Ich wiederhole gerade und lese: Während beim Participium coniunctum das Beziehungswort des Partizips eine Satzgliedfunktion im Rahmensatz besitzt und dasselbe Subjekt teilt, hat der Ablativus absolutus keine Satzgliedfunktion im Rahmensatz; er bildet ein Adverbiale.
Ist ein Adverbiale kein Satzglied? Habe ich das bisher falsch verstanden?
Es geht wohl um die "Satzgliedfunktion im Rahmensatz.
Ich habe diesen Ausdruck noch nie vorher gehört, könnte mir aber vorstellen, dass damit folgendes gemeint ist:
Tantalus in Tartarum missus poenas persolvit.
Tantalus, welcher in die Unterwelt geschickt worden war, erlitt Strafen. (Beispielsatz aus der Wikipedia)
=> Hier ist *Tantalus poenas persolvit der Rahmensatz, Tantalus ist aber gleichwohl das Subjekt (cf. dein Zitat oben) und die Eigenschaft ist ihm quasi inhärent.
Im Satz Romulo rege Sabinae raptae sunt (wiederum Wikipedia) ist [Romulo rege] ein eigenständiger Teil, der nicht zum „Rahmensatz“ gehört: Der lautet „Sabinae raptae sunt“ (und Abl Abs und „Rahmensatz“ haben natürlich nicht das selbe Subjekt).
Ich denke, die Formulierung ist missverständlich, weil sie impliziert, dass ein Adverbiale kein Satzteil sei.
Wenn ich dich richtig verstanden habe, liegt die Betonung auf „Rahmensatz“: Der Ablativus absolutus ist kein Satzteil im Rahmensatz. Andererseits kann er ja, wie in deinem Beispiel, als eigener Satz verstanden werden (Sabinae raptae sunt). Dann wiederum dürfte man nicht von Adverbiale sprechen, denn ein Adverbiale ist doch ein Satzteil. Irgendwo hakt es! ???
Nein, das ist ja nicht der Apl. Aps. Das ist der „Rahmensatz“.
Der Abl. Abs. ist Romulo rege zwar nicht Satzteil des „Rahmensatzes“, aber doch ein Satzteil des gesamten Satzes. Immerhin kann er nicht alleine stehen.
Begleiter hingegen werden in der Grundschule zumindest Artikel bezeichnet. „Pronomen“ begleiten ja weniger, als dass sie ersetzen: „pro“ --> für, anstelle von
Ja gut, den Artikel nenne ich auch Artikel, das schließt ja die Eigenschaft als Begleiter nicht aus. Die Verwirrung tritt tatsächlich meist bei den Demonstrativa auf - da schließen sich ja wie gesagt die Benennungen PRO- NOMEN und Begleiter gegenseitig aus:
mein Buch => Possessivbegleiter
meines => Pronomen
dieses Buch => Demonstrativbegleiter
dies(es) => Demonstrativpronomen
Das macht zwar im Lateinischen und auch meistens im Deutschen keinen Unterschied, im Franzosischen aber z.B. teilweise durchaus.
Ich habe noch keinen vollständigen Überblick über die neuen Bezeichnungen. Im Falle der „Begleiter“ denke ich, dass es sich um einen Überbegriff/Sammelbegriff handelt.
Wenn ich mehr weiß, teile ich gerne mein Wissen mit euch. ;-))
„Der Ablativus Absolutus ist eine Partizipial bzw. Nominalkonstruktion im Ablativ in der syntaktischen Funktion einer adverbialen Bestimmung. Der Abl. Abs. ist losgelöst (absolutus) vom übrigen Satzgefüge. Der Unterschied gegenüber dem Participium Coniunctum besteht darin, dass das Beziehungswort des Partizips (bzw. des Nomens oder Adjektiv bei nominalem Abl. Abs.) keine weitere Funktion im Satz erfüllt. Es ist also unabhängig von anderen Satzgliedern des Satzes.“
@Jonathan:
Dennoch kann es nicht schaden, die Schüler ab und zu zu fragen, wer wohl die Abl.abl.-Aktion ausgeführt hat/te.
Dadurch dürfte ihnen Problematik „Log. Subjekt“ sehr leicht zu vermitteln. Mir dieser Denkanregung schlägt man 2 Fliegen mit einer Klappe. Im Lat. gibt es hierfür das Bild:
Zwei Wände aus einem Farbkürbel streichen, soweit ich weiß. Müsste im Forum zu finden sein.
Ich glaube nicht, dass ich irgendetwas geschrieben habe, was der Definition von ONDIT widerspräche. Das ist die allgemeine Definition des Ablativus Absolutus und sagt noch nichts über dessen Auflösung bei der Übersetzung.
