α β γ δ ε ζ η θ ι κ λ μ ν ξ ο π ρ ς σ τ υ φ χ ψ ω Α Β Γ Δ Ε Ζ Η Θ Ι Κ Λ Μ Ν Ξ Ο Π Ρ C Σ Τ Υ Φ Χ Ψ Ω Ἷ Schließen Bewegen ?
Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Paradoxien, nicht nur aus der Antike (43427 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 15.07.2009 um 08:52 Uhr (Zitieren)
Ich sammle Paradoxien. Wer immer eine kennt, möge sie hier einstellen - antik oder nicht. Für jede eingestellte, so gelobe ich, werde ich mich mit einer anderen revanchieren. Vielleicht bekommen wir so was Hübsches zusammen.
Um zu beginnen - hier ist der Euathlos, eine sehr schöne Paradoxie, die man sich sogar als Klage vor Gericht vorstellen kann:
1. Unter den fehlerhaften Beweisführungsarten scheint die bei weitem fehlerhafteste diejenige zu sein, welche die Griechen antístrephon nennen. 2. Diese Gattung haben einige der Unsrigen, wahrlich ganz und gar nicht unpassend, [auf lateinisch] reciproca sc. argumenta d.h. zurückbezügliche Schlussarten genannt. 3. Das Fehlerhafte eines solchen [logischen] Schlusses besteht darin, dass der vorausgegangene Beweissatz zurückgegeben und [umgekehrt] nach der andern Seite gegen Den gewendet werden kann, von dem er vorgebracht wurde[,] und also nach beiden Seiten hin Geltung und Bedeutung erhält. Derartig ist jener sehr bekannte [logische] Schlusssatz, dessen sich Prota-goras[,] [unter den Philosophen] der spitzfindigste aller Sophisten, gegen seinen eigenen Schüler Euathlus bedient haben soll. 4. Beide geriethen nämlich in Zank und Streit mit einander über das verabredete und versprochene [Unterrichts-]Hono- rar. 5. Euathlus, ein höchst wohlhabender Jüngling, dessen eifrigster Wunsch es war, die Redekunst zu erlernen und sich die Fertigkeit anzueignen, [Processe und] gerichtliche Sachen zu verhandeln, 6. begab sich in dieser Absicht zum Protagoras in die Schule und versprach dafür, die als Stundengeld von diesem Lehrmeister geforderte, sehr bedeutende Schulgeldsumme [pünktlich] zu entrichten, bezahlte aber schon sogleich, noch vor dem Beginn des Unterrichtes, die Hälfte des ganzen Betrags und einigte sich mit ihm dahin, dass er die noch übrige, andere Hälfte erst an dem Tage zu entrichten haben solle, wenn er seinen ersten Process vor Gericht geführt und gewonnen haben würde. 7. Später, als er bereits schon ziemlich lange Zuhörer und Anhänger des Protagoras gewesen war und wohl auch besonders auffallende Fortschritte in der Kunst der Beredsamkeit gemacht, nur aber keine Anstalt sehen liess, Processe anzunehmen und dabei nun eine lange Zeit verlief und es fast den Anschein nahm, dass dies [von Euathlus] mit Absicht geschehe, fasst Protagoras einen, seiner Meinung nach, höchst schlauen Entschluss: 8. er beschliesst, auf Bezahlung des vertragsmässigen Schuldgeldrestes ernstlich zu dringen und macht deshalb einen Process gegen Euathlus vor Gericht anhängig. 9. Und als sie nun Beide [zum vollständigen Ausgleich des Rechtsstreites] der gerichtlichen Verhandlung halber vor den Richtern erschie-nen waren, da ergriff zuerst Protagoras das Wort und liess sich also vernehmen: „Erfahre [denn jetzt], mein gar zu thörichtes Bürschchen, dass Du nach beiden Seiten hin gezwungen sein wirst, mir die verlangte Schuldforderung zukommen zu lassen, mag nun die [richterliche] Entscheidung gegen Dich oder auch für Dich ausfallen. 10. Denn im Fall der Rechtsspruch gegen Dich entschieden werden sollte, wirst Du schuldig sein, mir Stundengeld zu entrichten [,und zwar] dem Rechtsspruch gemäss, weil ich [den Process] gewonnen habe; sollte aber [wider Erwarten] das Urtheil zu Deinen Gunsten ausfallen, wirst Du [ebenfalls] schuldig sein, mir das Honorar zu entrichten [,und zwar] unserem Vertrage gemäss, weil Du dann [Deinen ersten Process] gewonnen haben wirst. 11. Darauf antwortete Euathlus mit folgender Einwendung: Ich würde dieser Deiner mir gestellten [zweideutigen] trügerischen Sophistenfalle [sehr leicht dadurch] haben ausweichen können, ich hätte nur nicht selbst das Wort zu ergreifen und mich nur eines anderen Sachwalters zu bedienen brauchen. 12. Nun aber behalte ich mir ein noch weit grösseres Vergnügen hinsichtlich des [für mich] siegreichen Ausganges vor, wenn ich nicht nur in Ansehung des Rechts-streites, sondern auch in Ansehung dieser Deiner [gegen mich gebrauchten] Beweisführung [trotzdem] als Sieger hervorgehe. 13. Erfahre [denn also auch Du jetzt], mein gar zu weiser Schulmeister, dass ich nach beiden Seiten hin nicht werde gezwungen werden können, Dir die verlangte Schuldforderung zukommen zu lassen, mag nun die [richterliche] Entscheidung gegen mich ausfallen oder zu meinen Gunsten. 14. Denn im Fall die Richter zu meinen Gunsten entscheiden sollten, dann bin ich Dir ja nichts schuldig zu entrichten, dem Rechtsspruch gemäss, weil ich [meinen Process] gewonnen habe; sollten sie nun aber [wider Erwarten] gegen mich entscheiden, dann bin ich auch erst recht wieder nichts zu entrichten schuldig, unserem Vertrage gemäss, weil ich [ja dann meinen ersten Process] nicht gewonnen habe. 15. Da nun meinten die Richter freilich, dass dieser Rechtsfall, wegen der auf beiden Seiten angeführten Gründe, zweifelhaft und unauflösbar sich erweise[,] und um nicht einen Rechtsspruch zu thun, der sich gar etwa, auf welche von beiden Seiten er sich auch immer hinneigen sollte, selbst [widersprechen und deshalb] wieder aufheben möchte: wussten sie [die Richter] sich keinen anderen Rath, als die Sache unentschieden zu lassen und die Entscheidung auf den Nimmermehrtag [weit] hinauszuschieben. 16. So wurde also dieser in der Ueberredungskunst so berühmte [Schul-]Lehrer durch sein eigenes Beweismittel von seinem jugendlichen Schüler gefangen und durch die Art dieses listig ausgeklügelten Kunstkniffs hingehalten.

[Quelle: Aulus Gellius, Die Attischen Nächte. Übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Fritz Weiss. 2 Bände. Leipzig 1875; Nachdruck Darmstadt 1975; Bd. 1, S. 284-286]


Wie gesagt, ἀντίστρεφον nannten die Griechen offenbar diesen Trick.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Βοηθὸς Ἑλληνικός schrieb am 15.07.2009 um 09:04 Uhr (Zitieren)
Hier sind auch einige nette Paradoxien:
http://www.phillex.de/paradoxa.htm
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 15.07.2009 um 10:51 Uhr (Zitieren)
Da sind ein paar schöne Paradoxien bei, mit denen ich meine Sammlung erweitern konnte.

Hier meine Antwort:
Sokrates sagt in Troja: „Was Platon jetzt in Athen sagt, ist wahr.“ Zur selben Zeit sagt Platon in Athen: „Was Sokrates jetzt in Troja sagt, ist falsch.“

Dieses Paradox gibt es in mehreren Varianten, so z.B. mit einem Zettel, auf dessen Vorderseite "Der Satz auf der Rückseite ist falsch." steht und auf dessen Rückseite ... nun ja, das kann man sich jetzt denken.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 15.07.2009 um 13:01 Uhr (Zitieren)
Hat keiner mehr eine Paradoxie parat?
Dabei gibt es doch hier etliche Leute, die verheiratet sind und daher Dialoge wie den folgenden kennen:
Sie: "Immer widersprichst du mir!"
Er: "Das ist überhaupt nicht wahr!"
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ὑληβάτης schrieb am 15.07.2009 um 13:09 Uhr (Zitieren)
:-D

Ich habe mal, aber das ist keine Paradoxie, auf dem Wochenmarkt in Heidelberg folgendes Gespräch mitanhören müssen:
Marktfrau: Es wird ja immer kälter.
Kundin: Jaja, es wird immer kälter.
Marktfrau: Eigentlich wird es gar nicht immer kälter, das Wetter ändert sich nur dauernd.
Kundin: Ja, das ändert sich dauernd.


Aber abgesehen davon ... müsste ich lange nachdenken ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 15.07.2009 um 13:19 Uhr (Zitieren)
Solche Gespräche im Alltag sind im Grunde doch interessant, oder? Vielleicht - das kommt auf die Definition an - handelt es sich sogar um eine Paradoxie.

Wir hatten hier schonmal diese Paradoxie:
[quote]Gemeinsam ist tatsächlich allen Menschen Krieg.
(ἐτήτυμον γὰρ ξυνὸς ἀνθρώποισ' Ἄρης.)
[Archilochos Fragment 38 D]

Im Unterricht vertrat kürzlich ein Schüler zur Kritik an Kant den Standpunkt: „Ich handle nicht nach Maximen, sondern mal so, mal so.“ Da hatte ich die Freude und er den Ärger, daß beinahe der ganze Kurs im Chor rief: "Onur, das ist doch eine Maxime!"
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ὑληβάτης schrieb am 15.07.2009 um 13:24 Uhr (Zitieren)
Also ist, keine Maxime zu haben, eine Maxime!

Gibt es wohl eine Meta-Paradoxie?

Wenn der Satz "Es ist eine Maxime, keine Maxime zu haben" eine Paradoxie ist ... nein, ich muss erst denken.

...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 15.07.2009 um 13:35 Uhr (Zitieren)
Nun, klarerweise versuchte der Schüler eine Regel zu formulieren, nach der er typischerweise handelt. Also: eine Maxime.
Seine Reaktion damals war übrigens, nach einem Moment des Überlegens, ein lächelndes "Ach ja!"

Vielleicht erfüllt der folgende Vers von Walt Whitman Deine Erwartungen an eine Meta-Paradoxie; jedenfalls redet er über Paradoxe und akzeptiert sie:
Do I contradict myself?
Very well then I contradict myself,
I am large, I contain multitudes.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 15.07.2009 um 13:40 Uhr (Zitieren)
Was ist das?
Ein Transvestit ist eine echte unechte Frau, ein Schauspieler, der einen Transvestiten spielt, ist eine unechte unechte Frau.

Müßte die doppelte Verneinung nicht wieder eine echte Frau ergeben?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 15.07.2009 um 13:46 Uhr (Zitieren)
Noch eine Paradoxie aus Schülermund:
"Immer nur Abwechslung ist langweilig."
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ὑληβάτης schrieb am 15.07.2009 um 13:57 Uhr (Zitieren)
Das ganze Thema hat doch sicherlich mit diesen Logik-Tests zu tun, die man als Philosoph machen muss, oder? Schon wenn ich eine ganz einfache Äußerung höre, gerate ich ins Schleudern.
Was soll denn eigentlich "eine echte unechte Frau" sein. Das "echte" kann man doch unbeschadet weglassen.

Kommt die "unechte unechte Frau" nicht auch bei Platon vor, als Bild vom Abbild der Idee, über das man spricht?
Der Transvestit stellt eine Frau dar, der Schauspieler stellt einen Transvestiten dar ...
Aber halt mal, ist er dann nicht einfach ein Mann in Frauenkleidern, also selber ein Transvestit? Eine "unechte Frau"?

Sind Transvestiten überhaupt "unechte Frauen"? Nicht eher "verdeckte Männer"?

Und ich dachte vorhin, dass ich denken müsste!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 15.07.2009 um 14:22 Uhr (Zitieren)
Nun, ich dachte, es gibt echte Frauen (wie bekannt) und unechte Frauen. Von den unechten Frauen gibt es aber zwei Sorten: die echten unechten Frauen (die Transvestiten) und die unechten unechten Frauen (die Transvestiten-Schauspieler).

Mit Philosophie hat das, glaube ich, wenig zu tun - eher mit meinem persönlichen Faible für die Frage, was man mit Sprache alles machen kann.
Obwohl ich mich gerade erinnere, in philosophischem Zusammenhang schonmal die These gelesen zu haben, daß man in lügnerischer Absicht die Wahrheit sagen kann - wenn man sich z.B. im Irrtum befindet.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ὑληβάτης schrieb am 15.07.2009 um 14:26 Uhr (Zitieren)
Irrtümlich die Wahrheit sagen, und das auch noch beim Lügen!

In Heidelberg muss(te) man in Philosophie einen Logik-Schein machen. Vielleicht so etwas wie:
A Sokrates ist ein Mensch.
B Sokrates ist sterblich.
C Also sind alle Menschen sterblich.
Frage: Erfüllt diese Schlussfolgerung die Anforderungen der Logik, oder ist sie wohlgeformt aufgebaut.
Vielleicht.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 15.07.2009 um 14:31 Uhr (Zitieren)
Ich nehme stark an, daß auch in Heidelberg der Logik-Schein in Philosophie, eine Pflicht in der Tat, anderen Themen gilt als diesem Syllogismus aus der logischen Steinzeit.
Überhaupt hat sich seit Gottlob Frege in der Logik eine Menge getan.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ὑληβάτης schrieb am 15.07.2009 um 14:33 Uhr (Zitieren)
Ich nehms an. Nur bin ich nie darüber hinausgekommen. Deshalb muss ich so über Protagoras und Euathletos schmunzeln.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 15.07.2009 um 15:52 Uhr (Zitieren)
Gerade heute habe ich eine Paradoxie in der, man könnte sagen: neuesten Literatur gelesen. Nämlich bei den norwegischen Autoren Matias Faldbakken.

(Der norwegische Porno-Produzent und Aktionskünstler Simpel wird von dem Fernseh-Moderator Peter Nilsen im Studio interviewt:)

[quote][...]
Peter Nilsen: Und deine anderen Projekte, worum ging es da?
Simpel: Nun, die drehen sich auf verschiedene Weise um das Konzept Misanthropie ... also Menschenverachtung. Ich gehe von den Sachen aus, die mich ärgern ... offen gesagt, sind das die meisten Sachen ... und dann mach ich was damit. Meine Misanthropie äußert sich in allgemeinem Misstrauen gegenüber allen menschlichen Handlungen und Konstrukten. Einfach gesagt, ich bin zutiefst überzeugt, dass das, womit sich die Leute schinden, sie nie wirklich voranbringen wird. Das lehrt die Erfahrung. Meine Aktionen richten sich meist gegen Dinge oder Haltungen und Verhaltensweisen, die zu penetrant in meine Welt hereindrängen. Wenn man es recht bedenkt, beruht eigentlich jede menschliche Haltung auf irgendwas Verdorbenem, Hinterhältigem, Heuchlerischem. Die edelsten Absichten sind idiotisch und stinken. Darum richten sich meine Aktionen gegen Leute in der Straßenbahn, aber auch gegen Entwicklungshilfe, Pädagogen, Intellektuelle, Junkies, Finanzbehörden, Familienleben, Kultur, Medien, Geschäftsleben, you name it[/].
Peter Nilsen: Ja, du bist sicher nicht allein mit deiner Wut über manche dieser ... wie sollen wir es nennen? Institutionen?
Simpel: Gern ...
Peter Nilsen: Simpel ... wenn ich dich jetzt einen [i]Befreier
nennen würde, einen, der die Wünsche und Irritationen der Leute in die Praxis umsetzt ... wie würde das zu deinem Selbstbild passen?
Simpel: ... Also ... ich sehe mich nicht als Medium oder so was ... Der Grund für meine Aktionen ist, dass die Leute mich anwidern ... sie quälen mich ... sie quälen mich absichtlich ... alle möglichen Lifestyles und wie die Leute sich zurecht-machen, all das finde ich zum Kotzen ... so gesehen kann ich nicht behaupten, ich würde für irgendjemandes Sache kämpfen ... oder Träume und Wünsche erfüllen, wie du sagst ... Ich tue das für mich selbst. Ich bin gegen alles. Ich sage nein ... auch zu Leuten, die nicht den eben genannten Institutionen angehören.
Peter Nilsen: Aber jeder, der gegen etwas Widerstand leistet, muss doch irgendeine Vorstellung von etwas Schönem am anderen Ende haben? Von einer Alternative?
Simpel: Nein.
Peter Nilsen: Nein?
Simpel: ... Ich glaube einfach nicht an die Leute, begreifst du das nicht? Ich glaube nicht, dass die Leute was Gutes im Schilde führen. Ist das so verdammt schwer zu begreifen? Ich glaube nicht, dass die Dinge besser würden, wenn so Arschlöcher wie ich ihren Willen bekommen und die Leute formen würden, statt dass das so Arschlöchern wie dir überlassen bleibt ... alle Leute haben schäbige, zum Scheitern verurteilte Ideen, alle Leben sind schäbig und zum Scheitern verurteilt, egal wie ...
Peter Nilsen: Alle?
Simpel: STELL DICH JETZT NICHT DUMM AN, JA? JETZT DENK MAL NACH, JA? ALLE SIND TIEF INNEN SCHÄBIG! JETZT DENK MAL NACH, VERDAMMTE SCHEISSE!
Peter Nilsen: Es geht sowieso alles zum Teufel, willst du das sagen?
Simpel: JETZT HÖR MAL GUT ZU, JA? WIR sind SCHON ZUM TEUFEL GEGANGEN! NICHTS KANN BESSER WERDEN, ALS ES IN UNSEREM VERFICKTEN SKANDINAVIEN SCHON IST UND WAS BEDEUTET DAS? HÄ? NILSEN? WAS BEDEUTET DAS? DAS BEDEUTET, DASS DIE LEUTE GENAUSO VERFICKT SCHÄBIG SEIN WERDEN UND ES IHNEN GENAUSO VERFICKT SCHÄBIG GEHEN WIRD, EGAL, WIE BESCHISSEN GUT ALLES WIRD. WIR sind schon in der Hölle! UND WIR WERDEN NIE AUS DER HÖLLE RAUSKOMMEN, NIE!
Publikum: JAAAA!
Simpel: Schnauze!
Publikum: OOOH!
Simpel: SCHNAUZE, VERDAMMT NOCHMAL!
Peter Nilsen: Was meint das Publikum dazu?
Publikum: JAAAA!
Peter Nilsen: Du hast offenbar ein ganzes Heer von Gefolgschaft, Simpel ...
Simpel: Fresse ... die ganzen Stinkfotzen ...
Publikum: OOOH!
Peter Nilsen: Was sagst du zu so viel Zustimmung?
Simpel: ...
Peter Nilsen: Hör, was das Publikum sagt! Du bist ganz offensichtlich nicht so allein auf der Welt ...!?
Simpel: ...
Peter Nilsen: ... Zustimmung, Simpel? Das Publikum liebt dich! Was hältst du von Zustimmung? Was, wenn die Leute dir zustimmen? Was, wenn dein Projekt auf Zustimmung stößt?
Simpel: ... Zustimmung ist der Satan ...
Peter Nilsen: Der Satan?
Simpel: ... wenn sie dir zustimmen, das ist wie ... ewige Verdammnis. Wenn sie dich gut finden, hast du verloren. Dann bist du tot.
Peter Nilsen: Publikum?
Publikum: JAAAA!

[Quelle: Matias Faldbakken, The Cocka Hola Company. München 6. Aufl. 2008, S. 459-462]

Es handelt sich um den Schluß des Romans.

Mit anderen Worten: Alles ist Scheiße, einschließlich ich selbst und alles, was ich sage. Und Scheiße ist auch das Publikum hier!
Publikum: JAAAA!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 15.07.2009 um 15:56 Uhr (Zitieren)
So war's nicht gedacht!

Gerade heute habe ich eine Paradoxie in der, man könnte sagen: neuesten Literatur gelesen. Nämlich bei den norwegischen Autoren Matias Faldbakken.

(Der norwegische Porno-Produzent und Aktionskünstler Simpel wird von dem Fernseh-Moderator Peter Nilsen im Studio interviewt:)

[...]
Peter Nilsen: Und deine anderen Projekte, worum ging es da?
Simpel: Nun, die drehen sich auf verschiedene Weise um das Konzept Misanthropie ... also Menschenverachtung. Ich gehe von den Sachen aus, die mich ärgern ... offen gesagt, sind das die meisten Sachen ... und dann mach ich was damit. Meine Misanthropie äußert sich in allgemeinem Misstrauen gegenüber allen menschlichen Handlungen und Konstrukten. Einfach gesagt, ich bin zutiefst überzeugt, dass das, womit sich die Leute schinden, sie nie wirklich voranbringen wird. Das lehrt die Erfahrung. Meine Aktionen richten sich meist gegen Dinge oder Haltungen und Verhaltensweisen, die zu penetrant in meine Welt hereindrängen. Wenn man es recht bedenkt, beruht eigentlich jede menschliche Haltung auf irgendwas Verdorbenem, Hinterhältigem, Heuchlerischem. Die edelsten Absichten sind idiotisch und stinken. Darum richten sich meine Aktionen gegen Leute in der Straßenbahn, aber auch gegen Entwicklungshilfe, Pädagogen, Intellektuelle, Junkies, Finanzbehörden, Familienleben, Kultur, Medien, Geschäftsleben, you name it.
Peter Nilsen: Ja, du bist sicher nicht allein mit deiner Wut über manche dieser ... wie sollen wir es nennen? Institutionen?
Simpel: Gern ...
Peter Nilsen: Simpel ... wenn ich dich jetzt einen Befreier nennen würde, einen, der die Wünsche und Irritationen der Leute in die Praxis umsetzt ... wie würde das zu deinem Selbstbild passen?
Simpel: ... Also ... ich sehe mich nicht als Medium oder so was ... Der Grund für meine Aktionen ist, dass die Leute mich anwidern ... sie quälen mich ... sie quälen mich absichtlich ... alle möglichen Lifestyles und wie die Leute sich zurechtmachen, all das finde ich zum Kotzen ... so gesehen kann ich nicht behaupten, ich würde für irgendjemandes Sache kämpfen ... oder Träume und Wünsche erfüllen, wie du sagst ... Ich tue das für mich selbst. Ich bin gegen alles. Ich sage nein ... auch zu Leuten, die nicht den eben genannten Institutionen angehören.
Peter Nilsen: Aber jeder, der gegen etwas Widerstand leistet, muss doch irgendeine Vorstellung von etwas Schönem am anderen Ende haben? Von einer Alternative?
Simpel: Nein.
Peter Nilsen: Nein?
Simpel: ... Ich glaube einfach nicht an die Leute, begreifst du das nicht? Ich glaube nicht, dass die Leute was Gutes im Schilde führen. Ist das so verdammt schwer zu begreifen? Ich glaube nicht, dass die Dinge besser würden, wenn so Arschlöcher wie ich ihren Willen bekommen und die Leute formen würden, statt dass das so Arschlöchern wie dir überlassen bleibt ... alle Leute haben schäbige, zum Scheitern verurteilte Ideen, alle Leben sind schäbig und zum Scheitern verurteilt, egal wie ...
Peter Nilsen: Alle?
Simpel: STELL DICH JETZT NICHT DUMM AN, JA? JETZT DENK MAL NACH, JA? ALLE SIND TIEF INNEN SCHÄBIG! JETZT DENK MAL NACH, VERDAMMTE SCHEISSE!
Peter Nilsen: Es geht sowieso alles zum Teufel, willst du das sagen?
Simpel: JETZT HÖR MAL GUT ZU, JA? WIR sind SCHON ZUM TEUFEL GEGANGEN! NICHTS KANN BESSER WERDEN, ALS ES IN UNSEREM VERFICKTEN SKANDINAVIEN SCHON IST UND WAS BEDEUTET DAS? HÄ? NILSEN? WAS BEDEUTET DAS? DAS BEDEUTET, DASS DIE LEUTE GENAUSO VERFICKT SCHÄBIG SEIN WERDEN UND ES IHNEN GENAUSO VERFICKT SCHÄBIG GEHEN WIRD, EGAL, WIE BESCHISSEN GUT ALLES WIRD. WIR sind schon in der Hölle! UND WIR WERDEN NIE AUS DER HÖLLE RAUSKOMMEN, NIE!
Publikum: JAAAA!
Simpel: Schnauze!
Publikum: OOOH!
Simpel: SCHNAUZE, VERDAMMT NOCHMAL!
Peter Nilsen: Was meint das Publikum dazu?
Publikum: JAAAA!
Peter Nilsen: Du hast offenbar ein ganzes Heer von Gefolgschaft, Simpel ...
Simpel: Fresse ... die ganzen Stinkfotzen ...
Publikum: OOOH!
Peter Nilsen: Was sagst du zu so viel Zustimmung?
Simpel: ...
Peter Nilsen: Hör, was das Publikum sagt! Du bist ganz offensichtlich nicht so allein auf der Welt ...!?
Simpel: ...
Peter Nilsen: ... Zustimmung, Simpel? Das Publikum liebt dich! Was hältst du von Zustimmung? Was, wenn die Leute dir zustimmen? Was, wenn dein Projekt auf Zustimmung stößt?
Simpel: ... Zustimmung ist der Satan ...
Peter Nilsen: Der Satan?
Simpel: ... wenn sie dir zustimmen, das ist wie ... ewige Verdammnis. Wenn sie dich gut finden, hast du verloren. Dann bist du tot.
Peter Nilsen: Publikum?
Publikum: JAAAA!


[i][Quelle: Matias Faldbakken, The Cocka Hola Company. München 6. Aufl. 2008, S. 459-462][i]

Es handelt sich um den Schluß des Romans.

Mit anderen Worten: Alles ist Scheiße, einschließlich ich selbst und alles, was ich sage. Und Scheiße ist auch das Publikum hier!
Publikum: JAAAA!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 15.07.2009 um 16:30 Uhr (Zitieren)
Nämlich bei dem norwegischen Autoren Matias Faldbakken.

Ist nur einer.
6. Auflage in kurzer Zeit, immerhin.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 15.07.2009 um 16:42 Uhr (Zitieren)
Da sieht man, welche Karriere der griechische Pessimismus im Laufe der literarischen Jahrtausende gemacht hat. Verstünde Sophokles hier noch seinen Gedanken, daß es am besten ist, nie geboren worden zu sein?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ὑληβάτης schrieb am 15.07.2009 um 23:33 Uhr (Zitieren)
Impliziert denn Sophokles' Gedanke, dass die ganze verfickte Welt scheiße ist und wir schon schäbig in der Hölle leben? Mein Gefühl sagt: Nein. Aber ich kann nicht sagen, warum.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 16.07.2009 um 10:32 Uhr (Zitieren)
Aus dieser Sophokles-Frage mache ich mal ein eigenes Thema ("Gedankenkarrieren"), denn mit Paradoxien hat das ja nichts mehr zu tun.

Hier stelle ich dann die wohl berühmteste Paradoxie des 20. Jhdts. ein: Bertrand Russells Mengenantinomie - deren Entdeckung die Mathematik in eine Grundlagenkrise geführt hat, die sich wohl erst mit Gödels Unvollständigkeitstheorem beruhigt hat. Seitdem vertreten Mathematiker wohl etwas gedämpftere Ansprüche, auch wenn sie dies mit dem gleichen Feuer in den Augen tun.

Also:
Es sei w die Klasse all jener Klassen, die nicht Elemente von sich selbst sind. Welche Klasse immer dann x sein mag, „x ist ein w“ ist äquivalent mit „x ist nicht ein x“. Gibt man also dem x den Wert w, so ist „w ist ein w“ äquivalent mit „w ist nicht ein w“.

(Alfred North Whitehead/Bertrand Russell: Principia Mathematica. Vorwort und Einleitungen. Mit einem Beitrag von Kurt Gödel. Frankfurt/M. 1986, S. 56)

Erstmals erwähnt hat Russell seine Entdeckung von einem Widerspruch in den Grundlagen der Arithmetik in einem Brief an Gottlob Frege, der bis zu diesem Brief wähnte, sein Lebenswerk - den Nachweis der Widerspruchsfreiheit der Arithmetik - abgeschlossen zu haben. Und nun ging dieses Lebenswerk mit einem einzigen Brief eines jungen Mathematikers den Bach runter.
Freges letzte Lebensjahre waren verbittert.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ὑληβάτης schrieb am 16.07.2009 um 10:55 Uhr (Zitieren)
Freges letzte Lebensjahre waren verbittert.
Lakonischer geht's nicht!
Jetzt muss ich erstmal googeln ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 16.07.2009 um 10:57 Uhr (Zitieren)
In seiner "Einführung in die mathematische Philosophie" hat Russell das Problem einmal in einer etwas weniger herb-strengen Weise formuliert:
Die betrachtete Menge, die alles umfassen soll, muß sich selbst als Element enthalten. Mit anderen Worten: wenn es so etwas wie „alles“ gibt, so ist „alles“ etwas Bestimmtes und ist ein Element der Menge „alles“. Aber normalerweise ist eine Menge nicht ein Element ihrer selbst. Die Menschheit z.B. ist kein Mensch. Bilden wir die Vereinigung aller Mengen, die nicht Elemente ihrer selbst sind, so ist dies eine Menge. Ist sie nun ein Element ihrer selbst oder nicht? Gilt dies, so ist sie eine der Mengen, die nicht Elemente ihrer selbst sind, d.h. sie ist nicht ein Element ihrer selbst. Ist sie es nicht, so ist sie nicht eine der Mengen, die nicht Elemente ihrer selbst sind, d.h. sie ist ein Element ihrer selbst. Also enthält sowohl die Hypothese, daß sie ein Element ihrer selbst ist, wie daß sie es nicht ist, ihr Gegenteil. Dies ist ein Widerspruch.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ὑληβάτης schrieb am 16.07.2009 um 11:02 Uhr (Zitieren)
Oder für die simpler denkenden Menschen wie mich:
Es gibt zahlreiche populäre Varianten der Russellschen Antinomie. Am bekanntesten ist das von Russell 1918 formulierte Barbier-Paradoxon mit einem Barbier, der genau die Männer rasiert, die sich nicht selbst rasieren. Die Frage, ob sich der Barbier selbst rasiert oder nicht, führt ebenfalls zu einem Widerspruch, der allerdings nicht dieselbe logische Brisanz hat.

(http://de.wikipedia.org/wiki/Russellsche_Antinomie)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 16.07.2009 um 13:24 Uhr (Zitieren)
Die Barbier-Paradoxie stammt von Russell selbst? Das wußte ich nicht.

Jedenfalls ist dies auch eine Russell-Entdeckung:
Die Silbenzahl in den englischen Namen endlicher ganzer Zahlen wächst immer mehr, je größer die Zahlen werden, und muß allmählich ins Unendliche wachsen, da aus einer gegebenen endlichen Zahl von Silben nur eine endliche Anzahl von Namen gebildet werden kann. Daher müssen die Namen einiger ganzer Zahlen wenigstens aus neunzehn Silben bestehen, und unter diesen muß es eine kleinste geben. Daher muß „die kleinste ganze Zahl, die mit nicht weniger als neunzehn Silben benannt werden kann“ [„the smallest integer not to be named with less than nineteen syllables“], eine bestimmte ganze Zahl bezeichnen; tatsächlich bezeichnet es 111777. Nun ist aber „the smallest integer not to be named with less than nineteen syllables“ selbst ein aus achtzehn Silben bestehender Name; daher kann die kleinste mit nicht weniger als neunzehn Silben benennbare ganze Zahl mit achtzehn Silben benannt werden, was ein Widerspruch ist.


Ich suche noch nach weiteren antiken Paradoxien, um dem Leitthema dieses Forums besser gerecht zu werden.
Immerhin haben die Griechen das Problem der Paradoxien entdeckt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 16.07.2009 um 13:27 Uhr (Zitieren)
Dies ist eine Western-Variante des Barbier-Paradoxons:
Es ist das Gesetz in einer gewissen Gegend, daß all jene, welche in die Stadt hineinwollen, nach ihrem Anliegen dort gefragt werden. Wer wahrheitsgemäß antwortet, darf in Frieden kommen und gehen. Jene, die lügen, werden gehängt. Was soll mit dem Reisenden geschehen, der, nach seinem Begehr gefragt, antwortet: „Ich bin gekommen, um gehängt zu werden“?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 17.07.2009 um 10:35 Uhr (Zitieren)
Schüler, befragt, ob sie eine Paradoxie kennten, die sie zu meiner Sammlung beisteuern könnten:

mehr Käse --> mehr Löcher
mehr Löcher --> weniger Käse
mehr Käse --> weniger Käse
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ὑληβάτης schrieb am 17.07.2009 um 10:49 Uhr (Zitieren)
Das wird in die Geschichte eingehen als "das Käse-Löcher-Paradoxon". Alle Leute werden sagen: "So ein Käse!" Und damit wird das berühmte Käse-Löcher-Paradoxon zwar als Käse bezeichnet, aber trotzdem immer wieder lehrend herangezogen werden.
Paradox, nicht wahr?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 17.07.2009 um 13:41 Uhr (Zitieren)
So ein Käse! Die Käse-Paradoxie ist viel zu bekannt! Damit kann man niemandem mehr die Mundwinkel nach oben ziehen.
Aber hiermit?
- A denkt, daß 2+2=4.
- B denkt, daß Hunde Reptilien sind.
- C denkt, daß eine ungerade Anzahl der gegenwärtigen Gedanken von A, B und C wahr ist.

Ist das, was C denkt, wahr oder nicht?

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 17.07.2009 um 13:53 Uhr (Zitieren)
Ah, das ist schön: Hilberts Paradox (benannt nach dem Mathematiker David Hilbert):
Hilberts Hotel verfügt über eine unendliche Zahl von Zimmern; sie sind alle belegt. Es trifft aber eine weitere Person ein und fragt nach einem Zimmer. „Selbstverständlich, mein Herr“, sagt der Hotelier, „ich muß nur die Person, die jetzt in Zimmer 1 wohnt, nach Zimmer 2 verlegen, und die Person aus Zimmer 2 nach Zimmer 3 und so weiter, dann ist Zimmer 1 für Sie frei.“
Daraufhin treffen weitere hundert Menschen ein und fragen nach Zimmern. „Selbstverständlich“, sagt der Hotelier. „Ich muß nur jeden Gast im Hotel in das Zimmer mit der gegenwärtigen Nummer plus 100 verlegen, dann sind die ersten hundert Zimmer für Sie frei.“
Dann erscheint eine unendliche Zahl von Personen, die nach Zimmern fragen. „Selbstverständlich“, sagt der Hotelier. „Ich muß nur die Person von Zimmer 1 in Zimmer 2 verlegen, die Person von Zimmer 2 in Zimmer 4, die Person von Zimmer 3 in Zimmer 6 und so weiter, so daß alle ungeraden Zimmernummern des Hotels für Sie frei sind. Es gibt unendlich viele ungerade Zimmernummern, so daß für jeden von Ihnen Platz ist.“
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 17.07.2009 um 16:29 Uhr (Zitieren)
Ein ganz, ganz kleines:
Ich kann mir nicht irren!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ὑληβάτης schrieb am 17.07.2009 um 20:25 Uhr (Zitieren)
Hilberts Hotel verfügt über eine unendliche Zahl von Zimmern; sie sind alle belegt.

Aha!

Ist Dir in letzter Zeit paradox zumute?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 18.07.2009 um 00:17 Uhr (Zitieren)
Ist Dir in letzter Zeit paradox zumute?

Nicht mehr als sonst. Halt immer so ein bißchen.

