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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Der Wert der Tradition (245 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 25.09.2024 um 15:54 Uhr (Zitieren)
Ein Papst sagte zur Verteidigung christlich-abendländischer Werte und des Gottesbezuges in der europäischen Verfassung, niemand dürfe sich von den Wurzeln seiner Tradition abschneiden.

Das hätte man ebensogut den Menschen der Spätantike sagen können, die im Begriff waren, sich für das Christentum zu entscheiden.

In Trier habe ich die Überreste einer von Christen gesteinigten Venus-Statue gesehen.

(Wolfgang Weimer)
Re: Der Wert der Tradition
Andreas schrieb am 25.09.2024 um 17:54 Uhr (Zitieren)
Dazu auch:
Catherine Nixey
Heiliger Zorn: Wie die frühen Christen die Antike zerstörten
Mit zahlreichen farbigen Abbildungen (2019)

Wenn aus Verfolgten Verfolger werden ...
Re: Der Wert der Tradition
Γραικύλος schrieb am 25.09.2024 um 18:01 Uhr (Zitieren)
Von diesem erhellenden Buch war hier schon mehrfach die Rede, z.B.:
https://www.albertmartin.de/altgriechisch/forum/?view=9167#4

Es schadet nichts, häufiger darauf hinzuweisen.

Der Papst allerdings meinte nur seine Tradition, von der wir uns nicht abschneiden sollten. Wenn Menschen anderer Traditionen zum Katholizismus konvertieren, hatte er dagegen keine Bedenken.
Re: Der Wert der Tradition
Γραικύλος schrieb am 25.09.2024 um 18:23 Uhr (Zitieren)
Ich hatte schon gleich nach Erscheinen dieses Buch vorgestellt, sogar mitsam Trier-Anekdote:

https://www.albertmartin.de/altgriechisch/forum/?view=5013
Re: Der Wert der Tradition
Andreas schrieb am 26.09.2024 um 13:23 Uhr (Zitieren)
vgl:
https://de.wikipedia.org/wiki/Extra_ecclesiam_nulla_salus

https://www.faz.net/aktuell/politik/anonyme-und-andere-christen-1191216.html


Dazu ein Zitat von Karl Rahner aus seinem GRUNDKURS DES GLAUBENS (1976):

„Der Mensch kommt nur wirklich in echtem Selbstvollzug zu sich, wenn er
sich radikal an den anderen wegwagt. Tut er dies, ergreift er (bewusst oder
unbewusst) das, was mit Gott als Horizont, Garant und Radikalität solcher
Liebe gemeint ist, der sich in Selbstmitteilung (existenziell und geschicht-
lich) zum Raum der Möglichkeit solcher Liebe macht. Diese Liebe ist intim
und gesellschaftlich gemeint und ist in der radikalen Einheit dieser beiden
Momente Grund und Wesen der Kirche. (...)
Diese Selbstmitteilung Gottes
an den Menschen, die dessen Nächstenliebe trägt, hat ihren eschatologisch
siegreichen, geschichtlichen Höhepunkt in Jesus Christus, der darum in je-
dem anderen Menschen mindestens anonym geliebt wird.


„Das Christentum ist die Offenhaltung der Frage nach der absoluten Zu-
kunft, die sich als solche selbst in Selbstmitteilung geben will, diesen ihren
Willen in Jesus Christus eschatologisch irreversibel festgemacht hat und
Gott heißt.“
„Die in freiem geschichtlichen Walten sich mitteilende absolute Zukunft
des Menschen, die Gott ist, ist aber in einer besonderen Weise der ‚Geist’
Gottes, weil er als Liebe, Freiheit, immer überraschende Neuheit charakte-
risiert werden kann.“


Was sagt der Philosoph in dir zu solchen Statements?
Würdest du mit ihm diskutieren?
Was würdest du ihm als Fazit darauf antworten?

