Die Rede ist hier von Verbindungen aus genau zwei Elementen wie z.B. Wasser, das aus Wasserstoff und Sauerstoff besteht, oder Kochsalz, das aus Natrium und Chlor besteht.
Grundsätzlich ist von zwei Elementen eines „mehr Metall“, das andere „mehr Nichtmetall“. Die Nomenklaturregeln stammen aus einer Zeit, in der so etwas noch nicht exakt an Messwerten festgemacht wurde, deswegen hat man sich international auf eine Liste aller Elemente geeinigt, die mit den typischsten Metallen beginnt und mit den typischsten Nichtmetallen endet.
Das in der Liste früher vorkommende Element wird dann an die erste Stelle des Namens gesetzt, das zweite entsprechend nach hinten, oder simpler.
Metall nach vorn, Nichtmetall nach hinten
Und jetzt wird es philologisch: Vom hinteren Element wird der lateinische Name mit der Endung -id versehen. Latein können wir doch alle, oder?
In der Abhandlung über die lateinischen Elementnamen sind bei den einschlägigen Elementen diese Namen mit –id angegeben worden.
(-id kommt von griechisch eidomai ich gleiche, bin von der Art.)
Der vollständige Name einer binären Verbindung ist dann:
Atomanzahl Element 1 - Element 1 - Atomanzahl Element 2 - lat. Element 2 –id
Die Zahlwörter sind griechisch: 1 mono, 2 di, 3 tri, 4 tetra, 5 penta, 6 hexa, 7 hepta, 8 okta, 9 ennea (manchmal pfuscht einer „nona“, aber das wäre Latein), 10 deka, 11 hendeka (mitunter lateinisch „undeca“), 12 dodeka. Ein -a (und das -o von mono) am Ende fällt vor Vokal aus: -tetroxid, aber -trioxid. Das „mono“ für 1 fällt meist fort.
NaCl ist also Natriumchlorid, BaS Bariumsulfid, AlN Aluminiumnitrid, CaO Calciumoxid …
N2O5 Distickstoffpentoxid, B12C3 Dodekabortricarbid…
In manchen Fällen war es üblich, im Namen Bruchzahlen zu verwenden, weil auf ein „prominentes“ Element die Atomzahl 1 gelegt wurde. (Das geht, wenn der Name nicht die Atomanzahlen im aktuellen Molekül, sondern nur das Verhältnis der Atomanzahlen in der Verbindung benennen will.)
Beispiel: Für As2O3, Diarsentrioxid, wurde „AsO3/2“ konstruiert. Hierfür gibt es die Zahlwörter „hemi“ = ½ und „sesqui“ = ³/2. Eben hatten wir es also mit Arsensesquioxid zu tun.
Seit langer Zeit sind Atomgruppen bekannt, die relativ stabil sind und die anfangs für Elemente gehalten wurden. So wie die typischen Halogene (gr. Salzbildner) Chlor, Brom, Iod als Chlorid, Bromid, Iodid (also „Halogenide“ ) schwerlösliche Silbersalze bilden, gibt es Atomgruppen, die dies auch tun und deswegen „Pseudo-Halogenide“ genannt werden.
Solche Atomgruppen tragen Namen wie Elemente und unterliegen der Nomenklatur binärer Verbindungen.
Pseudo-Halogenide sind z.B. CN Cyanid (gr. kyanos kornblumenblau, da blaue Eisenverbindungen bildend), SCN Rhodanid (gr. rhodoeis rosig, da eine rote Eisenverbindung bildend) , N3 Azid (gr. azotes lebenswidrig, da aus „Stick“stoff bestehend)
Ähnlich werden benannt OH Hydroxid (aus Hydrogenium – Wasserstoff - und Oxygenium – Sauerstoff - bestehend), NH2 Amid (vom Ammoniak abstammend, welcher im sal ammoniacum oder Salmiak, dem Salz des Iuppiter Ammon, vorkommt, das man in der Oase Siwah, seinem Kultort, findet) , NH Imid (ein Wasserstoff weniger als „Amid“).
