Hallo,
folgender Satz macht mir Umstände bzw. das praestanda, ich weiß einfach nicht, welche Bedeutung es hier hat.
Tria (drei) deinde (ferner) ex praecepto veteri (gemäß einer ehrwürdigen Belehrung) praestanda sunt ut videntur (damit vermieden wird): odium, invidia, contemptus.
nun bin ich verwirrt. diese übersetzungsversion gibt diesen satz, insofern sie überhaupt richtig ist, nur dem sinn nach wieder, ich möchte die konstruktion aber verstehen.
Ich halte das für eine umschreibende Verstärkung à la „facere, ut“ - wozu auch die im Georges aufgeführte Bedeutung „B) übtr.: a) machen, tun, verrichten“ passte.
Wie würdest du das „wörtl.“ übrsetzen, sodass es Sinn macht ?
Ich komme damit irgendwie nicht klar, auch wenn ich in diesselbe Richtung gedacht hatte wie du.
Du scheinst du Sache dadurch noch obskurer zu machen , als sie ohnehin schon ist.
Obscurare quidem obscuri est. :))
Wir werden wohl auf die filixianische Erleuchtung hoffen müssen.
„Ferner hat man, alter Vorschrift gemäß, drei Dinge zu erfüllen: <nämlich> dass man dem Hass, der Missgunst und der Verachtung <der Mitbürger> aus dem Weg geht.“
Indem das Verbot in Form eines Gebots präsentiert wird, soll verdeutlicht werden, dass es sich hierbei nicht um eine Forderung handelt, der sich allein passiv (durch Unterlassen neid- und hasserregenden Handelns) begegnen ließe, sondern dass eigene Mitwirkung verlangt ist (nach Seneca: Hinwendung zur Philosophie).
Re: Sen. ep. 14
filix am 5.7.15 um 20:17 Uhr, überarbeitet am 6.7.15 um 0:42 Uhr (Zitieren)
Die freie Übersetzung, die darin die von mir angesprochene verstärkende Umschreibung einer Tätigkeit vermutet, ist dem Umstand geschuldet, dass im Dt. die verbale Konstruktion sich so nicht nachahmen lässt, weshalb sie zu einem adverbiellen Zusatz greift. Als weiteres Indiz, dass praestare, ut ... wie facere, ut ... zu verstehen ist, mag folgende Briefstelle gelten:
„Tu, mi Cicero, quod adhuc fecisti, idem praesta ut vigilanter nervoseque nos qui stamus in acie subornes“ (Ad fam. 10.23)
„Du, mein Cicero, mach dasselbe, was du bisher getan hast, <nämlich> dass du uns, die wir an der Front stehen, mit unermüdlicher Fürsorge und kräftig ausrüstest.“
Die größte Schwierigkeit für eine wörtl. dt. Übersetzung bereitet die persönliche Konstruktion des Gerundivs - weicht man auf eine unpersönliche aus und verschiebt das ausdrückliche Subjekt in den Nebensatz, hieße das: „Man muss ferner machen (deinde praestanda = facienda sunt), dass (ut) drei <Dinge> (tria) vermieden werden (vitentur): ...“
Die womöglich knappste Lösung über einen adv. Zusatz, die die ursprüngl. Konstruktion erahnen lässt, wäre dann:
Hm, in der Konstruktion facere, ut ... nimmt ja der Konsekutivsatz die Stelle eines Objekts ein. In dem Cicero-Zitat, das du anführst, steht der ut-Satz aber explikativ in Apposition zum Objekt (quod adhuc fecisti, idem). Ich denke, dass auch in dem hier diskutierten Seneca-Satz, der ut-Satz ein Explikativsatz ist (in Apposition zum Subjekt tria).
Re: Sen. ep. 14
filix am 6.7.15 um 12:52 Uhr, überarbeitet am 6.7.15 um 13:04 Uhr (Zitieren)
Das kann man so sehen - die Auffassung vom Explikativsatz schwächt allerdings den Forderungscharakter im Verhältnis ein wenig ab, während viele Übersetzer gerade diesen in seiner Nachdrücklichkeit durch die adverbiellen Zusätze - e.g. „geflissentlich meiden“ (Tusculum), „avoid three things with special care“ (Loeb Classical Lib.) - einzuholen suchen.
Am folgenden Beispiel für facere, ut ... kann man m.E. erkennen, dass mitunter das Auftauchen eines Objekts im übergeordneten Satz diesen verstärkenden Sinn der Konstruktion nicht unbedingt preisgibt:
„sin omnia sunt obstructa, id ipsum fac ut sciamus et nos aliquando aut obiurgare aut communiter consolari desine“ (Ad Att. 3, 15)
Ja gut, aber bei diesem Beispiel kann man id ipsum, denke ich, nicht anders denn als Objekt zu sciamus auffassen („lass mich das erst recht wissen“). Und dadurch, dass der ut-Satz ein anderes Subjekt hat als der übergeordnete, dient das fac, ut ... hier wohl auch nicht ausschließlich der Verstärkung der Handlung des ut-Satzes, wie es das z. B. in einem fac, ut valeas tut.
Re: Sen. ep. 14
filix am 7.7.15 um 12:04 Uhr, überarbeitet am 7.7.15 um 12:05 Uhr (Zitieren)
Ich hätte auch eine unpers. Konstruktion vom Typ „praestandum (= faciendum) est, ut“ erwartet, dennoch scheint mir nach wie vor der Ausdruck bei Seneca durch die Verstärkung motiviert - der schlichten Formulierung „Deinde tria ex praecepto veteri vitanda sunt: ...“ steht ja nichts entgegen.