Etwa so:
Viele beklagen sich, daß die Worte der Weisen immer wieder nur Gleichnisse seien, aber unverwendbar im täglichen Leben, und nur dieses allein haben wir. Wenn der Weise sagt: „Gehe hinüber“, so meint er nicht, daß man auf die andere Seite hinübergehen solle, was man immerhin noch leisten könnte, wenn das Ergebnis des Weges wert wäre, sondern er meint irgendein sagenhaftes Drüben, etwas, das wir nicht kennen, das auch von ihm nicht näher zu bezeichnen ist und das uns also hier gar nichts helfen kann. Alle diese Gleichnisse wollen eigentlich nur sagen, daß das Unfaßbare unfaßbar ist, und das haben wir gewußt. Aber das, womit wir uns jeden Tag abmühen, sind andere Dinge.
Darauf sagte einer: „Warum wehrt ihr euch? Würdet ihr den Gleichnissen folgen, dann wäret ihr selbst Gleichnisse geworden und damit schon der täglichen Mühe frei.“
Ein anderer sagte: „Ich wette, daß auch das ein Gleichnis ist.“
Der erste sagte: „Du hast gewonnen.“
Der zweite sagte: „Aber leider nur im Gleichnis.“
Der erste sagte: „Nein, in Wirklichkeit; im Gleichnis hast du verloren.“

[Quelle: Franz Kafka, Von den Gleichnissen; in: Beschreibung eines Kampfes. Novellen, Skizzen, Aphorismen aus dem Nachlaß. Frankfurt/Main 2. Aufl. 1980, S. 72]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 18.07.2009 um 00:58 Uhr (Zitieren)
Hiermit habe ich mal eine Vertretungsstunde eingeleitet:

Ist der folgende Satz richtig?

(Tafel:)
Dieser Satz besteht aus sieben Wörtern.


Kurzes Zählen. Nein, nicht richtig.

Aha. Dann müßte also der folgende Satz richtig sein:

(Tafel:)
Dieser Satz besteht nicht aus sieben Wörtern.


Also, ist das jetzt korrekt?

Kurzes Zählen, Kopfschütteln. Nein, auch nicht richtig! Sind ja sieben Wörter.

Ja, was denn nun, Kinder!? Entweder ist der Satz richtig oder nicht! Ihr könnt doch nicht immer sagen: nicht richtig!

Dann wurde es ziemlich lebhaft.

[Es gibt sogar eine logische Regel, daß von zwei kontradiktorischen Sätzen immer einer wahr, der andere falsch sein muß. Scheinbar wird mit diesen beiden Sätzen hier gegen diese Regel verstoßen.]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 18.07.2009 um 01:06 Uhr (Zitieren)
Ich erlebe im Moment im Latein-Forum ein wahrlich reales Paradoxon...

(oder wie man es sonst nennen will...)
:-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 18.07.2009 um 01:46 Uhr (Zitieren)
Ein Kreislauf:
Der Lehrer fragt die Klasse:
"Wer kann mir den Kreislauf den Natur erklären?"

Fritzchen meldet sich:
"Ein Wurm kriecht durch die Wiese.
Ein Frosch frisst den Wurm.
Ein Storch frisst den Frosch.
Der Storch bringt ein Kind.
Das Kind hat Würmer..."

B-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 18.07.2009 um 10:16 Uhr (Zitieren)
Hier mal was Praktisches (?) - käme auf einen Test an:
Einem erfolglosen Verehrer hat man geraten, seiner Liebsten die folgenden zwei Fragen zu stellen:

1. Wirst du mir diese Frage ebenso beantworten wie die folgende?
2. Wirst du mit mir schlafen?

Wenn sie ihr Wort hält, muß sie auf die zweite Frage mit Ja antworten, egal was sie auf die erste geantwortet hat.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ὑληβάτης schrieb am 18.07.2009 um 11:32 Uhr (Zitieren)
Also, Γραικίσκe! Solche Beispiele bei Tageslicht! Hast Du das schon ausprobiert?

Zu Deinem Satz-Wort-Paradoxon hast Du geschrieben:
Es gibt sogar eine logische Regel, daß von zwei kontradiktorischen Sätzen immer einer wahr, der andere falsch sein muß. Scheinbar wird mit diesen beiden Sätzen hier gegen diese Regel verstoßen.
Trifft das denn noch zu, wenn sich das, worauf "dieser" veweist ... ach, da bekneift sich das Tau!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 18.07.2009 um 12:35 Uhr (Zitieren)
Die Lösung dürfte sein, daß das "dieser" hier reflexiv (selbstbezüglich) verwendet wird, und zwar in zwei verschiedenen Sätzen! Auch wenn die sich nur durch ein "nicht" unterscheiden.

Korrekt wäre:

(A) Dieser Satz besteht aus sieben Wörtern.

(B1) Der Satz A besteht aus sieben Wörtern.
(B2) Der Satz A besteht nicht aus sieben Wörtern.

Für (B1) und (B2) gilt die Regel über kontradiktorische Sätze: (B1) ist falsch, der kontradiktorische Satz (B2) ist wahr. Beide Sätze sind nicht reflexiv.
Satz (A) ist hingegen reflexiv (selbstbezüglich); und viele Paradoxien entstehen durch Reflexivität von Sätzen.
Russell wollte sie deshalb in seiner Typentheorie verbieten.

Das andere Beispiel mit dem logischen Liebeszwang habe ich noch nicht ausprobiert. Man müßte dazu auf eine Frau treffen, die 1. Attraktivität mit 2. Faszination für Logik und 3. Humor verbindet. Ist keine sehr häufige Kombination, fürchte ich.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 18.07.2009 um 12:44 Uhr (Zitieren)
Ich habe einige unerschütterliche Grundsätze. Aber falls die Ihnen nicht gefallen, habe ich auch noch ein paar andere.

(Groucho Marx)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ὑληβάτης schrieb am 18.07.2009 um 13:27 Uhr (Zitieren)
Ich muss hier, und nicht nur häufig erfreut lachen. Im verregneten Baden-Württemberg ist das ein Stückchen Sonne. Danke dafür.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 18.07.2009 um 14:31 Uhr (Zitieren)
Leider sind nicht alle Paradoxa so lustig. Das folgende ist recht irre:
Zeile 1: Der Satz in Zeile 1 ist Unsinn.
Zeile 2: Der Satz in Zeile 1 ist Unsinn.

Bei einer passenden Interpretation von „Unsinn“ sind wir geneigt zu glauben, daß der Satz in Zeile 2 wahr ist: Der Satz, auf den er sich bezieht, ist tadelnswert selbstbezüglich, verdient es, in die Wahrheitswertlücke zu fallen, oder was auch immer. Jedoch, der Satz in Zeile 2 ist eben der Satz, den er so richtig kritisiert.


[Quelle: R. M. Sainsbury, Paradoxien. Stuttgart 1993, S. 212]

Das Besondere hierbei ist also: Der kritisierte und der kritisierende Satz sind identisch.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 18.07.2009 um 14:40 Uhr (Zitieren)
Das ist wieder ein lustiges:
Der berühmte Physiker Wolfgang Pauli besuchte den nicht minder berühmten Physiker Niels Bohr in dessen Landhaus und sah, daß Bohr ein Hufeisen über der Tür hängen hatte. „Herr Professor!“ staunte Pauli, „Sie? Ein Hufeisen? Glauben Sie denn daran?“ Worauf Bohr antwortete: „Natürlich nicht. Aber wissen Sie, es soll einem auch helfen, wenn man nicht daran glaubt.“


[Quelle: Harry Mulisch, Die Entdeckung des Himmels. München/Wien 1993, S.654 – nicht wörtlich zitiert]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 18.07.2009 um 18:53 Uhr (Zitieren)
Vielleicht ist es alles nur eine Frage des Verständnisses?

Ein Versicherungsvertreter versucht nun seit 3 Stunden
einem Bauern eine Feuer- und Hagelversicherung zu
verkaufen:
"Nun gut" spricht der Bauern,
"das mit dem Feuer habe ich ja kapiert.
Aber wie kann man es hageln lassen?"
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
neugieriger Nicht-Grieche schrieb am 18.07.2009 um 19:22 Uhr (Zitieren)
Scheinbar paradox:

Drei Reisende erreichen spät eine Herberge. der Wirt gibt ihnen gemeinsam sein letztes Zimmer und verlangt 30 €.Später fällt ihm ein, dass das Zimmer nur 25 € kostet. Er gibt seinem Diener 5 €, damit der sie den Reisenden zurückgibt. Der Diener zahlt aber nur je 1 € an jeden Reisenden aus.
2 € behält er für sich selbst.
Nun haben die Reisenden je 9 € bezahlt. 2 € wurden unterschlagen. 3x9 € = 27 €. Plus 2 € =29 €.
30 € wurden bezahlt.
Wo ist der 1 € geblieben?


Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 18.07.2009 um 19:54 Uhr (Zitieren)
Das ist ja pfiffig!
Also, wenn man andersrum rechnet:
- der Wirt hat 25 Euro erhalten,
- der Diener hat 2 Euro eingesteckt,
- Gäste haben 3 Euro zurückerhalten,
kommt man korrekt auf 30 Euro.

Es erinnert mich vage an folgenden Vorschlag (den ich hiermit allen Forumsteilnehmern mache!):
Ihr leiht mir 100000 Euro, zahlt mir aber nur 50000 Euro aus. Dann bekomme ich noch 50000 Euro von Euch, Ihr bekommt 50000 Euro von mir ... und wir sind quitt!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
neugieriger Nicht-Grieche schrieb am 18.07.2009 um 19:58 Uhr (Zitieren)
Tja, manches verwirrt:

Sitzen 2 Alte auf der Bank und beobachten, wie 7 Leute aus einem Kino herauskommen. Kurz darauf gehen 5 rein. Meint der eine Alte: Wenn jetzt noch 2 reingehen ist keiner mehr drin!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ὑληβάτης schrieb am 18.07.2009 um 21:26 Uhr (Zitieren)
Das verstehe ich nicht ... ja klar, ist ja auch der Paradoxie-Thread hier.
Also hab ich's ausprobiert - das mit den 30€. Der Eine Euro geht beim Teilen verloren! Ich habe alles so gemacht wie im Beispiel, und wenn man die 28€ nach Abzug der des Trinkgelds auf drei aufteilt, bekommt jeder 9€ und einer bleibt übrig!

Das ist keiner Erklärung, oder?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 18.07.2009 um 21:52 Uhr (Zitieren)
Die drei Gäste haben 3x9 = 27 Euro gezahlt.
2 Euro davon hat der Diener behalten.
25 Euro hat der Wirt bekommen.
Damit ist doch alles klar, oder? Einen weiteren Euro brauchen wir gar nicht, damit die Rechnung stimmt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
neugieriger Nicht-Grieche schrieb am 18.07.2009 um 21:52 Uhr (Zitieren)
Die Fragestellung war bewußt irreführend!
Es geht natürlich kein € verloren.
In der Ausgangssituation lautete die Rechnung: 3x10€ = 30 €
Mit der Rückgabe fragt man aber nicht mehr nach den 30 €, sondern nach 30€-5€= 25 €
Die Rechnung lautet also: 3x9 € = 27 € MINUS 2 €
und das sind 25 € MINUS statt PLUS 2 €). Der Trick liegt also darin , die Ausgangsfrage fälschlich weiter zu verwenden.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 18.07.2009 um 22:02 Uhr (Zitieren)
Sitzen 2 Alte auf der Bank und beobachten, wie 7 Leute aus einem Kino herauskommen. Kurz darauf gehen 5 rein. Meint der eine Alte: Wenn jetzt noch 2 reingehen ist keiner mehr drin!

Bei Geld geht sowas! Nehmen wir an, Du hast 3000 Euro auf dem Konto und hebst - Dank sei dem Dispo! - 5000 Euro ab. Dann brauchst Du nur 2000 Euro auf Dein Konto einzuzahlen, um kein Geld zu haben = pleite zu sein.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
neugieriger Nicht-Grieche schrieb am 18.07.2009 um 22:22 Uhr (Zitieren)
Irrsinnig wird es erst mit der Relativitätstheorie:

Zeugt ein Raumfahrer vor dem Abflug ein Kind und fliegt dann mit nahezu Lichtgeschwindigkeit einige Jahre im All herum, kommt er kaum gealtert wieder nach Hause zurück und ist jünger als sein Nachkomme (obwohl es Frauen geben soll, die jünger aussehen wollen, als ihre Töchter ... klappt nicht, darf man aber nie sagen)

Ist das paradox ?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 18.07.2009 um 22:23 Uhr (Zitieren)
In disem Saz steken fünf Feler.

?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
neugieriger Nicht-Grieche schrieb am 18.07.2009 um 22:25 Uhr (Zitieren)
4 Fehler im Satz plus die Aussage - 5 Fehler.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 18.07.2009 um 22:28 Uhr (Zitieren)
Ist der Satz denn dann wahr? Schließlich besteht der fünfte Fehler ja darin, daß die angegebene Zahl und damit der Satz falsch ist.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 18.07.2009 um 22:31 Uhr (Zitieren)
Die Relativitätstheorie wirft noch ein anderes Problem bzw. Paradox auf.
Nehmen wir an, zwei Raumschiffe (oder Lichtpartikel, das ist in diesem Falle schnurz) verlassen in entgegengesetzter Richtung einen Planeten mit Lichtgeschwindigkeit.
Sie entfernen sich also 1. von dem Planeten mit Lichtgeschwindigkeit und 2. mit welcher Geschwindigkeit voneinander?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ὑληβάτης schrieb am 18.07.2009 um 22:48 Uhr (Zitieren)
Heißt es in der Relativitätstheorie nicht, dass die Lichtgeschwindigkeit absolut ist? Das habe ich übrigens nie verstanden.

Man kann heutzutage sogar ein sehr, sehr große Menge Geld oder Schulden aus dem Nichts auftauchen lassen. Wir haben ja jetzt alle gesehen, wie die großen Banken das machen!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
neugieriger Nicht-Grieche schrieb am 18.07.2009 um 22:50 Uhr (Zitieren)
Die Aussage stimmt inhaltlich , weil sie falsch ist.
Diese Unrichtigkeit ist Voraussetzung für die Richtigkeit der Aussage. Damit ist sie dann unrichtig, weil sie richtig ist ... öhem

Die Lichtgeschwindigkeit ist nach Einstein doch absolut. Daher sieht der Betrachter von der Erde nur 2 Raumschiffe mit LG. Aber die Raumfahrer müssten sich dann gegenseitig mit doppelter LG beobachten, aber das geht nicht, oder ?

Ich glaube ich widme mich meinem Riesling und denke nochmal weiter darüber nach ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 18.07.2009 um 23:08 Uhr (Zitieren)
Zwei Autos, die sich mit 50 km/h in entgegengesetzter Richtung von einem Ort entfernen:
A1 <-- O --> A2

entfernen sich natürlich voneinander mit 100 km/h.
Tja, und das soll bei der Lichtgeschwindigkeit nicht so sein, weil sie eine absolute Grenze darstellt.
Ich habe das aber nie verstanden - außer: Die beiden Raumfahrer können nie eine höhere Geschwindigkeit als die LG messen.
Das könnte ich gerade noch kapieren.

Wir müssen warten, bis Bibulus hier zu uns stößt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
neugieriger Nicht-Grieche schrieb am 18.07.2009 um 23:09 Uhr (Zitieren)
Die Zeit ist abhängig von Masse und Geschwindigkeit.
Wenn sich das Raumschiff der LG annähert steigt die Masse gegen unendlich .Wenn das Raumschiff die LG erreicht hat steht im Schiff die Zeit still. Würde das Raumschiff seine Scheinwerfer aktivieren könnte der Lichtstrahl nicht schneller fliegen als das Schiff. ... öhem

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 19.07.2009 um 00:22 Uhr (Zitieren)
Kommt das nicht darauf hinaus, daß man keine Geschwindigkeit größer als LG messen kann?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ὑληβάτης schrieb am 19.07.2009 um 00:31 Uhr (Zitieren)
Wikipedia sagt, Lichtgeschwindigkeit "ist nach der Relativitätstheorie die höchste Geschwindigkeit, mit der sich eine Ursache auswirken kann".
Aber auch: "Denn das Experiment kann auch mit einer Emissionstheorie erklärt werden, wonach die Lichtgeschwindigkeit in allen Bezugssystemen lediglich konstant relativ zur Emissionsquelle ist (das heißt, in Systemen, wo sich die Quelle mit ± v bewegt ist, breitet sich das Licht folglich mit c ± v aus)."
c+v! Ist das paradox?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 19.07.2009 um 00:35 Uhr (Zitieren)
Bibulus!


Mein Friseur sagte kürzlich zu mir: „In meinem Laden wird nicht geklatscht. Wenn Sie Klatsch hier im Ort hören wollen, müssen Sie zum Metzger gehen.“
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ὑληβάτης schrieb am 19.07.2009 um 00:59 Uhr (Zitieren)
Es gibt bei Wikipedia - ich zitiere ganz schön viel, nicht wahr - den Artikel: Geburtstagsparadoxon. Das scheint aber kein Paradoxon zu sein. Jedenfalls nicht im obigen Sinne.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 19.07.2009 um 01:34 Uhr (Zitieren)
Was ist relativ?
Einstein beschreibt es so:
"Wenn man mit einem hübschen Mädchen zusammen ist,
sind 3 Minuten relativ kurz.
Wenn man auf eine heiße Herdplatte gefasst hat,
sind 3 Minuten relativ lang."

Zwei Raumschiffe oder Lichtquanten oder
Partikel, die jeweils mit Lichtgeschindikeit
in entgegengesetzter Richtung "fliegen",
und auch einen Beobachter an "Bord" haben,
erleben einen besonderen Effekt!
Sie können das jeweils andere Raumschiff nicht beobachten!
Denn es ist außerhalb ihres "Ereignishorizontes"!
Denn kein Signal kann ja schneller als das Licht sein.
Wenn man mit "Lichtgeschwindigkeit" reist,
dann sieht man "Nichts", wenn man aus dem Fenster schaut.
Es gibt da eine schöne mathematische Formel:
Die Lorentz-Transformation...
http://de.wikipedia.org/wiki/Lorentz-Transformation
;-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 19.07.2009 um 10:32 Uhr (Zitieren)
Tja, für mich klingt es so, als sei das ein Meßproblem. Aber es soll ja Physiker geben, die ohnehin 'existent' mit 'meßbar' gleichsetzen.

Themenwechsel gefällig?
Hier ist etwas, das ich als Butter-Margarine-Paradox bezeichnen möchte:

In einer Werbeagentur wird ein neuer Texter namens Mr. Bredon von seinem Vorgesetzten, Mr. Ingleby, in seine Arbeit eingewiesen. Bredon soll einen Text zu einer Margarine-Reklame verfassen

[...]
„So, und nun wollen wir Ihnen einmal auf die Sprünge helfen“, meinte Mr. Ingleby. „Hier ist die Kladde. Blättern Sie die mal durch, damit Sie eine Vorstellung bekommen, worum es geht, und dann denken Sie sich ein paar Überschriften aus. Im Text sollte natürlich rauskommen, daß Dairyfields ‚Grüne Aue‘-Margarine alles das ist, was Butter sein sollte, aber nur 9 Pence das Pfund kostet. Und dann hätten die noch gern eine Kuh im Bild.“
„Wieso? Wird Margarine aus Rinderfett gemacht?“
„Wenn Sie mich fragen, ja, aber sagen dürfen Sie das nicht. Das würde den Leuten nicht gefallen. Die Kuh erinnert eben nur unterschwellig an Butter. Und der Name – ‚Grüne Aue‘ – läßt einen gleich an Kühe denken, verstehen Sie?“
„Ich denke dabei eher an dieses Theaterstück, das mit den Negern“, meinte Mr. Bredon.
„Lassen Sie die Neger aus dem Spiel“, entgegnete Mr. Ingleby. „Und vor allem die Religion. Keine Anspielungen auf Psalm 23, bitte. Gotteslästerung.“
„Aha. Also etwas wie ‚Besser als Butter und halb so teuer‘. Spricht das Portemonnaie an.“
„Schon, aber Sie dürfen nichts gegen Butter sagen. Die verkaufen nämlich auch Butter.“
„Oh!“
„Sie können sagen: ‚So gut wie Butter.‘“
„Aber wenn das so ist“, begehrte Mr. Bredon auf, „was kann man dann noch zugunsten von Butter sagen? Ich meine, wenn das andere Zeug genauso gut ist und weniger kostet, gibt es kein Argument mehr, Butter zu kaufen.“
„Sie brauchen keine Argumente, um Butter zu kaufen. Das ist ein natürlicher Instinkt.“
„Aha, verstehe.“
„Machen Sie sich jedenfalls über Butter keine Gedanken. Konzentrieren Sie sich auf ‚Grüne Aue‘-Margarine. Wenn Sie was fertig haben, lassen Sie’s tippen und schwirren damit ab zu Mr. Hankin. Klar? Kommen Sie zurecht?“
„Ja, danke“, sagte Mr. Bredon mit gründlich verwirrtem Gesichtsausdruck.
[...]


[Quelle: Dorothy L. Sayers, Mord braucht Reklame. Reinbek 2001, S. 16 f.]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
neugieriger Nicht-Grieche schrieb am 19.07.2009 um 14:07 Uhr (Zitieren)
Die Geschichte mit Butter und Margarine trifft ein wirtschaftswissenschaftliches PARADOXON!!!

Der Giffen-Fall: Können sich die armen Leute, die nur wenig Fleisch kaufen können, wegen gestiegener Brotpreise auch das wenige Fleisch nicht mehr leisten, steigt der Absatz von Brot (sogenanntes inferiores Gut)- man muss ja irgendwas essen. Das bedeutet, das der Absatz trotz steigender Preise ansteigt - und eben nicht sinkt, wie es normal wäre (gilt nur für inferiore Güter!).
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 19.07.2009 um 14:38 Uhr (Zitieren)
von der Lorentz-Transformation weiter zu der
http://de.wikipedia.org/wiki/Lorentzkontraktion

und da findet man das "Garagen-Paradoxon"
;-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 19.07.2009 um 14:49 Uhr (Zitieren)
Das Garagen-Paradoxon, sehr schön. Danke, Bibulus.
Meine Sammlung von Paradoxien wird immer umfangreicher. Ich liebe diese kleinen Verwirrer (διαβόλοι) ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 19.07.2009 um 15:07 Uhr (Zitieren)
noch ein interessanter wiki-Artikel:
http://de.wikipedia.org/wiki/Ziegenproblem
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 19.07.2009 um 15:10 Uhr (Zitieren)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 19.07.2009 um 15:17 Uhr (Zitieren)
Das Ziegenproblem ist kein Paradox, nicht wahr?
Das halten wir einmal fest. Und jetzt schaue ich nach dem Umtauschparadoxon. Das verspricht ja schon vom Titel her einiges.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 19.07.2009 um 15:29 Uhr (Zitieren)
Ja, eine echte Paradoxie, wie mir scheint.

Übrigens: In vier Tagen mehr als 400 Aufrufe für ein einziges Thema - das hatten wir noch nicht, oder? Dabei hat es mit den Griechen nur angefangen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 19.07.2009 um 15:32 Uhr (Zitieren)
http://de.wikipedia.org/wiki/Paradoxon
sehr schön finde ich das Zitat aus dem Film "Leben des Brian":

Im Monty-Python-Film 'Das Leben des Brian' findet sich folgendes Paradoxon: Brian wird, zu seinem Unwillen, von einer wachsenden Menschenmenge für den Messias gehalten. Um sie von diesem Glauben abzubringen hält er eine kleine Ansprache:

Brian: Ihr habt das ganz falsch verstanden. Ihr braucht mir nicht zu folgen. Ihr braucht niemandem zu folgen! Ihr müsst selber denken! Ihr seid lauter Individuen.
Die Menge (einstimmig): Ja, wir sind lauter Individuen!
Brian: Ihr seid alle verschieden.
Die Menge (einstimmig): Ja, wir sind alle verschieden!
Worauf aus der Menge eine einzelne Stimme sagt: Ich nicht.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 19.07.2009 um 15:42 Uhr (Zitieren)
Wunderbar, diese Szene! (Hatte ich völlig vergessen.)
Die Konformisten rufen unisono: Wir sind alle verschieden! Und der einzelne Nonkonformist widerspricht.
Irre!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 19.07.2009 um 16:17 Uhr (Zitieren)


Jeder Satz, der in diesem Kästchen steht, ist falsch

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
andreas schrieb am 19.07.2009 um 16:32 Uhr (Zitieren)
Ist das ein logisches Paradoxon? (so wie: der Kreter Epimenides sagt, dass alle Kreter lügen)

Für den Wahrheitsgehalt gibt es keinen Beleg, es kann also gar nicht beurteilt werden, was die Aussage eigentlich ist. (es könnte manchmal stimmen oder auch nicht)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 19.07.2009 um 16:39 Uhr (Zitieren)
Das ist ein Paradoxon,geradezu ein klassisches. Wenn der Satz falsch ist, gilt: genau das behauptet er ja, also ist er wahr. Wenn er aber wahr ist, dann muß ja seine Aussage stimmen; und die lautet nun einmal ...

Im Grunde ist es eine Variante des Kreters, ja. Nur besser geeignet für Vertretungsstunden. Man braucht gar nichts zu sagen, sondern schreibt einfach den Satz an die leere Tafel.
Dann geht's los.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
andreas schrieb am 19.07.2009 um 16:47 Uhr (Zitieren)
Form und Inhalt, Aussage und Tat müssen ja nicht immer zwingend übereinstimmen.

Das erinnert mich an den Aufsatz, den eine Klasse schreiben soll. An der Tafel steht das Thema:
"Was ist Risiko?"

Alle Schüler schreiben fleißig. Nur einer geht nach einer Minute raus, weil er fertig ist. Der Lehrer klappt das Heft auf und liest: "Das ist Risiko".

Welche Note kann man dafür geben?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 19.07.2009 um 19:46 Uhr (Zitieren)
Nun bin ich mal gespannt!

Ihr habt sicher bemerkt, daß die meisten dieser Paradoxien (nicht alle!) dadurch entstehen, daß Sätze oder sogar Worte auf sich selbst bezogen werden bzw. Mengen sich selbst als Element enthalten.

Jeder Satz, der in diesem Kästchen steht, ist falsch.

ist paradox, weil dieser Satz selbst in dem Kästchen steht.
"kurz" ist homolog, weil dieses Wort selbst kurz ist usw.

Diesem Problem wollte Bertrand Russell, der Entdecker u.a. der Mengen-Antinomie (s.o.), nun dadurch entgehen, daß er ein neues Konzept von Sprache entwickelt hat, in dem diese Paradoxien keinen Platz mehr finden sollten.
Dieses neue Konzept, meist "Typentheorie" genannt, soll folgendermaßen funktionieren:
1. Kein Satz darf sich auf sich selbstbeziehen, keine Menge sich selbst als Element enthalten (Verbot illegitimer Mengen)!
2. Wir müssen stattdessen verschiedene Satztypen unterscheiden
:
- Sätze über nichtsprachliche Objekte ('Dinge') = objektsprachliche Sätze
- Sätze über objektsprachliche Sätze = metasprachliche Sätze
- Sätze über metasprachliche Sätze = meta-metasprachliche Sätze
usw. usw.

Sätze wie "Jeder Satz, der an dieser Tafel steht, ist falsch" dürfen sich nun nur noch auf irgendwelche anderen Sätze beziehen, aber nicht mehr auf sich selbst.
So werden - nach Russell - die meisten Paradoxien vermieden.

Was haltet Ihr von dieser Strategie?

Als ich sie kapiert hatte, hatte ich nicht wenig Lust, dem alten, damals noch lebenden Russell die gleiche 'Freude' zu machen, die er als junger Mann dem alten Frege bereitet hatte.
Ich hab's mir verkniffen, und ich weiß auch nicht, ob ich damit durchgedrungen wäre; aber hier drängt sich doch ein Gedanke auf, oder?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 19.07.2009 um 19:54 Uhr (Zitieren)
Das ist ein Rätsel - aber ein ziemlich anspruchsvolles.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
andreas schrieb am 19.07.2009 um 19:58 Uhr (Zitieren)
Die Frage ist wohl die nach der Definition der Begriffe. Welchen Sinn hat ein Begriff, wie ist die Bedeutung eines Wortes - ist es eindeutig?
Sprache ist redundant - es gibt mehrere Begrifffe für dasselbe und ein Wort kann mehrere Bedeutungen haben. Dies ist anders als in der Mathematik.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 19.07.2009 um 20:09 Uhr (Zitieren)
Als ich sie kapiert hatte, hatte ich nicht wenig Lust, dem alten, damals noch lebenden Russell die gleiche 'Freude' zu machen, die er als junger Mann dem alten Frege bereitet hatte.
Ich hab's mir verkniffen, und ich weiß auch nicht, ob ich damit durchgedrungen wäre; aber hier drängt sich doch ein Gedanke auf, oder?


Lösung:
"Rasieren Sie sich, Mr. Russell?"

B-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
andreas schrieb am 19.07.2009 um 20:12 Uhr (Zitieren)
Die Aussage: "ich kann mit weißer Kreide blau schreiben " ist nicht eindeutig!
Ist das Wort "blau" gemeint oder die Farbe?
Das Wort kann man mit beliebiger Kreide schreiben, die Farbe nicht.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 19.07.2009 um 21:53 Uhr (Zitieren)
Nein! Es geht um dieses Prinzip, das Russell einführt:
Kein Satz darf sich auf sich selbst beziehen!

Seht Ihr das Problem nicht, das Russell sich damit einhandelt?
Er hat es nicht gesehen, m.W. nie gesehen; aber es ist tödlich, logisch gesehen.

Nach all den Paradoxien, die wir hier diskutiert haben, müßtet Ihr doch sehen ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ὑληβάτης schrieb am 19.07.2009 um 22:11 Uhr (Zitieren)
Darf ich nur kurz einwerfen, dann muss ich wieder weg, dass meine Frau gerade von einem Brauhaus in Köln erzählt hat, das "Brauhaus ohne Namen" heißt. Wenn das man nicht paradox ist, dass der Name "B o N" ist! Im Rheinland auch noch!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 19.07.2009 um 22:20 Uhr (Zitieren)
Zunächst ist doch mal "Brauhaus ohne Namen" als Eigenname paradox. So wie es "No Name" mal als Markenzeichen für die Produktlinie eines Discounters gab.
Aber die Abkürzung "BoN" in Köln finde ich nur lustig, nicht eigentlich paradox.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 19.07.2009 um 23:04 Uhr (Zitieren)
Ich kann es nur wiederholen:

Kein Satz darf sich auf sich selbst beziehen!


Seht Ihr das Problem nicht, das Russell sich damit einhandelt?

Nach all den Paradoxien, die wir hier diskutiert haben, müßtet Ihr doch sehen ...

Nun, man muß Geduld haben, bis der Groschen Cent fällt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 19.07.2009 um 23:13 Uhr (Zitieren)
Das Erste, worauf Schüler mal gekommen sind, als wir das Thema besprochen haben: Dies ist eine verdammte Herodes-Strategie! Russell will sehr viele sehr harmlose Sätze (wie z.B. "Sprache ist ein Mittel der Kommunikation", was natürlich auch für diesen Satz selbst gilt) verbieten, nur um eine gefährliche, aber kleine Teilmenge davon zu eliminieren: diejenigen, welche zu Paradoxien führen.

Das war ein guter Einwand. Aber so wie Herodes bereit war, diesen Preis zu zahlen, war offensichtlich auch Russell dazu bereit, weil ein Logiker & Mathematiker anscheinend nichts so sehr scheut wie Widersprüche.

Der nächste Schüler-Einwand war: Wo soll das eigentlich aufhören mit den verschiedenen Typen und ihren Meta-Meta-Meta-Meta-Sätzen? Vermutlich nirgends.

Es gibt aber einen viel besseren Einwand!

Noch nicht dieser Einwand selber, aber mal ein Wink in die richtige Richtung: Auf welcher Ebene steht eigentlich dieser Satz von Russell selber?
Ist es ein objektsprachlicher Satz, ein metasprachlicher Satz, ein meta-metasprachlicher Satz oder was?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 19.07.2009 um 23:22 Uhr (Zitieren)
Γραικίσκος,
ich, als im Denken immer bestrebt,
im Geiste nicht immer (in vino veritas!),
"nüchtern" zu sein, halte von übertriebenen Spitzfindigkeiten nichts:
Als "Praktiker" interessiere ich mich dafür,
ob die Mauer, das Bauwerk seinen angedachten
Zweck erfüllt, also "hinreichend genau" erdacht wurde....

;-)

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Βοηθὸς Ἑλληνικός schrieb am 19.07.2009 um 23:29 Uhr (Zitieren)
@Bibulus:
Ich weiß zwar auf was Γραικίσκος hinaus will...auf den Satz selbst...
aber ich denke, ich weiß heute viel besser, warum ich auch einen praktischen Beruf als Arzt habe und warum ich schon in der Schule LK Mathe und Latein gewählt habe ....ich denke das ergänzt sich und gleicht sich sehr gut aus.
;-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 19.07.2009 um 23:31 Uhr (Zitieren)
Tja, da spricht der Ingenieur.
Ich aber, ich Philosoph, was soll ich tun? Vermuten kann ich nur, daß auch Du in Deinem Leben nicht an Paradoxien vorbeikommst.
Der Unterschied zwischen uns besteht ja nicht darin, daß der Praktiker keine Theorien hat und der Theoretiker nichts praktiziert. Es ist ein Unterschied des Interesses, des Schwerpunkts, nicht wahr?
Nein, es ist noch komplizierter. Du löst und erdenkst hier Rätsel, berätst Tätowierungswillige ... das ist doch nicht alles bloß praktisches Interesse.
γίγνωσκε σαὐτόν ... oder trink noch ein Gläschen.

Irgendjemand wird das Rätsel schon lösen!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 19.07.2009 um 23:34 Uhr (Zitieren)
@Βοηθὸς Ἑλληνικός

ein Axiom wie
Kein Satz darf sich auf sich selbst beziehen!

ist ein Paradoxon,
weil es in unserer begreifbaren Welt
keine absoluten Axiome geben kann...
("alles ist relativ")

Es können auch keine absoluten Aussagen gemacht werden
(siehe Quantenphysik!)

Sogar die Evolution ist nicht zielgerichtet,

Somit haben wir also die drei großen Genies der letzten 150 Jahre:
Darwin, Planck, Einstein...

;-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 19.07.2009 um 23:39 Uhr (Zitieren)
ach ja,
und Heisenberg...

@Γραικίσκος

es gibt da auch eteas, was man volkstümlich mit
"Spaß an der Freude" beschreibt.

Stanislaw Lem hat mal in einer Geschichte einen Roboter aus "Spaß an der Freude" einfach Alpinismus betreiben lassen..
(Der Roboter ist allerdings abgestürzt.)
;-)
Du verstehst, was ich meine.
Es besteht nicht die Notwendigkeit,
für alle Erscheinungen eine tiefernste
oder bis ins Allerletzte erschöpfende
Erklärung zu finden.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Βοηθὸς Ἑλληνικός schrieb am 19.07.2009 um 23:41 Uhr (Zitieren)
In der Makrophysik stimmt schon sehr vieles "absolut", aber nicht im Mikrokosmos -> Quantenmechanik.

Feynman hat mal gesagt: Wer behauptet, dass er die Quantenmechanik verstanden hat, der lügt...denn nicht einmal ich habe sie komplett verstanden....

;-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 19.07.2009 um 23:45 Uhr (Zitieren)
Ihr sagt mir Bescheid, sobald ich Euch auf die Nerven gehe, gelt?

Aber es ist seltsam. Dieses komische, wirklich sehr theoretische Thema hat hier in fünf Tagen mehr als 500 Aufrufe erlebt.

Fast alle relevanten Begriffe (Logik, Paradoxie, Antinomie, homologisch, heterologisch, Axiom usw.) kommen übrigens aus dem Griechischen!

Und das Problem in Russells Axiom (oder Postulat)? Da bin ich mit Bibulus' Deutung noch nicht zufrieden. Es soll, wenn ich es recht verstehe, nicht absolut gelten. Sondern Russell meint: Wenn man Paradoxien/Widersprüche in der Mathematik vermeiden will, dann darf man keinen Satz ...