Es gibt Verbindungen, die Namen tragen, welche nicht auf einem Nomenklatur-Regel-System beruhen, die sogenannten Trivialnamen. „Wasser“ ist zum Beispiel einer, der systematische Name wäre ja Diwasserstoffoxid.
Treten solche Gruppen hinten an der Stelle des Nichtmetalls in eine Verbindung ein (unter Verlust von Wasserstoff, wenn die Atomgruppe welchen enthielt), werden ebenfalls „Pseudo-Elemente“ mit der Endung –id gebildet: So gibt es O3 Ozonid vom O3 Ozon (gr. ozo ich verbreite Geruch – und zwar hier einen süßlichen) , C2 Acetylid vom C2H2 Acetylen (das aus Essig, lat. acetum, hergestellt werden kann), N2H3 Hydrazid vom N2H4 Hydrazin (Hydrogenium azotes wie oben) und , NHOH Hydroxylamid vom NH2OH Hydroxylamin (Bestandteile wie oben).
Einige weitere „Nichtmetallvertreter“ bestehen aus einer Gruppe von Atomen desselben Elements. Sie werden zunächst mit denselben Zahlwörtern benannt, die oben angegeben wurden (denn die Namen sagen zunächst nichts darüber aus, ob einige Nichtmetallatome –„einzeln“- oder eine Gruppe solcher Atome in die Verbindung eingeht.). So gibt es die Atomgruppen I3 Triiodid, S2 Disulfid usw. Ausnahmen hiervon sind das bereits erwähnte Azid, Acetylid und Ozonid sowie das Peroxid und Hyperoxid (beide O2, aber mit unterschiedlicher Ladung (Elektronenzahl); gr. hyper „über“), weil hier neben der Atomanzahl noch irgendwie die Zahl der Ladungen ausgedrückt werden muss. Ein „Dioxid“ (zwei O) ist eben etwas anderes als ein Peroxid oder Hyperoxid und ein Azid (N3-Gruppe) etwas anderes als ein Trinitrid (drei N).
Wenn eine Atomgruppe statt des Metalls eintritt (wie bei Ammonium, NH4; Name siehe oben), dann kann diese ohne Namensänderung als erster Bestandteil in den Namen der Verbindung eintreten - mit dem Resultat, dass eine Verbindung wie Ammoniumrhodanid (NH4SCN) vier verschiedene Elemente enthält und dennoch als binäre Verbindung benannt wird!
Es gibt eine große Ausnahme:
Binäre Verbindungen des Wasserstoffs richten sich in nur wenigen Fällen nach der obenerwähnten Nomenklatur, nämlich nur dann, wenn der Wasserstoff ein echtes Hydrid bildet (ein negativ geladenes H).
Wasserstoff kann aber auch molekular gebunden sein oder er tritt gar statt des Metalls in die Verbindung ein und kann, wenn die Verbindung in Lösungsmitteln gelöst wird, abgespalten und an ein Lösungsmittelmolekül gebunden werden. Verbindungen, die so H abzuspalten vermögen, sind bekanntlich Säuren. Sie heißen „Element-Wasserstoff“ oder in Lösung Elementwasserstoffsäure. In der Formel steht H hier unter allen Umständen an erster Stelle – auch wenn die Reihenfolgentabelle der Elemente die andere Reihenfolge nahelegen würde.
So finden wir Chlorwasserstoff HCl oder Schwefelwasserstoff H2S oder Stickstoffwasserstoffsäure HN3. Zwei wässrige Lösungen haben dazu Trivialnamen: Salzsäure HCl und Flusssäure HF (H2F2).
Die Namenart „Element-Wasserstoff“ wird auch bei der dritten binären Verbindungs- Art des Wasserstoffs angewandt, den in Molekülen gebundenen H. Bei zwei Gruppen solcher Verbindungen, den Borwasserstoffen und den Kohlenwasserstoffen, ist die Anzahl der Verbindungen allerdings derart groß, dass eine Spezialnomenklatur angewendet werden muss - im Falle des Kohlenstoffs wird mit diesen Verbindungen bekanntlich ein eigener Zweig der Chemie begründet, die Organische Chemie.