Zu Rahner:
https://bonndoc.ulb.uni-bonn.de/xmlui/bitstream/handle/20.500.11811/1010/F%C3%B6%C3%9Fel_Karl-Rahner_1.pdf?sequence=1

https://bonndoc.ulb.uni-bonn.de/xmlui/bitstream/handle/20.500.11811/1177/F%C3%B6%C3%9Fel_Karl-Rahner_2.pdf?sequence=1&isAllowed=y
Re: Der Wert der Tradition
Γραικύλος schrieb am 26.09.2024 um 13:55 Uhr (Zitieren)
Was soll ich dazu sagen? Lauter unbegründete, für mich nicht nachvollziehbare Behauptungen.
Vielleicht würde er antworten: "Dann hast du den eigentlichen Sinn deiner Existenz verfehlt."
Das kann ich dann als seine Ansicht so stehen lassen.

Und dann noch:
Sobald Einer von Gott redet, weiß ich nicht wovon er redet.

(Arthur Schopenhauer: Der handschriftliche Nachlaß. 5 Bände. Herausgegeben von Arthur Hübscher. Band IV/2: Letzte Manuskripte. Frankfurt/Main 1975, S. 12)

Warum man einen "echten, radikalen Selbstvollzug" (was immer das sein mag) Gott nennen sollte, erschließt sich mir nicht.
Re: Der Wert der Tradition
Andreas schrieb am 26.09.2024 um 15:22 Uhr (Zitieren)
Warum man einen "echten, radikalen Selbstvollzug" (was immer das sein mag) Gott nennen sollte, erschließt sich mir nicht.

Damit meint er: Immer wenn der Mensch wirklich selbstlos liebt bzw. liebevoll handelt.
Hier sehe ich eine Nähe zum Buddhismus mit seinem Ahimsa-Prinzip, das in etwa der Biophilie entspricht.
Der Mensch ist aufgefordet, seine Liebesfähigkeit zu maximieren.
Sein Vorbild im Christentum ist dabei natürlich Jesus, der Christus Gottes, der Gott als den bedingunglos liebenden Abba-Vater-Mutter-Gott verkündet hat.
Was seine Nachfolger daraus gemacht haben, steht auf einer anderen Seite,
die zur großen Problemen mit der ratio führt.
Mehr als eine Hoffnung ist es aber nicht, nämlich die Hoffnung,
dass Liebe nicht vergeblich ist und im Nichts endet.
Daher sagt Rahner auch das, was ich als Zweites zitiert habe:

„Das Christentum ist die Offenhaltung der Frage nach der absoluten Zu-
kunft, ...
Stichwort ist hier: präsentische Eschatologie

Ich weiß, dass das für dich als einem rationalistischen,
begründet metaphysikkritischen Philosophen starker Tobak ist.
Aber ist nunmal der status rerum Christianus vel Rahnerianus.

Es gilt wohl: Über Geld und Gott spricht man besser nicht.
Das Thema dieses Thread hat mich dazu motiviert, vlt. war es keine gute Idee.
Aber es gilt auch: Semper aliquid haeret et aliquando prosit (Potentialis).
Danke für deine Antwort.
Re: Der Wert der Tradition
Γραικύλος schrieb am 26.09.2024 um 23:19 Uhr (Zitieren)
Ein Selbst, das selbstlos liebt.
Ein bedingungslos liebender Vater, der Menschen, die seinen Geboten nicht folgen, die Hölle androht.
Laß gut sein.
Re: Der Wert der Tradition
Andreas schrieb am 27.09.2024 um 11:53 Uhr (Zitieren)
Die Drohungen kommen von Menschen mit Interessen bzw. solchen, die meinen, ohne Druck geht es nicht und damit wohl nicht ganz Unrecht haben.
Wenn Gott strafen würde, käme er aus der Straferei nie raus.
Ob solche Worte von Jesus stammen,wäre zu klären und wenn ja,
im Kontext zu interpretieren, heute v.a. psychoanalytisch.
Dafür ist die moderne Exegese zuständig. Dazu weiß ich zu wenig.
Auf die Schnelle gegoggelt:
https://publikationen.uni-tuebingen.de/xmlui/bitstream/handle/10900/122506/Dormeyer_075.pdf?sequence=1&isAllowed=y

Ein Selbst, das selbstlos liebt.