Das Problem, das Russell umtreibt, ist übrigens in erster Linie kein philosophisches, sondern die Widerspruchsfreiheit der Mathematik. Mit der Mengen-Antinomie war in der Mathematik ein Widerspruch aufgetreten!
Erst über die mathematischen Probleme ist Russells zur Philosophie gekommen ... wie über den Ersten Weltkrieg zur Politik.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 20.07.2009 um 00:02 Uhr (Zitieren)
Mindestens ein Satz in diesem Kästchen ist wahr!

Ich wünsche Euch eine gute Nacht!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Βοηθὸς Ἑλληνικός schrieb am 20.07.2009 um 00:03 Uhr (Zitieren)
ach ja,
und Heisenberg...

Genau....das zeigt eigentlich alles:
Die Unschärferelation zeigt uns genau, dass wir Ort und Impuls nicht gleichzeitig genau bestimmen können....das heißt auch unsere Beobachtungen unterliegen einer Unschärfe im Mikrokosmos.
Das heißt in manchen Gebieten der Theoretischen Physik/Quantenmechanik muß man sich von der Widerspruchsfreiheit verabschieden.......
@Bibulus: Und ich betreibe Latein und Griechisch auch als Spaß an der Freud :-)
Gute Nacht an alle!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 20.07.2009 um 00:22 Uhr (Zitieren)
die Unschärfenrelation betrifft nicht nur Ort und Impuls,
sondern alle Bereiche des Lebens, der "Wirklichkeit".
Aber meistens reicht es eben,
hinreichend genaue "Messungen" zu haben..

Ein sehr gutes Beispiel ist "Sprache":
Kein Mensch spricht exakt genau so wie ein anderer.
Trotzdem läuft die Kommunikation mehr oder
minder "problemlos".
(Weil das Gehirn "fehlendes" oder "falsches"
ergänzt,
na ja,
in den meisten Fällen...)

Im Grunde genommen "sehen" wir z.B. ja nicht,
sondern unser Hirn "interpretiert".
;-)

Und diese "Interpretation" ist eigentlich das Interessante
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 20.07.2009 um 00:24 Uhr (Zitieren)
und somit wären wir wieder bei Platon...
;-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ὑληβάτης schrieb am 20.07.2009 um 07:12 Uhr (Zitieren)
Kein Satz darf sich auf sich selbstbeziehen, keine Menge sich selbst als Element enthalten
Das ist doch ein metasprachlicher Satz, der eine allgemeine Regel gibt. So allgemein, dass er als Satz sein eigenes Objekt ist. D.h. er sagt auch etwas über sich aus. Ist es das?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 20.07.2009 um 08:57 Uhr (Zitieren)
Ja, genau, Ὑληβάτης!
Wenn man die Frage stellt, ob nun dieser Satz auch für sich selbst gelten soll, tritt das gleiche Dilemma wieder auf, das Russell doch loswerden wollte:
- Sagt man, dieser Satz dürfe selbstverständlich nicht auf sich selbst angewendet werden, dann befolgt man die Regel, die er aufstellt, im Hinblick auf ihn selbst, d.h. man wendet ihn auf sich selbst an.
- Sagt man hingegen, dieser Satz gelte auch für sich selbst, dann muß man natürlich die Regel befolgen, die er formuliert, d.h. man darf ihn nicht auf sich selbst anwenden.

Es hat den Anschein, daß das menschliche Denken weder die Selbstbezüglichkeit noch die Widersprüche loswerden kann. Denn das Denken befaßt sich eben unter anderem mit sich selbst (auch wenn man kein Philosoph ist), und dabei treten nun mal diese Widersprüche auf.

Manche Menschen sagen ja, Widersprüche störten sie nicht, sie könnten damit leben. Aber manche Widersprüche mögen wir überhaupt nicht - z.B. Lügen.

Die Frage, welche Widersprüche wir wann akzeptieren können, harrt noch ihrer Antwort.

Aber hätte ich als junger Mann Russell diesen Gedanken schreiben sollen? Hätte sich dann das wiederholt, was er selbst Frege angetan hat?
Nun, ich habe diese Gedanken vor vielen Jahren veröffentlicht, aber an unauffälliger Stelle. Davon hat Russell nichts mitbekommen.
Andererseits habe ich - das war übrigens mein letzter Aufenthalt in Heidelberb - mal erlebt, wie ein 'Russellianer' angesichts dieses Einwandes sagte: "Ach du Scheiße!"
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ὑληβάτης schrieb am 20.07.2009 um 09:07 Uhr (Zitieren)
:-D
Was für eine Reaktion!
Es ist übrigens sehr feinfühlend von Dir, ihm nicht als Freges Nemesis zu kommen. Vielleicht wäre sonst das wohl berühmteste Diktum in der Wikipedia: "Ach du Scheiße!" (auf die Anmerkung eines jungen Mannes, dass die Typentheorie nicht widerspruchsfrei sei)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 20.07.2009 um 09:29 Uhr (Zitieren)
Aber sag' mal, Ὑληβάτης: 42 km von Bad Wildbad - Karlsruhe oder Baden-Baden?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 20.07.2009 um 12:53 Uhr (Zitieren)
[Der Jude] Fleckeles hat frisch konvertiert. Gleich bei der ersten Beichte stiehlt er dem Pfarrer die Uhr und beichtet:
„Ich habe eine Uhr gestohlen. Es bedrückt mich. Darf ich die Uhr Ihnen übergeben, Hochwürden.“
Pfarrer: „Was fällt Ihnen ein! Ich nehme sie nicht. Geben Sie sie dem Eigentümer zurück.“
Fleckeles: „Das habe ich eben versucht. Er will sie nicht.“
Pfarrer: „Dann brauchen Sie sich nicht weiter bedrückt zu fühlen und können die Uhr mit gutem Gewissen behalten.“


[Quelle: Salcia Landmann (Hrsg.), Der jüdische Witz. Frankfurt/Main-Wien-Zürich 1976, S. 501]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 20.07.2009 um 12:58 Uhr (Zitieren)
Masochist zum Sadisten: „Bitte quäle mich!“
Sadist: „Nein!“
Masochist: „Danke.“


(von einem Schüler erzählt)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 20.07.2009 um 19:37 Uhr (Zitieren)
John D. Barrow

DIE ENTDECKUNG DES UNMÖGLICHEN
(1998)


Konsistenz
[„ex falso quodlibet“]


Nach allgemeiner Überzeugung müssen Argumentationssysteme konsistent sein. Das heißt, daß keine Aussage zugleich wahr und falsch sein kann. Andernfalls bricht das ganze System zusammen, denn es gibt keine Kriterien mehr für wahr und falsch; von jeder Aussage kann bewiesen werden, daß sie wahr (oder auch falsch!) ist. Als Bertrand Russell bei einem öffentlichen Vortrag einmal diese These vortrug, wurde er von einem skeptischen Zwischenrufer aufgefordert zu beweisen, daß er, der Zwischenrufer, der Papst wäre, wenn zweimal zwei gleich fünf ist. Russell antwortete: „Wenn zweimal zwei fünf ist, dann ist vier gleich fünf, minus 3; damit ist 1 = 2. Da nun Sie und der Papst zwei sind, sind Sie und der Papst gleich 1.“
[...]


[Quelle: John D. Barrow, Die Entdeckung des Unmöglichen. Forschung an den Grenzen des Wissens. Heidelberg/Berlin 1999, S. 290]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
andreas schrieb am 20.07.2009 um 19:54 Uhr (Zitieren)
>>>>>>>>

1. Kein Satz darf sich auf sich selbstbeziehen, keine Menge sich selbst als Element enthalten (Verbot illegitimer Mengen)!

Was hätte Descartes dazu gesagt?

ICH (selbstbezogen) denke, also bin ICH (enthält sich selbst als Element der Aussage)


Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 20.07.2009 um 22:28 Uhr (Zitieren)
Ja, das menschliche Denken befaßt sich (häufig) mit sich selbst und ist daher sozusagen strukturell selbstbezüglich.
Das war eine Sackgasse, in die Russell da gelaufen ist.

Die Ehefrau zum Ehemann beim Frühstück: „Sag’ was!“
Der Ehemann: „Nö.“
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 20.07.2009 um 23:14 Uhr (Zitieren)
"Ich lasse mir von einem kaputten Fernseher nicht vorschreiben,
wohin ich zu gucken habe!"
(Loriot)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 20.07.2009 um 23:22 Uhr (Zitieren)
Das ist auch sehr schön. Loriot sowieso fast immer.

Ein Egozentriker: „Jetzt reden wir doch mal nicht immer nur von mir! Wie denkst du denn über mich?“
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 20.07.2009 um 23:24 Uhr (Zitieren)
Paradoxon:
Die Tour de France führt durch Marschlande...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 20.07.2009 um 23:37 Uhr (Zitieren)
[quote]Als die Mücke zum ersten Male den Löwen brüllen hörte, da sprach sie zur Henne: „Der summt aber komisch.“
„Summen ist gut“, fand die Henne.
„Sondern?“, fragte die Mücke.
„Er gackert“, antwortete die Henne. „Aber das tut er allerdings komisch.“

[Quelle: Günther Anders in: DIE ZEIT vom 4.3.1996]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 20.07.2009 um 23:38 Uhr (Zitieren)
Als die Mücke zum ersten Male den Löwen brüllen hörte, da sprach sie zur Henne: „Der summt aber komisch.“
„Summen ist gut“, fand die Henne.
„Sondern?“, fragte die Mücke.
„Er gackert“, antwortete die Henne. „Aber das tut er allerdings komisch.“


[Quelle: Günther Anders in: DIE ZEIT vom 4.3.1996]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ὑληβάτης schrieb am 21.07.2009 um 09:05 Uhr (Zitieren)
Das ist jetzt wenig paradox und ein wenig spät, aber ich wusste keinen besseren Platz dafür.
Ganz andere Richtung, Γραικίσκος! Bretten, die Perle des Kraichgaus.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 21.07.2009 um 11:00 Uhr (Zitieren)
"Bretten, die Perle des Kraichgaus" - ah! Ah?
Da muß ich nachschauen.

Wenn Ihr eine Paradoxie sucht, von der nicht einmal der ärgste Philosophenfeind behaupten kann, sie sei bloß ausgedacht und käme nicht tagtäglich vor - hier ist sie:
Darf ich Ihnen mal eine Frage stellen?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 21.07.2009 um 23:15 Uhr (Zitieren)
[...] Es gibt rund um die spezielle Relativitätstheorie eine Reihe von Gedankenspielen, über die nicht nur Wissenschaftler grübeln. Viele sind schon experimentell bestätigt worden. So hat man beispielsweise demonstriert, daß Elementarteilchen deutlich länger leben, wenn man sie in einem Speicherring bis auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Doch viele der relativistischen Rätsel sind eher akademischer Natur und werden deshalb wahrscheinlich niemals im Experiment bewiesen werden können, wie jenes vom lichtschnellen U-Boot.
Das Schiff soll in diesem Gedankenexperiment zunächst die gleiche Dichte haben wie die Wassermenge, die es verdrängt, wodurch es nach dem Archimedes-Prinzip im Ozean schwimmt. Kompliziert wird es erst, wenn die Gesetze der speziellen Relativitätstheorie ins Spiel kommen und das U-Boot fast mit Lichtgeschwindigkeit fährt. Nun wird es aufgrund der sogenannten Lorentz-Kontraktion kürzer. Damit nimmt aber auch die Dichte des Schiffes gegenüber der es verdrängenden Wassermenge zu, und so muß das U-Boot folglich sinken. Andererseits besagt die Relativitätstheorie, daß die Bootsmannschaft ihr Schiff als ruhendes Bezugssystem ansehen kann, so daß nicht das Schiff, sondern das Fahrwasser mit Lichtgeschwindigkeit vorüberrauscht, womit die Dichte des Ozeans gegenüber dem U-Boot zunimmt. Letzteres erfährt also einen Auftrieb. Je nach Bezugssystem müßte das U-Boot also sinken oder steigen – ein Widerspruch, der so manchem Wissenschaftler offensichtlich schlaflose Nächte bereitet. [...]


[Quelle: Frankfurter Allgemeine vom 4. August 2003]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ὑληβάτης schrieb am 22.07.2009 um 09:20 Uhr (Zitieren)
Darf ich mal (D)eine Frage dazu stellen? ;-)
Geht es um eine Messung, oder um tatsächlich Verkürzung. Wenn sich beides verkürzt, U-Boot und Meer, sind ja beide wieder gleich!
Ganz knuffig ist das Garagen-Paradoxon, das die Problematik vom Meer in eine Garage mit zwei Toren verlegt! Wikipedia s.v. Lorentzkontraktion.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 22.07.2009 um 14:04 Uhr (Zitieren)
Gerne darfst Du mich fragen, ob Du mich fragen darfst.
Jeder darf mich fragen, ob er mich fragen darf! Nur daß ich dann grinse.

Das Garagen-Paradox hatte Bibulus schonmal erwähnt, und auch ich habe den Eindruck, daß es sich bei ihm und bei diesem U-Boot-Paradox im Grunde um das Gleiche handelt.
Wenn sich beides verkürzt, ist natürlich beides wieder gleich. Aber steht es nicht so, daß sich - je nach Perspektive - immer das Andere verkürzt?

Hier das neueste Paradox aus der Welt der Literatur:
Das Drama ‚Hamlet’ wurde gar nicht von Shakespeare geschrieben, wie man früher dachte, sondern nur von einem Mann, der sich Shakespeare nannte.

Ich bin nicht sicher, ob ich es verstehe; jedenfalls habe ich eine Weile darüber grübeln müssen, wieso das paradox ist.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 22.07.2009 um 18:33 Uhr (Zitieren)
Es gibt ja diesen berühmten Brief eines
Pfarrschäfleins an seinen Hirten (Pastor)

Ich heiratete eine Witwe mit erwachsener Tochter. Darauf heiratete mein Vater die Tochter meiner Frau. Dadurch wurde also meine Frau die Schwiegermutter ihres Schwiegervaters, meine Stieftochter wurde meine Stiefmutter und mein Vater mein Schwiegersohn.
Meine Stiefmutter bekam einen Sohn, der also mein Stiefbruder war, aber er war auch der Onkel meiner Frau, also war ich Großvater meines Stiefbruders.
Als nun meine Frau auch einen Jungen bekam, war der auch der Schwager meines Vaters (als Bruder seiner Frau). Meine Stieftochter ist aber auch zu gleich die Großmutter ihres Bruders, denn der ist ja der Sohn ihres Stiefsohnes. Da ich der Stiefvater meines Kindes bin, ist mein Sohn auch der Stiefbruder meines Vaters, zugleich aber auch der Sohn meiner Großmutter, da ja meine Frau die Schwiegertochter ihrer Tochter ist.
Ich bin der Stiefvater meiner Stiefmutter, mein Vater und seine Frau sind meine Stiefkinder, mein Vater und mein Sohn sind Brüder, meine Frau ist meine Großmutter, weil sie die Mutter meiner Stiefmutter ist, ich bin der Neffe meines Vaters und zugleich mein eigener Großvater.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 22.07.2009 um 19:35 Uhr (Zitieren)
JA! Sowas kann ich brauchen, damit kann ich meine Sammlung (nicht nur zum Zwecke von Vertretungsstunden) erweitern. Danke!

„Ich mache nie Voraussagen und werde das auch nie tun.“


[ein Fußballspieler in der Westdeutschen Zeitung vom 26.9.2008]
(Meiner Erinnerung nach war das Lukas Podolski; abr ich bin mir nicht sicher.)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 22.07.2009 um 19:56 Uhr (Zitieren)
ja, Fußballer sind eine unerschöpfliche Quelle sprachlicher Akrobatik...
:-))
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
andreas schrieb am 22.07.2009 um 21:17 Uhr (Zitieren)
Hier eine kleine Rechenaufgabe für Vertretungsstunden für renitente Mathefreaks.

Der mathematische Beweis: alle Menschen sprechen Griechisch !

A= alle Menschen
G= Menschen, die Griechisch sprechen
N= Menschen, die nicht Griechisch sprechen

Hinweis: A2 und G2 sind AxA (A Quadrat) bzw. G Quadrat

So gilt:

A = G + N

Umformen:

multipl. (A-G) >>> A(A-G) = (G+N)(A-G)

Ausklammern:

A2 –AG = GA –G2 +NA –NG

A2 –AG -NA = GA –G2 - NG

Klammern:

A (A – G – N) = G (A - G – N)

Kürzen: /(A-G-N)

A (A – G –N)/(A- G -N) = G (A - G –N)/(A -G - N)


A = G Also sprechen alle Griechisch !!!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 22.07.2009 um 21:23 Uhr (Zitieren)
Ich glaube, euch bekommen die Ferien nicht...
B-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
andreas schrieb am 22.07.2009 um 21:34 Uhr (Zitieren)
Ferien?

Quos deus perdere vult dementat prius (Sophokles)

Griechisch kann ichs nicht (nunja), aber wo ist der Fehler? Hab es mir doch gerade ausgerechnet ?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 22.07.2009 um 21:39 Uhr (Zitieren)
Wenn - was ich stark annehme - Andreas identisch ist mit dem 'neugierigen Nicht-Griechen' der sich bis vor kurzem hier äußerte und gestand, kein Griechisch zu können, und nun derselbe Andreas hier beweist, daß alle Menschen Griechisch sprechen, haben wir es dann nicht sogar mit einer Paradoxie höherer Ordnung zu tun?
Mindestens analog zu der folgenden: "Es tut mir ganz außerordentlich leid, aber ich beherrsche keinen einzigen Satz Deutsch."
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 22.07.2009 um 21:41 Uhr (Zitieren)
Der Fehler liegt in (A - G – N)
denn das ist ja "0"!
und eine Zahl mit "0" multipliziert ist = 0
;-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
andreas schrieb am 22.07.2009 um 21:46 Uhr (Zitieren)

joh, vor lauter Variablen sieht man den Wert nicht mehr ...

Viele kommen nicht darauf (wirklich) ...

Damit kann man Leute schon mal beschäftigen - und sich derweil wichtigeren Dingen zuwenden

:-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
andreas schrieb am 22.07.2009 um 21:50 Uhr (Zitieren)
@ Graeculus

Klar ich war der neugierige Nicht-Grieche (wollte micht mit Kenntnissen schmücken, die mir fehlen).
Im Latein-Forum war gerade wenig los ... da war ich neugierig.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 22.07.2009 um 22:01 Uhr (Zitieren)
@andreas,
ich kann auch nur minimal Alt-Griechisch,
kaum der Rede wert!
Aber hier braucht man es auch nicht unbedingt!

Was man nicht weiß, kann man erfragen.
;-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 22.07.2009 um 22:03 Uhr (Zitieren)
Ist doch gut, daß Du hierhergefunden hast. Ja, ist sehr gut!

Vielleicht ist es an der Zeit, einmal wieder einen alten Griechen zu diesem Thema hier zu Wort kommen zu lassen, und zwar mit einer - wie ich meine - der stärksten Widerspruchsthesen der Weltliteratur:
Ποταμοἶς τοἶς αὐτοἶς ἐμβαίνομέν τε καὶ οὐκ ἐμβαίνομεν, εἶμέν τε καὶ οὐκ εἶμεν.
In dieselben Flüsse steigen wir und steigen wir nicht; wir sind es und wir sind es nicht.

(Heraklit, Fragment B 49a)

Gesprochen haben wir hier schonmal über die Bedeutung dieses bemerkenswerten Ausspruchs:
http://www.albertmartin.de/altgriechisch/forum/?view=141#2
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
andreas schrieb am 22.07.2009 um 22:31 Uhr (Zitieren)
Da werde ich in meiner Neugier gerne weiter über den Tellerrand schauen (zumal, glaube ich ca. 8000 Fremdworte des Lat. aus dem Griechischen stammen).

Den Heraklit-Satz habe ich schon mal gelesen:
Der Mensch verändert /entwickelt sich genau wie seine Umgebung/die Gesellschaft- darin unterscheidet er sich vom Tier (hoffentlich).
Einheit im Gegensatz. Menschen sind keine definierten mathemat. Formeln (zum Glück)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 22.07.2009 um 22:36 Uhr (Zitieren)
Ich hatte es für Βοηθός mal so erklärt:
Der Patient Xaver Tunichtgut, der heute zu Dir kommt, und der Patient Xaver Tunichtgut, der eine Woche darauf wieder zu Dir kommt, um eine Hoffnung reicher (oder ärmer) - ist das derselbe Patient Xaver Tunichtgut?
Heraklit: Wir sind es und wir sind es nicht.

Und diese Arztpraxis, in die unser Xaver kommt, ist das dieselbe Praxis wie vor einer Woche? Ja doch! Die Praxis von Dr. XY eben. Aber ist da nicht ein Fleck mehr im Teppichboden, ist nicht das Blutdruckmeßgerät eine Woche älter geworden?
Heraklit: In dieselben Flüsse steigen wir und steigen wir nicht.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
andreas schrieb am 22.07.2009 um 22:42 Uhr (Zitieren)

Ja, ein hübsches Beispiel.

Ich werde jedenfalls jetzt ins Bett steigen und - wer weiß - vielleicht bin ich morgen früh ja nicht mehr derselbe, der da aufwacht (zumindest nicht ganz)

Gute Nacht !
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 22.07.2009 um 22:44 Uhr (Zitieren)
vielleicht bin ich morgen früh ja nicht mehr derselbe, der da aufwacht (zumindest nicht ganz)

Wohl nicht. Aber was geblieben sein wird, wird reichen, um Dich wiederzuerkennen.
Gute Nacht!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 23.07.2009 um 08:51 Uhr (Zitieren)
Die folgende Passage ist etwas länger, aber gut & lustig:
[...] „Der Babelfisch“, ließ der Reiseführer Per Anhalter durch die Galaxis in ruhiger Stimme vernehmen, „ist klein, gelb und blutegelartig und wahrscheinlich das Eigentümlichste, was es im ganzen Universum gibt. Er lebt von Gehirnströmen, die er nicht seinem jeweiligen Wirt, sondern seiner Umgebung entzieht. Er nimmt alle unbewußten Denkfrequenzen dieser Gehirnströme auf und ernährt sich von ihnen. Dann scheidet er ins Gehirn seines Wirtes eine telepathische Matrix aus, die sich aus den bewußten Denkfrequenzen und Nervensignalen der Sprachzentren des Gehirns zusammensetzt. Der praktische Nutzeffekt der Sache ist, daß man mit einem Babelfisch im Ohr augenblicklich alles versteht, was einem in irgendeiner Sprache gesagt wird. Die Sprachmuster, die man hört, werden durch die Gehirnstrommatrix entschlüsselt, die einem der Babelfisch ins Gehirn eingegeben hat.
Nun ist es aber verdammt unwahrscheinlich, daß sich etwas so wahnsinnig Nützliches rein zufällig entwickelt haben sollte, und so sind ein paar Denker zu dem Schluß gelangt, der Babelfisch sei ein letzter und entscheidender Beweis dafür, daß Gott nicht existiert.
Die Argumentation verläuft ungefähr so: ‚Ich weigere mich zu beweisen, daß ich existiere‘, sagt Gott, ‚denn ein Beweis ist gegen den Glauben, und ohne Glauben bin ich nichts.‘
‚Aber‘, sagt der Mensch, ‚der Babelfisch ist doch eine unbewußte Offenbarung, nicht wahr? Er hätte sich nicht zufällig entwickeln können. Er beweist, daß es dich gibt, und darum gibt es dich, deiner eigenen Argumentation zufolge, nicht. Quod erat demonstrandum.‘
‚Ach du lieber Gott‘, sagt Gott, ‚daran habe ich gar nicht gedacht‘, und löst sich prompt in ein Logikwölkchen auf.
‚Na, das war ja einfach‘, sagt der Mensch und beweist, weil’s gerade so schön war, daß schwarz gleich weiß ist, und kommt wenig später auf einem Zebrastreifen ums Leben.
Die meisten führenden Theologen behaupten, dieser ganze Streit sei absoluter Humbug, aber er hinderte Oolon Coluphid nicht daran, ein kleines Vermögen damit zu verdienen, daß er ihn zum zentralen Thema seines neuesten Bestsellers Na, lieber Gott, das war’s dann wohl machte.
Mittlerweile hat der arme Babelfisch dadurch, daß er alle Verständigungsbarrieren zwischen den verschiedenen Völkern und Kulturen niederriß, mehr und blutigere Kriege auf dem Gewissen als sonst jemand in der ganzen Geschichte der Schöpfung.“ [...]


[Quelle: Douglas Adams, Per Anhalter durch die Galaxis. 1981, S. 60 f.]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 23.07.2009 um 22:20 Uhr (Zitieren)
Hier mal ein Bild - das "Socken-Paradox":
http://nichtlustig.de/toondb/051220.html
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 23.07.2009 um 22:28 Uhr (Zitieren)
Einige Paradoxien aus einem Kinderbuch:

Was ist paradox?

Wenn ein Bruder seine Schwester unverwandt ansieht,
wenn ein Goethe-Denkmal durch die Bäume schillert,
wenn sich ein Engländer französisch empfiehlt,
wenn ein Trompeter zittert,
wenn ein Lehrer die Nase voll hat und alle Kinder versetzt (zum Pfandhaus bringt)..

;-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 23.07.2009 um 22:35 Uhr (Zitieren)
Man kennt sicher auch noch das Kinderlied:
Dunkel war's, der Mond schien helle
Als ein Auto blitzeschnelle langsam um die Ecke fuhr.
Drinnen saßen stehend Leute, schweigend ins Gespräch vertieft,
Als ein totgeschossner Hase auf 'nem Sandberg Schlittschuh lief.

Kennt man, oder?
Meine Kinder fanden's zum Abrollen. "Papa, das geht doch gar nicht!"
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 23.07.2009 um 22:37 Uhr (Zitieren)
natürlich kennt man das!
Ist es nicht von Christian Morgenstern?
---
auch der Tod kann sich irren:
http://nichtlustig.de/comics/full/030502.jpg
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 23.07.2009 um 22:39 Uhr (Zitieren)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 23.07.2009 um 22:40 Uhr (Zitieren)
ROFL...
ich schmeiß mich wech....
http://nichtlustig.de/toondb/030122.html
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
andreas schrieb am 23.07.2009 um 22:40 Uhr (Zitieren)
Die lustigste Paradoxie ist doch die Ehe!

Neulich sagte meine Frau zu mir:

"Nun widersprich mir doch mal endlich."

Ich antwortete; "O.K."
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 23.07.2009 um 22:46 Uhr (Zitieren)
das kenne ich:
Meine Ex-Frau hat sich mal bei ihren Schwiegereltern,
also bei MEINEN Eltern, beschwert, mit mir könne
man sich nicht streiten, weil ich nie widerspreche....
(Ich behaupte bis heute, wir sind immer noch
freundschaftlich verbunden, sie hat nur nicht
meinen fein formulierten, auf humanistischer
Basis aufbauenden Widerspruch bemerkt...)

B-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
andreas schrieb am 23.07.2009 um 23:01 Uhr (Zitieren)
Tja, die Frauen meinen immer, man höre als Mann nicht zu, dabei bemerken sie es einfach gar nicht, wie sehr wir es doch tun!

Oder es ist einfach so schwer etwas zuzugeben ...

Gute Nacht!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 23.07.2009 um 23:23 Uhr (Zitieren)
wie soll man(n) auch widersprechen,
wenn man(n) nie zu Wort kommt....
B-)
Gute Nacht!
;-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 24.07.2009 um 09:10 Uhr (Zitieren)
So, die lustigste Paradoxie ist die Ehe. Das hat Sokrates sicher geahnt, als er sagte: "Heirate oder laß es bleiben - in zehn Jahren bereust du es so oder so."

Unter www.nichtlustig.de findet man ja hunderte von Zeichnungen, darunter auch etliche über Paradoxien ... die sich dann meistens auf Zeitreisen beziehen. Dieses Thema hatten wir bis dahin noch gar nicht.

Ein wahrer Fundus für Paradoxien sind natürlich auch die Zeichnungen von C. M. Escher:
http://images.google.com/images?hl=la&q=C.+M.+Escher&btnG=Imagines+Quaerere&gbv=2

Es gibt noch einen anderen Typ von Paradoxen, den man den der unmöglichen Vorhersage nennen kann. Hier ist ein Beispiel dafür:
Fünf Studenten wird von ihrem Professor gesagt, daß sie alle einen Stern an den Rücken gesteckt bekommen; daß genau einer der Sterne golden ist (wer diesen Stern erhält, ist der „bezeichnete Student“) und daß der bezeichnete Student nicht wissen wird, daß er bezeichnet ist. Die Studenten werden so aufgereiht, daß der fünfte die Rücken der anderen vier sehen kann, der vierte die Rücken der anderen drei und so weiter.
Sie argumentieren, daß das, was der Professor gesagt hat, nicht wahr sein kann, aus folgenden Gründen:

Der fünfte Student kann schließen, daß er nicht ohne sein Wissen bezeichnet sein kann, denn wenn er bezeichnet wäre, dann könnte er daraus, daß die Sterne der anderen Studenten nicht golden sind, ersehen, daß keiner von ihnen bezeichnet ist, und also erschließen, daß er selbst bezeichnet ist.

Der vierte Student kann schließen, daß (a) der fünfte Student nicht ohne sein Wissen bezeichnet sein kann und (b) daß es der vierte Student ebensowenig sein kann, denn gesetzt, der fünfte Student ist nicht bezeichnet, so wäre der vierte in der Lage, daraus, daß die Sterne der anderen drei sichtbaren Rücken nicht golden sind, zu schließen, daß er bezeichnet ist, wenn er es wäre.

... und so weiter.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 24.07.2009 um 19:49 Uhr (Zitieren)
Die Raben-Paradoxie

Ein bekannter Ornithologe führte eine Gruppe wohlwollender Geldgeber durch das neue Vogelhaus, zu dessen Errichtung sie beigetragen hatten. An einer Stelle des Rundgangs erklärte er: „Und hier haben wir zwei der eindrucksvollsten Raben, die ich je zu Gesicht bekommen habe. Beachten Sie das glänzend schwarze Gefieder, für das diese Vögel berühmt sind.“
Der Ornithologe fuhr in seinem Vortrag fort, berichtete über die Freß- und Nistgewohnheiten der Raben und kam schließlich auf die im Volksglauben verankerte Rolle dieser Vögel als Vorboten des Unglücks zu sprechen.
Als der Ornithologe seine Ausführungen beendet hatte, meinte ein junger Mann: „Verzeihen Sie, Sir, aber haben Sie nicht eben gesagt, ‚Alle Raben sind schwarz’?“
„Ich bin nicht sicher, ob ich genau das gesagt habe, aber es stimmt. Alle Raben sind schwarz.“
„Aber woher wollen Sie das wissen – ich meine, mit Bestimmtheit?“ fragte der junge Mann.
„Nun, ich habe in meinem Leben ein paar hundert Raben gesehen, die allesamt schwarz waren.“
„Schon, aber ein paar hundert sind nicht alle. Wie viele Raben gibt es denn eigentlich?“
„Schätzungsweise ein paar Millionen. Doch was Ihre Frage angeht, so haben viele andere Wissenschaftler – und natürlich auch Nicht-Wissenschaftler – über Tausende von Jahren Raben beobachtet und bisher sind alle schwarz gewesen. Zumindest weiß ich nicht von einem einzigen Fall, in dem jemand einen nicht-schwarzen Raben gesehen hätte.“
„Das mag schon stimmen, aber es sind immer noch nicht alle – nur die meisten.“
„Richtig, aber es gibt noch andere Beweise. Nehmen Sie beispielsweise alle diese herrlichen, bunten Vögel, die wir heute gesehen haben – die Papageien, die Pfefferfresser, die Pfauen ...“
„Sie sind wirklich herrlich, aber was haben sie mit Ihrer Behauptung, daß alle Raben schwarz sind, zu tun?“
„Sehen Sie das denn nicht?“ fragte der Ornithologe.
„Nein, das sehe ich nicht. Bitte erklären Sie es mir doch.“
„Also gut. Sie akzeptieren die Ansicht, daß jeder neue Fall, in dem ein weiterer schwarzer Rabe beobachtet wird, zur Bestätigung der Verallgemeinerung, daß alle Raben schwarz sind, beiträgt?“
„Ja, natürlich.“
„Gut. Dann ist die Aussage ‚Alle nicht-schwarzen Dinge sind Nicht-Raben’ äquivalent. Weil alles, was eine Aussage bestätigt, auch jede logisch äquivalente Aussage bestätigt, liegt es auf der Hand, daß jeder beliebige nicht-schwarze Nicht-Rabe die Verallgemeinerung ‚Alle Raben sind schwarz’ bestätigt. Folglich bestätigen auch alle diese farbenprächtigen, nicht-schwarzen Nicht-Raben die Verallgemeinerung.“
„Das ist aber doch lächerlich“, empörte sich der junge Mann. „Dann könnten Sie ja gleich sagen, daß Ihr blaues Jackett und Ihre graue Hose ebenfalls die Aussage ‚Alle Raben sind schwarz’ bestätigen. Schließlich sind das ja auch nicht-schwarze Nicht-Raben.“
„Ganz richtig“, entgegnete der Ornithologe. „Jetzt denken Sie schon allmählich wie ein richtiger Wissenschaftler.“


[Quelle: Nicholas Falletta, Paradoxon. Widersprüchliche Streitfragen, zweifelhafte Rätsel, unmögliche Erläuterungen. Frankfurt/Main 1988, S. 131 f.]

Das finde ich einfach wunderbar, weil man nicht weiß, ob es genial ist oder eine Verarschung ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 24.07.2009 um 21:30 Uhr (Zitieren)
- Obersatz:[/u Jeder nicht-schwarze Nicht-Rabe bestätigt die Verallgemeinerung, daß alle Raben schwarz sind.
- [u]Untersatz:
Eine Flasche Spätburgunder ist nicht schwarz und auch kein Rabe.
- Schlußfolgerung: Also bestätigt eine Flasche Spätburgunder die Verallgemeinerung, daß alle Raben schwarz sind.

Prost! Und ein schönes Wochenende.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 24.07.2009 um 21:32 Uhr (Zitieren)
Das sollte so ausschauen:
- Obersatz: Jeder nicht-schwarze Nicht-Rabe bestätigt die Verallgemeinerung, daß alle Raben schwarz sind.
- Untersatz: Eine Flasche Spätburgunder ist nicht schwarz und auch kein Rabe.
- Schlußfolgerung: Also bestätigt eine Flasche Spätburgunder die Verallgemeinerung, daß alle Raben schwarz sind.


Prost! Und ein schönes Wochenende.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Βοηθὸς Ἑλληνικός schrieb am 24.07.2009 um 21:45 Uhr (Zitieren)
@Γραικίσκος:
Ebenfalls Prost!
Ich habe mir aber gerade ein Bier aufgemacht ;-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
andreas schrieb am 24.07.2009 um 21:53 Uhr (Zitieren)

Wie haben die alten Griechen eigentlich "Prost" gesagt? Wenn überhaupt ...

Hatte gestern etwas zuviel Rioja und kann mich nicht am "Synposion" beteiligen, nunja
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
andreas schrieb am 24.07.2009 um 21:54 Uhr (Zitieren)
SyMposion natürlich !
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 24.07.2009 um 22:15 Uhr (Zitieren)
Das weiß ich auch nicht, was "Prost" auf Griechisch heißt.
Ich habe mal das hiesige Wörterbuch befragt und erhielt:
πόρνη -Prostituierte

Nun nehme ich aber nicht an, daß da ein etymologischer Zusammenhang besteht.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Βοηθὸς Ἑλληνικός schrieb am 24.07.2009 um 22:25 Uhr (Zitieren)
Ὑγιαίνε! (Sei gesund!)

Trinkspruch auf griechisch:
Ὑγιαίνειν μὲν ἄριστον ἀνδρὶ θνατῷ.
Δεύτερον δὲ φυὰν καλὸν γενέσθαι,
τὸ τρίτον δὲ πλουτεῖν ἀδόλως,
καὶ τὸ τέταρτον ἡβᾶν μετὰ τῶν φίλων.
;-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
andreas schrieb am 24.07.2009 um 22:43 Uhr (Zitieren)

Tja, meine Recherche lieferte ein Ergebnis, das wohl nur für Urologen zutrfft:

προστάτης ...