PS: Meine momentanen Quellen sind übrigens Schulbücher der Verlage Klett und Oldenburg/C.C. Buchner/Lindner, jeweils aktuelle Ausgaben.
Re: Ablativus absolutus
filix am 8.3.13 um 12:53 Uhr, überarbeitet am 28.4.16 um 11:51 Uhr (Zitieren) IV
Wir kennen im Dt. nur bedingt Konstruktionen, die dem lat. Abl. abs. ähneln und die semantische Dimension in der Verknappung so in Schwebe halten wie ebendieser (dt. Adverbiale sind da ‚präziser‘) - nicht von ungefähr nennt man die Übersetzung eine Auflösung dieser Spannung, selbst die per Präpositionalausdruck vermittelt sie nicht und die tatsächlich wörtliche Übersetzung: „Die Krieger getötet, die Frauen vergewaltigt, Troia zerstört ....“ gilt uns, außerhalb bestimmter literarischer Kontexte , als schlechtes Deutsch, obwohl sie noch am ehesten eine Ahnung von der Kraft der Konstruktion gibt.
Der Genitivus absolutus kommt im Dt. unter den arrivierten Ausdrucksformen in gewissen Aspekten dem lat. Abl. abs. nahe, aber er ist doch sehr eingeschränkt in der Verwendung und wirkt bei Einsatz jenseits von „gesenkten Hauptes“, „unverrichteter Dinge“ et cetera schnell grotesk: „Erledigter Hausaufgaben stürmte Christine aus der Wohnung und schwang sich auf ihr Fahrrad.“
Dann liegt der Wendung wohl eine Lehnübersetzung zugrunde (wie bei stante pede - stehenden Fußes)? Das würde die Basis für die Annahme eines indigen deutschen Genitivus absolutus weiter schwächen. Zumal hier ja nur ein nominaler „G. abs.“ vorliegt.
Ich würde allerdings keinen indigenen Genitivus Absolutus annehmen. So vieles ist der „lateinischen Brille“ zuzuschreiben, durch die die mittelalterlichen Mönche sahen, als sie begannen, das Deutsche unsicher und vorsichtig zu schreiben. Wie man ein Kind, das gerade laufen lernt, an der Hand nimmt, so geht das erste verschriftete Deutsch noch an der Hand des Lateins. Dabei gelangen ganz neue, ganz ungermanische sprachliche Dimensionen ins Deutsche, und ich glaube, derlei Absolute Genitivkonstruktionen sind durchaus lateinischen Vorbildern geschuldet.
Interessante Fragen. „Im Mittelalter“ ist allerdings eine recht unpräzise Angabe, ich hätte zunächst eher auf das Frühneuhochdeutsche getippt.
Nun findet man, was das früheste Auftauchen der Konstruktion des Gen.abs. im Dt. angeht, äußerst vorsichtige Behauptungen z.B. hier.: "In ganz vereinzelten Fällen erhält eine genitivische Angabe im jeweiligen Kontext eine so spezielle Bedeutung, dass man vielleicht von Ansätzen zu einem absoluten Gen. sprechen kann: durch den scatz der unseres unwizzens in den sechen lâch ... Gen4564f. ...und alles des, des si geleit von senelicher arbeit, son wiste si nit, waz ir war (und bei all dem[trotz all dem] was sie erlitt durch Liebesnot, wusste sie nicht, was ihr diese Bedrängnis brachte) G975-977 [...] der grôzen
ungenâden ... die ir unverschulter dinge dem edlen Bernære tuot Alph T 242." ( Hermann Paul: Mittelhochdeutsche Grammatik S.344)
„unseres unwizzens“ erinnert in der Tat an „me insciente/nobis inscientibus“, aber die dahinter stehende Frage ist doch, welche Voraussetzungen in der Entwicklung des dt. Genitivs gegeben sein müssen, damit man diesen zur Wiedergabe gewisser Formen des lat. Abl. abs. heranzieht - denn dass nicht alle Formen des lat. Abl. abs. (man denke z.B. an den nominalen: „A. Manlio M. Iunio consulibus“) so behandelt werden, ist klar. Auch geht das alles anscheinend recht langsam voran - wann taucht „pochenden/klopfenden Herzens“ („corde tremente - (Pseudo)ovid), wann “unverrichteter Sache/Dinge „auf? Lässt sich zudem eine wenigstens schwache produktive Phase gänzlich ausschließen, in der zwar nie die ‚Beweglichkeit‘ des lat. Abl. abs. erlangt wird , aber doch Gen. abs. ohne lat. Vorbild gebildet werden? Wie ist es beispielsweise mit “sehenden Auges"?