Ich glaube, das verstehst du falsch.
Selbstvollzug = Verwirklichen dessen, was in der Natur des
gesunden Menschen steckt, zu der auch gehört, für andere dasein zu wollen,
was man Proexistenz nennt.
Mir fällt der Psychiater Viktor Frankl ein:

Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie.
Re: Der Wert der Tradition
Γραικύλος schrieb am 27.09.2024 um 18:33 Uhr (Zitieren)
Ich staune, wie ein Selbst = Ego = Ich selbstlos sein sollte.

Mein Standpunkt ist dieser:

Def. Egoismus: Das Bestreben eines Menschen, selbst glücklich zu werden, d.h. es geht ihm um sich.

These: Jeder Mensch ist ein Egoist.

Dann gibt es allerdings drei Tpyen von Egoisten:
1. Er wird glücklich dadurch, daß andere Menschen glücklich sind oder daß er andere Menschen glücklich macht.
2. Er wird glücklich unabhängig davon, ob andere Menschen glücklich sind - das ist ihm egal.
3. Er wird glücklich dadurch, daß andere Menschen unglücklich sind oder daß er sie unglücklich macht.

2. ist das, was man landläufig einen Egoisten nennt, 3. ist ein Sadist.

Selbstverständlich gilt 1. den meisten Menschen als der angenehmste Typ, und zwar aus Egoismus: Mit ihm können sie besser ihr eigenes Glück erreichen.

Warum jetzt nur dieser Typ 1. das "wahre, eigentliche Menschsein" verkörpert, müßte mir jemand erklären, sofern damit mehr gemeint sein soll als das, was ich zu seiner Annehmlichkeit geschrieben habe.
Als bloße Behauptung hingegen gehört es für mich in den Bereich der Predigt, und dafür habe ich schwach entwickelte Ohren.

So mache ich mir menschliches Verhalten strukturell durchsichtig(er), und zwar ohne die Annahme einer ominösen Entität namens Gott, die auf diese Weise Ockhams Rasiermesser zum Opfer fällt.
Re: Der Wert der Tradition
Andreas schrieb am 28.09.2024 um 11:33 Uhr (Zitieren)
Def. Egoismus: Das Bestreben eines Menschen, selbst glücklich zu werden, d.h. es geht ihm um sich.

Das ist unvollständig:
Der Duden beschreibt Egoismus als Selbstsucht, Ichsucht und Eigenliebe: Ein Egoist oder eine Egoistin strebt nach Vorteilen für sich selbst, ohne Rücksicht auf die Ansprüche anderer.

Von Glück ist nicht die Rede.
Egoismus ist negativ konnotiert.
Glück und Vorteilsssuche sind nicht identisch.
Zudem:Was ist Glück?
https://de.wikipedia.org/wiki/Gl%C3%BCck

Das Streben nach Eudämonie ist nicht nur Egoismus.
Vgl:
https://de.wikipedia.org/wiki/Egoismus

2. Er wird glücklich unabhängig davon, ob andere Menschen glücklich sind - das ist ihm egal.

Ob er dauerhaft damit glücklich bleibt, ist zu bezweifeln.
Das Unglück anderer kann sein Glück schmälern oder ganz zerstören.

Ich bezweifle,ob ein Mensch, der nur an sich denkt, glücklich ist oder bleiben kann.
Wem andere völlig gleichgültig sind, der wird das irgendwann zu spüren bekommen.
Als animal sociale ist der Mensch auf andere angewiesen von Geburt an.

Was vestehst du unter Glück? Was ist konstitutiv dazu?
Wann fühlst du dich glücklich? Bist du es im Moment (im Prinzip)?
Welches Glück empfindest du bei deiner geistigen Arbeit?
Was wäre, wenn sie nicht mehr möglich ist (Krankheit)?

PS:
https://www.tagesschau.de/wissen/weltgluecksbericht-102.html

Re: Der Wert der Tradition
Γραικύλος schrieb am 28.09.2024 um 11:57 Uhr (Zitieren)
Ja, ich habe eine eigene Definition von Egoismus vorgeschlagen, um damit deutlich zu machen, daß ein Selbst nicht/nie selbstlos handelt.
"Glück" ist übrigens zu verstehen als Lust, Freude, Vorteil usw.

Daß die landläufige oder Duden-Definition von Egoismus anders lautet, ist mir klar und habe ich erwähnt.