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 25.07.2009 um 02:18 Uhr (Zitieren)
pffff..

Berichtet denn nicht Homer in der Ilias,
wie die Danaer den Trinksitten gefrönt haben?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 25.07.2009 um 02:20 Uhr (Zitieren)
andreas schrieb am 24.07.2009 um 22:43 Uhr:
Tja, meine Recherche lieferte ein Ergebnis, das wohl nur für Urologen zutrfft:
προστάτης ...

@andreas!
:-)
siehste!
SO schwer ist griechisch doch gar nicht...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 25.07.2009 um 08:50 Uhr (Zitieren)
Hier ist ein berühmtes Trilemma:
Eines der wichtigsten Probleme des philosophischen und des wissenschaftlichen Denkens kommt in den folgenden Formulierungen zum Ausdruck: Wie lassen sich unsere Auffassungen begründen? Wie kann man Gewißheit darüber erlangen, ob sie wahr sind? Hinter derartigen Fragen verbirgt sich die Suche nach einem archimedischen Punkt der Erkenntnis, nach einem sicheren Fundament, von dem aus sich alle wahren Auffassungen als wahr und unter Umständen auch alle falschen als falsch erweisen lassen, so daß man hinsichtlich des Wahrheitswertes aller möglichen Überzeugungen Gewißheit erreichen kann, ohne dabei einer Täuschung anheimzufallen. [...]
Schon bei Aristoteles findet man die Begründungsidee, die Forderung nach einem Rekurs auf wahre und sichere Gründe, auf unbeweisbare, aber einsichtige erste Prinzipien, die die Entwicklung der Erkenntnislehre in den folgenden zwei Jahrtausenden bestimmt hat. Schon bei ihm taucht die Vorstellung auf, daß nur auf diese Weise - durch Rekurs auf eine solche sichere Grundlage - der infinite Regreß vermieden werden könne, der mit der Idee einer beweisenden Wissenschaft nicht zu vereinbaren wäre. [...] Mit diesem Wissenschaftsideal war ein Rationa-litätsmodell geschaffen, das - verkörpert vor allem im axiomatischen System des Euklid - bis tief in die Neuzeit herrschend geblieben ist. Das Prinzip der zureichenden Begründung, das in diesem Modell zum Ausdruck kommt, kann man wohl als ein allge-meines Postulat der klassischen Methodologie des rationalen Denkens auffassen, ein Postulat, das sich auf Problemlösungsverhalten in allen Bereichen übertragen zu lassen scheint.
Nun führt dieses allgemeine Begründungsprinzip aber zu einer bestimmten Schwierigkeit, deren Eigenart wohl im Laufe der Geschichte immer wieder bemerkt worden ist, die aber in ihrer Tragweite meist unterschätzt wurde, zu derjenigen Schwierigkeit nämlich, die im folgenden Trilemma zutage tritt, das ich „Münchhausen-Trilemma“ genannt habe: Wenn man dieses methodologische Postulat ohne Einschränkung formuliert, also für alles eine Begründung verlangt, dann führt das - ganz abgesehen von der Problematik der Selbstanwendung, die übrigens für das Prinzip das gleiche Trilemma zur Folge hat - zu einer Situation mit drei gleichermaßen unannehmbaren Alternativen. Man kann nämlich nur wählen zwischen:
1. einem infiniten Regreß, der sich aber als nicht durchführbar erweist,
2. einem logischen Zirkel, der ebenfalls zu keiner Begründung führen kann, und
3. einem Abbruch des Verfahrens an einem bestimmten Punkt, der sich zwar durchführen läßt, aber eine Suspendierung des Prinzips bedeuten würde, deren Willkür schwerlich bestritten werden kann.
Es ist nun natürlich angesichts dieser Situation relativ leicht, sich plausibel zu machen, daß man die dritte dieser Alternativen zu wählen hat, und das ist in der Tat seit Aristoteles, der ja zu diesem Zweck seine wahren und evidenten ersten Prinzipien eingeführt hat, immer wieder geschehen. Man spricht hier dann etwa von Selbstbegründung, Selbstevidenz, Letztbegründung oder von einer Fundierung in unmittelbarer Erkenntnis, aber all diese Umschreibungen sind nur geeignet, die Tatsache zu verdecken, daß man bereit ist, den Begründungsprozeß an einem Punkt abzubrechen, der prinzipiell durchaus bezweifelt werden könnte, und daß man diesen Punkt zum archimedischen Punkt macht. Das läuft de facto darauf hinaus, daß man an einer bestimmten Stelle ein Dogma[i] einführt, eine Behauptung, die angeblich nicht der Begründung bedürftig ist, weil ihre Wahrheit gewiß erscheint und daher nicht in Frage gestellt werden kann. Voraussetzungen, für die in dieser Weise prinzipielle Kritikimmunität in Anspruch genommen wird, kann man wohl mit einigem Recht Dogmen nennen. Sie unterscheiden sich in diesem epistemologisch wesentlichen Punkt nicht von entsprechenden Aussagen in theologischen Gedankengebäuden, für die diese Bezeichnung üblich ist. [...]


[i][Quelle: Hans Albert, Kritische Vernunft und menschliche Praxis. Stuttgart 1977, S. 34-37]


Nachbemerkungen:
1. Man merkt, wie oft sich Albert auf griechische Philosophen bezieht - was deren Bedeutung klarmacht.
2. Dieses Trilemma hat Albert nicht entdeckt, sondern nur klar formuliert und ihm einen Namen gegeben, der berühmt geworden ist. Aus dem Stand vermute ich, daß Pyrrhon es entdeckt hat - ein Grieche!
3. infiniter Regreß: Ich behaupte a und begründe es mit b; da man aber alles begründen möchte (Ideal!), begründe ich nun b mit c, sodann c mit d, d mit e etc. etc. ad infinitum. Es gibt dabei kein Ende und daher keine zureichende Begründung.
4. Beim logischen Zirkel "begründe" ich a mit b und b mit a (allersimpelste Form) oder a mit b und b mit c und c mit a (etwas verschämtere Version).
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 25.07.2009 um 08:52 Uhr (Zitieren)
Die kursive Schrift denkt man sich hinter "Dogma" wieder weg, ja?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
andreas schrieb am 25.07.2009 um 11:01 Uhr (Zitieren)
Ja, da haben wir das Kernproblem aller Rationalisten:

"... die Forderung nach einem Rekurs auf wahre und sichere Gründe, auf unbeweisbare, aber einsichtige erste Prinzipien, ..."

Kant fragte:"Was kann ich wissen?"
Sokrates sagte:"Ich weiß, dass ich nichts weiß."
Hume stellte fest, dass die sinnliche Wahrnehmung das Fundament jeder Erkenntnis ist und Gedankenkonstruktionen, die darüber hinausgehen Spekulation und eigentlich uninteressant sind. Kausalzusammenhänge, die tausendfach gleich ablaufen können plötzlich ganz anders sein (Chaostheorie). Oder man stellt erstaunt fest, dass ein Mann mit nur 10 % der normalen Hirnmasse Finanzbeamter in Frankreich sein kann (SZ vom 22.07.09; was mag das bedeuten ?)

Manche behelfen sich auch mit Gott/Religion.

Man kann von der Philosophie keine bahnbrechenden Gewissheiten erwarten. Schopenhauer meinte, es ginge ihm "... wie einem, dem, als er gerade das Gesuchte zu finden im Begriffe ist, die Laterne ausgeblasen wird ...".

Aber man kann aus der Philosophie einige Lebensweisheiten ziehen. Dann findet man zum Bewußtsein einer gewissen Bescheidenheit und Gemütsruhe (Seneca, De tranquillitate animi).

Und so kann man sich dann mit dezenter Selbstironie begegnen.




Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 25.07.2009 um 17:49 Uhr (Zitieren)
Ich behaupte (und schon das ist ein Dilemma),
daß die existierende Welt und damit die Möglichkeit der Erkenntnis weder "linear" noch "rational" ist.

Es genügt für uns zu "erkennen", wo sich das leckere
Mammut und der gefährliche Säbelzahntiger
rumtriebt.
Die "Natur" ist sparsam und verschwenderisch zugleich:
Siehe die geschlechtliche Fortpflanzung der Säugetiere:
Während die Weibchen in ihrem Leben nur wenige der
wertvollen Eizellen produzieren, geht die Natur
geradezu verschwenderisch mit den Samenzellen um..

Was ich sagen will:
Es gibt keine endgültige "Erkenntnis",
sondern alles ist Interpretation.

Die kleinste aller Naturkräfte, die Gravitation,
ist aber ausgerechnet die Kraft, die für uns
am augenfälligsten bewusst wahrnehmbar ist...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 25.07.2009 um 17:53 Uhr (Zitieren)
Faust musste scheitern,
selbst der Verkauf der Seele an den Satan
hat letztendlich nichts genutzt.
Was bleibt?
Die "Flucht" in die Stoa, zu den Kynikern und Epikurern,
je nach Gusto...
;-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 25.07.2009 um 17:57 Uhr (Zitieren)
Es gibt keine endgültige "Erkenntnis",
sondern alles ist Interpretation.

Gilt das auch für diese Erkenntnis?

(Problem der Selbstanwendung, wie bei Russells Axiom --> Selbstwiderspruch? Die Welt der Erkenntnis ist voller logischer Fallen.)

Man könnte sagen: "Es gibt keine endgültige Erkenntnis, auch diese nicht!"
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 25.07.2009 um 18:00 Uhr (Zitieren)
und da haben wir das "Dilemma":
Jede Aussage, jede Interpretation, jedes Axiom bedarf immer einer vorher festzulegenden Relation....
Und damit ist Alles angreifbar..
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 25.07.2009 um 18:03 Uhr (Zitieren)
Religionen haben es da einfacher:
Der jeweilige "Führer", sei es Papst, Rabbi oder Mullah,
verkündet ein unfehlbares Dogma und droht mit
dem Scheiterhaufen
Solch eine Drohung erleichtert es natürlich den Gläubigen,
ein verkündetes Dogma anzuerkennen...
So was ist doch wahre Lebenshilfe!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 25.07.2009 um 18:06 Uhr (Zitieren)
Und damit ist alles angreifbar.

Auch dies?
Das hat Pyrrhon, der Skeptiker, schon bemerkt: Wer skeptisch gegenüber allem sein will, muß auch gegenüber der Skepsis skeptisch sein.

Dagegen hat dann Wittgenstein ("Über Gewißheit") eingewendet: "Wer an allem zweifeln wollte, käme nicht mal bis zum Zweifeln." Weil er nämlich dann auch den Sinn der Worte anzweifeln müßte, und dann wäre nicht einmal ein Zweifel mehr möglich.
Man kann nicht in Sprache am Sinn von Sprache zweifeln ...

Mann, ich komme gerade aus dem Urlaub zurück, und schon stecke ich in solchen Gedanken ...
Jetzt mache ich Schluß für heute!
Viel Spaß mit den Adoptivkaisern & ihrer Finanzpolitik!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 25.07.2009 um 18:10 Uhr (Zitieren)
Viel Spaß mit den Adoptivkaisern & ihrer Finanzpolitik!


Die war außerordentlich "modern" und geradezu vorbildlich!
(nur soviel ausgeben, wie man im Portemonnai hat)

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 25.07.2009 um 18:11 Uhr (Zitieren)
na ja,
das mit dem "modern" nehme ich zurück,
"modern" ist ja, soviel Geld auszugeben, bis die Schwarte kracht...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 25.07.2009 um 23:12 Uhr (Zitieren)
Nur mal so als Zusammenfassung:
Ich zweifle an allem!

ist paradox bzw. widersprüchlich, weil es nicht an der Sprache (Grammatik, Semantik) zweifelt; und würde man auch daran zweifeln, könnte man nicht mehr zweifeln, denn der obige Satz ist natürlich ein Satz der deutschen Sprache, der einen spezifischen Sinn haben soll.

Es gibt das schöne Bild, daß wir auf einem Floß sitzen und während der Fahrt zwar jeden Teildes Floßes "in Frage stellen", d.h. erneuern können, aber nie das komplette Floß, denn wir müssen die Reparaturen von einer anderen Stelle des Floßes aus vornehmen. Irgendetwas müssen wir also immer voraussetzen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 25.07.2009 um 23:23 Uhr (Zitieren)
Ja!
Daher auch meine Kritik am herrschenden
"Kapitalismus",dessen Anhänger ja glauben,
die "eierlegende Wollmilchsau" gefunden zu haben
("Geld arbeitet").

Wie alle Ideologien, menschenverachtend.
Besser:: eigentlich die Negation aller, alles, allem
(Ich habe kein Problem mit meiner begrenzten Erkenntnisfähigkeit.)

Öhm..
Ich meine natürlich:
Ich erkenne meine Grenze,
nehme sie wahr, auf Grund meiner Beschränktheit.
Ich lebe , bzw. versuche innerhalb dieser Grenze zu leben.
Ich strebe natürlich nach Erweiterung dieser Grenze
und freue mich, wenn ich, wie die Menschen an der
Schwelle zur "Neuzeit" ihren "Erlebnishorizont",
auch ich den meinigen erweitern kann.

Ich bin mir aber bewußt, ich bin nur ein
Teil des "παντε"
;-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 25.07.2009 um 23:25 Uhr (Zitieren)
Ich persönlich lande immer wieder bei Platon...
;-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 26.07.2009 um 14:55 Uhr (Zitieren)
Beiläufig gesprochen: Von zwei Dingen zu sagen, sie seien identisch, ist ein Unsinn, und von Einem zu sagen, es sei identisch mit sich selbst, sagt gar nichts.


[Quelle: Ludwig Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus 5.5303]

Das wirft nun die Frage auf, welche sinnvollen Identitätsaussagen es dann überhaupt noch gibt?
"Klaus und Peter sind identisch" ist, wie Wittgenstein feststellt, Unsinn. "Klaus ist identisch mit sich selbst" sagt gar nichts, ist nämlich tautologisch, d.h. leer. Wovon kann man dann noch Identität behaupten?
Es gibt eine Antwort auf diese Frage!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
andreas schrieb am 26.07.2009 um 18:47 Uhr (Zitieren)
Bei Lebewesen dürte es nicht funktinieren, aber bei Dingen z.B. aus einer Massen/Serienproduktion, sofern sie ununterscheidbar sin.

Begriffe sind hinsichtlich der inhaltlichen Aussage oft identisch - Pferd und Roß etc.

Wo ist das Problem?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 26.07.2009 um 20:14 Uhr (Zitieren)
Die Identität von Pferd und Roß hängt zwar von der Definition der Begriffe ab und ist also tautologisch, aber trotzdem ist das ein relevanter Fall: Wenn man einem Menschen, der die deutsche Sprache lernt und "Pferd" zwar schon kennt, "Roß" aber noch nicht, sagt: "'Pferd' bedeutet dasselbe wie 'Roß'." Diese Identitätsaussage ist informativ (nicht leer), denn das wußte er ja noch nicht.
Noch deutlicher ist der Sinn von Identitätsaussagen, wenn damit eine empirische Entdeckung verbunden ist, Z.B. die, daß "Morgenstern" dasselbe astronomische Objekt bezeichnet wie "Abendstern" ... daß also der Morgenstern der Abendstern ist.
Oder die Erkenntnis, daß Γραικίσκος der älteste Mitarbeiter im Griechischform ist, d.h. also die beiden Eigennamen "Γραικίσκος" und "der älteste Mitarbeiter im Griechischforum" dieselbe Person bezeichnen.
Das sind dann echte, informative Identitätsaussagen, bei denen man Erkenntnis gewinnt.

Falls jemandem das trivial vorkommt ... ich habe es während meines ganzen Studiums anders gelernt und erst 30 Jahre später kapiert. Dank Wittgenstein + Nachdenken über Wittgensteins Aphorismus.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 26.07.2009 um 20:48 Uhr (Zitieren)
Mir scheint, daß auch Aristoteles hier irrt, d.h. dem Wittgenstein-Einwand verfällt:
Als Dasselbe (Identische) bezeichnet man etwas einmal in akzidentellem Sinne; z.B. das Weiße und das Gebildete ist dasselbe, weil es Akzidens an demselben ist, und Mensch und gebildet, weil das eine am andern Akzidens ist, und das Gebildete ist Mensch, weil jenes ein Akzidens des Menschen ist. Mit jedem von diesen beiden ist dies (nämlich das Zusammengesetzte) und mit diesem wieder jedes von beiden dasselbe, mit dem gebildeten Menschen wird der Mensch und das Gebildete als dasselbe bezeichnet und ebenso mit diesem jenes. Daher wird auch dies alles nicht allgemein ausgesagt, indem es nicht wahr ist zu sagen, jeder Mensch und jeder Gebildete sei dasselbe; denn was einem Ding allgemein zukommt, das kommt ihm an sich zu, die Akzidentien aber kommen ihm nicht an sich zu, sondern werden nur von den Einzeldingen schlechthin ausgesagt. Denn Sokrates und der gebildete Sokrates scheint dasselbe zu sein, Sokrates aber läßt sich nicht von vielen aussagen, und man sagt daher nicht „jeder Sokrates“ wie man sagt „jeder Mensch“.
Einiges also wird in diesem Sinne dasselbe genannt, anderes an sich, wie es auch ebenso als eines bezeichnet wird; dasjenige nämlich heißt dasselbe, dessen Stoff der Art oder der Zahl nach einer, und das, dessen Wesen (Wesenheit) eines ist. Offenbar ist also die Selbigkeit eine Einheit des Seins, entweder unter mehreren oder bei einem, wenn man es als eine Mehrheit ansieht, z.B. wenn man sagt, es sei etwas mit sich selbst dasselbe; denn man sieht es dann an, als seien es zwei.
Als Anderes bezeichnet man die Dinge, bei denen die Formen oder der Stoff oder der Begriff des Wesens (Wesenheit) eine Mehrheit bilden, und überhaupt gebraucht man Anderes im entge-gengesetzten Sinne als Dasselbe.

(Quelle: Metaphysik V 9
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
andreas schrieb am 26.07.2009 um 21:28 Uhr (Zitieren)

Rechtlich müssen bei einer Ersatzlieferung (Mängelrüge)Waren gleicher Art, Menge und Güte geliefert werden.

Wenn man Benzin in 2 x 5-Literkanister tankt, ist der Inhalt beider Gefäße identisch.

Entspricht dies der Vorstellung der "Wesenheit" ?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 27.07.2009 um 15:30 Uhr (Zitieren)
ad 1.: Mängelrüge: Der gelieferte Ersatz ist gerade nicht identisch mit der mangelhaften Ware, denn er hat ja keinen Mangel (oder einen anderen).

ad 2.: Das ist ein interessanterer Fall. Der Inhalt der beiden Kanister sollte identisch sein: 5 Liter.
Aber Alfred N. Whitehead (Mathematiker, Koautor der "Principia Mathematica" mit Bertrand Russell) schreibt:
2+3 und 3+2 sind nicht identisch; die Reihenfolge der Symbole ist in diesen beiden Kombinationen verschieden, und dieser Unterschied der Reihenfolge führt zu unterschiedlichen Gedankenprozessen.


[Quelle: Alfred N. Whitehead, A Treatise of Universal Algebra. Cambridge 1898, S.6]

Ich frage mich, ob zwei [!] Dinge, die sich zur selben Zeit an verschiedenen Orten [!] befinden, identisch sein können. Z.B. kann der Inhalt des einen Kanister als erstes benutzt werden. Enthält der eine Kanister vielleicht ein Benzinmolekül mehr als der andere? usw.

Aristoteles würde das aber vermutlich als Einheit des Wesens (5 Liter Benzin) ansehen.

In dem Abendstern-Morgenstern-Beispiel hingegen sind die bezeichneten Objekte identisch, nämlich in Wahrheit ein und dasselbe. Sie werden nur aus bestimmten Gründen unterschiedlich bezeichnet. Dann möchte ich von echter Identität sprechen.
Das war auch der Sinn dessen, was ich im Studium gelernt habe: daß jedes Ding mit sich selbst identisch ist. Aber das ist eben eine bloß tautologische Aussage, die Identität von Abendstern und Morgenstern war hingegen eine echte astronomische Entdeckung.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 27.07.2009 um 18:57 Uhr (Zitieren)
Da wendet sich einer mit einer Bitte an Gott, und dann gerät er aber richtig in die Tine!

STERBLICHER Und deshalb, o Gott, bitte ich Dich, wenn Du auch nur eine Unze Erbarmen für diese Deine leidende Kreatur übrig hast, erlöse mich vom Zwang des freien Willens!
GOTT Du weisest das größte Geschenk, das ich Dir gegeben habe, zurück?
STERBLICHER Wie kannst Du etwas, was mir aufgezwungen wurde, ein Geschenk nennen? Ich habe den freien Willen, aber nicht aus eigener Wahl. Ich habe den freien Willen nicht frei gewählt. Ich muß den freien Willen haben, ob ich mag oder nicht!
GOTT Warum willst Du denn keinen freien Willen haben?
STERBLICHER Weil der freie Wille moralische Verantwortung bedeutet, und moralische Verantwortung ist mehr, als ich verkraften kann!
GOTT Warum findest Du moralische Verantwortung so unerträglich?
STERBLICHER Warum? Ehrlich gesagt – ich kann das nicht analysieren; ich weiß nur, daß es so ist, wie ich sage.
GOTT Gut, dann nimm einmal an, daß ich Dich aller moralischen Verantwortung entbinde, Dir aber immer noch den freien Willen lasse. Stellt Dich das zufrieden?
STERBLICHER (nach einer Pause) Nein, leider nicht.
GOTT Aha, ganz wie ich es mir dachte! Die moralische Verantwortung ist also nicht der einzige Aspekt des freien Willens, gegen den Du Einwände hast. Was sonst behagt Dir nicht am freien Willen?
STERBLICHER Bei freiem Willen bin ich fähig zu sündigen, und ich will nicht sündigen!
GOTT Wenn Du nicht sündigen willst – warum tust Du’s dann?
STERBLICHER Guter Gott! Ich weiß nicht, warum ich sündige, ich tu es einfach! Böse Versuchungen kommen meines Wegs, und wie ich mich auch drehe und wende – ich kann ihnen nicht widerstehen.
GOTT Wenn es wirklich wahr ist, daß Du ihnen nicht widerstehen kannst, dann sündigst Du nicht aus freiem Willen und also (zumindest meiner eigenen Vorstellung nach) sündigst Du gar nicht.
STERBLICHER Nein, nein! Ich spüre es ja, daß ich, wenn ich mir nur mehr Mühe gäbe, der Sünde aus dem Weg gehen könnte. Ich verstehe schon, daß der Wille unbegrenzt ist. Wenn man von ganzem Herzen nicht sündigen will, tut man es auch nicht.
GOTT Nun ja, Du mußt es wissen! Tust Du also alles, was Du kannst, der Sünde aus dem Weg zu gehen, oder nicht?
STERBLICHER Ehrlich gesagt – ich weiß es nicht! Wenn es soweit ist, meine ich immer, ich hätte mein Bestes getan, aber im nachhinein plagen mich Zweifel!
GOTT Mit anderen Worten: Du weißt also nicht wirklich, ob Du oder ob Du nicht gesündigt hast. Die Möglichkeit ist also offen, daß Du eben gar nicht gesündigt hast!
STERBLICHER Natürlich besteht diese Möglichkeit, aber vielleicht habe ich doch gesündigt, und dieser Gedanke ist es, der mich so ängstigt!
GOTT Warum ängstigt Dich der Gedanke, daß Du gesündigt haben könntest?
STERBLICHER Ich weiß nicht warum! Immerhin stehst Du ja aber im Geruch, im Jenseits recht scheußliche Strafen zu verhängen!
GOTT Aha, das also ist es, was Dir zu schaffen macht! Warum hast Du das nicht gleich gesagt, statt all dem Drumherumreden mit freiem Willen und Verantwortung? Warum hast Du nicht einfach von mir verlangt, Dich nicht für Deine Sünden zu bestrafen?
STERBLICHER Als Realist halte ich es nicht für wahrscheinlich, daß Du eine derartige Bitte gewähren würdest!
GOTT Was Du nicht sagst! Du also weißt Bescheid, welche Bitten ich realistischer- und wahrscheinlicherweise gewähren werde, wie? Nun, ich will Dir sagen, was ich jetzt tun werde! Ich werde Dir eine ganz besondere Vergünstigung gewähren: nämlich zu sündigen, soviel Du Lust hast, und ich gebe Dir mein göttliches Ehrenwort, daß ich Dich niemals im geringsten dafür bestrafen werde. Einverstanden?
STERBLICHER (sehr erschrocken) Nein, nein, tu das nicht!
GOTT Warum nicht? Hast Du kein Zutrauen zu meinem göttlichen Wort?
STERBLICHER Das schon! Aber siehst Du denn nicht, daß ich nicht sündigen will! Ich habe äußerste Abscheu davor, zu sündigen, ganz unabhängig von allen Strafen, die das mit sich bringen mag.
GOTT Wenn das so ist, gehe ich noch einen Schritt weiter mit meinem Angebot: Ich werde Deinen Abscheu vor der Sünde von Dir nehmen. Hier ist eine Zauberpille! Schluck sie einfach hinunter, und Du wirst allen Abscheu vor der Sünde los sein. Du wirst freudig und lustig drauflossündigen, ohne Reue, ohne Abscheu, und ich verspreche Dir immer noch, daß Du nie von mir, von Dir selbst, oder von wem auch immer bestraft werden wirst. Du wirst glückselig sein in alle Ewigkeit. So, hier ist die Pille!
STERBLICHER Nein, nein!
GOTT Du wirst mir doch nicht unvernünftig werden? Ich räume Dir das letzte Hindernis, Deinen Abscheu vor der Sünde, aus dem Weg.
STERBLICHER Ich kann sie nicht nehmen!
GOTT Warum nicht?
STERBLICHER Ich glaube schon, daß die Pille meinen künftigen Abscheu vor der Sünde aus dem Weg räumen wird, aber mein gegenwärtiger Abscheu genügt mir, mich gegen die Pille zu feien.
GOTT Ich befehle Dir, die Pille zu nehmen!
STERBLICHER Ich weigere mich.
GOTT Was, Du weigerst Dich aus freiem Willen?
STERBLICHER Ja!
GOTT Es scheint also, daß Dir da Dein freier Wille recht schön gelegen kommt, nicht wahr?
STERBLICHER Das verstehe ich nicht!
GOTT Bist Du jetzt nicht froh, daß Du aus freiem Willen ein so greuliches Angebot zurückweisen kannst? Wie würde es Dir gefallen, wenn ich Dich dazu zwänge, die Pille einzunehmen, ob Du wolltest oder nicht?
STERBLICHER Nein, nein! Bitte nicht!
GOTT Natürlich nicht; ich gebe Dir nur ein Beispiel. Gut, also sagen wir so: Statt Dich zu zwingen, die Pille zu nehmen, nimm an, ich erhöre Dein ursprüngliches Gebet, Dir Deinen freien Willen abzunehmen – doch versteht es sich, daß im Augenblick, da Du nicht mehr frei bist, Du die Pille nehmen willst.
STERBLICHER Wenn mir der Wille genommen ist, wie wäre es das möglich, daß ich aus freien Stücken die Pille nehme?
GOTT Ich sagte nicht, aus freien Stücken; ich sagte nur, Du würdest sie nehmen. Du würdest nach, sagen wir einmal, rein deterministischen Gesetzen handeln, die so beschaffen sind, daß Du beim Einnehmen der Pille unter Sachzwang stehst.
STERBLICHER Ich weigere mich noch immer.
GOTT Du weisest also mein Angebot, Dir den freien Willen abzunehmen, zurück. Das unterscheidet sich beträchtlich von Deinem ursprünglichen Gebet, eh?
STERBLICHER Jetzt sehe ich, worauf Du hinauswillst. Deine Beweisführung ist genial, aber ich bin mir nicht sicher, daß sie wirklich korrekt ist. Da sind ein paar Punkte, auf die wir noch einmal zurückkommen müssen.
GOTT Bitte sehr.
STERBLICHER Mir scheint ein Widerspruch zu liegen in zwei Deiner Aussagen: Erst sagst Du, daß man ohne den freien Willen nicht sündigen kann. Aber dann sagst Du, Du würdest mir eine Pille geben, die mich meines freien Willens berauben würde, und dann könne ich sündigen nach Herzenslust. Aber wenn ich keinen freien Willen mehr hätte, wie könnte ich dann, Deiner ersten Aussage folgend, noch der Sünde fähig sein?
GOTT Du bringst zwei gesonderte Teile unserer Unterhaltung durcheinander. Ich sagte nie, die Pille würde Dich Deines freien Willens berauben, sondern nur, daß sie Dir Deinen Abscheu vor der Sünde nehmen würde.
STERBLICHER Ich muß sagen, ich bin ein bißchen durcheinander.
GOTT Gut, dann fangen wir wieder von vorne an. Nimm an, ich lasse mich herbei, Dir Deinen freien Willen abzunehmen, wohl wissend, daß Du nun eine gewaltige Anzahl bisher als sündig erachteter Handlungen begehen wirst. Technisch gesehen, wirst Du dann nicht sündigen, da Du diese Handlungen nicht aus freiem Willen vornimmst. Und diese Handlungen bringen auch keinerlei moralische Verantwortlichkeit, Schuldhaftigkeit oder Strafe mit sich. Dennoch werden diese Handlungen alle von der Art sein, die Du gegenwärtig als sündig erachtest; sie werden alle diese Eigenschaft haben, die Du gegenwärtig als abscheulich empfindest, aber Dein Abscheu wird verschwinden; Du wirst dann keinen Abscheu gegen diese Handlungen verspüren.
STERBLICHER Nein, aber gegenwärtig habe ich diesen Abscheu, und dieser gegenwärtige Abscheu genügt, um mich von der Annahme Deines Vorschlags abzuhalten.
GOTT Hm! Laß uns also absolut reinen Tisch machen: Wenn ich recht verstanden habe, wünschest Du nicht mehr, daß ich Dir Deinen freien Willen abnehme.
STERBLICHER (zögernd) Nein, wahrscheinlich nicht.
GOTT Gut, einverstanden. Aber mir ist noch immer nicht ganz klar, warum Du jetzt nicht mehr wünschest, Deinen freien Willen los zu werden. Sag mir das, bitte, noch einmal!
STERBLICHER Weil, wie Du mir sagst, ich ohne freien Willen noch mehr sündigen würde als jetzt.
GOTT Aber ich sage Dir doch, daß Du ohne freien Willen nicht sündigen kannst.
STERBLICHER Aber wenn ich mich jetzt aus freien Stücken vom freien Willen lossprechen lasse, werden alle meine bösen Handlungen in der Folge Sünden sein, nicht Sünden der Zukunft, sondern Sünden der Gegenwart, in der ich aus freien Stücken meinen freien Willen aufgesagt habe.
GOTT Klingt, als ob Du ganz schön in der Falle säßest, nicht wahr?
STERBLICHER Natürlich sitze ich in der Falle! Du hast mich in eine scheußliche Zwickmühle gesteckt. Was immer ich jetzt tue, ist falsch. Bewahre ich mir den freien Willen, werde ich weiterhin sündigen, und wenn ich (mit Deiner Hilfe natürlich) den freien Willen aufgebe, sündige ich ebenfalls jetzt.
[...]


[Quelle: Raymond M. Smullyan, Ist Gott ein Taoist?; in: Stanislaw Lem (Hrsg.), Ist Gott ein Taoist? Ein phantastisches Lesebuch. Frankfurt/Main 1988, S. 177-181]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
andreas schrieb am 27.07.2009 um 19:17 Uhr (Zitieren)

G. Pico della Mirandola würde hier wohl antworten, dass der Mensch anders als die anderen Lebewesen einen von Gott erhaltenen freien Willen hat.
Also wäre Gott auf einen solchen Dialog nicht gekommen.
Der Mensch ist sozusagen befähigt, sich zum Engel zu erheben oder zu entarten (zu Tier herabgestuft).
Da liegt allein in der Macht des Menschen.
Er hielte diese Frage für abwegig - ich auch.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 27.07.2009 um 19:27 Uhr (Zitieren)
Je nun, aber da:
GOTT Du weisest das größte Geschenk, das ich Dir gegeben habe, zurück?
STERBLICHER Wie kannst Du etwas, was mir aufgezwungen wurde, ein Geschenk nennen? Ich habe den freien Willen, aber nicht aus eigener Wahl. Ich habe den freien Willen nicht frei gewählt. Ich muß den freien Willen haben, ob ich mag oder nicht!

hat Smullyan doch recht, oder?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 27.07.2009 um 19:29 Uhr (Zitieren)
Ich meine, dies macht auch den freien Willen zu einem Paradoxon, oder?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 27.07.2009 um 19:36 Uhr (Zitieren)
Nun, vielleicht sollte man, wenn es um Gott geht, besser schweigen. Allerdings drohen auch dabei Gefahren:

Die Schüler den Tendai-Schule lernten die Meditation, bevor Zen nach Japan kam. Vier von ihnen, die enge Freunde waren, versprachen einander, sieben Tage lang Schweigen zu bewahren.
Am ersten Tag waren sie alle still. Ihre Meditation hatte glückverheißend begonnen, aber als die Nacht kam und die Öllampen trübe wurden, konnte sich ein Schüler nicht zurückhalten, einem Diener zuzurufen: „Sieh nach den Lampen!“
Der zweite Schüler war überrascht, den ersten reden zu hören. „Wir sollten doch kein Wort sprechen“, sagte er.
„Ihr seid beide dumm. Warum redet ihr?“ fragte der dritte.
„Ich bin der einzige, der nicht gesprochen hat“, stellte der vierte Schüler fest.


[Quelle: Paul Reps (Hrsg.), Ohne Worte – ohne Schweigen. 101 Zen-Geschichten und andere Zen-Texte aus vier Jahrtausenden. Bern/München/Wien 5. Aufl. 1985, S. 70]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
andreas schrieb am 27.07.2009 um 19:44 Uhr (Zitieren)

Einige Hirnforscher bestreiten ohnehin, dass der Wille wirklich frei ist.

Die Manipulierbarkeit des menschlichen Willens hat Edward L. Bernays in seinem Buch "Propaganda" (Goebbels soll es in seiner Bibliothek gehabt haben, Bernays war Jude - ich glaube ein Neffe Freuds) ausführlich beschrieben und Anleitungen gegeben. Die Werbung lebt davon ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
andreas schrieb am 27.07.2009 um 19:47 Uhr (Zitieren)
„Die bewusste und intelligente Manipulation der organisierten Gewohnheiten und Meinungen der Massen ist ein wichtiges Element in der demokratischen Gesellschaft. Wer die ungesehenen Gesellschaftsmechanismen manipuliert, bildet eine unsichtbare Regierung, welche die wahre Herrschermacht unseres Landes ist. Wir werden regiert, unser Verstand geformt, unsere Geschmäcker gebildet, unsere Ideen größtenteils von Männern suggeriert, von denen wir nie gehört haben. Dies ist ein logisches Ergebnis der Art wie unsere demokratische Gesellschaft organisiert ist. Große Menschenzahlen müssen auf diese Weise kooperieren, wenn sie in einer ausgeglichen funktionierenden Gesellschaft zusammenleben sollen. In beinahe jeder Handlung unseres Lebens, ob in der Sphäre der Politik oder bei Geschäften, in unserem sozialen Verhalten und unserem ethischen Denken werden wir durch eine relativ geringe Zahl an Personen dominiert, welche die mentalen Prozesse und Verhaltensmuster der Massen verstehen. Sie sind es, die die Fäden ziehen, welche das öffentliche Denken kontrollieren.“
(E. Bernays, Propaganda)


Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 28.07.2009 um 17:00 Uhr (Zitieren)
Ja, die Freiheit des menschlichen Willens ist sehr umstritten. Aber der christliche Begriff der Sünde lebt davon - oder man muß sich auf Paradoxien wie die des Jean Calvin einlassen: Prädestination und dennoch Strafe.

