! O geliebte Einsamkeit! wir haben dem Beispiel des Damon und Phintias folgend sogar Dionysius vertrieben! O unaussprechliche Süßigkeit der ungeschminkten engen Freundschaft; wie selten zu trinken sie dargereicht wird, und auch aus dem Becher des Perserkönigs und selbst Jupiters! O unauflösliches Bündnis der Freundschaft!
Re: „Cunis“ wie ein Nest?
Klaus am 17.10.15 um 9:56 Uhr (Zitieren)
Zitat von Cherämon am 16.10.15, 16:51wenn es mir langsam peinlich ist


Das sollte es auch sein. Die Grenze zwischen Hobby und Berufsausübung scheint überschritten.
Re: „Cunis“ wie ein Nest?
Cherämon am 17.10.15 um 10:11 Uhr (Zitieren)
Zitat von Klaus am 17.10.15, 9:56Zitat von Cherämon am 16.10.15, 16:51wenn es mir langsam peinlich ist

Das sollte es auch sein. Die Grenze zwischen Hobby und Berufsausübung scheint überschritten.


Das kommt ja wohl darauf an, was ich damit mache. Ich habe jedenfalls nicht vor, das 1:1 meiner Doktorarbeit einzuverleiben, falls du das geglaubt haben solltest. filix hat mir mehrfach angeboten, Licht ins Dunkel dieses sehr schweren Textes zu bringen, und das habe ich gerne angenommen. Das „peinlich“ bezog sich auf meine mangelnden Lateinkenntnisse.
Re: „Cunis“ wie ein Nest?
Klaus am 17.10.15 um 11:48 Uhr (Zitieren)
@Cherämon:
Hier wirst du Antworten auf die Unklarheiten finden:

http://www.albertmartin.de/latein/forum/?fq=pay+pal
Re: „Cunis“ wie ein Nest?
filix am 17.10.15 um 13:35 Uhr, überarbeitet am 17.10.15 um 13:36 Uhr (Zitieren)
„Aber freilich stand mir als recht ergötzliche Würze dieser bis dahin schon sehr angenehmen Einsamkeit deine, meiner zweiten Hälfte <freundschaftliche> Umarmung auf meinem Anwesen bei, wo wir beide die Unverdorbenheit des ersten Lebensalters und die Süße des goldenen Zeitalters kosteten und über die Eitelkeiten der Höfe, die Dummheit der Menschen, das gewöhnliche Volk und nicht selten über uns selbst lachten.

Ich kann mich nicht entsinnen, dass wir irgendwo anders als hier und in deinen Gärten gemeinsam mit dem hervorragenden Mann Herrn Posadowski und einigen wenigen Freunden angenehmere Gemeinschaft genossen hätten. Die Nacht brach über uns herein, doch kein Überdruss am Genuss der Freundschaft konnte uns überkommen. O glanzvolle Nacht! O geliebte Einsamkeit! In der wir sogar nach dem Beispiel des Damon und Phintias den <Tyrannen> Dionysios vertrieben hätten! O unaussprechliche Süße unverstellter Freundschaft, wie selten bekommt man sie zu trinken, und überhaupt aus dem Becher des Perserkönigs oder Jupiters selbst! O unauflösliches Bündnis der Freundschaft!

Unter solchen Auspizien könnte die ganze Welt der Fesseln der Gesetze entbehren; da doch, sobald <einer> etwas lieber für sich als den anderen will, der Name der Freundschaft untergeht/von F. nicht mehr gesprochen werden kann (cf. Cicero De leg. 1, 34f.: Quodsi interesse quippiam tantulum modo potuerit in amicitia; amicitiae nomen iam occiderit, cuius est ea vis, ut, simul atque sibi aliquid alter maluerit, nulla sit – Könnte es auch nur den geringfügigsten Unterschied in der Freundschaft geben, büßte sie ihren Namen ein, deren Stärke darin liegt, dass sie keine mehr ist, sobald der eine etwas für sich lieber will als für den anderen).

Lass uns daher, solange das Leben hinreicht, so löbliche und ehrenwerte Freundschaftsbande und dieses fünfte Element genießen, ohne das das Leben kein wahres Leben ist (cf. Enn. tr. fr. bei Cic. de amic. 22: Principio qui potest esse vita ‚vitalis‘, ut ait Ennius, quae non in amici mutua benevolentia conquiescit? - Zuerst, wie kann ein Leben wahres Leben sein, wie Ennius sagte, das nicht in wechselseitgem Wohlwollen von Freunden ruht? - das fünfte Element = Quintessenz; hier wohl im Sinn des Wesentlichen).

Lass uns der Nachwelt durch unsere Treue ein Beispiel alter Zeit und unbefleckter Freundschaft geben, die Missgünstige uns neiden, aber die Feinde nicht bekritteln können.

Leb wohl, gib <noch> sehr lange den Landmann in deinem Rizenium und umarme mich, den Liebenden in gegenseitiger Liebe!

Ich gab/schrieb dies am 6. März im Jahre 1680 der erlösten Welt in Bratislava."
Re: „Cunis“ wie ein Nest?
filix am 17.10.15 um 13:46 Uhr (Zitieren)
@Klaus: Es ist zwar sehr freundlich, gelegentlich auf meinen Paypal-Link - e.g. http://www.albertmartin.de/latein/forum/?view=31368#2 - hinzuweisen, ich begrüßte es aber, überließest du mir, zu bestimmen, wann ich und wie ich das tue. Danke.

 
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@Klaus: Es ist zwar sehr freundlich, gelegentlich auf meinen Paypal-Link - e.g. http://www.albertmartin.de/latein/forum/?view=31368#2 - hinzuweisen, ich begrüßte es aber, überließest du mir, zu bestimmen, wann ich und wie ich das tue. Danke.

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  • Grundsätzliches: Wir sind ein freies Forum, d.h. jeder Beteiligte arbeitet hier unentgeltlich. Uns eint das Interesse an der Antike und der lateinischen Sprache. Wir gehen freundlich und höflich miteinander um.

    Hinweise an die Fragesteller:

    1. Bitte für jedes Anliegen einen neuen Beitrag erstellen!
    2. Bei Latein-Deutsch-Übersetzungen einen eigenen Übersetzungsversuch mit angeben. Das gilt vor allem dann, wenn es sich um Hausaufgaben oder Vergleichbares handelt.
      Eine übersichtliche Gliederung erleichtert den Helfern die Arbeit.
      Je kürzer die Anfrage ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass schnell geantwortet wird.
    3. Bei Deutsch-Latein-Übersetzungen bitte kurz fassen. Für die Übersetzung eines Sinnspruchs wird sich immer ein Helfer finden.