Vielleicht kannst Du oder Deine KI mir mal erklären, warum manche Menschen um das Glück anderer Menschen besorgt sind.
Meine Erklärung lautet: weil sie das Glück anderer selbst glücklich macht. Und das nenne ich (eine Version von) Egoismus. Es geht auch ihnen um ihr eigenes Glück. Nur haben sie dabei einen speziellen, sozial kompatiblen Geschmack. Deswegen lobt man sie.
Re: Der Wert der Tradition
Γραικύλος schrieb am 28.09.2024 um 12:01 Uhr (Zitieren)
Daß Menschen vom Typ 2 (oder gar Typ 3) irgendwann einmal scheitern, ist eine frohe Hoffnung der sozial denkenden Menschen vom Typ 1. Sie glauben, daß es gerecht zugehe in der Welt.

Ob es so kommt? Wir können die anstehende Präsidentschaftswahl in den USA als Test ansehen.
Re: Der Wert der Tradition
Γραικύλος schrieb am 28.09.2024 um 12:28 Uhr (Zitieren)
Es ist übrigens nicht so zu verstehen, daß jeder Mensch einen dieser drei Typen in Reinkultur verkörpere. Gut möglich, daß jemand gegenüber seinen Kinder das Typ-1-Verhalten zeigt, während er in seinem Beruf als Gebrauchtwagenhändler der Typ 2 ist, während von einem bestimmten Menschen seine Typ-3-Eigenschaften getriggert werden.

So oder so, und das ist mir wichtig, geht es ihm um sein Glück, um seine Art, glücklich zu werden und (als Kehrseite) Leid zu vermeiden.

Vermutlich gilt das, wie Epikur schreibt, für alle Lebewesen. Da befinde ich mich ganz auf seiner Seite.
Re: Der Wert der Tradition
Γραικύλος schrieb am 28.09.2024 um 12:32 Uhr (Zitieren)
D.h. um wieder griechisch zu werden, ich spreche von ἡδονή.

Aber soweit ich sehe ging es allen griechischen Philosophen, die sich mit Ethik befaßt haben, um die Frage, wie man glücklich wird - nicht darum, daß dies das Ziel jedes Menschen ist.

Auf den Gedanken, ein Mensch könne "selbst-los" handeln, wären sie nicht gekommen.
Re: Der Wert der Tradition
Udo schrieb am 28.09.2024 um 13:55 Uhr (Zitieren)
Macht eigentlich Wissen glücklich? Wie fühlt sich dieses Glück an? Ist es vor allem Stolz oder mehr?
Dient es der Ego-Befriedigung und erhöht es das Selbstwertgefühl?
Re: Der Wert der Tradition
Andreas schrieb am 28.09.2024 um 14:04 Uhr (Zitieren)
Meine Erklärung lautet: weil sie das Glück anderer selbst glücklich macht. Und das nenne ich (eine Version von) Egoismus.

Ja, es ist auch eine Form von "gutem" Egoismus.
Das Ego ist ja immer am Werk, weil der Mensch ein bewusstes Ich hat im Gegensatz zum Tier.

Vielleicht kannst Du oder Deine KI mir mal erklären, warum manche Menschen um das Glück anderer Menschen besorgt sind.

Meine Meinung:
Weil man will, dass auch andere glücklich sind.
Manche haben sogar Schuldgefühle, wenn es ihnen (zu) gut geht und auch Angst,
dass es nicht immer so bleiben wird.

KI:
Diese Frage berührt tiefliegende Aspekte der menschlichen Natur und Gesellschaft. Es gibt mehrere Gründe, warum Menschen sich um das Glück anderer sorgen:

Empathie und Mitgefühl:
Menschen haben die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen und deren Gefühle nachzuempfinden. Diese evolutionär entwickelte Eigenschaft fördert soziales Zusammenleben und gegenseitige Unterstützung.
Soziale Bindungen:
Enge Beziehungen zu Familie und Freunden führen dazu, dass wir uns um deren Wohlergehen sorgen. Das Glück unserer Lieben trägt oft zu unserem eigenen Glück bei.
Gesellschaftlicher Zusammenhalt:
Eine Gesellschaft, in der sich Menschen umeinander kümmern, ist oft stabiler und funktionsfähiger. Dies kann als evolutionärer Vorteil gesehen werden.
Moralische und religiöse Überzeugungen:
Viele ethische und religiöse Systeme betonen die Wichtigkeit, sich um andere zu kümmern und ihnen zu helfen.
Reziproker Altruismus:
Die Sorge um andere kann als eine Art "soziale Investition" gesehen werden. Wenn wir uns um andere kümmern, erhöhen wir die Wahrscheinlichkeit, dass uns in Zukunft auch geholfen wird.
Selbstwertgefühl und Identität:
Sich um andere zu kümmern, kann das eigene Selbstwertgefühl steigern und Teil der persönlichen oder kulturellen Identität sein.
Kollektives Wohlbefinden:
In einer vernetzten Welt kann das Glück anderer direkt oder indirekt unser eigenes Wohlbefinden beeinflussen.
Psychologische Befriedigung:
Anderen zu helfen und ihr Glück zu fördern, kann eine Quelle der Zufriedenheit und des Sinns im eigenen Leben sein.
Kulturelle Normen:
In vielen Kulturen wird die Sorge um andere als Tugend angesehen und sozial belohnt.
Evolutionäre Gruppenselektion:
Gruppen, deren Mitglieder sich umeinander kümmern, könnten einen Überlebensvorteil gegenüber egoistischeren Gruppen haben.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Motivation, sich um das Glück anderer zu sorgen, oft aus einer Kombination dieser Faktoren entsteht und je nach Individuum und Situation variieren kann.


Daß Menschen vom Typ 2 (oder gar Typ 3) irgendwann einmal scheitern, ist eine frohe Hoffnung der sozial denkenden Menschen vom Typ 1. Sie glauben, daß es gerecht zugehe in der Welt.

Es gibt viele Beispiele dafür.
Dass die Welt ungerecht ist, ist unbestritten, so wie es unsere Aufgabe ist, das Problem zu mininieren, weil es uns immer stärker auf die Füße fällt.
(Migration, Terrorismus u.a.)

Aber soweit ich sehe ging es allen griechischen Philosophen, die sich mit Ethik befaßt haben, um die Frage, wie man glücklich wird - nicht darum, daß dies das Ziel jedes Menschen ist.

Auf den Gedanken, ein Mensch könne "selbst-los" handeln, wären sie nicht gekommen.

Glück hat zu tun mit Lebensbejahung, Lebensfreude, Selbstverwirklichung, ... u.v. der Erfahrung von Liebe, Akzeptation, Sinnerfahrung (auch ohne materiellen Nutzen),
Gemeinschaftserfahrung, Solidarität etc.

Das Menschenbild der Antike vor dem Christentum war nicht unseres. Der Eigenwert eines jeden Menschenlebens war ihr fremd.
Mit dem Christentum und ansatzweise schon vorher im Judentum rückt der Einzelne in den Vordergrund bis hin zum Mittelpunkt.
vgl. A. von Harnack, Das Wesen des Christentums (der unendliche Wert der Menschenseele vor Gott. Harnack wollte Jesus sogar aus dem Evangelium herausnehmen:
Harnack sah dies als zentrale Botschaft Jesu, frei von späteren dogmatischen Überlagerungen.
Er betonte, dass Jesus die direkte Beziehung zwischen Gott und dem Individuum in den Mittelpunkt stellte.


Zur Rolle der Liebe: 1 Kor, 13
Zur Sinnfrage sagt der Kolossserbrief, dass die Schöpfung auf den Christus hin geschaffen isi (eis auton), was modern verstanden wird als auf den maximal liebevollen und - fähigen Menschen hin.
vgl. Christogenese bei Teilhard de Chardin

Das mit der modernen Kosmologie zusammenzudenken ist sehr schwer, für manche unmöglich, aber es gibt Ansätze, wenn ich an Drewermann denke.
Er hat wieder eine Vorlesungsreihe gehalten.
Hier kannst du reinhören:
https://www.youtube.com/results?search_query=drewermann+sommervorlesung+2024