Das hier ist ein antiker Witz, der von einer Paradoxie lebt:
Scipio Nasica, der den Ennius besuchen wollte, der sich aber durch einen Sklaven verleugnen ließ, ruft bei einem Gegenbesuch des Ennius: „Nicht zu Hause!“ – „Oh! Ich kenne ja deine Stimme.“ – „Wie? Ich habe neulich deinem Sklaven geglaubt, und du willst mir nicht glauben?“

Den (neuzeitlichen) Autor, bei dem ich das gefunden habe, kann ich aber noch nicht nennen - wg. des laufenden Quiz zur literarischen Nachwirkung der Antike.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Βοηθὸς Ἑλληνικός schrieb am 28.07.2009 um 19:41 Uhr (Zitieren)
Das ist auch ein Rekord!!!
Der Thread hat 1410 Aufrufe in so kurzer Zeit....
Das ist doch nicht paradox, oder ?
;-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 28.07.2009 um 19:44 Uhr (Zitieren)
Paradox ist, daß in dem Moment, in dem man die Nachricht aufruft, die Zahl schon nicht mehr stimmt.

Es ist wie bei Heisenberg: Durch die Beobachtung verändert man die Realität.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 28.07.2009 um 19:46 Uhr (Zitieren)
Ich trete ungern auf die Euphorie-Bremse,
aber...
diese Internetzähler haben ein gewisses Eigenleben...
;-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 28.07.2009 um 20:28 Uhr (Zitieren)
Interessant, hm. Ja, sowas kann ich mir vorstellen.
Andererseits wird dieser Effekt nicht ganz bestimmten Themen zugute kommen, oder?
Ich frage deshalb, weil ich mich - der Lehrer in mir! - ja schon bemühe, Themen anzuschneiden, die auf Interesse stoßen. Und da erschienen mir die Aufrufzahlen schon als eine bedeutsame Informationsquelle.
Oder irre ich mich da?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 28.07.2009 um 20:29 Uhr (Zitieren)
Rückmeldung nennt man das in der Pädagogensprache. Aufrufzahlen sind eine Rückmeldung. Vielleicht aber auch nicht.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
andreas schrieb am 28.07.2009 um 20:41 Uhr (Zitieren)

Rückmeldung:

Es sind bisher (mit diesen) 194 Beiträge verfasst worden (wenn ich mich nicht verzählt habe ...)

Das sind bei 1438 Aufrufen 7,4123 Aufrufe pro Beitrag. D.h. 13, 49 % der Aufrufe führten zu einem Beitrag.

87,51 % der Aufrufe blieben ohne Rückmeldung!

Wie würde man diese Quote in einem Klassenraum bewerten?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
andreas schrieb am 28.07.2009 um 20:41 Uhr (Zitieren)

(mit dieseM)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 28.07.2009 um 20:51 Uhr (Zitieren)
87,51 % der Aufrufe blieben ohne Rückmeldung!

Damit kann man als Lehrer nicht zufrieden sein. Denn das entspricht ja den SuS (alles klar?), die zwar zuhören, aber nicht mitreden. Oder deute ich diese Zahl jetzt falsch?

Wenn ich mich recht erinnere, hatte ich - in einer Vertretungsstunde! - mit
Nehmen wir den Satz: „Dieser Satz besteht aus sieben Wörtern.“
Dieser Satz ist falsch.
Dann müßte sein kontradiktorisches Gegenteil wahr sein.
Prüfen wir das: „Dieser Satz besteht nicht aus sieben Wörtern.“
Das sind aber sieben Wörter – also ist auch dieser Satz falsch.
(in den Unterricht eingeführt, so wie weiter oben beschrieben)

eine Finger-hoch-Quote von 90 %.
Aber das sind natürlich andere Umstände: Kinder sind sehr viel spontaner als Erwachsene.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 28.07.2009 um 21:04 Uhr (Zitieren)
Für mich eine der schönsten Entdeckungen dieses Themas hier: die Internetseite
www.nichtlustig.de
auf der vor allem die beiden Wissenschaftler die lustigsten Paradoxien produzieren, z.B.
http://www.nichtlustig.de/toondb/031014.html
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
andreas schrieb am 28.07.2009 um 21:07 Uhr (Zitieren)

Wenn alle Leute nur dann redeten, wenn sie etwas zu sagen haben, würden die Menschen sehr bald den Gebrauch der Sprache verlieren.
(William Somerset Maugham)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 28.07.2009 um 21:09 Uhr (Zitieren)
Ein sehr guter Autor!

Hier die Blues-Version (John Lee Hooker, glaube ich):
"There's a whole lotta people talkin'
But a mighty few people know."
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 29.07.2009 um 13:18 Uhr (Zitieren)
Bei uns in der Gegend gibt es, wie andernorts sicher auch, eine spezielle Obdachlosenzeitung. Herausgeber: Franziskaner.

Vor einigen Jahren hatte diese Zeitung einmal folgenden Aufmacher:
SEX SELLS. ... ARMUT NICHT.

Andere verkaufen mit viel nackter Haut. Das Straßenmagazin fiftyfifty verkauft die ungeschminkte Wahrheit. Und die Hälfte vom Erlös geht direkt an einen obdachlosen Verkäufer.


„Sex sells“ war mit dem Bild einer (fast) nackten Frau unterlegt, die dem Betrachter „fifty-fifty“ präsentiert. „Armut nicht“ war mit dem Bild eines Obdachlosen unterlegt, der ebenfalls „fifty-fifty“ präsentiert.
Diese Ausgabe ist dreimal soviel verkauft worden wie der Durchschnitt dieser Zeitung.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 29.07.2009 um 13:28 Uhr (Zitieren)
Ὓληβάτης andernorts:
Ich habe mal einen Witz darüber gelesen, dass die Deutschen, wenn man sie fragt, wie es ihnen geht, sich beschweren, dass sie sich nicht beklagen können.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 29.07.2009 um 13:34 Uhr (Zitieren)
Ein Dialog könnte so lauten:
A.: "Wie geht es Ihnen?"
B.: "Leider kann ich mich nicht beklagen."
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
andreas schrieb am 29.07.2009 um 16:17 Uhr (Zitieren)
den Menschen leiten zwei kognitive Systeme !

1. das automatische System, es ist
unkontrolliert, mühelos, assoziierend, schnell, unbewußt, erlernt

2. das reflektierende system, es ist
kontrolliert, angestrengt, deduzierend, langsam, bewußt, Regelgeleitet

Die folgende Frage zeigt den Unterschied:

Ein Federballschläger und ein Ball kosten zusammen 1,10 €. Der Federballschläger kostet 1 € mehr als der Federball.

Wie teuer ist der Ball ?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 29.07.2009 um 16:22 Uhr (Zitieren)
0,05 Euro
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 29.07.2009 um 16:28 Uhr (Zitieren)
Formel:
s= Schläger, b= Ball
a) s+b = 1,10
b) s-b = 1,00
s = 1,00 + b
s = 1,10 - b
1,00 + b = 1,10 - b
b + b = 1,10 - 1,00
2b = 0,10
b = 0,05
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
andreas schrieb am 29.07.2009 um 17:15 Uhr (Zitieren)
@ Bibulus

sehr gut (bin gerade wieder zu Hause) !!

spontan antworten die meisten (automatisches System) mit 1 €.

Aber du hast richtig und schnell regiert.

Vielleicht entstehen viele Scheinparadoxien ja nur,
weil man sich auf das automatische System (mit dem man die meisten Alltagssituationen bewältigt)
verlässt.

Algebra ist immer wieder schön (wenn man nicht durch "0" teilt, siehe weiter oben) !
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Bibulus schrieb am 29.07.2009 um 17:43 Uhr (Zitieren)
@andreas,
ich habe nicht nur ein Ing.-Studium (also viel Mathe),
sondern auch eine kaufmännische Ausbildung
(also immer hübsch auf den Pfennig/Cent achten)
B-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
andreas schrieb am 29.07.2009 um 18:42 Uhr (Zitieren)

Wer den Pfennig nicht ehrt ... (eine gewisse Ministerin klagt über die Ärzte und Krankenhäuser, die Verschwendungssucht und Habgier anderer - aber die eigenen Privilegien mag sie auch nicht missen. wenigstens ist das Auto wieder da, nunja)

"Die ersten Pfennige wurden schon unter Kaiser Karl dem Großen im 9. Jh. geprägt, sie sind also etwa 1200 Jahre alt. Damals bestand der Pfennig noch aus Silber. Bald darauf gaben viele Fürsten ihre eigenen Pfennige aus. Die der Erzbischöfe von Köln, der reichen und einflussreichen Handelsstadt am Rhein, waren besonders begehrt, man findet sie in vergrabenen Schätzen sogar im Baltikum und in Schweden. Der Pfennig besaß eine recht hohe Kaufkraft. Für einen Pfennig bekam man 2 Hühner oder 15 große Brote, ein Schwein kostete 6 bis 12 Pfennige, ein Ochse 60 Pfennige."

http://www.geldgeschichte.de/Pfennig.aspx

Heute gibt`s für 60 Pfennige nicht mal eine Kugel Eis ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 29.07.2009 um 20:55 Uhr (Zitieren)
Vielleicht entstehen viele Scheinparadoxien ja nur, weil man sich auf das automatische System (mit dem man die meisten Alltagssituationen bewältigt) verlässt.

Das trifft auf manche Fälle ("Scheinparadoxien") sicher zu, aber gewiß nicht auf alle hier diskutierten Fälle. Z.B. Russells Antinomie ist viel ernster - sonst hätte sie nicht Gottlob Frege, den Vater der modernen Logik, in Verzweiflung gestürzt.

Wir können die Diskussion ja in die Richtung verlagern, daß wir uns fragen, ob jeweils eine echte Paradoxie oder eine Scheinparadoxie vorliegt.

Da gibt es etwa die folgende, die meines Wissens schon aus der Antike stammt:
Eine Mutter mit ihrem Säubling geht fröhlich ihres Weges, als ein Krokodil sich ihren Säugling schnappt und, da es sich um ein sprechendes Krokodil handelt, sie vor folgende Alternative stellt: "Wenn du mir richtig vorhersagst, was ich mit deinem Kind tun werde, werde ich es freilassen; wenn du es aber falsch vorhersagst, werde ich das Kind fressen."
Was soll die arme Mutter sagen?

Falls Euch das mit dem sprechenden Krokodil mißfällt, ersetzt es durch einen brutalen Räuber.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
andreas schrieb am 29.07.2009 um 21:02 Uhr (Zitieren)

Wenn die Mutter sagt, es werde das Kind nicht fressen, kann das Krokodil es freilassen - die Aussage stimmt.

Wenn sie vorhersagt, das Krokodil werde das Kind fressen gibt es einen Widerspruch. Denn die Aussage ist mit der Prämisse nicht vereinbar.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 29.07.2009 um 21:12 Uhr (Zitieren)
Wenn die Mutter sagt, das K. werde das Kind nicht fressen, dann braucht das K. das Kind nur zu fressen, und dann hat die Mutter falsch vorhergesagt, und das K. durfte das Kind fressen.

Wenn die Mutter hingegen sagt, das K. werde das Kind fressen, und das K. gibt der Mutter daraufhin ihr Kind zurück, dann hat die Mutter eine falsche Vorhersage gemacht; also darf das K. das Kind dann fressen. Dadurch würde die Vorhersage der Mutter allerdings sofort wieder richtig, und das K. hätte das Kind nicht fressen dürfen.

Das arme Kind! Die arme Mutter!

In Deinem ersten Fall gehst Du davon aus, daß das K. das Kind zurückgeben kann; ja - aber das muß das K. nicht tun, denn es steht ja in seiner Macht, das Kind zu fressen ... wodurch - s.o. - die Vorhersage der Mutter falsch würde.
Es ist halt ein böses und hinterlistiges, ein grausames Krokodil.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
andreas schrieb am 29.07.2009 um 21:16 Uhr (Zitieren)

Ich würde nicht diskutieren, sondern meinem automatischen System vertrauen - das Kind schnappen und rennen !! (Aber die echten Probleme kann man damit oft nicht lösen)

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 29.07.2009 um 21:21 Uhr (Zitieren)
Das ist eine pragmatische Lösung!
:-)
Jenseits der Logik.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 30.07.2009 um 15:32 Uhr (Zitieren)
Mein Vorschlag ist: Schließen wir dieses Thema. Am besten mit dem Klassiker unter den klassischen Paradoxien - von einem Griechen formuliert:
Denn von mir selbst wußte ich, daß ich gar nichts weiß.


[Quelle: Platon, Apologie des Sokrates, 22d]

Heil denen, denen es anders geht! Falls sie sich darin nicht irren, wie Sokrates vermutete.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 01.08.2009 um 13:47 Uhr (Zitieren)
Ich wollte das Thema ja eigentlich abschließen. Aber heute stand etwas in der Zeitung, was dazu paßt ... und zudem zeigt, daß Paradoxien doch immer wieder im Alltag auftauchen:
[quote]Ein Mädchen mußte vor der Erstkommunion beichten. Dem Kind fiel nun aber keine Sünde ein. „Dann sagte ich, ich hätte gelogen, obwohl das gar nicht stimmte. Aber weil ich nun hiermit den Beichtvater angelogen hatte, stimmte es wiederum, dass ich die Unwahrheit gesagt habe.“

[Leserbrief in der Frankfurter Allgemeinen vom 1. August 2009]

Sowas habe ich auch selber erlebt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 01.08.2009 um 13:48 Uhr (Zitieren)
Hm.

Ich wollte das Thema ja eigentlich abschließen. Aber heute stand etwas in der Zeitung, was dazu paßt ... und zudem zeigt, daß Paradoxien doch immer wieder im Alltag auftauchen:
Ein Mädchen mußte vor der Erstkommunion beichten. Dem Kind fiel nun aber keine Sünde ein. „Dann sagte ich, ich hätte gelogen, obwohl das gar nicht stimmte. Aber weil ich nun hiermit den Beichtvater angelogen hatte, stimmte es wiederum, dass ich die Unwahrheit gesagt habe.“


[Leserbrief in der Frankfurter Allgemeinen vom 1. August 2009]

Sowas habe ich auch selber erlebt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 10.11.2009 um 22:24 Uhr (Zitieren)
Das war mal was! Mehr als 2300 Aufrufe! In einem Griechischforum!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 10.11.2009 um 22:26 Uhr (Zitieren)
Viel Spaß beim 'Blättern'. Ich suche jetzt eine Begegnung mit meinem Kopfkissen. Gute Nacht!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 10.11.2009 um 22:31 Uhr (Zitieren)
Hier
Ein Mädchen mußte vor der Erstkommunion beichten. Dem Kind fiel nun aber keine Sünde ein. „Dann sagte ich, ich hätte gelogen, obwohl das gar nicht stimmte. Aber weil ich nun hiermit den Beichtvater angelogen hatte, stimmte es wiederum, dass ich die Unwahrheit gesagt habe.“

haben wir doch auch gleich eine katholische Paradoxie!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
kornelia schrieb am 11.11.2009 um 10:51 Uhr (Zitieren)
Dieser Thread ist einfach zum Niederknien!

Dazu fällt mir eine Geschichte aus meiner Jugend ein:
(Vielleicht nicht ganz so paradox - aber meine Reaktion war es allemal)

Ich arbeitete gerademal vier Wochen in einer männerdominanten Firma, als mir auf dem Weg zur Toilette, ein (der damals für mich wohl "atemberaubendste") Mitarbeiter mit folgenden Worten entgegenkam: "Wissen Sie eigentlich, dass Sie eine der schönsten Frauen in der ganzen Firma sind?"
Wunderschön, leicht errötet und außerordentlich beglückt setzte ich meinen Weg fort. Aber noch bevor ich die Klotür erreichen konnte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Inclusive meiner Wenigkeit waren nur 2 Frauen im gesamten Betrieb beschäftigt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Admonitor schrieb am 11.11.2009 um 15:42 Uhr (Zitieren)
"Alle Kreter lügen", sprach der Kreter
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Stephaistos schrieb am 11.11.2009 um 15:53 Uhr (Zitieren)
Impossibility is impossible.
Es ist unmöglich, dass etwas unmöglich. Was wiederum unmöglich ist. Was wiederum unmöglich ist etc. pp.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
kornelia schrieb am 11.11.2009 um 18:06 Uhr (Zitieren)
Meine Mutter pflegt in solchen Fällen gerne zu sagen:

"Sachen gibt's, die gibt's gar nicht!"
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
kornelia schrieb am 11.11.2009 um 18:06 Uhr (Zitieren)
Eine paradoxe Situation ergibt sich auch "....wenn jemand einen anderen überzeugen will, daß alle Menschen - ungeachtet ihrer Abstammung, Hautfarbe, Religion oder ihres Geschlechts - gleich sind. Dies wird in Sätze wie >Sie sind genau wie wir<, ´>Zwischen Weißen und Schwarzen besteht kein Unterschied< oder ähnliche Beteuerungen gekleidet. Um diese Gleichheit zu betonen, ist es notwendig, zwischen >ihnen< und >uns< zu unterscheiden, und sei es auch nur, um festzustellen, daß die Verschiedenheit keine Verschiedenheit ist. In diesem Sinne heben sich selbstrückbezügliche Aussagen gerade deswegen auf, weil sie gemacht werden.
Wie Sie sehen, kommen wir in mehr als nur einer Hinsicht bei Wittgenstein an, der im Tractatus (4.442) feststellt:>Ein Satz kann unmöglich von sich selbst aussagen, daß er wahr ist.<"

Paul Watzlawick, "Münchhausens Zopf - oder: Psychotherapie und >Wirklichkeit<"

(Erinnert ein bißchen an Russel's Aussage, oder?)

weiters schreibt Watzlawick:

"Ebene und Meta-Ebene, Kommunikation und Metakommunikation vermischen sich paradox und man ist immer wieder an den Hund gemahnt, der seinen Schwanz jagt, oder an den Witzbold, der von sich sagt:>Wie froh bin ich, daß ich Spinat nicht leiden kann; denn schmeckte er mir, dann würde ich ihn essen - und ich hasse das Zeug!<"
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
kornelia schrieb am 11.11.2009 um 18:19 Uhr (Zitieren)
Einen hab' ich noch ...

In Kärnten gibt es einen netten, paradoxen Zungenbrecher:

"Koa kloa Kind konn koan kloan Kerschkern kliaben!"

Und für Nichtkärntner:
"Kein kleines Kind kann keinen kleinen Kirschkern knacken!"
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 11.11.2009 um 19:59 Uhr (Zitieren)

Käseparadoxon:

Je mehr Käse desto mehr Löcher.
Je mehr Löcher desto weniger Käse.
Daraus folgt: Je mehr Käse desto weniger Käse !

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.11.2009 um 20:02 Uhr (Zitieren)
Ich danke vor allem für die österreichischen Beiträge. Wenn eine Paradoxie in österreichisches Idiom gekleidet ist, klingt sie gleich doppelt so schön.

Bei dem aus Kärnten (bist Du aus Kärnten?) hätte ich das "kliaben" nicht verstanden; insofern war die Übersetzung hilfreich.

Ich habe als Gegengeschenk ein (zwar mäßig lustiges, aber hoffentlich wahres) Paradoxon erfunden:
Nie einen Fehler zu machen, ist ein großer Fehler.


P.S.: Kärnten ist ein Teil Österreichs, der mir völlig unbekannt ist.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.11.2009 um 20:44 Uhr (Zitieren)
Sind eigentlich Antisänger-Sänger auch ein Paradox?
Ich meine damit Menschen, die eigentlich nicht singen können, das aber großartig machen (vermutlich, weil sie im Grunde sehr musikalisch sind).
Bob Dylan, Leonard Cohen, Ludwig Hirsch ... und Mikis Theodorakis sind Beispiele dafür. Letzterer hat mich im Zusammenhang mit einem anderen Thread auf diese Vermutung gebracht. Theodorakis singt nur auf sehr wenigen Aufnahmen, und wenn, dann macht er das sehr ... hilflos, aber sehr eindrucksvoll.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
kornelia schrieb am 11.11.2009 um 20:56 Uhr (Zitieren)
Nie einen Fehler gemacht zu haben - kann nur bedeuten: Viel zu früh verstorben zu sein!
Und das wäre ein Fehler!

Lieber Γραικίσκος ,
hab Dank für die 2 Paradoxien! :-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.11.2009 um 20:58 Uhr (Zitieren)
Gern geschehen.
Bist Du nun aus Kärnten?
(Aber das mußt Du natürlich nicht beantworten.)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
kornelia schrieb am 11.11.2009 um 21:03 Uhr (Zitieren)
Bob Dylan, Leonard Cohen und Ludwig Hirsch mit Mikis Theodorakis (wenn "frau" seinen Text nicht versteht!!!!) zu vergleichen ist geradezu paradox!
(oder ist es doch eher absurd?)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
kornelia schrieb am 11.11.2009 um 21:05 Uhr (Zitieren)
In der Tat - ich bin aus Kärnten, aber ich bin keine Kärntnerin ...

Weil' so viel Spaß macht!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.11.2009 um 21:07 Uhr (Zitieren)
Das ist ein Vorzug des Lehrerdaseins. Wenn ich ein Lied von Theodorakis liebe und nicht verstehe, dann frage ich einen griechischen Schüler. Die sind in der Regel geradezu stolz, etwas zu übersetzen, sobald sie merken, daß jemand ihre Kultur liebt.
"Anixe ligo to parathyro" höre ich gerade - "Öffne das Fenster ein bißchen." Ist hinreißend.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
kornelia schrieb am 11.11.2009 um 21:08 Uhr (Zitieren)
"Weil' so viel Spaß macht!" - Dieser Satz ist definitiv falsch...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.11.2009 um 21:09 Uhr (Zitieren)
ich bin aus Kärnten, aber ich bin keine Kärntnerin ...

Ein Paradox?
Nein. Nein? Ich vermute: Du stammst aus Kärnten, lebst aber nicht dort. Oder umgekehrt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
kornelia schrieb am 11.11.2009 um 21:34 Uhr (Zitieren)
Schon wieder (m)ein Fehler!!

Ich las etwas über Thread und dachte sofort an Πάνος Ψάλτης.

Mikis Theodorakis ist natürlich ganz was anderes. "Zorba" ... ist großartig!!. Ich kenne Theodrakis natürlich - wenn auch ohne seinen Namen gekannt zu haben.
Aber warum "Antisänger-Sänger"?
Bei den von dir Erwähnten stimmt doch eh alles!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
kornelia schrieb am 11.11.2009 um 21:37 Uhr (Zitieren)
Deine Vermutung ist richtig!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.11.2009 um 21:41 Uhr (Zitieren)
Πάνος Ψάλτης kenne ich nicht, und das mit YouTube klappt bei mir nicht.
Mit "Antisänger-Sänger" meine ich, daß ihre Stimme keinen großen Umfang und kein Volumen hat, daß sie Töne nicht sauber singen können usw.
Aber sie können intensive Gefühle ausdrücken.
Über Bob Dylan habe ich mal gehört, daß er in der Tradition der Chassidim singe: die "singende Seele".
Das Gegenteil, das Ideal des klassischen Sängers ist immer der Belcanto.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
kornelia schrieb am 11.11.2009 um 21:54 Uhr (Zitieren)
Ich liebe das verständliche Wort, egal in welcher Sprache... (ich kann's einfach nicht lassen!)
Ich liebe Beethovens Neunte! Aber "göttlich" wird Beethoven erst gemeinsam mit Schiller!!!!!!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.11.2009 um 21:59 Uhr (Zitieren)
Beethoven ... nicht ohne Schiller? Der 3. Satz (Adagio molto e cantabile) ist mir immer als ein Blick ins Paradies erschienen. Ich fühle mich wie im Himmel. Der Schlußsatz mit Schiller ist ... spannungsgeladener. Offenbar habe ich eine entspannte Vorstellung vom Paradies. Wie Du, entlastet von Verantwortung?

Zur Nacht noch eine Paradoxie:
„Ich sage immer die Wahrheit – sogar wenn ich lüge.“

(Al Pacino in „Scarface“)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
kornelia schrieb am 11.11.2009 um 22:03 Uhr (Zitieren)
"Mit "Antisänger-Sänger" meine ich, ...... Aber sie können intensive Gefühle ausdrücken."

Das macht doch Sänger aus! Nennt man das andere nicht "Syntheziser"?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
kornelia schrieb am 11.11.2009 um 22:07 Uhr (Zitieren)
Ich versuche das Ganze mal umzudrehen:

Ich lüge immer - sogar wenn ich die Wahrheit sage.

Kann das Sinn machen?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
kornelia schrieb am 11.11.2009 um 22:15 Uhr (Zitieren)
"Beethoven nicht ohne Schiller"?

Warum denn das?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.11.2009 um 22:21 Uhr (Zitieren)
Das macht doch Sänger aus! Nennt man das andere nicht "Syntheziser"?

Das ist schön gesagt. Aber es ist schon ein Unterschied, ob man Schmerz und Verzweiflung à la Belcanto oder im Blues ausdrückt. Belcanto kann intensiv sein, ist aber immer noch schön ... Blues ist so wenig schön wie das, was er ausdrückt. Etwas in dieser Art meine ich. Wenn das Gefühl ein rauher Schrei ist.

Ich finde, daß sowohl Al Pacinos Aussage als auch die Umkehrung einen Sinn ergeben können. Jemand lügt z.B. wenn er die Wahrheit sagt, sie dabei aber als Waffe gebraucht; er lügt, insofern es ihm nicht um die Wahrheit geht, die er sagt, sondern eigentlich um die Waffe.

Gute Nacht! Morgen werde ich (etwas) mehr Zeit haben.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.11.2009 um 22:23 Uhr (Zitieren)
"Beethoven nicht ohne Schiller"?

Warum denn das?

Du hattest gesagt, Beethoven werde erst mit Schiller göttlich. Ich empfinde nun aber den 3. Satz der 9. Symphonie als göttlich, obwohl der Schiller ja erst später hinzustößt:
ch fühle mich wie im Himmel. Der Schlußsatz mit Schiller ist ... spannungsgeladener. Offenbar habe ich eine entspannte Vorstellung vom Paradies. Wie Du, entlastet von Verantwortung?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
kornelia schrieb am 11.11.2009 um 22:28 Uhr (Zitieren)
Habe mich schon wieder verrannt....
Nein, ich habe etwas anderes ausdrücken wollen (...und je mehr sie mit ihren kläglichen Ärmchen herumfuchtelte, umso schneller versank sie im Sumpf.....

....also entschloss sie sich, es für diesmal bleiben zu lassen...)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
kornelia schrieb am 11.11.2009 um 22:39 Uhr (Zitieren)
Ich wollte mit "Beethoven und Schiller" nur ausdrücken, dass für mich in der Musik der Text sehr wichtig ist. Oft spricht mich die Aussage des Textes mehr an als die Melodie.
Ich liebe Balladen. Ich liebe schöne Geschichten...
Die Musik kommt häufig erst an zweiter Stelle....
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.11.2009 um 22:39 Uhr (Zitieren)
Es ist noch nicht die Sonne aller Tage untergegangen, und wir werden das sicher morgen klären können.
Aber damit ich die Unterrichtsstunden morgen überlebe, muß ich jetzt ins Bett.
Gut's Nächtle.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.11.2009 um 22:40 Uhr (Zitieren)
Oft spricht mich die Aussage des Textes mehr an als die Melodie.
Ich liebe Balladen. Ich liebe schöne Geschichten ...

Das kenne ich! Aber für Beethoven mache ich eine Ausnahme.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.11.2009 um 22:44 Uhr (Zitieren)
Schließen wir also für heute mit der Schlußstrophe einer schönen Ballade eines Antisänger-Sängers:
So now I’m goin’ back again,
I got to get to her somehow.
All the people we used to know
They’re an illusion to me now.
Some are mathematicians,
Some are carpenter’s wives.
Don’t know how it all got started,
I don’t know what they do with their lives.
But me, I’m still on the road
Headin’ for another joint.
We always did feel the same,
We just saw it from a different
Point of view,
Tangled up in blue.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
kornelia schrieb am 11.11.2009 um 22:46 Uhr (Zitieren)
Gute Nacht!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
kornelia schrieb am 12.11.2009 um 12:56 Uhr (Zitieren)
@Γραικίσκος

"We'll meet again someday on the avenue,"

Tangled up in blue!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 12.11.2009 um 18:38 Uhr (Zitieren)
Ehedialog in drei Kapiteln:

1.
Sie: "Du widersprichst mir immer!"
Er: "Das stimmt überhaupt nicht!"

2.
Sie: "Du widersprichst mir immer!"
Er: "Ja, das stimmt."

3.
Sie: "Nun widersprich mir doch mal!"
Er: "O.k."
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 05.05.2010 um 13:42 Uhr (Zitieren)
Gerade bin ich nochmal auf diesen Thread gestoßen und habe mit Erstaunen die Zahl der Aufrufe gelesen. Ich denke, das war wohl unser Rekord.

Kürzlich habe ich in dem neuen Roman des österreichischen Schriftstellers Wolf Haas wieder eine schöne Paradoxie gefunden:
"Es gibt ja nichts, was es nicht gibt auf der Welt. Ich sage sogar, das ist der größte Fehler an unserer Welt, dass es nicht wenigstens ein paar Dinge gibt, die es nicht gibt."

[Wolf Haas: Der Brenner und der liebe Gott. Hamburg 2009, S. 185]

Ein schöner Roman, übrigens.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 05.05.2010 um 18:40 Uhr (Zitieren)

Tja, aber das ist eigentlich nicht paradox, nur ein Wunsch, der unerfüllt bleibt. Da hat wohl einer zu viel erlebt und gesehen.

... mein jetziges Buch geht zur Neige, vielleicht lohnt sich dieses Buch ja als neues Projekt. Ist das ein philosophisches Werk?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 05.05.2010 um 20:05 Uhr (Zitieren)
Nein, ein Krimi. Kennst Du den Wolf Haas nicht und seinen Brenner? Was immer man darüber sagen mag: Nach 5000 Jahren Literatur hat es jemand geschafft, noch originell & im Stil unvergleichlich zu schreiben.

Daß sich jemand wünscht, es möge Dinge geben (geben!), die es nicht gibt (nicht gibt!), finde ich aber wohl paradox!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 05.05.2010 um 21:07 Uhr (Zitieren)

Ah, ein philosophierender Kriminalist, werde ich mir gönnen. Hoffentlich nicht so düster wie der alte Wallander ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 05.05.2010 um 21:14 Uhr (Zitieren)
Von Wolf Haas sind schon mehrere Bücher (= Brenner-Krimis) verfilmt worden. Kennst Du die noch nicht?
Was ich daran erstaunlich, geradezu verblüffend finde, ist der Umstand, daß man noch nach so vielen Jarhtausenden der Literaturgeschichte so originell schreiben kann. Hier eine kleine Leseprobe aus einem anderen Roman:
[...] Dem Brenner ist es recht gewesen, hat er noch in Ruhe ein bißchen die Zeitung lesen können. Weil das ist immer interessant, wenn du in einer fremden Gegend die Lokalzeitung anschaust, da liest du von Problemen, die dich überhaupt nichts angehen, und ich muß ganz ehrlich sagen: Es gibt nichts Entspannenderes. Die halbe Zeitung ist natürlich mit dem Klöcher Cupsieg voll gewesen. Und ein Foto vom Tormann auf der Titelseite, wie er eine herrliche Parade macht. 3500 Zuschauer sind dabeigewesen. Und das in einem Dorf mit 1000 Einwohnern.
Sonst ist nicht viel Interessantes dringestanden, jetzt hat sich der Brenner überlegt: Soll ich das Kreuzworträtsel auflösen? Weil das ist eine Gewohnheit gewesen noch aus seiner Zeit als Verkehrspolizist. Da bist du beim Nachtdienst oft einmal froh, wenn du ein Kreuzworträtsel auflösen kannst.
Aber ist auch nicht ganz ungefährlich, so ein Kreuzworträtsel. Einen Kollegen vom Brenner haben sie erwischt, wie er in einer Nacht ein ganzes Rätselbuch vollgeschrieben hat. Aber nicht daß du glaubst, der ist so gut im Kreuzworträtsel gewesen, sondern der hat immer ein und dasselbe Wort geschrieben, nämlich: deprimiert. Nur mit waagerecht und senkrecht ist es nicht immer schön aufgegangen. Natürlich ab in die Frühpension mit zweiunddreißig. Aber siehst du, da möchte man meinen, die Gefahr für einen Polizisten sind Schußwechsel und Verfolgungsjagd, doch man vergißt das Kreuzworträtsel. [...]

[Quelle: Wolf Haas, Der Knochenmann. Reinbek 11. Auflage 2004, S. 18
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 05.05.2010 um 21:53 Uhr (Zitieren)
Eine Beicht-Paradoxie:
Ein Mädchen mußte vor der Erstkommunion beichten. Dem Kind fiel nun aber keine Sünde ein. „Dann sagte ich, ich hätte gelogen, obwohl das gar nicht stimmte. Aber weil ich nun hiermit den Beichtvater angelogen hatte, stimmte es wiederum, dass ich die Unwahrheit gesagt habe.“

[Leserbrief in der Frankfurter Allgemeine vom 1. August 2009]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 05.05.2010 um 22:14 Uhr (Zitieren)
Sehr schön auch die folgende Übersetzungsanfrage aus dem Lateinforum vom 31. Juli 2009.
Nichts ist wahr. Alles ist erlaubt.

Die Übersetzung sollte, so lautete der ausdrückliche Wunsch des Fragestellers, unbedingt richtig sein.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 05.05.2010 um 22:14 Uhr (Zitieren)
Den Brenner kannte ich tatsächlich noch nicht, könnte ein Fehler sein, der zu korrigieren ist.

Die Sache mit der Beichte kenne ich aus meiner eigenen katholischen Kindheit- das ist schon fast autobiografisch. Ich habe die Beichte daher recht früh ad acta gelegt, also noch bevor mir genügend Sünden eingefallen wären, die ich mir nicht erst hätte ausdenken müssen, nunja ...

Die Paradoxiensammlung habe ich schon mal überflogen - toll. Das könnte vielleicht schon eine Basis für ein interessantes Buch werden.

Vielen Dank
ανδρέας
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 07.05.2010 um 11:43 Uhr (Zitieren)
Ich lebe nur, weil es in meiner Macht steht zu sterben, wann es mir belieben wird: ohne die Idee des Selbstmordes hätte ich mich schon längst getötet.

[Quelle: E. M. Cioran, Syllogismen der Bitterkeit. Frankfurt/Main 1980, S. 43]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 07.05.2010 um 20:17 Uhr (Zitieren)

In diesem Fall müsste die Suizid-Klausel im Lebensversicherungsvertrag ausdrücklich entfernt werden ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 08.05.2010 um 10:59 Uhr (Zitieren)
Der Cioran war eine zeitlang mal sehr bekannt und durfte sogar bei Suhrkamp veröffentlichen. Inzwischen scheint er weitgehend vergessen zu sein.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Πέγασος schrieb am 08.05.2010 um 22:12 Uhr (Zitieren)
Vielleicht trage ich Eulen nach Athen, aber eine wahre Fundgrube paradoxer Geschichten und Rätsel ist:

Martin Cohen: "99 philosophische Rätsel" (Piper)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 08.05.2010 um 22:14 Uhr (Zitieren)
Dieses Buch ist sehr empfehlenswert, ja.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 08.05.2010 um 22:25 Uhr (Zitieren)
Hier ist noch was von Galilei:
[...] Eines der frühesten und zugleich berühmtesten Gedankenexperimente ist das von Galileo Galilei erdachte, um die aristotelische Annahme ad absurdum zu führen, daß schwere Körper schneller fallen als leichte: Er stellt sich vor, er hätte ein schweres Objekt A und ein leichtes Objekt B und bände diese beiden fest zu einem einzigen Objekt C zusammen, bevor er sie von einem Turm herunterfallen ließe.
Nach der Hypothese müßte der schwere Körper A den leichteren B mit sich reißen, der leichtere, da er langsamer fiele, den schwereren aber in seiner Fallgeschwindigkeit abbremsen. C, der aus zwei Körpern bestehende, schwerere Körper, müßte also zugleich schneller und langsamer fallen als der unverbundene schwere Körper A allein, was einen Widerspruch ergibt und damit zu einer Absurdität führt.
Wenn dieser Widerspruch vermieden werden soll, müssen alle Körper gleich schnell fallen. Ohne daß es der Praxiserprobung bedurft hätte, hat das Gedankenexperiment also eine wahre Erkenntnis ans Licht gebracht. [...]