Danke für diesen Beitrag, Filix, das Thema ist doch interessanter, als ich erst dachte.
Das ist wahr, ich hatte gerade keine einschlägige Literatur zur Hand, noch Zeit, im Internet auf Quellensuche zu gehen.
Ich hatte allerdings gar auf noch früher getippt, weil mir so eine direkte Übertragung zuersteinmal auf Glossierung oder Interlinearversionen zurückführbar schienen.
Allerdings sehr interessant! Da eben schlicht kein Ablativ da war, um ihn zu ersetzen, habe ich zuerst an das Griechische gedacht. Nun weiß ich nicht, wie es um die Griechischkenntnisse der Mönche in den Scriptorien stand, aber offenbar scheint die Glossierung fast schon als Ursache wegzufallen...
Ich habe keine große Leseerfahrung im Lateinischen, vielleicht kannst Du etwas zu dieser schlichten Frage sagen: Finden sich den „deutschen absoluten Genitiven“ ähnliche Wendungen in lateinischen Texten besonders häufig? Gibt es z.B. eine Wendung, die der Konstruktion „unverrichteter Dinge“ nahekommt, und die eventuell so häufig war, dass sie übertragen wurde?
filix am 9.3.13 um 18:19 Uhr, überarbeitet am 28.4.16 um 11:48 Uhr (Zitieren) V
Das von ONDIT oben erwähnte „infecta re“ (nebst „re infecta, “rebus infectis„) für “unverrichteter Sache/Dinge" ist z.B. bei Caesar, Sallust, Livius da und dort zu finden. Es liegt allerdings nahe, dass die ersten Übersetzer, die lat. Abl. abs. in einen dt. Gen. abs. übertrugen ganz andere Texte als Vorlage hatten. Man findet doch einzelne Belege bereits im Althochdeutschen - Oskar Hermann Theodor Erdmann: Grundzüge der deutschen Syntax nach ihrer geschichtlichen Entwicklung, 1886, S. 203:
„Ein Gen. absolutus d.h. Gen. des Substantivums mit einem Participium ist nicht häufig. O. V. 12, 28f. [= Otfrid von Weißenburgs Evangelienbuch (9. Jhdt. u.Z.)] er ward zi mánne .... álangera múater, ... giháltenera thíarnun entsprechend einem lat. Abl. abs. non aperto utero virginis “
Letzterer, nicht unbedingt der Inbegriff dessen, was wir hier diskutieren, stammt aus Gregors des Großen „Homilia XXVI“, also aus dem 6. Jhdt. u.Z.
Zunächst ist demnach nach dem Gebrauch des Abl. abs. in den nachklass. und mittellat. Texten zu fragen,
sofern sie ins Ahd. und Mhd. übertragen werden. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass der Prozess in mehreren Phasen abläuft - so könnten bestimmte typische lat. Abl. abs. erst durch die durch Renaissance und Humanismus vermittelte Wiederentdeckung und Neubewertung der sogenannten lat. Klassiker im Sprachbewusstsein aufgetaucht und zum Gegenstand von Übersetzung geworden sein, wobei an die Genitivkonstruktion angeschlossen wird. Die oben angesprochene schwache produktive Seite derselben ist für mich ebenfalls nicht vom Tisch.
Wegs des Inhaltes, weil sie in ihren Scriptorien keinen Cäsar übersetzen?
Das mit den Humanisten finde ich einen sehr guten Einfall, leider übersteigt es gerade wirklich meine Möglichkeiten, der ganzen Frage noch weiter nachzugehen...
mir fällt die Nähe zu anderen Satzergänzungen im Gen. auf: letzten Endes, eines Tages usf.; ich kann das nicht historisch herleiten, aber - falls es diese schon beim ersten Auftreten des Gen. abs. gab - wäre eine analoge Bildung (evtll. unter dem Einfluss des lat. Abl. abs.) naheliegend
Die Formel „pochenden Herzens“ steht m. E. adverbialen Umstandsbestimmungen (wie „schweren Herzens“, „festen Schrittes“, „kühnen Mutes“) nahe, die sich allesamt durch Präpositionalgefüge mit „mit“ ersetzen lassen. Eine Bindung an das Verb lässt sich selbst noch für das Partizip konstruieren („Die pochenden Herzens geöffnete Truhe erwies sich als leer.“) Hier liegt also keineswegs ein von der Satzhandlung unabhängiges Geschehen vor wie es die absoluten Partizipialkonstruktionen auszeichnet (womit ich die Funktion des Abl. abs. als Adverbiale noch einmal infragestellen möchte).