Bei den übrigen molekülartigen „Element-Wasserstoffen“ hat es sich eingebürgert, diejenigen Verbindungen, wo Wasserstoff gemäß Reihenfolgetabelle nach hinten gehört, mit „erste Silbe des lateinischen Namens des Elements plus -an“ zu benennen. So entsteht Boran, Alan, Silan, German, Stannan.
Gehörte der Wasserstoff aber nach vorn, ist die Endung statt dessen -in wie in Phosphin, Arsin, Stibin. Statt Oxin wird allerdings „Wasser“ gesagt, statt Nitrin „Ammoniak“ und statt Sulfin stur Sulfan.
Ja, ich weiß, bei N, P, As, Sb schreibt man traditionell den Wasserstoff hinten. Hier stimmt die Schreibreihenfolgetabelle nicht mit den chemischen Eigenschaften überein – aber das „-in“ berücksichtigt diese.
Gruppen mit mehreren aneinanderhängenden nicht-H-Atomen verwenden wieder die bekannten Zahlwörter: Diphosphin (P2H4 ), Trisilan (Si2H8), Heptasulfan (H2S7)…; statt Dinitrin aber Hydrazin, statt Dioxin Wasserstoffperoxid - und Kohlenwasserstoffe haben, wie gesagt, sowieso eine eigene Nomenklatur. (Oxin und Dioxin finden wir dann als Namen gewisser organischer Verbindungen wieder.)
Die Wasserstoffanzahl wird also nicht angegeben; sie folgt aus der Wertigkeit des Partners. Als Faustregel mag gelten: Die Gruppennummer des Partners im Periodensystem oder (wenn diese vier überschreitet) 8 minus die Gruppennummer sei die Zahl x. Dann haben wir meistens (nämlich, wenn keine Ringe oder Mehrfachbindungen oder exotischen Wertigkeiten auftreten)
2 plus (Anzahl der Partneratome mal (x - 2)) Wasserstoffatome
Die einzige noch nicht erwähnte Art binärer Verbindungen sind Metall-Legierungen. Hier ist die Grenze zwischen Verbindung und Gemisch fließend. Die oben erläuterte Nomenklatur wird nämlich bei Metallen nur angewendet, wenn es sich um wohldefinierte Verbindungen handelt (wie Tetranatriumplumbid, Na4Pb). Sonst zählt man einfach Atomprozente auf wie in Gold-60-Silber-40.
Quecksilberlegierungen heißen übrigens „Amalgam“ (gr. amalakos „nicht weich“ oder arab, al malagma .“Paste“ – die erst knetbare, dann erhärtende Masse kennt man ja vom Zahnarzt).
Alle übrigen Verbindungen enthalten mehr als zwei Elementsorten. Sie haben ihre eigenen Nomenklaturregeln.
In binären Verbindungen wird ein in folgender Reihe rechtsstehendes Element nach einem linksstehenden notiert. „Saures“ H steht aber immer vorn.
Fr, Cs, Rb, K, Na, Li, Ra, Ba, Sr, Ca, Mg, Be, Transactiniden, Lr, No, Md, Fm, Es, Cf, Bk, Cm, Am, Pu, Np, U, Pa, Th, Ac, Lu, Yb, Tm, Er, Ho, Dy, Tb, Gd, Eu, Sm, Pm, Nd, Pr, Ce, La, Y, Sc, Hf, Zr, Ti, Ta, Nb, V, W, Mo, Cr, Re, Tc, Mn, Pt, Ir, Os, Pd, Rh, Ru, Ni, Co, Fe, Au, Ag, Cu, Hg, Cd, Zn, Tl, In, Ga, Al, Pb, Sn, Ge, Bi, B, Si, C, Sb, Po, As, P, N, H, Te, Se, S, At, I, Br, Cl, O, F