[Quelle: Hans-Ludwig Freese, Abenteuer im Kopf. Philosophische Gedankenexperimente. Weinheim/Berlin 1995, S. 199]

Paradox ist dies allerdings nur für den armen Aristoteles ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 08.05.2010 um 22:52 Uhr (Zitieren)

Bestechend einfach!

Wenn man einen Bus mit zigtausend Tischtennisbällen verbände und aus 100 m fallen ließe, müsste der sonst dotterweich landen.

Wenn das ginge hätte ich mir den Fallschirm bei der BW ja sparen können

:-D
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 10.05.2010 um 19:45 Uhr (Zitieren)
A.: „Wie geht es Ihnen?“
B.: „Leider kann ich mich nicht beklagen.“
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 10.05.2010 um 19:49 Uhr (Zitieren)
Scipio Nasica, der den Ennius besuchen wollte, der sich aber durch einen Sklaven verleugnen ließ, ruft bei einem Gegenbesuch des Ennius: „Nicht zu Hause!“ – „Oh! Ich kenne ja deine Stimme.“ – „Wie? Ich habe neulich deinem Sklaven geglaubt, und du willst mir nicht glauben?“

[Quelle: Karl Julius Weber, Demokritos, der lachende Philosoph. München 1966, S. 329)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 10.05.2010 um 19:52 Uhr (Zitieren)
Shame and scandal in the family:
Ich heiratete eine Witwe mit erwachsener Tochter. Darauf heiratete mein Vater die Tochter meiner Frau. Dadurch wurde also meine Frau die Schwiegermutter ihres Schwiegervaters, meine Stieftochter wurde meine Stiefmutter und mein Vater mein Schwiegersohn.
Meine Stiefmutter bekam einen Sohn, der also mein Stiefbruder war, aber er war auch der Onkel meiner Frau, also war ich Großvater meines Stiefbruders.
Als nun meine Frau auch einen Jungen bekam, war der auch der Schwager meines Vaters (als Bruder seiner Frau). Meine Stieftochter ist aber auch zu gleich die Großmutter ihres Bruders, denn der ist ja der Sohn ihres Stiefsohnes. Da ich der Stiefvater meines Kindes bin, ist mein Sohn auch der Stiefbruder meines Vaters, zugleich aber auch der Sohn meiner Großmutter, da ja meine Frau die Schwiegertochter ihrer Tochter ist.
Ich bin der Stiefvater meiner Stiefmutter, mein Vater und seine Frau sind meine Stiefkinder, mein Vater und mein Sohn sind Brüder, meine Frau ist meine Großmutter, weil sie die Mutter meiner Stiefmutter ist, ich bin der Neffe meines Vaters und zugleich mein eigener Großvater.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 10.05.2010 um 19:53 Uhr (Zitieren)
Im Monty-Python-Film ‚Das Leben des Brian’ findet sich folgendes Paradoxon: Brian wird, zu seinem Unwillen, von einer wachsenden Menschenmenge für den Messias gehalten. Um sie von diesem Glauben abzubringen, hält er eine kleine Ansprache:
Brian: „Ihr habt das ganz falsch verstanden. Ihr braucht mir nicht zu folgen. Ihr braucht niemandem zu folgen! Ihr müsst selber denken! Ihr seid lauter Individuen.“
Die Menge (einstimmig): „Ja, wir sind lauter Individuen!“
Brian: „Ihr seid alle verschieden.“
Die Menge (einstimmig): „Ja, wir sind alle verschieden!“
Worauf aus der Menge eine einzelne Stimme sagt: „Ich nicht.“
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 10.05.2010 um 20:07 Uhr (Zitieren)

Zu dem Großvater-Paradoxon habe ich mal eine E-Mail geschickt, mit Skizze. Hatte das mal zur Auflockerung eines Vortrages verwendet.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 10.05.2010 um 20:13 Uhr (Zitieren)
Woher stammt dieses Großvater-Paradox? Ich habe es mir leider ohne Quellenangabe abgespeichert.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 10.05.2010 um 20:19 Uhr (Zitieren)

Es taucht - mit Quelle - in dem Buch "Herero" auf!

Ich suche das Buch schon die ganze Zeit (tstststs), wenn ich es gefunden habe, gebe ich Nachricht.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 10.05.2010 um 20:24 Uhr (Zitieren)
Herero? Das Volk in Namibia?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 10.05.2010 um 20:25 Uhr (Zitieren)
Ich bin gespannt!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 10.05.2010 um 20:27 Uhr (Zitieren)
Falsch! Es ist in die Truhen des Arcimboldo - und ich suche noch die Stelle ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 10.05.2010 um 20:38 Uhr (Zitieren)

εύρηκα !

"Die Truhen des Arcimboldo, S. 351, Berlinische Nachrichten 20. August 1969.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 10.05.2010 um 20:39 Uhr (Zitieren)

1869 ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 10.05.2010 um 20:43 Uhr (Zitieren)
Danke! Was für ein Text (Buch) ist das denn?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 10.05.2010 um 20:54 Uhr (Zitieren)

Das Buch heißt "Die Truhen des Arcimboldo", von Hanjo Lehmann, ISBN 3-8289-6814-7.

Es geht um das Unfehlbarheitsdogma, Vatikan.
Darin sind zahlreiche Artikel aus den "Berlinischen Nachrichten" u.a. zum Thema eingefügt. Das besagte "Großvater-Paradoxon"
taucht darin auch auf.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 10.05.2010 um 21:19 Uhr (Zitieren)
Im Grunde kann man auch den Ödipus-Mythos als Paradoxie ansehen, insofern die Eltern durch ihren Versuch, dem Orakelspruch zu entgehen, erst dessen Erfüllung ermöglichen; denn dadurch erst kennt Ödipus seine Eltern nicht mehr – hätte er doch andernfalls schwerlich seinen Vater getötet und seine Mutter geheiratet.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 10.05.2010 um 21:30 Uhr (Zitieren)
Ja, sehe ich ähnlich.
Dazu gibt es moderne Ansätze, wo"selbsterfüllende Prophezeihungen" untersucht wurden:

Die "selbsterfüllende Prophezeiung" ebenso wie die „selbstzerstörende Prophezeiung“ wurden von Robert K. Merton (1948) als soziale Mechanismen zur Erklärung der Auswirkungen bestimmter Einstellungen und Handlungsweisen analysiert, gemäß dem sog. Thomas-Theorem: "Wenn die Menschen Situationen als real definieren, sind sie in ihren Konsequenzen real."

Merton demonstriert an exemplarischen Fällen, wie das soziale in Erscheinung treten einer Prognose die ausschlaggebende Ursache dafür wird, dass diese Prognose wahr wird. So kann unter geeigneten Umständen das Auftauchen des Gerüchts über die Illiquidiätät einer Bank zu deren tatsächlichem Zusammenbruch führen; sei auch dieses Gerücht anfangs objektiv begründet oder nicht. Ein anderes Beispiel nimmt Merton aus dem Bereich der sozialen Vorurteile: so haben viele Angehörige der weißen Arbeiterklasse gegenüber Farbigen das Vorurteil, diese seien "Verräter an der Arbeiterklasse", weil sie als Lohndrücker am Arbeitsmarkt aufträten. Daher sollten diese auch von der Mitgliedschaft in Gewerkschaften ausgeschlossen werden. Dieses Vorurteil wirkt dann aber als eine Prognose, die sich selbst erfüllt. Denn dadurch, dass Farbige von der Gewerkschaftsmitgliedschaft ausgeschlossen werden, sind dieselben praktisch dazu gezwungen, sich als Lohndrücker zu betätigen.

aus http://de.wikipedia.org/wiki/Selbsterf%C3%BCllende_Prophezeiung

Das Phänomen haben die alten Griechen wohl intuitiv ähnlich verarbeitet.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 08.12.2010 um 18:46 Uhr (Zitieren)
Hier sind einige, die ich neu gefunden habe:
Es bedarf großer Geduld, um sie zu lernen.

Alle Götter waren unsterblich.

Daß er starb, ist noch kein Beweis dafür, daß er gelebt hat.

Caesaren werden meist von ihren Freunden getötet. Denn sie sind ihre Feinde.

Manchmal muß man verstummen, um erhört zu werden.

Einsamkeit, wie bist du überbevölkert!

Sprichworte widersprechen sich. Und das ist eben Volksweisheit.

Wahre Weisheit verläßt den Kopf nie.

Ich hege Gedanken, die ich sogar mir selbst nicht offenbare. Ihr kennt sie alle.

Alle unsere unterschiedlichen Fiktionen ergeben zusammen die gemeinsame Wirklichkeit.

Je mehr wir uns der Wahrheit nähern, desto mehr entfernen wir uns von der Wirklichkeit.

Ich stimme mit der Mathematik nicht überein. Ich meine, daß die Summe von Nullen eine gefährliche Zahl ist.

Es gibt eine ideale Welt der Lüge, wo alles wahr ist.

Der Selbsterhaltungstrieb ist manchmal Antrieb für den Selbstmord.

In Wirklichkeit sieht alles anders aus, als es wirklich ist.

Die Wahrheit siegt zuweilen, wenn sie aufhört zu sein.

Ich bin Optimist. Ich glaube an den erlösenden Einfluß des Pessimismus.

Ein Wort genügt – der Rest ist Geschwätz.

(Quelle: Stanisław Jerzy Lec, Sämtliche unfrisierten Gedanken. Frankfurt/Main 1996)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ὑληβάτης schrieb am 08.12.2010 um 18:49 Uhr (Zitieren)
Alle Götter waren unsterblich.
Daß er starb, ist noch kein Beweis dafür, daß er gelebt hat.
Caesaren werden meist von ihren Freunden getötet. Denn sie sind ihre Feinde.

Die Zusammenstellung ist göttlich!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Εὐφροσύνη schrieb am 20.03.2011 um 21:39 Uhr (Zitieren)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ὑληβάτης schrieb am 20.03.2011 um 21:52 Uhr (Zitieren)
Stephen Hawking hat mal aus Spaß eine Party für Zeitreisende organisiert und blieb leider allein.
Das ist auch kein Wunder! Wer geht denn zu einer Party von vor hundert Jahren, wenn er weiß, dass niemand da gevezzt sind wordan?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 21.03.2011 um 12:26 Uhr (Zitieren)
Was mag dieser Satz bedeuten?:
Möglichkeit und Unmöglichkeit des Opa-Mordes seien getrennt denkbar. Paradox werde es nur, wenn man sich entscheiden müsse – und solche Ambivalenzen haben Physiker längst denken gelernt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 21.03.2011 um 21:09 Uhr (Zitieren)
Hier ist noch eine Paradoxie, die ich seit damals gefunden habe:
Eine jede Hoffnung ist ohne Sinn. Kein Mensch verfalle auf die Idee, auf die Erfüllung seiner Träume zu sinnen. Vielmehr soll er den Irrsinn des Hoffens begreifen. Hat er ihn begriffen, darf er hoffen. Wenn er dann noch träumen kann, hat sein Leben einen Sinn.

[Quelle: Robert Schneider, Schlafes Bruder. Leipzig 1994, S. 135]

Und hier eine weitere:
„Mein Beruf“, pflegte er [ein niederländischer Offizier] zu sagen, „ist, zu verhindern, daß ich ihn ausüben muß.“

[Quelle: Harry Mulisch, Die Prozedur. München 1999, S. 108]

Aus dem Lateinforum:
[Warum sich an Regeln halten?] Lass die leute doch schreiben was sie wollen!



Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 22.03.2011 um 18:23 Uhr (Zitieren)
Paradoxien erleben wir doch täglich. 50 % der Bevölkerung leben paradox:

Heinz Drache (deutscher Schauspieler, u.a. "Tatort"-Kommissar):
Mädchen von heute ziehen Hosen an, um wie Jungens auszusehen, und durchsichtige Blusen, um zu beweisen, dass sie keine sind.

Nick Nolte (Schauspieler):
"Frauen tun für ihr Äußeres Dinge, für die jeder Gebrauchtwagenhändler ins Gefängnis kommt."

Jack Nicholson (Schauspieler):
"Es gibt nur eines, was teurer ist als eine Frau nämlich eine Ex-Frau."

Ich mag Paradoxien ...

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 22.03.2011 um 18:49 Uhr (Zitieren)
Drache beschreibt ein Paradox: Mädchen versuchen, als Jungen und zugleich nicht als Jungen zu erscheinen.

Nolte beschreibt eine (angebliche) Ungerechtigkeit. Was ist daran paradox? Daß man das (angeblich) Selbe einmal so, einmal anders beurteilt?

Bei Nicholson verstehe ich gar nicht, was daran paradox sein soll. Mit seiner Frau ist man in Liebe verbunden, weshalb sie (meistens) ihre Ansprüche mäßigt; mit seiner Ex-Frau ist man es nicht mehr.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 22.03.2011 um 19:13 Uhr (Zitieren)
Ist natürlich scherzhaft gemeint, um sich über Eitelkeit und Drama zu belustigen:

Bei der Ex kann man es auch so betrachten:

Mit Wegfall der Vertragsgrundlage und Beendigung des Vertrages entfallen die Kosten - hier steigen sie.

Und bei der Schönheitsoperation kann man auch sagen: der Betrug des Gebrauchtwagenhändlers erfüllt eine Ungerechtigkeit - die "refurbishte" Frau stellt Gerechtigkeit wieder her, und zwar mit den selben Mitteln.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 22.03.2011 um 19:26 Uhr (Zitieren)
So erklärt verstehe ich es besser.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
regulus schrieb am 22.03.2011 um 21:32 Uhr (Zitieren)
Ich habe aus Prinzip kein Prinzip.

Hör nie auf Befehle!

Ich lüge jetzt.

Zumindest als Wortwitz:

Paradox ist es, wenn Einbrecher ausbrechen.

Paradox ist es, wenn man sich im Handumdrehen den Fuß bricht.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Βοηθὸς Ἑλληνικός schrieb am 22.03.2011 um 22:08 Uhr (Zitieren)
Paradoxien bringen eigentlich ...nichts...
..außer Selbstbelustigung.
Wir müssen uns immer wieder denken:
Philosophie ist schön..für die Griechen und zur eigenen Beschäftigung. Bringt für die Realität des Lebens ...wenig. Auch wenn ich ein Fan des Griechischen bin: Für die Eigenbeschäftigung bringt es viel, aber wenn es um den Kern geht, um existentielle Fragen der Medizin, oder um Tod, spielt Philosophie wenig oder gar keine Rolle. Einem Sterbenden an Krebs geht es um Zuwendung, Zuhören, Anteilnahme, aber es interessieren ihn nicht, philosophische Fragen...
Denkt da mal drüber nach..
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Βοηθὸς Ἑλληνικός schrieb am 22.03.2011 um 22:50 Uhr (Zitieren)
d.h....oft geht es um Empathie und direktem Bezug zum Menschen. Theorie spielt da keine Rolle.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike

Philosophie ist schön..für die Griechen und zur eigenen Beschäftigung. Bringt für die Realität des Lebens ...wenig.

Das, Βοηθέ, würde ich gerade nicht sagen: für mich ist Philosophie sein(siehe eis tòn toû nómou biblíon): das hinterfragen der Alltagsphilosophie "Was ich sehe ist wahr und fertig" ist bitter nötig hierzulande und auch anderswo - Wenn wir unsere Wahrnehmung nicht hinterfragen - werden wir das, was wir trotz allem als schmerzlich wahrnehmen von der eigentlichen Realität, niemals ändern können, wir werden es einfach nur hinnehmen können und weiterwursteln.

Nur war das Paradoxien-Sammeln, und die sehr abstrakte Philosophie "im Elfenbeinturm" meistens eher fremd:
Ich will nur wissen, warum. Was ist Sein? "Geist und Materie sind zwei verschieden(wertig)e Dinge" dieser philosophische Gedanke richtet heute noch Schaden an!
Nicht gerade unbedeutend also, oder?

Was ist denn das Bitteschön genau die Realität des Lebens? Beschreib das mal aus deiner Sicht!

Mal abgesehen davon: auch ich würde niemanden im Sterbebett liegenden mit Philosophie quälen, wenn gar kein Interesse besteht...

@ανδρέαν: also würklisch: es heißt immer noch "bei deM Ex"!!!

Nicht wahr?

Bonne nuit - Agathä' eíä hä hymätérä Nýx :-)

Ἀμφοφιλής katheúswn autíka
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ἀμφοφιλής = ho ámphw kaì hetérän phil^wn schrieb am 23.03.2011 um 02:23 Uhr (Zitieren)
PS @Βοηθὸν Ἑλληνικόν: was sagst du denn zu Graikískou Zitat: http://www.albertmartin.de/altgriechisch/forum/?view=1360#8?

Meinst du das trägt eher was zum Leben bei?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
http://www.albertmartin.de/altgriechisch/forum/?view=1360#8

?
das Fragezeichen wurde dem Link zugerechnet Amphphl
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Lateinhelfer schrieb am 23.03.2011 um 09:13 Uhr (Zitieren)
Na ja....
Bei philosophischen Fragen hat man oft das Gefühl, dass die Akteure den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen. Das meine ich mit Realität.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Lateinhelfer schrieb am 23.03.2011 um 09:14 Uhr (Zitieren)
Lateinhelfer = Βοηθὸς Ἑλληνικός
;-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Âra dä' nyn anégnwkas tòn perì toû Won Hyo lógon? ŵ Boähthè Helläniké?

(ick mein det Zitat...)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ὑληβάτης schrieb am 24.03.2011 um 20:46 Uhr (Zitieren)
Auch wenn ich ein Fan des Griechischen bin: Für die Eigenbeschäftigung bringt es viel, aber wenn es um den Kern geht, um existentielle Fragen der Medizin, oder um Tod, spielt Philosophie wenig oder gar keine Rolle. Einem Sterbenden an Krebs geht es um Zuwendung, Zuhören, Anteilnahme, aber es interessieren ihn nicht, philosophische Fragen...

Ich weiß nicht. Und zwar, ich muss es sagen, aus eigener Erfahrung. Ich will da nicht ins Detail gehen, aber eine Frage z.B., die den Menschen seit jeher beschäftigt, nämlich nicht nur, wie er sein Leben leben soll, sondern auch die nach dem, was nach dem Leben kommt, kann auch und besonders für jemanden, der sich die Frage nicht aus der sicheren Distanz stellt, sondern schon "auf der Barke" - todernst sein.

Aber Ihr hattet das Thema schon abgeschlossen, nicht wahr?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 24.03.2011 um 21:18 Uhr (Zitieren)

Die "sichere Distanz" sollte keiner überbewerten - egal wie jung und gesund er ist ...
und das Philosophieren darf man ja auch zweckfrei verwenden, um seine Neugier zu stillen. Neugier ist ein guter Antrieb. Was das jenseitige Dasein betrifft, habe ich eine mir ansonsten nicht unbedingt eigene ausdauernde Geduld, meine Neugier zu stillen. Aber das liegt ja nicht in eigener Macht.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 27.04.2011 um 14:27 Uhr (Zitieren)
Ein paar nicht ganz ernst gemeinte Fragen:

1. Warum trugen Kamikazepiloten eigentlich einen Helm?

2.Wenn ein Laden 24 Stunden am Tag an 365 Tagen im Jahr geöffnet hat, warum hat er dann ein Schloss in der Tür?

3. Warum braucht man für den Besuch beim Hellseher einen Termin ?

4. Wenn Olivenöl aus Oliven gemacht wird, wie sieht es mit Babyöl aus?

5. Warum verwendet man bei Injektionen zur Vollstreckung der Todesstrafe sterilisierte Nadeln?

6. Warum hat Tarzan keinen Bart?

7. Warum werden Adam und Eva immer mit Bauchnabel gemalt?

8. Wenn man sich vornimmt, den ganzen Tag nichts zu erledigen und das dann auch schafft, hat man dann doch etwas erledigt? (klassische Urlauberfrage)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Πέγασος schrieb am 27.04.2011 um 19:02 Uhr (Zitieren)
eieiei ... Babyöl, das ist wie die Speisekarte mit Schweineschnitzel, Kalbsschnitzel, Kinderschnitzel ... :-?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Omega schrieb am 28.04.2011 um 19:19 Uhr (Zitieren)
Spruch meines alten Schulleiters:
"Spontanität muss wohl überlegt sein" : D
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Πέγασος schrieb am 28.04.2011 um 20:32 Uhr (Zitieren)
:-))
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 02.05.2011 um 21:20 Uhr (Zitieren)
„Hast du Zweifel?“
„Ich weiß nicht, ob ich Zweifel habe. Deshalb möchte ich deine Meinung hören.“

(Quelle: Henning Mankell, Die Rückkehr des Tanzlehrers. München 2009, S. 415)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 02.05.2011 um 21:23 Uhr (Zitieren)
Daß der Kopf im Raume sei hält ihn nicht ab, einzusehn, daß der Raum doch nur im Kopfe ist.

(Quelle: Arthur Schopenhauer, Parerga und Paralipomena, Bd. II, 48)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 03.05.2011 um 16:34 Uhr (Zitieren)
Ein einziges Paradox ist doch die Steuer, Beispiel Umsatzsteuer (auch Mehrwertsteuer genannt):

Die Pizza im Restaurant kostet 19 %, wird sie nach Hause geliefert nur 7 % (ermäßigter Steuersatz, gilt wie ein Lebensmitteleinkauf, ist also aus sozialpolit. Gründen begünstigt. Der Verkaufspreis ist dennoch nicht geringer.).
Das geht ja noch, aber warum gilt:
Hausschwein 7 %, Wildschwein 19 %
Kartoffeln 7 %, Süßkartoffeln 19 %
Karotten 7 %, Karottensaft 19 %
Babynahrung 7 %, Windeln 19 % (input ungleich output?)
Pommes an der Bude 7 %, als Schulessen 19 %
Literatur lesbar 7 %, Literatur hörbar 19 % (man bedenke den Nutzen für Blinde)
aber: Hörgeräte 7 %, Brillen 19 % (vgl. Literatur)
Zuckerrüben 7 %, Zuckerrohr 19 %

Man könnte das Spiel unendlich ausdehnen, wenn man das gesamte Steuerrecht untersucht.
Ach, ja:
ein Maulesel 7 %, ein Esel 19 %,--> allerdings, wenn der Esel geschlachtet wurde nur 7 %
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Πέγασος schrieb am 03.05.2011 um 17:32 Uhr (Zitieren)
Paradox ... oder vielleicht doch eher ungerecht?

Aber eben diese Frage stellt sich mir auch in Bezug auf das Schulsystem:

Meine Tochter hat ja vor einigen Wochen die Schule gewechselt (wegen Altgriechisch) und ist jetzt am humanistischen Gymnasium in der Klasse für Hochbegabte.

In ihrer alten Schule hatte sie sich gelangweilt und brachte fast nur sehr gute Noten nach Hause.
In ihrer "neuen" Schule wird z.T. schon Stoff aus der Kursstufe unterrichtet (v.a. in den Naturwissenschaften), d.h. es wird auf sehr hohem Niveau viel mehr gelernt und vertieft; andererseits wird (von einigen Lehrern) so streng bewertet, dass es kaum möglich ist, sehr gute Noten zu schreiben.

So werde ich am Schuljahresende eine unglückliche Tochter haben, die zwar viel mehr weiß, aber schlechtere Noten im Zeugnis stehen hat.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 03.05.2011 um 17:53 Uhr (Zitieren)
Einen einheitlichen und "gerechten" Bewertungsmaßstab kann es wohl gar nicht geben.
Aber besser schlechter auf höherem Niveau, als besser auf schlechterem ... oder man belügt sich, um glücklich zu sein. Wie sagte schon Ibsen: man nehme einem Menschen die Lebenslüge und im selben Augenblick nimmt man ihm sein Glück.
Paradox?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 03.05.2011 um 18:02 Uhr (Zitieren)
Daß die gleichen Noten, von verschiedenen Schulen erteilt, nicht die gleiche Leistung anzeigen, ist schon fast ein Paradox, jedenfalls ungerecht ... und dennoch Alltag. Sollte nicht das Zentralabitur ein Mittel dagegen sein? Dazu würde natürlich auch eine externe (anonyme) Beurteilung der Abiturklausuren gehören, die man in NRW gerade wieder abschafft.
Was kann man einem Kind dazu sagen?
Haben wir das Thema (Un-)Gerechtigkeit, gerade in Bezug auf Kinder, hier nicht schon einmal diskutiert?
Gestern habe ich gelesen, daß es den Menschen in der Antike (soweit ihre Diskussionen überliefert sind) nicht um Liebe im Umgang miteinander gegangen sei, sondern um Gerechtigkeit.
Mir scheint, da sind wir nicht viel weitergekommen.
Es hilft wohl nichts, man muß Kindern sagen, daß es einen großen Unterschied gibt zwischen der Welt, wie sie ist, und der, wie wir sie uns wünschen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ὑληβάτης schrieb am 03.05.2011 um 18:07 Uhr (Zitieren)
Sollte nicht das Zentralabitur ein Mittel dagegen sein? Dazu würde natürlich auch eine externe (anonyme) Beurteilung der Abiturklausuren gehören, die man in NRW gerade wieder abschafft.

Damit habe ich mich in den letzten Wochen beschäftigt. In BaWü gibt es drei Korrektoren für Abiklausuren. Heißt das aber, dass die Noten vergleichbar sind? Manchmal gibt meine Frau andere Noten als ich, aber wir sind uns noch recht ähnlich. Wenn ich da an manchen Kollegen denke ... da helfen auch drei Korrektoren nichts.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 03.05.2011 um 18:38 Uhr (Zitieren)
Falls alle Klausuren von demselben Prüfer bewertet würden, sagen wir: von einem noch zu entwickelnden Computer-Programm, wäre dann Gerechtigkeit geschaffen?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 03.05.2011 um 18:52 Uhr (Zitieren)
Bei mündlichen Prüfungen geht das kaum.
Es wird nie objektive Noten geben - nur eine Annäherung daran. Wie im richtigen Leben. Ich leite einen Prüfungsausschuss der IHK für Industriekaufleute und habe da so manche Versuche erlebt, den Ausschuss zu irritieren. Eine junge Dame erschien vor unserem 3-köpfigen Ausschuss (2 Männer, 1 Berufschullehrerin) im äußerst delikaten „hasch-mich-ich-bin-der Frühling-Kostüm (da wäre selbst im Januar spontan der Sommer ausgebrochen). Ihr Wissen stand ihrer dürftigen Bedeckung in nichts nach. Nach der Prüfung fand die Berufschullehrerin (die sie in der Schule selbst unterrichtete) deutliche Worte für den Aufzug des Fräuleins, was wir männliche Mitglieder taktvoll unkommentiert ließen. Das Mädel bekam 50 Punkte – gerade bestanden. Dies entsprach auch knapp der schriftl. Note. Die frische Industriekauffrau verließ die Sitzung hocherrötet, aber glücklich (und ohne späteren Einspruch). Zu keinem Zeitpunkt hat auch die Lehrerin versucht, solange zu „bohren“ bis der weibl. Prüfling „geknackt“ war. Letztlich wird jeder, der Noten gibt, vom eigenen Gewissen geleitet. Und das ist immer irgendwie ungerecht. Das kann man mit keiner mir bekannten Regel ausschließen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ὑληβάτης schrieb am 03.05.2011 um 19:12 Uhr (Zitieren)
Eine schöne Geschichte, vor allem, weil nur die Frau die Kleidung ansprechen durfte, ohne den Takt zu verlieren.

Es gibt wohl, ich sag mal, Versuche, schriftliche Arbeiten von Computern bewerten zu lassen. An mindestens einer amerikanischen Uni werden wohl Aufsätze so bewertet. Soweit ich gelesen haben, kann der Computer aber nur gucken, wie viele (und ob) logische Verknüpfungen der Sätze benutzt werden - denn mit steigender Anzahl steigt ja auch das Niveau, nicht wahr? Ob der Inhalt schlüssig ist, ob es ein Gedicht von Max Moritz ist oder nur eine Reihung von Schlagworten, bleibt wohl außen vor.

Wäre es aber gerechter? Was ist Gerechtigkeit? Würde ein Computer durchschauen oder rätseln, welche Gedanken denn wirklich in einem Aufsatz stehen, auch wenn sie furchtbar platt formuliert sind - oder wann wirklich nur Schlagworte aneinandergereiht werden, ohne dass das Verständnis der Materie tiefer wäre? Hierbei denke ich vor allem als Deutschkorrektor.

Mein alter Ausbilder sagte, und das zitiere ich, obwohl ich ihn nicht mag: "Gerechtigkeit plus Wohlwollen."
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 03.05.2011 um 19:30 Uhr (Zitieren)
Es müßte schon ein Computerprogramm sein, das den Turing-Test besteht, d.h. dessen Äußerungen von menschlichen Äußerungen nicht mehr zu unterscheiden sind.
Sowas gibt es m.W. bis heute noch nicht, auch wenn einige Programme schon dicht dran sind.
Ob das Programm dann auch versteht, was es beurteilt, würde gemäß den Prämissen des Tests keine Rolle mehr spielen, weil wir es nicht entscheiden/unterscheiden könnten.

Ich bin gespannt auf ein solches Programm!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ὑληβάτης schrieb am 03.05.2011 um 19:41 Uhr (Zitieren)
Mir ist aufgefallen, dass schon "Gerechtigkeit plus Wohlwollen" beim Thema "Gerechtigkeit" paradox ist. Aber: Dass egal ist, ob ein Programm versteht, was es beurteilt, solange seine Äußerungen von denen eines Menschen nicht zu unterscheiden sind, ist doch Paradoxie zum Quadrat! Die Äußerungen eines Menschen basieren doch darauf, dass er versteht, nicht nur was er liest, sondern auch was er sagt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 03.05.2011 um 19:45 Uhr (Zitieren)
Ha! Wenn Du Dich mit zwei Gesprächspartnern via Internet über, sagen wir, die Interpretation eines Gedichtes unterhältst und anschließend gefragt wirst, wer das Gedicht besser verstanden habe, und Du entscheidest Dich für einen Gesprächspartner, erfährst aber dann, daß es sich bei ihm um ein Computerprogramm handelt ... was sagst Du dann?

Was heißt 'Verstehen', wenn wir nicht mehr entscheiden können, ob es vorliegt oder nicht?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 03.05.2011 um 19:47 Uhr (Zitieren)
Versteht ein Schachprogramm, das den Weltmeister schlägt (das gibt es ja inzwischen), etwas vom Schachspielen?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ὑληβάτης schrieb am 03.05.2011 um 19:50 Uhr (Zitieren)
Hm.
Zu erstens: "Ich will so eine App für mein Hirn!"
Zu B: Aha, ich verstehe.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 03.05.2011 um 20:20 Uhr (Zitieren)
Es dräut die Nacht am Lager unsrer Küsse.
Es flüstert wo: Wer nimmt von euch die Schuld?
Noch bebend von verruchter Wollust Süße.
Wir beten: Verzeih uns, Maria, in deiner Huld.

Georg Trakl

aus diesem Gedicht schließen einige auf die inzestuöse Beziehung zu seiner Schwester Margarethe ... da muss man dann die Biographie kennen. Also ein multiple choice Fragebogen und schon kann man bewerten, ob der Schüler seine Lektion gelernt hat. Aber: was passiert, wenn der Interpret eine geniale neue Interpretation abliefert, auf noch niemand gekommen ist. Hängt sich der PC dann auf oder gibt er einfach eine 5 ?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 03.05.2011 um 20:27 Uhr (Zitieren)
Kleine Variante des Turing-Tests (nicht Google fragen!):
Eines der drei folgenden Gedichte stammt von einem Menschen, die anderen beiden von einem Computerprogramm:
1. Zuchtlos

Zuchtlos als faun drehn wir im gleichen klingen
Die hoffnung tilgt nicht sehnsucht noch die braut..
Für dich Vertrauter hör ich nur dein singen:
Klag mit mir öd bis drin das wort uns schaut.


2. Nächtlich

Nächtlich am tor gehn wir im gleichen tritte
Den einlass bringt nicht sehnsucht noch gewalt..
Für dich Geliebter hab ich nur die bitte:
Bleib mit mir wach bis drin der ruf erschallt.


3. Bange

Bange im spiel fliehn wir im zarten pochen
Die freude ruft nicht donner noch gewalt..
Für dich Gebieter seh ich nur die wochen:
Klag mit mir zart bis fern das herz erschallt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 03.05.2011 um 21:13 Uhr (Zitieren)
An Andreas:
1. Warum soll ein Computerprogramm nicht eine geniale Neuinterpretation eines Gedichtes leisten können (woran auch immer man die erkennen mag)?
2. Wie reagiert ein menschlicher Lehrer, wenn ein Schüler eine geniale Interpretation eines Gedichtes liefert, d.h. eine bessere, als er, der Lehrer sie leisten könnte? Hängt der Lehrer sich dann auf oder gibt er einfach eine 5? Eine gute Frage.
Anzunehmen, er gäbe dem Schüler eine 1+, ist eine sehr optimistische Einstellung gegenüber Lehrern, die ja auch ... Menschen sind.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Καλλιόπη schrieb am 03.05.2011 um 21:18 Uhr (Zitieren)
Ich würde meinen, das zweite Gedicht ist menschlichen Ursprungs, bin aber nicht sicher.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Πέγασος schrieb am 03.05.2011 um 21:20 Uhr (Zitieren)
Oh nein, das kommt davon, wenn man andere Leute an den Rechner lässt ... das eben war MEIN Eintrag.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ὑληβάτης schrieb am 03.05.2011 um 21:26 Uhr (Zitieren)
Ojeoje. Eine "bessere" Interpretation?
Mein Vorgehen: Wenn die Interpretation zum Gedicht "passt" - keine 5.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 03.05.2011 um 21:31 Uhr (Zitieren)
An Γραικίσκος,
ja, da ist was dran. Aber ich sperre mich gegen PC`` s , die vorgeben menschlich zu sein.

Schätze, das 2.te Gedicht ist menschlich... ?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 03.05.2011 um 21:43 Uhr (Zitieren)
Nachtrag:

Vor Jahren sah ich einen Film, an dessen Titel ich mich nicht mehr erinnere: in der Computerbeherrschten Welt bekam man Lebensmittel nur mit Lochkarten monatlich zugewiesen. Weil die Karte des Hauptdarstellers verknickt war gab es keine Möglichkeit für ihn, an Lebensmittel heran zu kommen. Er versuchte alles und landete zuletzt an einem Computerprogramm der Kirche. Dort wurde er mit Floskeln abgespeist und auf Beten verwiesen. In der letzten Einstellung steht der Mann wieder an der Lebensmittelstelle – mit einer neuen, nun gültigen Karte, aber nur einem Arm …
Nichts wird jemals perfekt sein, dann lieber menschliche Fehler ertragen! Da kann man wenigstens protestieren. Computer werden zum neuen Rom: Roma locuta, causa finita …
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 03.05.2011 um 22:02 Uhr (Zitieren)
1. Das zweite Gedicht stammt von Stefan George. Aber Ihr wart Euch nicht sicher, nicht wahr? Das Programm ist also schon dicht dran. Und dieses ist ca. 15 Jahre alt - da gibt es sicher schon bessere.

2. Es gibt heute schon viele Entscheidungen, die von Computern getroffen werden, ohne daß Menschen darauf noch Einfluß hätten. Zwei Beispiele:
a. An den Schulen wird die Zulassung zum Abitur (die Erreichung einer bestimmten Punktzahl) von einem Programm errechnet. Kein Mensch kontrolliert, ob sich dieses Programm mal vertut. Ich habe unseren Oberstufenleiter mal darauf angesprochen. Die Möglichkeit eines Rechenirrtums bei einem Rechner erschien ihm so absurd, daß noch nie darüber nachgedacht hatte.
b. In der Mathematik werden inzwischen Beweise geführt und Aufgaben gelöst, die eine solche Rechenkapazität erfordern, daß kein menschlicher Mathematiker das noch überprüfen könnte, etwa das Vierfarben-Problem oder die Suche nach höheren Primzahlen und vielleicht einer höchsten Primzahl.