In der Schreibung des letzten Jahrhunderts galt „unverrichteter Dinge“ als ein Wort (ebenso wie „bezeichnenderweise“, „anerkanntermaßen“), um zu kennzeichnen, dass die Wendung vollständig zum Adverb erstarrt ist. (... was natürlich noch nichts darüber sagt, wie ehedem das Sprachempfinden war.)
stimmt, das hast Du irgendwo mal angedeutet, der tiefere Grund dafür ist bei mir aber nicht hängengeblieben.
Der Ablativ ist nun mal der Kasus des Adverbiales (vgl die schöne dt. Bezeichnung „Umstandsbestimmung“), und ich sehe nicht, wieso sich durch die Hinzufügung eines (dann dominanten) Partizips daran etwas Wesentliches ändern sollte.
Auch die angeführten Gen. - sehen wir mal von den Zeit-Adverbien ab - implizieren ja häufig eine satzwertige Aussage (z.B. schweren Herzens, schnellen Schrittes)
Ich hoffe, dass die Bezeichnung „Adverbiale“ für den Ablativus Absolutes keinen leichtfertig Eingang in die Schulbücher genommen hat. Wäre natürlich interessant, wenn mit den Autoren darüber diskutiert werden könnte.
@Kuli: Welche Kriterien für „absolutus“ würdest du denn ansetzen? Es scheint mir in der Tat so, dass die mehr als problematisch sind und sich meist das „losgelöst“ von „= unterhält keine (grammatische) Beziehung zum Matrixsatz“ zu einem diffusen Begriff von fakultativem Zusatz verflüchtigt: „Im Unterschied zum dominanten Partizip ist der Ablativus absolutus immer vom Rest des Satzes losgelöst (absolutus), d.h. der Ablativus absolutus ist immer eine freie Angabe (???).“ (Neuer Menge) M.a.W.: kann auch weggelassen werden ohne die grammatische Integrität des Rests zu gefährden. Das ist alles, nur keine befriedigende Definition. Es ist wohl auch zwischen grammatischem und im weitesten Sinn semantisch-logischem Bezug zu unterscheiden - denn, was du am Beispiel „Die pochenden Herzens geöffnete Truhe...“ monierst, gilt für „corde tremente“ in e.g. „femineas vidi corde tremente genas“
([Pseudo-]Ovid: Heroides 5, 68) allemal.
Eine Definition zu wagen werde ich mir gewiss nicht anmaßen. Aber entscheidend für die Behauptung der Eigenständigkeit des Abl. abs. scheint mir gerade die Notwendigkeit des Partizips zu sein, wodurch die Konstruktion ihre Satzwertigkeit erhält. (Beim nomin. Abl. abs. mag man ein [nicht existierendes] Partiz. von esse ergänzen.) Mir scheint der Abl. abs. im Lateinischen die semantische Stelle einzunehmen, die vom Aspekt in den Aspektsprachen ausgefüllt wird. Der Abl. abs. bezeichnet die Geschehensbasis, das Prädikat den Inzidenzakt [Begriffe aus einer franz. Gramm.]. Natürlich gibt es Unschärfen: modale, kausale, instr. ... Ablative werden durch Partizipien zu Abl. abs. erweitert, ohne dass sich entscheiden ließe, ob über die Funktion eines bloßen Ablativs überhaupt hinausgegangen werden sollte.
So interessant diese Diskussionen sicherlich sind, wenn man sie auf dieser Ebene führen kann, so frage ich mich nun aber, ob nach Expertenmeinungen Konsens darüber besteht, dass „Ablativus Absolutus als Adverbiale“ in Schulbüchern verwendet wird.
In der Schule sollen ja Grundlagen vermittelt werden, die nicht „falsch“ sind - Grundsteine, auf denen aufgebaut werden kann -, die aber auch nicht zuuu kompliziert sind, um Schülergehirne nicht zu überfordern.
Entspricht die Zuordnung des Ablativus Absolutus zu den Adverbialen Bestimmungen diesem Aspekt?
Eigentlich ist es doch für die Übersetzung gänzlich unerheblich, ob das nun Adverbiale heißt oder nicht, und die Diskussion hat ein Niveau erreicht, das subtile Unterschiede in der Definition eine Rolle spielen, die in der praktischen Anwendung dem Schüler einfach wurscht sein können. Behaupte ich mal so.
Die Schüler sollten die deutsche Grammatik beherrschen, darauf kann man nur immer wieder hinweisen, wie ebenfalls bei der Verwendung der Zeiten und der Konjunktive.