Klar, hier fängt das Glauben-wollen und -können an.
Es sind Ideen, Utopien, Wunschdenken wie viele andere Ideen auch (Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichheit), die realiter nur ansatzweise verwirklicht sind. Dennoch glauben wir an sie, auch weil sie Hoffnung und glücklich machen. Wofür soll der Mensch sonst kämpfen?
Jedes private Glück ist nie völlig abtrennbar vom Glück anderen.
Fontane:
„Das größte Glück des Lebens ist die Überzeugung, geliebt zu werden, geliebt um seiner selbst willen, oder vielmehr trotz seiner selbst.“
„Die besten Freuden sind die, die man anderer macht.“

Mir fällt noch spontan ein:
Geteiltes Leid ist halbes Leid, geteilte Freude ist doppelte Freude. (Autor müsste ich googeln).

Zum Schluss noch Kant:

Entscheidend ist: Gott ist für Kant notwendig (oder mit Bindestrich: not-wendig), er allein garantiert die „Glückswürdigkeit“ des moralisch guten Handelns. Nur: Gott ist und bleibt nicht beweisbar. Seine Existenz ist als Postulat zu verstehen.

Das habe ich noch gefunden:
https://www.fernblick-wuerzburg.de/ausgabe-16-januar-2024/immanuel-kant-gott-muss-nicht-sein-soll-aber/
Re: Der Wert der Tradition
Γραικύλος schrieb am 28.09.2024 um 14:31 Uhr (Zitieren)
Weil man will, dass auch andere glücklich sind.

Eine Frage habe ich dazu noch: Warum will "man" (also jemand) das?

Epikurs Antwort: weil es den Betreffenden glücklich macht, andere glücklich zu wissen.

Ich meine, daß nur beim Glüklichsein die Frage nach dem Warum endet; "warum willst du glücklich sein?" ergibt keinen Sinn mehr.
Re: Der Wert der Tradition
Andreas schrieb am 28.09.2024 um 15:36 Uhr (Zitieren)
Eine Frage habe ich dazu noch: Warum will "man" (also jemand) das
?
Gute Frage.
Ich z.B. will es, weil auch andere zum Glücklichsein begabte Menschen dieses
Gefühl haben sollen,damit sie Lebensfreude empfinden und vlt.
sogar mit Ulrich Hommess sagen können: Es ist gu dazu sein.
Ein Einfahrung, die eher abzunehmen als zuzunehmen scheint ("last generation").

Ich meine, daß nur beim Glüklichsein die Frage nach dem Warum endet; "warum willst du glücklich sein?" ergibt keinen Sinn mehr.

Wer glücklich ist, stellt diese Frage nicht.

Die Welt des Glücklichen ist eine andere als die des Unglücklichen." (Wittgenstein)
Dem stimme ich vollumfänglich zu.

Ich würde darauf antworten: Weil es ein unbeschreiblich schönes Gefühl ist, das z.B. Frischverliebte verspüren oder Kant unter dem freien Sternenhimmel oder ein Mensch, der ein Menschenleben retten konnte u.ä.

Dass der Mensch sich freuen soll, steht auch im NT:
Freut euch im Herrn allzeit; wieder werde ich sagen, freut euch! (Phil 4,4)
„Freut euch zu jeder Zeit!“ (1 Thess 5,16)

Wer kann auf Dauer ohne Freude leben? Ich denke, sehr, sehr wenige Menschen.
Kann man ohne Freude glücklich sein?

https://de.wikipedia.org/wiki/Freude

Interessant wäre natürlich, was biochemisch im Gehirn passiert und wie es genau ausgelöst wird. Oxytocin spielt dabei eine wesentlich Rolle, soweit ich weiß.
Der Freude ist bekanntlich eine berühmte Ode gewidmet, an deren Pop-Version du dich vlt. auch noch erinnerst Miguel Rios:
https://www.youtube.com/watch?v=-KqvXbzy640
Sein Welthit A Song of Joy erschien 1969, brachte ihn im Juni 1970 auf Platz 1 der deutschen,[1] österreichischen und schweizerischen Hitparade sowie auf vordere Plätze in Spanien, den USA und Großbritannien und verkaufte sich sieben Millionen Mal
.
So schnell vergehen 54 Jahre, über ein halbes Jahrhundert. Das warst du Anfang 20 und vlt. verliebt??

 
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