Ich meine, wir sind in unserer Abhängigkeit von irgendwie überlegenen Computern schon sehr viel weiter, als Ihr vielleicht annehmt. Bei uns liefe doch längst nichts mehr ohne Computer!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 03.05.2011 um 22:02 Uhr (Zitieren)
daß er noch nie ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 03.05.2011 um 22:17 Uhr (Zitieren)
Die Möglichkeit eines Rechenirrtums bei einem Rechner erschien ihm so absurd, daß noch nie darüber nachgedacht hatte


Genau das ist das Problem! Bei Prüfungen erlebe ich häufig, das die Azubi`s einfach das aufschreiben, was der Taschenrechner ausspuckt, egal wie absurd es ist - ohne überschlägig mitzudenken, was grob herauskommen kann (astronomische Werte, die einfach übernommen werden). Hoffentlich schwächt diese Entwicklung nicht das eigenständige Denken. Die Philosophie als Magd der Theologie (Petrus Damiani), der Mensch als Magd der Ergebnisse , die Maschinen vorgeben. Man hat ja auch geglaubt, das ein Atomkraftwerk nicht hochgeht ... dabei sollte seit 1912 (Titanic) klar sein, dass alles irgendwie anders kommen kann als man denkt.
Man sollte sicherstellen, dass der Mensch die letzte Entscheidung behält, meine ich.

Aber nu, ich wünsche eine gute Nacht
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 03.05.2011 um 22:18 Uhr (Zitieren)

... ups 2 mal "das" statt "dass" (werde lieber das "ß" nehmen)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 03.05.2011 um 22:28 Uhr (Zitieren)
Der Mensch als Magd der Ergebnisse, die Maschinen vorgeben - sollen wir mit diesem grausigen Gedanken ins Bett gehen? Müssen wir wohl. Aber "gute Nacht" ...? Naja. Gute Nacht.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 06.05.2011 um 19:28 Uhr (Zitieren)
„Mein Beruf“, pflegte er [ein niederländischer Offizier] zu sagen, „ist, zu verhindern, daß ich ihn ausüben muß.“

[Quelle: Harry Mulisch, Die Prozedur. München 1999, S. 108)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 06.05.2011 um 19:30 Uhr (Zitieren)
„Gute Plakate müssen nicht gelesen, sie brauchen nur gesehen zu werden!“

[Text! eines Plakates, gesehen am 8. Juni 2010 in Duisburg; Werbung für Werbung]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 06.05.2011 um 19:33 Uhr (Zitieren)
Kürzlich bin ich einer früheren Schülerin begegnet, die im Park mit einem jungen Mann passenden Alters auf einer Bank saß. Am nächsten Tag habe ich sie erneut getroffen und gefragt: „War das gestern dein Freund?“ – „Nein“, erwiderte sie, „das war nur mein bester Freund.“

(W.W.)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 06.05.2011 um 19:34 Uhr (Zitieren)
Früher war alles besser, sogar die Zukunft.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Πέγασος schrieb am 07.05.2011 um 07:34 Uhr (Zitieren)
Bei uns hing ein Plakat (neben einem Wahlplakat zur Landtagswahl) auf dem stand: Traue keinem Plakat!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 07.05.2011 um 14:50 Uhr (Zitieren)
Das ist auch schön - geradezu ein klassisches Paradox.

Im Lateinforum hat jetzt jemand um eine Übersetzung gebeten für "Ich kann alles, wenn ich es will".
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Πέγασος schrieb am 07.05.2011 um 17:00 Uhr (Zitieren)
Will da jemand sein geknicktes Selbstbewußtsein aufrichten oder sind das Allmachtsphantasien?


Ich muss meinen Eintrag von heute morgen korrigieren ... meine Kinder haben ein besseres Gedächtnis als ich:
Auf einem Wahlplakat der Piratenpartei, dass neben einem CDU-Plakat hing, stand:

"Vertrau keinem Plakat, informier Dich."
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 07.05.2011 um 17:08 Uhr (Zitieren)
Vielleicht Reparatur eines geknickten Selbstbewußtseins, vielleicht Allmachtsphantasien ... aber bis zu Lateinkenntnissen reicht die Allmacht offenbar nicht.

Das Plakat erscheint mir auch in dieser Version noch paradox. Es ist das Gehorche-mir-nicht-Paradox, oder?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Σαπφώ schrieb am 08.05.2011 um 01:38 Uhr (Zitieren)
Ein kretisches Plakat also...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Πέγασος schrieb am 08.05.2011 um 06:05 Uhr (Zitieren)
"Kretisches Plakat" - das gefällt mir zum Sonntagmorgen. ;-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 08.05.2011 um 18:12 Uhr (Zitieren)
Auch ein Plakat, eine Werbung für Werbung:
„Gute Plakate müssen nicht gelesen, sie brauchen nur gesehen zu werden!“

(Juni 2010 in Duisburg)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Εὐφροσύνη schrieb am 10.05.2011 um 19:03 Uhr (Zitieren)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 10.05.2011 um 19:10 Uhr (Zitieren)
Sehr schön!
"No, I don't speak English! Not a single word."
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 10.05.2011 um 19:14 Uhr (Zitieren)
zu youtube: Das Mädchen war ja gar nicht blond ...

Ein geradezu blasphemisches Plakat scheint mir vom Standpunkt der Bibel auch paradox:
"Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde
den ganzen Rest haben wir gemacht
Das Handwerk"

Welchen Rest? Die Bäume, um einen Stuhl zu schnitzen, auch?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.05.2011 um 10:03 Uhr (Zitieren)
Eine sehr schlichte:
"Sei um Himmelswillen ganz entspannt!!"
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Πέγασος schrieb am 11.05.2011 um 10:35 Uhr (Zitieren)
Das ist gut!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.05.2011 um 21:40 Uhr (Zitieren)
Kommt nahe ran an das, was man manchmal mit drohendem Unterton zu hören bekommt:
"Bleib locker, Mann!"
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 12.05.2011 um 19:23 Uhr (Zitieren)
Wenn zwei Glatzköpfe sich in die Haare kriegen, weil sie hart auf eine Weiche sitzend streiten, dass einer zu leise auf der Laute spielt, ist es Zeit, sich mal zu fragen, ob heut`oder an andern Tagen, die Sinne gern auch mal versagen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 12.05.2011 um 20:20 Uhr (Zitieren)
Wenn ich in der Kneipe ein neues Alt bestelle ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 12.05.2011 um 20:21 Uhr (Zitieren)
... oder ein leckeres Kölsch ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 12.05.2011 um 20:51 Uhr (Zitieren)

Für einen Düsseldorfer ist das sicher paradox ... das leckere Kölsch.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 12.05.2011 um 21:19 Uhr (Zitieren)
Lecker war das Kölsch und neu das Alt,
Die heiße Bockwurst leider kalt.
Im Griechischforum war die Hölle los,
In meinem Portemonnaie 'ne Menge Moos.
Am Morgen drauf war ich ganz wach,
Mein Unterrichten leider schwach.
So leb' ich lauter Widerspruch
Und hab' davon noch nicht genug [rheinische Aussprache!].
Doch meine Verse, die sind gut!
Weh dem, der widersprechen tut!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Πέγασος schrieb am 12.05.2011 um 21:24 Uhr (Zitieren)
Nee, Widerspruch wage ich nicht; ich wage nur zu lachen :-D

In diesem Sinne: Gute Nacht!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 12.05.2011 um 21:29 Uhr (Zitieren)
Gute Nacht!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 12.05.2011 um 21:32 Uhr (Zitieren)

Mmmpfh ...

Gute Nacht!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
regulus schrieb am 13.05.2011 um 13:31 Uhr (Zitieren)
Wo wir gerade bei Gedichten sind, fällt mir natürlich noch das Gedicht ein: Dunkel wars der Mond schien helle, als ein Auto blitzesschnelle langsam um die Ecke fuhr etc....
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 13.05.2011 um 13:49 Uhr (Zitieren)
Ich meine, das habe ich schon - weit, weit oben in diesem Neverending Thread - zitiert. Es ist jedenfalls ein hübsches Gedicht an dem Kinder ihre Freude haben ... und ich ebenfalls.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 14.05.2011 um 15:01 Uhr (Zitieren)
Noch ein Paradoxon für die Sammlung:

Das Nelson Goodman Paradox und die Induktion

Goodman bezieht sich bei der Formulierung seines Paradoxons auf das Induktionsproblem bei Hume. Hume sieht in einer in der Vergangenheit wahrgenommenen Regelmäßigkeit keine Rechtfertigung für die alltägliche Erwartung, verallgemeinernd auf dieselbe Regelmäßigkeit in der Zukunft schließen zu können.

Goodman erfindet … eine Eigenschaft namens grue (…). Dinge mit dieser Eigenschaft sind grün, wenn sie vor einem beliebigen zukünftigen Zeitpunkt t0 gefunden werden und die später gefundenen sind blau. .. So gilt:
1. Alle Smaragde, die vor diesem Datum gefunden werden, sind grün. Dies rechtfertigt den Induktionsschluss: Die Smaragde, die nach diesem Datum gefunden werden, werden ebenfalls grün sein. Gleichzeitig aber gilt: 2. Alle Smaragde, die vor diesem Datum gefunden werden, sind grue. Dies rechtfertigt den Induktionsschluss: Die Smaragde, die nach diesem Datum gefunden werden, werden ebenfalls grue sein (also dann blau).

(vgl. wikipedia)

Von denselben Daten können also widersprüchliche Vermutungen ebenso bestätigt werden. Aber wir gehen davon aus, als wären unsere aufgestellten Gesetze gültig.
Auf ein Gedankenexperiment übertragen: wenn uns seit 60.000 Jahren alle 15.000 Jahre Außerirdische (wer sonst ?) besuchen würden (also vor 60,- 45,- 30,- 15 Tsd Jahren), müssten sie durch Induktion zu dem Schluss gekommen sein, der Mensch habe generell braune Augen. Blaue Augen haben sich aber erst vor ca. 10.000 bis 6.000 Jahren entwickelt.

Kämen sie heute -kurz nach Zeitpunkt t0, wäre die induktive Beweisführung widerlegt und sie müssten sich Fragen, ob der Mensch schon immer „braue“ Augen hatte (Zumindest bei 10 % der Menschheit, die blaue Augen haben). Die irrige Annahme der „Außerirdischen“ hat genetische Veränderungen vernachlässigt, ging also von einer ganz willkürlichen Voraussetzung aus, die sie zur Regel gemacht haben.


Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 14.05.2011 um 15:11 Uhr (Zitieren)
Das kenne ich als "grot-Paradox":
[...] Jetzt möchte ich ein anderes, weniger gebräuchliches Prädikat als „grün“ einführen. Es ist das Prädikat „grot“ und trifft auf alle Gegenstände zu, die vor dem Zeitpunkt t untersucht werden, wenn sie grün sind, aber auf andere Gegenstände dann, wenn sie rot sind. Dann haben wir zur Zeit t zu jeder Datenaussage, die besagt, daß ein gegebener Smaragd grün ist, eine entsprechende Datenaussage, die besagt, daß dieser Smaragd grot ist. Und die Aussagen, daß der Smaragd a grot ist, daß der Smaragd b grot ist usw., bestätigen die allgemeine Hypothese, daß alle Smaragde grot sind. Nach unserer Definition werden also die Voraussage, daß alle später untersuchten Smaragde grün sein werden, und die Voraussage, daß sie grot sein werden, durch Datenaussagen, die dieselben Beobachtungen beschreiben, gleichermaßen bestätigt. Doch wenn ein später untersuchter Smaragd grot ist, dann ist er rot und nicht grün. Obwohl uns also durchaus klar ist, welche der beiden miteinander unverträglichen Voraussagen wirklich bestätigt wird, werden sie nach unserer gegenwärtigen Definition gleich gut bestätigt.
Des weiteren ist klar, daß man nur ein passendes Prädikat zu wählen braucht, um aufgrund dieser selben Beobachtungen nach unserer Definition die gleiche Bestätigung für jede beliebige Voraussage über Smaragde zu erhalten - ja auch über jeden anderen Gegenstand. [...]
Wieder stehen wir vor dem unerträglichen Ergebnis, daß alles alles bestätigt. Diese Schwierigkeit kann man nicht als Schönheitsfehler abtun, der sich im Laufe der Zeit beseitigen ließe. Man muß mit ihr fertig werden, wenn man überhaupt mit der Definition arbeiten will. [...]

[Quelle: Nelson Goodman, Tatsache – Fiktion – Voraussage. Frankfurt/Main 1975, S. 98 f.]

Diese Argumentation sorgt immer wieder für Irritation.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 14.05.2011 um 15:19 Uhr (Zitieren)
Es gibt auch noch das Wittgenstein-Paradox:
Unser Paradox war dies: eine Regel könnte keine Handlungsweise bestimmen, da jede Handlungsweise mit der Regel in Übereinstimmung zu bringen sei.

(§ 201 der Philosophischen Untersuchungen)

Es läuft - ähnlich wie bei Goodman, aber mit einer anderen Argumentation - darauf hinaus, daß jede Regel (mathematisch, sprachlich usw.) mit jeder Interpretation in Einklang zu bringen ist.

Mit der Erläuterung bin ich im Moment zeitlich überfordert, verweise aber auf: Saul A. Kripke: Wittgenstein über Regeln und Privatsprache. rankfurt/Main 1987, S. 17 ff.

Jedenfalls habe ich mal mit Mathematikern darüber gesprochen, und sie meinten, die Argumentation sei korrekt. Was unter anderem zur Konsequenz hat, daß die Zahlenfolge
2, 4, 8, 16, ...
mit jeder beliebigen Zahl fortgesetzt werden kann, weil sie sich durch beliebige Regeln formulieren läßt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 14.05.2011 um 15:20 Uhr (Zitieren)

Ja, die Irritation gilt besonders für Naturwissenschaftler. Es ist, wie wenn sie sich eines Hahns bedienen, um das Wetter vorherzusagen. Unerträglich. Beweise durch Induktion sind ärgerlich.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 14.05.2011 um 15:24 Uhr (Zitieren)
Daß es sich um ein Induktionsproblem handelt, weil wir jede Regel nur aus einer endlichen Zahl von Fällen erschließen, darauf läuft auch das Wittgenstein-Paradox hinaus.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 14.05.2011 um 15:29 Uhr (Zitieren)
Eine Replik auf das skeptische Argument bleiben wir also schuldig. Die Möglichkeit, mit einem Wort etwas zu meinen, ist demnach ausgeschlossen. Jede neue Anwendung eines Worts geschieht auf gut Glück; jede gegenwärtige Intention ließe sich so interpretieren, daß sie mit allen beliebigen Handlungen übereinstimmt. Also kann es, wie Wittgenstein in § 201 sagt, weder Übereinstimmung noch Widerspruch geben. [...]

So schließt Kripke a.a.O., S. 74 seine Analyse des Problems.
Er nennt das Phänomen 'Metaskeptizismus', weil wir uns nicht einmal des Sinns unserer Worte sicher sein können, in denen wir unseren Skeptizismus formulieren. Das war nämlich das, was alle bisherigen Skeptiker vorausgesetzt hatten: daß ihre Worte einen eindeutigen Sinn besitzen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 14.05.2011 um 15:31 Uhr (Zitieren)
Da macht es dann natürlich auch im Hinblick auf Wittgensteins/Kripkes Argumentation ... plopp!

Es ist wie in Buddhas 'Gleichnis vom Floß': Man gelangt mit dem Floß - z.B. einer Argumentation - auf das andere Ufer ... und läßt es dann als unbrauchbar hinter sich.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 14.05.2011 um 16:09 Uhr (Zitieren)

Im Grunde hat Goodman doch nur gezeigt, dass die Grundannahme falsch oder unvollständig sein kann und die daraus abgeleiteten Regeln auch. Aber aus einer Regel, die überraschender Weise nicht immer oder nicht mehr gilt, kann man ja ableiten, wie man sie verbessern kann oder eine neue entwickeln. Damit erweitert man dann die wissenschaftliche Basis. Man muss nur die "Beobachtungsgeräte" schärfer einstellen und tiefer fragen. Mein Beispiel mit den blauen Augen ließ die "Außerirdischen" scheitern, weil sie Genetik und Mutation außer Acht ließen. Den Fehler muss man ja nicht wiederholen. Es beutet nur: wir wissen noch nicht alles und es bleibt spannend - und Vorsicht bei Beweisen per Induktion.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 14.05.2011 um 16:18 Uhr (Zitieren)
Ich denke, daß Goodman etwas zeigen wollte, was vor ihm schon Quine dargelegt hat, daß nämlich jede Beobachtung mit beliebigen Interpretationen vereinbar ist. Keine Beobachtung kann irgendeine theoretische Annahme widerlegen - beweisen schon gar nicht.
[...] Die Gesamtheit unseres sogenannten Wissens oder Glaubens, angefangen bei den alltäglichsten Fragen der Geographie oder der Geschichte bis zu den grundlegendsten Gesetzen der Atomphysik oder sogar der reinen Mathematik und Logik, ist ein von Menschen geflochtenes Netz, das nur an seinen Rändern mit der Erfahrung in Berührung steht. Oder, um ein anderes Bild zu nehmen, die Gesamtwissenschaft ist ein Kraftfeld, dessen Randbedingungen Erfahrung sind. Ein Konflikt mit der Erfahrung an der Peripherie führt zu Anpassungen im Inneren des Feldes. Wahrheitswerte müssen über einige Aussagen neu verteilt werden. Die Umbewertung einiger Aussagen zieht aufgrund ihrer logischen Zusammenhänge die Umbewertung einiger anderer Aussagen nach sich - die logischen Gesetze wiederum sind nur gewisse weitere Aussagen des Systems, gewisse weitere Elemente des Feldes. Wenn wir eine Aussage neu bewertet haben, müssen wir einige andere neu bewerten, die entweder logisch mit der ersten verknüpft sind oder selbst Aussagen logischer Zusammenhänge sind. Doch das gesamte Feld ist so sehr durch seine Randbedingungen, durch die Erfahrung unterdeterminiert, daß wir eine breite Auswahl haben, welche Aussagen wir angesichts einer beliebigen individuellen dem System zuwiderlaufenden Erfahrung neu bewerten wollen. Keinerlei bestimmte Erfahrungen sind mit irgendwelchen bestimmten Aussagen im Inneren des Feldes auf andere Weise verbunden als indirekt durch Erwägungen des Gleichgewichts für das Gesamtfeld.
Wenn diese Sehweise richtig ist, ist es irreführend, von dem empirischen Gehalt einer individuellen Aussage zu reden, insbesondere, wenn es um eine weit von der Erfahrungsperipherie des Feldes entfernte Aussage geht. Weiterhin wird es albern, eine Grenzlinie zwischen synthetischen Aussagen, die abhängig von der Erfahrung wahr sind, und analytischen Aussagen, die wahr sind, egal, was da kommen mag, zu suchen. Jede beliebige Aussage kann als wahr aufrechterhalten werden, was da auch kommen mag, wenn wir nur anderweitig in dem System ausreichend drastische Anpassungen vornehmen. Selbst eine Aussage ganz nahe der Peripherie kann angesichts gegenläufiger Erfahrung als wahr aufrechterhalten werden, indem mit Halluzinationen argumentiert wird oder indem gewisse Aussagen jener Art berichtigt werden, die logische Gesetze genannt werden. Umgekehrt ist ebenso keine Aussage unrevidierbar. Die Revision selbst des logischen Gesetzes des ausgeschlossenen Dritten wurde vorgeschlagen, um damit eine Vereinfachung der Quantenmechanik zu erreichen; und worin liegt der grundsätzliche Unterschied zwischen einer solchen Verschiebung und derjenigen[,] mit der Kepler Ptolemäus verdrängte, Einstein Newton und Darwin Aristoteles ? [...]

[Quelle: Willard Van Orman Quine, Von einem logischen Standpunkt. Neun logisch-philosophische Essays. Frankfurt/M. – Berlin – Wien 1979, S. 47 f.]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 14.05.2011 um 16:30 Uhr (Zitieren)

Nil est tertium. Ist Schrödingers Katze tot oder nicht ? etc.
Für mich ist nur eines klar: den Stein der Weisen wird man noch lange suchen. Die Welt ist voller Paradoxa - löst man eines, findet man sofort ein weiteres. Für pragmatische Lösungen dürfte aber die auch unzureichenden Regeln (meistens) reichen. Mein Bäcker war heute genau da, wo er gestern auch gewesen ist. Ob er in einem Jahr noch leckere Brötchen liefern wird, weiß aber keiner.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 14.05.2011 um 16:41 Uhr (Zitieren)
Selbst eine Aussage ganz nahe der Peripherie kann angesichts gegenläufiger Erfahrung als wahr aufrechterhalten werden, indem mit Halluzinationen argumentiert wird ...

Ob das wirklich Dein Bäcker war? [Lächeln]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 14.05.2011 um 16:55 Uhr (Zitieren)

Genau genommen war es die weibliche Bedienung, an die sich "in aller Regel" der ästhetisch geneigte männliche Kunde mit hoher Wahrscheinlichkeit erinnern muss. Und die Brötchen haben auch wie immer geschmeckt. Wenn man Parallelwelten einfügt, ließe sich auch dieser einfache Vorgang verkomplizieren. Mein Frühstück am Wochenende ist eine unumstößliche, feste und unverzichtbare Regel!
:-D
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Σαπφώ schrieb am 14.05.2011 um 17:03 Uhr (Zitieren)
Aber was passiert, wenn du eine Reise nach then machst, und du am Sonntag um 2.30Uhr am Flughafen sein musst?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 14.05.2011 um 17:22 Uhr (Zitieren)

Dann breche ich die Regel - ist ja meine! Bäcker gibts ja überall ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Σαπφώ schrieb am 14.05.2011 um 17:34 Uhr (Zitieren)
In der Tat. Erst diese Woche habe ich gelernt, dass die Sternstraße in Bonn ihren Namen den Bäckereien zu verdanken hat, die einst dort zu finden waren. Ursprünglich hieß sie Pisternenstraße, nach pisterna, Bäckerei.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 14.05.2011 um 17:55 Uhr (Zitieren)

Wo wir gerade beim backen oder Kochen sind: Phsyik

Das Mpemba Paradox:

Kühlt man bei gleichem Druck und gleichen Umgebungsbedingungen gleiche Mengen kalten und heißen Wassers auf Temperaturen unter 0 Grad Celsius ab, gefriert das heiße Wasser eher, als das kalte Wasser (nicht generell, aber in einem bestimmten Bereich). Das hat bereits Aristoteles beschrieben (und der tansanische Schüler Mpemba bei der Zubereitung von Speiseeis wiederentdeckt). Das Phänomen ist noch nicht völlig geklärt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Σαπφώ schrieb am 15.05.2011 um 02:25 Uhr (Zitieren)
Das heiße Wasser hat sich eben schon warm gelaufen auf dem Weg zum Eis.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 15.05.2011 um 11:00 Uhr (Zitieren)
Analogie:

Wenn ein Auto mit 100 km/h (= kochendes Wasser) auf 0 km/h abbremst (stop = 0 Grad Celsius) , sollte das ja normaler Weise länger dauern als bei einem Auto, das nur 50 km/h fährt (gleiche Bedingungen vorausgesetzt). Beim kochenden Wasser gilt aber, dass es schneller gefriert als 50 Grad heißes Wasser. Die Analogie stimmt aber nicht. Das ist paradox. Zumindest solange, bis man den Effekt erklärt hat.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 15.05.2011 um 13:44 Uhr (Zitieren)
Das ist ja seltsam. Ich werde mal einen Physiklehrer danach fragen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Πέγασος schrieb am 15.05.2011 um 17:14 Uhr (Zitieren)
Meine Tochter meint, das könnte mit der Dichteanomalie zusammenhängen: Die Molekülstruktur von Wasser ist bei 4°C am "dichtesten gepackt", gehen die Temperaturen nach oben und unten halten "Balken" die Moleküle auseinander, es gibt sozusagen eine Strukturähnlichkeit zwischen gefrorenem und kochendem Wasser. Anschaulich wird dies anhand des Kugelwolkenmodells, schaut mal da:

http://www.schule-bw.de/unterricht/faecher/chemie/material/lehr/bilder/interaktiv/anomalie/index_html

http://www.schule-bw.de/unterricht/faecher/chemie/material/lehr/hbruecken/

Das Material stammt übrigens von ihrem Chemielehrer.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 15.05.2011 um 17:59 Uhr (Zitieren)

Aber dies erklärt kaum, warum das warme Wasser das kältere beim Abkühlen deutlich überholt, oder? Das kochende Wasser geht nicht direkt in den gefrorenen Zustand über.
M.W. ist das Phänomen noch nicht vollständig erklärt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 16.05.2011 um 12:26 Uhr (Zitieren)
Ergebnis eines Gesprächs mit zwei Physiklehrerinnen:

Ich habe das richtig verstanden, Andreas, 2 x 1 l Wasser, das eine 100° C heiß, das andere 50° C warm; beide werden auf -1° C abgekühlt, und das ursprünglich 100° C heiße Wasser erreicht diese Temperatur eher? Sagen wir: in 10 Min., während das nicht so heiße 11 Min. braucht?

Das haben beide Lehrerinnen für unmöglich erklärt.
Was sie mir sagen konnten, war, daß heißere Körper, also auch heißeres Wasser, ihre Energie schneller abstrahlen. Aber dieses Wasser kühlt dann irgendwann auf 50° C ab, und das ursprünglich 50° C warme Wasser ist schon längst bei einer niedrigeren Temperatur. Das heißere Wasser holt das nicht auf.
Sagen sie beide, die Physiklehrerinnen.

Nun wüßten wir natürlich gerne eine seriöse Quelle für Deine Information, Andreas.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 16.05.2011 um 17:49 Uhr (Zitieren)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Πέγασος schrieb am 16.05.2011 um 19:22 Uhr (Zitieren)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 16.05.2011 um 20:20 Uhr (Zitieren)
Ich hab's erstmal weitergegeben. Mpemba-Effekt sagte ihnen nichts.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 18.05.2011 um 11:17 Uhr (Zitieren)
Bestimmte Aussagen sind in der 1. Person Singular Indikativ Präsens Aktiv immer paradox:
- Ich bin tot.
- Ich bin bewußtlos.
- Ich kann kein Wort Deutsch.

Es sind Aussagen, die ausschließen, daß man sie überhaupt machen kann.
(nicht exakt dasselbe wie das Lügner-Paradox, in dem lediglich die Wahrheit der eigenen Aussage dementiert wird)

Gibt es von dieser Sorte noch mehr Aussagen?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Πέγασος schrieb am 18.05.2011 um 11:52 Uhr (Zitieren)
Ich bin sprachlos.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Achilles schrieb am 18.05.2011 um 14:37 Uhr (Zitieren)
Ich bin stumm.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 18.05.2011 um 17:52 Uhr (Zitieren)
Ich schlafe gerade.
Ich suche mich noch.

Versteh`mich bitte falsch! (ist aber Imperativ, rhetorisch)
Ich glaube mir kein Wort. (kann man sich bewußt selbst belügen?)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Λυκόμαχος schrieb am 19.05.2011 um 02:17 Uhr (Zitieren)
Vielleicht ist das ja schon irgendwo gesagt worden (ich hab nicht den ganzen Eintrag gelesen). Aber Paradoxien treten dort auf, wo in einer Aussage objekt- und metasprachliche Aussagen verbunden werden: Ein Kreter sagt (Metasprache): Alle Kreter lügen (Objektsprache). Struktur: P(Q(x)).

Und zum Gefrieren: Ist es nicht so, daß sich in heißen Flüssigkeiten die Moleküle schneller bewegen und deshalb die kristalline Struktur des Eises schneller finden als in kühlen?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 19.05.2011 um 13:07 Uhr (Zitieren)
An Λυκόμαχος:
Eine Paradoxie ist m.E. der Fall , in dem eine Aussage sich selbst widerspricht oder zwei Aussagen einander widersprechen, aber beide wahr sein sollen. Eine Paradoxie kann also durch Selbstbezüglichkeit einer Aussage entstehen; es gibt aber auch andere Paradoxien, und in diesem Thema hier tauchen auch viele von anderer Art auf, z.B. das bekannte Heraklit-Zitat über die Flüsse.

Diejenigen Paradoxien, die durch Selbastbezüglichkeit entstehen, wollte Bertrand Russell durch die von ihm eingeführte Unterscheidung von Objekt- und Metasprache auflösen. (Anscheinend glaubte auch er, dies mache alle Paradoxien aus, was ich für falsch halte.)
In diesem Zusammenhang hat Russell ein Axiom eingeführt:
Kein Satz darf sich auf sich selbst beziehen.

Sätze sollen sich also immer auf eine darunterliegende Ebene beziehen: Objektsprachliche Sätze auf Objekte, metasprachliche Sätze auf objektsprachliche Sätze, metametasprachliche Sätze auf metasprachliche Sätze usw. (Typentheorie).

Allerdings ergeben sich gegen diesen Versuch mehrere Einwände, von denen ich drei nennen möchte:
1. Auf welcher dieser Ebenen ist die Typentheorie selber einzuordnen, da sie doch eine Regel für alle Arten von Sätzen formuliert?
2. Taucht nicht der Widerspruch, der vermieden werden sollte, gerade bei dem zitierten Axiom auf, wenn man nämlich fragt, ob dieses
Axiom ebenfalls nicht auf sich selbst angewendet werden soll? Antwortet man mit "ja", dann tut man aber genau das, was das Axiom verbietet: man wendet es auch sich selbst an. Antwortet man mit "nein", dann tut man dies ja gerade wegen des Sinns dieses Axioms, d.h. man wendet es auf sich selbst an.
3. Es gibt eine Vielzahl von ganz alltäglichen und unproblematischen selbstbezüglichen Aussagen, ohne jeden Widerspruch. Z.B. gilt der Satz "Sprache ist ein Mittel der Kommunikation" natürlich auch für diesen Satz selbst. All diese normalen Aussagen werden durch Russells Axiom mitbeseitigt. Russell betreibt also eine Art Herodes-Strategie: Er 'tötet' viele Sätze, um einige, die ihn stören, zu eliminieren.

Vgl.:
Wolfgang Weimer
Schopenhauer und Hegels Logik
in: Jörg Salaquarda (Hrsg.)
Schopenhauer
Wege der Forschung Bd. 602
Darmstadt 1985
S. 314-347

Dort habe ich meine Einwände gegen Russell ausführlich dargestellt.
Man wird, so meine Überzeugung, die Widersprüche nicht los. Im Leben nicht, und in der Sprache auch nicht.

"Do I contradict myself?
Very well, so I contradict myself
I am large
I contain multitudes"

(Walt Whitman)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 21.05.2011 um 22:29 Uhr (Zitieren)
Die Paradoxie des Babelfischs:
[...] „Der Babelfisch“, ließ der Reiseführer Per Anhalter durch die Galaxis in ruhiger Stimme vernehmen, „ist klein, gelb und blutegelartig und wahrscheinlich das Eigentümlichste, was es im ganzen Universum gibt. Er lebt von Gehirnströmen, die er nicht seinem jeweiligen Wirt, sondern seiner Umgebung entzieht. Er nimmt alle unbewußten Denkfrequenzen dieser Gehirnströme auf und ernährt sich von ihnen. Dann scheidet er ins Gehirn seines Wirtes eine telepathische Matrix aus, die sich aus den bewußten Denkfrequenzen und Nervensignalen der Sprachzentren des Gehirns zusammensetzt. Der praktische Nutzeffekt der Sache ist, daß man mit einem Babelfisch im Ohr augenblicklich alles versteht, was einem in irgendeiner Sprache gesagt wird. Die Sprachmuster, die man hört, werden durch die Gehirnstrommatrix entschlüsselt, die einem der Babelfisch ins Gehirn eingegeben hat.
Nun ist es aber verdammt unwahrscheinlich, daß sich etwas so wahnsinnig Nützliches rein zufällig entwickelt haben sollte, und so sind ein paar Denker zu dem Schluß gelangt, der Babelfisch sei ein letzter und entscheidender Beweis dafür, daß Gott nicht existiert.
Die Argumentation verläuft ungefähr so: ‚Ich weigere mich zu beweisen, daß ich existiere‘, sagt Gott, ‚denn ein Beweis ist gegen den Glauben, und ohne Glauben bin ich nichts.‘
‚Aber‘, sagt der Mensch, ‚der Babelfisch ist doch eine unbewußte Offenbarung, nicht wahr? Er hätte sich nicht zufällig entwickeln können. Er beweist, daß es dich gibt, und darum gibt es dich, deiner eigenen Argumentation zufolge, nicht. Quod erat demonstrandum.‘
‚Ach du lieber Gott‘, sagt Gott, ‚daran habe ich gar nicht gedacht‘, und löst sich prompt in ein Logikwölkchen auf.
‚Na, das war ja einfach‘, sagt der Mensch und beweist, weil’s gerade so schön war, daß schwarz gleich weiß ist, und kommt wenig später auf einem Zebrastreifen ums Leben.
Die meisten führenden Theologen behaupten, dieser ganze Streit sei absoluter Humbug, aber er hinderte Oolon Coluphid nicht daran, ein kleines Vermögen damit zu verdienen, daß er ihn zum zentralen Thema seines neuesten Bestsellers Na, lieber Gott, das war’s dann wohl machte.
Mittlerweile hat der arme Babelfisch dadurch, daß er alle Verständigungsbarrieren zwischen den verschiedenen Völkern und Kulturen niederriß, mehr und blutigere Kriege auf dem Gewissen als sonst jemand in der ganzen Geschichte der Schöpfung.“ [...]

[Quelle: Douglas Adams, Per Anhalter durch die Galaxis. 1981, S. 60 f.]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 23.05.2011 um 13:24 Uhr (Zitieren)
Man kann das folgende, an anderer Stelle von mir zitierte Gorgias-Zitat auch als Paradoxie ansehen:
οὐκ εἶναί φησιν οὐδέν. εἰ δ' ἔστιν, ἄγνωστον εἶναί. εἰ δὲ καὶ ἔστι καὶ γνωστόν, ἀλλ' οὐ δηλωτὸν ἄλλοις.

Es ist ohl das Äußerste, was die Antike an Skepsis hervorgebracht hat, und scheint in seinem letzten Teil sogar Wittgensteins Sprachskepsis zu beinhalten, wenn auch mit anderer Argumentation.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 23.05.2011 um 21:24 Uhr (Zitieren)
Georgias sagt ...

dass nichts physisch existiert. Wenn es existiert ist es unerkennbar und auch wenn es vorhanden ist, ist es für andere nicht offenkundig erkennbar ...

entweder ist die Übersetzung falsch oder ich begreife es nicht oder beides.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Λυκόμαχος schrieb am 24.05.2011 um 03:23 Uhr (Zitieren)
Lieber Γραικίσκος,

hat Russell das nicht vielleicht nur als notwendige Bedingung und Warnung von Paradoxien gedacht (vermeide solche Sätze, da lauert der Unsinn) und nicht als hinreichende Bedingung (wie man das "Axiom" auch verstehen könnte).

Übrigens ist das nicht auch von Russell?:
Der Barbier, der alle Männer der Stadt rasiert, die sich nicht selbst rasieren. (Rasiert der sich nun oder nicht....?)
oder ganz billig:
Kann Gott einen Stein schaffen, den er selbst nicht aufheben kann?
Nur so angedacht: Findet sich in den Paradoxien nicht regelmäßig eine Negation, die nicht wörtlich ausdrücklich dasein muß, sondern auch semantisch verborgen sein kann?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 24.05.2011 um 17:50 Uhr (Zitieren)
Für Russell gehört(e) ja die Typentheorie dazu, d.h. die strikte Unterscheidung verschiedener Sprachebenen (Objektsprache, Metasprache usw., mit im Prinzip unendlich vielen Ebenen), um die Selbstbezüglichkeit vermeiden zu können. Diese Typentheorie (oder die Anleitung dazu) beinhaltet aber die oben genannten Probleme, meine ich.
Unter anderem:
"Vermeide solche [selbstbezüglichen] Sätze!" - auf welcher Ebene ist dieser Satz anzusiedeln, da er doch für alle Sätze auf allen Ebenen gelten soll?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 26.05.2011 um 21:26 Uhr (Zitieren)
Die Paradoxie des aufrichtigen Autoren:
So wie man seine Schwächen kennt, ist es vernünftig, anzunehmen, daß das eigene Buch Fehler enthält, und es ist nicht ungewöhnlich für Autoren, dies in ihren Vorworten zu sagen. Ein aufrichtiger Autor jedoch wird alles glauben, was im eigenen Text gesagt wird. Vernünftigkeit plus Bescheidenheit zwingen einen Autor also zu einem Widerspruch.

(Quelle:R. M. Sainsbury, Paradoxien. Stuttgart 1993)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 28.05.2011 um 10:12 Uhr (Zitieren)
Wenn keine Gründe dafür bekannt sind, um eines von verschiedenen möglichen Ereignissen (keine Fehler im Buch, einige Fehler im Buch, ..) zu begünstigen, dann sind die Ereignisse als gleich wahrscheinlich anzusehen. Die Aussage ist rein spekulativ, es könnten Fehler darin sein, oder eben auch nicht. Nach dem Prinzip vom unzureichenden Grund kann der Autor dies annehmen. Darin kann doch kein Widerspruch liegen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 28.05.2011 um 11:16 Uhr (Zitieren)
Der Autor glaubt, daß alles in seinem Buch Geschriebene wahr ist; andernfalls hätte er es nicht so geschrieben.
Gleichzeitig weiß er, daß üblicherweise in jedem Buch Fehler stecken, also auch in seinem eigenen.

Mir scheint sogar, daß man dieses Phänomen oft im Alltag wiederfindet: Jeder Mensch wird in einem allgemeinen Sinne zugeben, daß Menschen sich irren können und auch öfters irren; dessen ungeachtet können viele Menschen in allen Einzelfragen starke Rechthaber sein.
Ist das nicht das Gleiche?
Das fasse ich schon als paradox auf: zuzugeben, daß man sich irren kann, aber niemals zugeben, daß man sich irrt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 28.05.2011 um 11:35 Uhr (Zitieren)

Wenn man weiß, dass ein Fehler vorliegt, wird man ihn ja nicht aufschreiben und erwartet, dass die einzelnen Aussagen von anderen als falsch bewiesen werden. Im Grunde ist es eine Aufforderung, sich mit den Aussagen auseinander zu setzen. Die Möglichkeit, Fehler zu entdecken, weckt den Jagdinstinkt des Lesers.
"Widersprich mir, wenn du kannst".
Es wäre paradox, wissentlich Fehler einzubauen und sie dann als unbeabsichtigt einzuräumen, denke ich. Das Vorwort sagt doch nur etwas banales: nach bestem Wissen, richtige Aussagen zu treffen. Im Grunde setzt man das ja immer voraus. Logisch gesehen ist das Vorwort nicht paradox, sondern redundant.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 28.05.2011 um 11:36 Uhr (Zitieren)
Ein weiteres Paradox von Dschuang Dsi stelle ich als eigenen Beitrag ein.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 28.05.2011 um 11:44 Uhr (Zitieren)
Paradox: Das Unendliche und die Anzahl

Das Paradoxon wurde von dem italienischen Gelehrten Galileo Galilei um 1590 veröffentlicht. Es erschreckte ihn anscheinend so, dass er darauf von der weiteren Erforschung des Unendlichen abließ.
Es gibt gleich viele Quadratzahlen wie Natürliche Zahlen, obwohl die Quadratzahlen eine Untermenge der Natürlichen Zahlen bilden.
Da man jeder Quadratzahl ihre ganzzahlige Wurzel zuordnen kann, lassen sich zwei einander äquivalente unendliche Mengen bilden:
Menge A (Natürliche Zahlen): { 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, . }
Menge B (quadratische Zahlen): { 1, 4, 9, 16, 25, 36, 49, . }
Obwohl Menge B eine Teilmenge von A ist, haben beide Mengen offensichtlich gleich viele Elemente. Denn jedem Element der Menge A lässt sich genau ein Element der Menge B zuordnen und umgekehrt. Diese Eigenschaft wird in der modernen Mengenlehre zur Definition unendlicher Mengen genutzt: Eine Menge ist dann unendlich, wenn es eine eindeutige Zuordnung zwischen ihren Elementen und denen einer ihrer echten Teilmengen gibt.

Man stelle sich vor, die Anzahl aller Süßwassertropfen entspreche der Anzahl aller Wassertropfen (Salzwasser und Süßwasser). Wäre die Menge aller Tropfen unendlich, müsste das gehen, oder?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 28.05.2011 um 11:54 Uhr (Zitieren)
Kannst Du mir dazu bitte eine Quelle (Fundstelle) angeben? Ich möchte das gerne meiner Sammlung hinzufügen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 28.05.2011 um 13:32 Uhr (Zitieren)
gern, hier der link (den hatte ich vergessen):

http://www.million-years-project.org/german/index.htm?index_math.htm
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 28.05.2011 um 14:10 Uhr (Zitieren)
Danke!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 28.05.2011 um 14:52 Uhr (Zitieren)
Wer Interesse an meiner inzwischen sehr umfangreichen Sammlung von Paradoxien hat, möge mir schreiben. Ich schicke sie dann per E-Mail zu.
Sie enthält auch etliche Bilder, die ich hier nicht bzw. nur schwer einstellen kann.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Εὐφροσύνη schrieb am 29.05.2011 um 15:29 Uhr (Zitieren)
Das Käseproblem:
Mehr Löcher = Weniger Käse
Mehr Käse = Mehr Löcher
=> Mehr Käse = Weniger Käse
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 29.05.2011 um 15:35 Uhr (Zitieren)
lustiges Paradox. Die armen Mäuse.
Wenn Löcher und Käse proportional mehr werden, stimmt es nicht. Man darf Anzahl und Volumen nicht einfach losgelöst betrachten.
Sonst stimmts. Aber nur rein sprachlich.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 29.05.2011 um 22:08 Uhr (Zitieren)
Dieses 'Käse-Paradox' ist unter Schülern weit verbreitet. Wann immer ich das Thema anspreche, kommen die Käselöcher als Reaktion.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 29.05.2011 um 22:10 Uhr (Zitieren)
Statistik paradox:

Die Statistik suggeriert, man wisse etwas mit hinreichender Genauigkeit, nunja.
Nehmen wir an, nur einer von einer Million Menschen bekommt eine seltene Krankheit, die wir als „Schlupf“ bezeichnen. Nun gibt es einen Test, der mit einer Genauigkeit von 99 Prozent Schlupf diagnostiziert. Wissenschaftlich ist das ein guter Wert. Das heißt , er liefert in 99 Prozent der Fälle das korrekte Ergebnis: „ja“, wenn der Proband infiziert ist, und „nein“, wenn er gesund ist.

Testen wir nun damit eine Million Leute.
Einer von einer Million Leuten hat Schlupf. Dann wird einer von hundert Leuten, die getestet wurden ein „falsch-positives“ Ergebnis erhalten, denn der Test wird ergeben, dass der Proband Schlupf hat, obwohl er es in Wahrheit nicht hat. Die Genauigkeit von 99 Prozent bedeutet: ein Prozent falsch.

Ein Prozent von einer Million ist:
1.000.000/100 = 10.000

Nur einer von einer Million Menschen hat also Schlupf. Wenn man wahllos eine Million Leute testet, wird man wahrscheinlich einen echten Fall von Schlupf finden. Aber der Test wird nicht genau eine Person als Träger von Schlupf identifizieren, sondern zehntausend Leute.

Der zu 99 Prozent genaue Test arbeitet also mit einer Ungenauigkeit von 99,99 Prozent.

Und 9999 Leute werden sich Sorgen machen und müssen in Quarantäne, obwohl die Diagnose falsch ist.


Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 29.05.2011 um 23:18 Uhr (Zitieren)
Ich lerne immer noch dazu: Das Schlupf-Paradox.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 29.05.2011 um 23:33 Uhr (Zitieren)
Es gibt noch ein Entscheidungs-Paradox: Je mehr Möglichkeiten Menschen haben, sich zu entscheiden, desto unglücklicher werden sie: unsicherer, wie sie sich entscheiden sollen, und unsicherer, ob sie sich richtig entschieden haben.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 30.05.2011 um 18:23 Uhr (Zitieren)

Ja, das glaube ich sofort. Wenn die Sache unüberschaubar wird, ist man nie sicher, ob man die OPTIMALE Lösung gefunden hat. So wie bei Versicherungen etc., die möglichst intransparent gestaltet werden. Man glaubt immer, ein anderer habe was besseres gefunden. Das macht viele unglücklich.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Πέγασος schrieb am 30.05.2011 um 20:06 Uhr (Zitieren)
Das Schlupf-Paradox ist in der Statistik als Alpha-/Beta-Fehler bzw. Fehler der 1./2. Art bekannt. Das ist nicht nur eine statistische Spielerei sondern hat durchaus große praktische Relevanz bei medizinischen Tests (seltener) Erkrankungen. Wie vielen Frauen wird z.B. ein völlig harmloser Knoten aus der Brust geschnitten, weil bei der Mammographie "etwas" gefunden wurde?
Unser Statistik-Dozent hat uns sehr darauf getrimmt, sowohl auf den alpha- als auch auf den beta-Fehler zu achten. Es soll auch viele Mediziner geben, die sich dieses Problems nicht bewusst sind; dazu hatte ich auch mal eine Studie in der Hand.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 30.05.2011 um 20:10 Uhr (Zitieren)
Hat dieses Paradox einen offiziellen Namen, und gibt es eine Quelle dazu (für meine Sammlung)?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Πέγασος schrieb am 30.05.2011 um 20:20 Uhr (Zitieren)
"Die Statistik suggeriert, man wisse etwas mit hinreichender Genauigkeit..."

Die Statistik suggeriert nie etwas, sondern die Menschen, die schlampig damit umgehen bzw. mehr oder weniger bewusst v.a. den beta-Fehler unterschlagen.
In der Darstellung von Andreas ließt sich das wie ein Paradox; m.E. ist das ein statistischer Taschenspielertrick: die Statistik wird benutzt, um etwas paradox erscheinen zu lassen - in diesem Falle sehr geschickt, ich gebe es zu.

Die Bezeichnung Schlupf-Paradox habe ich vorher noch nie gehört.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 30.05.2011 um 20:22 Uhr (Zitieren)
"Schlupf-Paradox" stammt von mir, s.o.
Deshalb frage ich nach einer offiziellen Bezeichnung (und Quelle) dieses Tricks.
Woher hat Andreas, woher hast Du das?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Πέγασος schrieb am 30.05.2011 um 20:24 Uhr (Zitieren)
Sehr unterhaltsam um gut verständlich werden dergleichen Phänomene dargestellt in:

"Der Schein der Weisen: Irrtümer und Fehlurteile im täglichen Denken" von Beck-Bornholdt und Dubben

http://www.nsl.ethz.ch/disp/reviews/152/152_beck.pdf
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 30.05.2011 um 20:27 Uhr (Zitieren)
Oh, danke, dieses Buch besitze ich sogar. Es ist dann das Kapitel 15: Krebstest im Test.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Πέγασος schrieb am 30.05.2011 um 20:27 Uhr (Zitieren)
Richtig, der "Schlupf" kam von Andreas, das Paradox dann von dir.
(Ich noch nicht ganz wach.)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 30.05.2011 um 20:28 Uhr (Zitieren)

Ich weiß es nicht mehr. In manchen Vorträgen benutze ich das Beispiel, um die Leute davon abzubringen, relative Wahrscheinlichkeiten absolut zu nehmen (es ist natürlich ein Trick).
Schlupf klingt harmlos: Schlimmer Schnupfen
Es ist kein Fachausdruck!
Die Statistik bietet einige Möglichkeiten, Menschen aufs Glatteis zu führen ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 30.05.2011 um 20:41 Uhr (Zitieren)
Ich hab's ja schon in dem von Πέγασος genannten Buch gefunden.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Πέγασος schrieb am 31.05.2011 um 14:07 Uhr (Zitieren)
Die Statistik bietet einige Möglichkeiten, Menschen aufs Glatteis zu führen ...


Ja, Sophisterei mit Zahlen... ;-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Εὐφροσύνη schrieb am 31.05.2011 um 14:15 Uhr (Zitieren)
Und dann war da noch der Statistiker, der in durchnittlich nur 20 cm tiefen Teich ertrank...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Πέγασος schrieb am 31.05.2011 um 17:04 Uhr (Zitieren)
Eine Bekannte verstand überhaupt nicht, wieso Durchschnittswerte nichts über den Einzelfall aussagen können.

Ich habe ihr dann so klargemacht: Die Wahrscheinlichkeit mit dem Flugzeug abzustürzen liegt bei 0,0...1%. Fällt aber das Flugzeug vom Himmel, sind die Insassen nahezu 100%ig tot.

Die können mit der durchschnittlichen Absturzwahrscheinlichkeit nicht getröstet werden.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 31.05.2011 um 17:40 Uhr (Zitieren)
Es gibt auch noch den Statistiker, der von der einen Seite gebraten und von der anderen tiefgefroren wird.
Im Durchschnitt ...

Daß statistische Zahlen Zahlen über große Mengen sind und nichts über Einzelfälle besagen (außer die Wahrscheinlichkeit, mit der sie auftreten, bezogen auf die Gesamtmenge, fällt mir immer wieder auf, wenn ich Statistiken über Begabungen (von Mädchen, von Jungen, von Unterschichtkindern usw.) lese. Den Menschen, mit dem ich es konkret zu tun habe, den muß ich als Individuum einschätzen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 03.06.2011 um 13:17 Uhr (Zitieren)
Eine verdeckte Paradoxie:
Nehmen wir an, was ein Meter ist, wird durch den Pariser Urmeter definiert. [Das geschieht heute anders, aber nehmen wir einmal an, es sei noch so.]
Wie lang ist dann der Pariser Urmeter?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Πέγασος schrieb am 03.06.2011 um 13:41 Uhr (Zitieren)
Da gab es doch diese Vermessungsexpedition zur Zeit der franz. Revolution, irgendein Bruchteil eines Abschnitts des Meridians des Globus ... jedenfalls ein Maß auf das man sich international in Paris einigen konnte. (Ein kleiner Rechenfehler wurde von keinem bemerkt...) Das war eine Festsetzung, um die unterschiedlichen Maße zu vereinheitlichen.
Insofern ist "Ur"meter etwas irreführend.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 03.06.2011 um 13:48 Uhr (Zitieren)
Ich meine diesen Platin-Iridium-Stab in Paris: Wie lang ist er?
(Die Paradoxie, die darin liegt zu sagen, er sei einen Meter lang, hat Ludwig Wittgenstein entdeckt.)
Wenn man den Meter definiert über eine Teilstrecke des Meridians, verschiebt sich das Problem: Wie lang ist die?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Πέγασος schrieb am 03.06.2011 um 14:00 Uhr (Zitieren)
Gute Frage. Soweit ich mich erinnere, wurden während der Expedition lauter Winkel gemessen, Triangulation ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 03.06.2011 um 14:09 Uhr (Zitieren)
Mit Triangulation kann man Entfernungen bestimmen. Die muß man dann aber in einer vorgegebenen Maßeinheit messen.
Wenn ich es recht sehe, muß man dann also schon über eine Maßeinheit verfügen.
Wittgenstein geht es um die Paradoxie, die entsteht, wenn man einen Maßstab (in diesem Falle wörtlich) auf sich selbst bezieht, in dem man fragt, wie lang er ist.

Beispiel:
1 Meter = so lang wie der Pariser Urmeter (Definition)
Wie lang, in Metern, ist der Pariser Urmeter?
Der Pariser Urmeter ist so lang wie der Pariser Urmeter - eine Tautologie.

In der Realität hat man seinerzeit vom Pariser Urmeter einige Kopien angefertigt und auf der Welt verteilt. Vor einigen Jahren hat man den Pariser Urmeter einmal aus seinem Tresor hervorgeholt und mit den Kopien verglichen. Ergebnis: Er war 'geschrumpft'.
Ich weiß nicht, ob dieses Rätsel inzwischen gelöst ist.
Damals waren einige putzige 'Erklärungen' im Umlauf, wie z.B. daß er gereinigt worden sei und die Putzfrau dabei Material abgeschrubbt habe.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 31.07.2011 um 13:50 Uhr (Zitieren)
Die Legende unseres Forums - dieser 'Thread'.

http://www.bilder-hochladen.net/files/id56-9-45c4.jpg
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 31.07.2011 um 22:53 Uhr (Zitieren)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
διψαλέος schrieb am 31.07.2011 um 22:58 Uhr (Zitieren)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 31.07.2011 um 23:03 Uhr (Zitieren)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
διψαλέος schrieb am 31.07.2011 um 23:06 Uhr (Zitieren)
Selbst Gevatter Tod ist eine multiple Persönlichkeit...
http://www.ka-tz.de/wp-content/img/9leben.jpg
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
διψαλέος schrieb am 01.08.2011 um 03:15 Uhr (Zitieren)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 01.08.2011 um 22:00 Uhr (Zitieren)
Seher müssten sich an die Zukunft "erinnern" können. D.h. sie leben quasi im Futur II.

Zwei Wahrsager unterhalten sich: "Der Sommer wird dieses Jahr sehr heiß werden." "Ja", sagt der andere, "das erinnert mich an den Sommer 2045."


Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
διψαλέος schrieb am 01.08.2011 um 22:15 Uhr (Zitieren)
Wie weit können Seher in die Zukunft blicken?
B-)
Gibt es da auch ein Plancksches Wirkungsquantum?
B-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
διψαλέος schrieb am 01.08.2011 um 22:17 Uhr (Zitieren)
Die berühmten Seher der griechischen Mythologie sahen ja immer nur Ereignisse voraus, von denen der Leser, resp. Zuhörer ja schon wusste, daß sie eingetreten waren...
B-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
διψαλέος schrieb am 01.08.2011 um 22:19 Uhr (Zitieren)
der unvermeidliche Teiresias, er taucht in nahezu jeder Tragödie auf, muß die Menschen ziemlich genervt haben...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
διψαλέος schrieb am 02.08.2011 um 17:36 Uhr (Zitieren)
Eher ein Kalauer als ein Paradoxon ist es,
wenn man durch die Marschlande radelt.

:o)
Speziell für Γραικίσκος:
Ist es "paradox", wenn ein Lehrer alle Schüler versetzt? (ins Pfandhaus bringt?)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 02.08.2011 um 18:30 Uhr (Zitieren)
Ich verstehe den Spaß mit dem Pfandhaus.
Aber wenn es möglich wäre, daß ein Lehrer Schüler versetzt, dann könnten wir uns viele hochinteressante Konferenzen ersparen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 02.08.2011 um 18:44 Uhr (Zitieren)

Logisch, oder?

Verkäufer: "Dieser Computer nimmt Ihnen die Hälfte der Arbeit ab."
Kunde: "Dann packen Sie mir zwei davon ein!"

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 02.08.2011 um 20:04 Uhr (Zitieren)
Das kann man sicher mal bei passender Gelegenheit verwenden!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 03.08.2011 um 21:05 Uhr (Zitieren)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 04.08.2011 um 17:01 Uhr (Zitieren)
Der Je-schlechter-desto-besser-Effekt, auch als Will-Rogers-Phänomen bekannt (Beck-Bornholdt/Dubben, 2001):

Man nehme als Evaluationsmaßstab die durchschnittlichen Leistungen der Schüler einer Klasse. Es möge zwei Parallelklassen geben, die in der Evaluation unterschiedlich gut abschneiden. Der Rektor sucht nun einen unterdurchschnittlichen Schüler der besseren Klasse aus, dessen Leistungen aber immer noch über dem Durchschnitt der anderen Klasse liegen. Der Wechsel dieses Schülers von der besseren zur schlechteren Klasse führt zu einer Verbesserung des Durchschnitts in beiden Klassen.

Fasst man die Ergebnisse allerdings in einer Gesamtgruppe für alle 3 Klassen wieder zusammen, zeigt sich, dass keine Verbesserung stattgefunden hat.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 04.08.2011 um 17:09 Uhr (Zitieren)
Ich verstehe den Effekt, bezogen auf die beiden Klassen.
Im letzten Abschnitt sprichst Du für mich überraschend plötzlich von drei Klassen. Gehst Du davon aus, daß die gesamte Jahrgangsstufe aus drei Parallelklassen besteht?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 04.08.2011 um 17:18 Uhr (Zitieren)

Nein, hatte mich vertippt. Es gibt 2 Parallelklassen.
Aus der besseren wird ein unterdurchschnittlicher Schüler, der aber noch besser ist, als die in der andern Klasse umgesetzt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 02.09.2011 um 14:33 Uhr (Zitieren)
Das Kneipp-Paradox:
Man muß kalt duschen, um warm zu werden.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 02.09.2011 um 18:43 Uhr (Zitieren)

Die Filme von Alfred Hitchcock wiederholt anzusehen ist eigentlich auch paradox: sie gewinnen ihren Reiz aus der Spannung (suspense), die aber bei wiederholter Betrachtung nicht entstehen kann.
Die bekannte Badewannenszene aus Psycho z.B. überrascht ja niemanden mehr. Dennoch wird der Film gelegentlich wiederholt. Und er gefällt mir sogar immer noch ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 02.09.2011 um 20:35 Uhr (Zitieren)
Auch ich kenne Filme, die ich immer wieder gerne sehe. Aber das muß etwas anderes als Spannung sein, oder? Dann kann man doch unmöglich gespannt sein, wie's ausgeht!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 02.09.2011 um 23:30 Uhr (Zitieren)

Vielleicht ist es die freudige Erwartung eines schauerlichen Ereignisses, das man bewusst und gezielt genießen kann und die Erinnerung an das Erlebnis der Spannung. Oder die Macht über das Opfer, das unweigerlich seiner grausamen Bestimmung zugeführt wird. Der vorprogrammierte Sieg über die Situation aus gesicherter Position im heimischen Sofa.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
διψαλέος schrieb am 03.09.2011 um 00:02 Uhr (Zitieren)
Alfred Hitchcock sagte mal, für den Zuschauer sei es erregender, wenn er wisse, was passiert,
aaber mit den Darstellern mitfiebern müsste:
Als Beispiel nannte er folgende Szene:
Zwei Männer sitzen an einem Tisch,
ohne zu wissen, daß unter dem Tisch eine Höllenmaschine tickt.
Der Zuschauer weiß es aber.
Nun fiebert der Zuschauer, ob die beiden Männer noch rechtzeitig erkennen, was da unter dem Tisch tickt.
Ein anderes Beispiel:
"Frenzy":
Der Täter wird relativ schnell offenbart.
Aber, die Szene auf dem mit der Leiche, den Kartoffeln und dem Täter beladenen Lastwagen,
währned einer irrwitzigen Fahrt der Täter versucht, ein Beweißstück seiner Taten wiederzufinden...

DA fiebert man mit dem Täter mit!

(Nein, ich bin nicht morbide...)
B-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
διψαλέος schrieb am 03.09.2011 um 00:05 Uhr (Zitieren)
argh!
mal wieder viele Tipfehler....
oder:
"Stranger on the Train"
Der Täter ist dem Zuschauer klar,
aber, wird der unschuldig Verdächtige seine Unschuld beweisen können?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
διψαλέος schrieb am 03.09.2011 um 00:15 Uhr (Zitieren)
Auf der Agora in Korinth:
Der neureiche Römer, mit Gattin und Kindern im Gefolge, schaut sich um:
"Hello, Boys, why do you have all kaputt macht?"
Ein Korinther: "Das ward ihr doch...."
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 27.09.2011 um 17:51 Uhr (Zitieren)

Auch paradox: rechtes Gedankengut (contradictio in se ipse)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 28.09.2011 um 19:54 Uhr (Zitieren)
Ein Fußballsachverständiger sagt: "X ist der absolute Favorit gegenüber Y."
Der Begriff 'absolut' verliert immer mehr seinen ursprünglichen Sinn (Gegenteil von 'relativ') und bedeutet inwischen nur noch: groß, sehr, extrem ...
Nie & nimmermehr: ab-solut!
Diesen Bedeutungswandel empfinde ich als megaschade.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 28.09.2011 um 20:02 Uhr (Zitieren)
Ich möchte damit sagen: 'Favorit' ist ein Relationsbegriff, 'absolut' ist die Negation jeder Relativität.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 28.09.2011 um 21:28 Uhr (Zitieren)

Absolut ist immer "losgelöst", unabhängig, ungebunden an etwas anderes. In der Physik die Lichtgeschwindigkeit, bei Alleinherrschern der absolutistisch regierende König, in der Kunst die Freiheit, in der Religion "Gott", in der Getränkeindustrie der Vodka.
Was ist in der Philosophie "absolut"?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
διψαλέος schrieb am 29.09.2011 um 01:13 Uhr (Zitieren)
in der Getränkeindustrie der Vodka.

L Ö L
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 05.10.2011 um 14:49 Uhr (Zitieren)
In der Philosophie:
- das Relative: das Endliche, das auf anderes Bezogene
- das Absolute: das Allumfassende
(so Hegel)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 05.10.2011 um 15:12 Uhr (Zitieren)
Hegel kennt den (paradoxen?) Begriff des "endlichen (schlechten) Unendlichen", z.B. die Menge der natürlichen Zahlen: als Zahlenmenge unendlich, aber eben nur Zahlen, nicht alles umfassend.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 05.10.2011 um 18:52 Uhr (Zitieren)

Eine sehr aktuelle Paradoxie: das Weltall dehnt sich mit zunehmender Geschwindigkeit aus. Man hatte angenommen, es müsse sich verlangsamen und vielleicht sogar wieder in sich zusammenfallen.

http://www.sueddeutsche.de/wissen/stockholm-kosmosforscher-erhalten-physik-nobelpreis-1.1154799

... helfen uns die Erkenntnisse der Nobelpreisträger in Physik 2011 dabei, Geheimnisse eines Universums zu entschleiern, das der Wissenschaft zu 95 Prozent unbekannt ist. "Und alles ist wieder möglich."


Offensichtlich ist nichts unmöglich, absolut klar oder
oder auszuschließen. Jedenfalls nicht heute.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 07.10.2011 um 15:19 Uhr (Zitieren)
Eine Uhr, die steht, geht zweimal am Tag richtig. Eine Uhr, die eine Minute vorgeht, geht niemals richtig. Also ist eine Uhr, die steht, besser als eine Uhr, die eine Minute vorgeht.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 07.10.2011 um 17:57 Uhr (Zitieren)
Schmunzel, das ist eine gute Argumentation !
Allerdings: Die Uhr, die steht, "geht" zwar 2 mal täglich richtig, man weiß aber nicht wann. Weiß man, dass die andere Uhr 1 Minute vorgeht, kann man die Zeit dennoch richtig bestimmen. Da eine Uhr der Zeitbestimmung dient, ist also die vorgehende Uhr besser.
Gangabweichungen sind in kleinem Maße auch nicht vermeidbar. Das hängt von der Qualität der Uhr ab. Insofern wäre jede "gehende" Uhr schlechter als eine stehende Uhr. Ich habe übrigens eine Funksolaruhr.
Die geht wenigstens 1 mal am Tage richtig ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 09.10.2011 um 11:14 Uhr (Zitieren)
Wenn ich weiß, daß meine Uhr eine Minute vorgeht, dann zeigt sie mir die richtige Zeit an, obwohl sie mir die falsche anzeigt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 09.10.2011 um 12:42 Uhr (Zitieren)

Das hatte ich ja gesagt. Wahrnehmung und Messung hängen voneinander ab. Der Eisvogel fängt seinen Fisch ja auch, obwohl er seinen Eintauchwinkel der Lichtbrechung der Wassers anpassen muss. Der Fisch schwimmt nicht da, wo man ihn sieht. Weiß man das, ist das Problem gelöst.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 09.10.2011 um 12:51 Uhr (Zitieren)
Das hattest Du gesagt, klar. Mir ist nur aufgefallen, daß auch darin wieder eine Paradoxie liegt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 09.10.2011 um 14:17 Uhr (Zitieren)
Das hatten wir noch nicht, glaube ich:
Das Satellitenparadoxon

Ein Satellit wird in niedrigerem Orbit schneller obwohl er die Reibung der Atmosphäre überwinden muss.

Verliert ein Satellit aufgrund der atmosphärischen Reibung an Energie (er muss "Reibungsarbeit" verrichten), so sinkt er auf eine niedrigere Bahn ab. Das Keplersche Gesetzt besagt aber, dass die Bahngeschwindigkeit bei geringerem Abstand zum Mittelpunkt (geringerem Radius) höher wird. Der Satellit wird also durch Reibung schneller. Die Energieerhaltung bleibt erfüllt, da der Zuwachs an kinetischer Energie (der Satellit wird ja schneller) durch die Abnahme der Potentiellen Energie (der Satellit kommt der Erde näher) ausgeglichen wird. (Mehr hierzu in: Physik für Ingenieure, Dobrinski, Krakau und Vogel)


http://www.die-erde-im-visier.de/allgemein/wie-kommt-ein-satellit-in-seine-umlaufbahn/das-satelliten-paradoxon
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Πέγασος schrieb am 24.10.2011 um 12:14 Uhr (Zitieren)
Eben kam in den SWR2-Nachrichten:

Die Banken sollen gezwungen werden, freiwillig auf Geld aus Griechenland zu verzichten.

Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 24.10.2011 um 12:16 Uhr (Zitieren)
Soll nicht auf diese Weise auch die Frauenquote in den Führungspositionen der deutschen Wirtschaft durchgesetzt werden?
Oder handelt es sich um das alte "Und bist du nicht willig, so brauch' ich Gewalt"?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 24.10.2011 um 12:18 Uhr (Zitieren)
Aus Anlaß des gestrigen Konzerts von Mark Knopfler (& Bob Dylan) in Oberhausen, bei dem er "Brothers in Arms" gesungen hat:
"We have just one world / Though we live in different ones."
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
διψαλέος schrieb am 24.10.2011 um 18:44 Uhr (Zitieren)
Warst du da???
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 24.10.2011 um 18:46 Uhr (Zitieren)
Ja. Einer von 11000.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 24.10.2011 um 18:47 Uhr (Zitieren)
Es war der Auftakt zu einer Deutschlandtournee der Beiden.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 24.10.2011 um 18:49 Uhr (Zitieren)
Mark Knopfler im Vorprogramm. Wer außer Bob Dylan kann sich das erlauben?

http://www.wdr2.de/musik/konzertberichte/dylan100.html
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 24.10.2011 um 21:28 Uhr (Zitieren)

Mal angenommen, ein Nichtschwimmer fällt in den Brunnen des ewigen Lebens ... ertrinkt er dann?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 24.10.2011 um 21:35 Uhr (Zitieren)
I wo, er wird für ewig Halt in einer Mauerspalte finden ... :-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 21.11.2011 um 17:15 Uhr (Zitieren)
An unserer Schule werden Schüler aufgefordert, ihre Hausaufgaben in grammatisch vollständigen Sätzen zu formulieren.
Soeben habe ich zwei Hausaufgaben in bloßen Stichworten gelesen ... und an den Rand geschrieben: "Vollständige Sätze!"

(Die Paradoxie habe ich noch gerade rechtzeitig bemerkt.)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 21.11.2011 um 17:51 Uhr (Zitieren)

Wenn die Korrekturen umfangreicher formuliert werden als der Text der Hausaufgaben, könnte dies allerdings die Schüler auch demoralisieren. Allein die viele rote Farbe dürfte doch jedes Selbstwertgefühl zernagen. Die SMS-Generation unterhält sich ohnehin nur noch in Kürzeln.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 21.11.2011 um 18:01 Uhr (Zitieren)
Die SMS-Generation unterhält sich ohnehin nur noch in Kürzeln.

Die zitierte Regel soll dem entgegenwirken. Allerdings müssen auch wir Lehrer uns natürlich daran halten.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 21.11.2011 um 18:38 Uhr (Zitieren)

Quod licet Iovi non licet bovi ... eine Korrektur ist keine Hausaufgabe.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 21.11.2011 um 18:43 Uhr (Zitieren)
"Quod licet Iovi ..."
Diesen Spruch will ich bei nächster Gelegenheit gerne im Unterricht zitieren ... aber nur, wenn ich in der Tür stehe und der Fluchtweg frei ist.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 21.11.2011 um 18:48 Uhr (Zitieren)

Wer sich mit den Knechten gemein macht ist bald Knecht der Knechte ... oder so ähnlich lautet ein anderes Zitat ( den Urheber müsste ich noch finden).
Regeln sind doch immer auf die Anwendung und Situation bezogen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 21.11.2011 um 19:12 Uhr (Zitieren)
Schüler als Knechte?
Oje, ich werde nicht nur einen Fluchtweg, sondern ein Lauftraining benötigen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 21.11.2011 um 19:49 Uhr (Zitieren)

Nunja ... aber man sollte doch als Lehrer keine Angst haben. Servus servorum Dei ... Knecht der Knechte Gottes, daher war der Spruch: ein Ausdruck des Papstes für den Papst. Spätestens jetzt wären die Schüler sicher nicht mehr zu halten ... da hilft auch keine gewaltfreie Erziehung mehr. Ich ziehe meine Zitat-Empfehlung zurück!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Hylebates schrieb am 22.11.2011 um 14:00 Uhr (Zitieren)
Heute habe ich gelesen:
Grünes Licht für Schwarz-Rot in Berlin.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 22.11.2011 um 18:55 Uhr (Zitieren)

Hier ist eine schöne Animation des Ferguson Paradoxons:

http://www.mekanizmalar.com/fergusons_paradox.html
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 23.11.2011 um 19:40 Uhr (Zitieren)
Das ist doch etwas, das hierher gehört:
Frage: Haben Sie keine Einwände gegen die Politik unseres Ministerpräsidenten Wladimir Putin?

Mögliche Antworten:
0 Ja, ich habe keine Einwände.
0 Nein, ich habe keine Einwände.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 23.11.2011 um 19:41 Uhr (Zitieren)
P.S.:
Wäre es töricht zu fragen, was an den Zahnrädern paradox sein soll? Daß jedes eine eigene Richtung hat?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ὑληβάτης schrieb am 23.11.2011 um 20:31 Uhr (Zitieren)
Nein, gar nicht töricht. Ich habe zuerst die Videos über diese Flatterteile für das Paradoxon gehalten, weil ich gar nicht wusste, was das (das Paradoxon) ist.

Die deutsche Sprache ist doch herrlich paradox, wenn es um verneinte Fragen geht, oder nicht?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 23.11.2011 um 20:58 Uhr (Zitieren)
(Ist eine Übersetzung aus dem Russischen; da geht das offenbar auch.)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 24.11.2011 um 20:15 Uhr (Zitieren)
Angenommen, es gibt 1000 Lose in einer Lotterie und nur einen Gewinn. Es ist vernünftig, von jedem Los zu glauben, daß es sehr wahrscheinlich nicht gewinnen wird. Es muß also vernünftig sein zu glauben, es sei sehr unwahrscheinlich, daß irgendeines der tausend Lose gewinnen wird – das heißt, vernünftig, zu glauben, es sei sehr unwahrscheinlich, daß es ein Gewinnlos gibt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 24.11.2011 um 20:17 Uhr (Zitieren)
Angenommen, daß:

A denkt, daß 2+2=4.
B denkt, daß Hunde Reptilien sind.
C denkt, daß eine ungerade Anzahl der gegenwärtigen Gedanken von A, B und C wahr ist.

Ist das, was C denkt, wahr oder nicht?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 24.11.2011 um 20:27 Uhr (Zitieren)

Nein.
Nur wenn C denkt, daß eine gerade Anzahl der gegenwärtigen Gedanken von A, B und C wahr ist, geht es auf (also 2, nämlich A und C)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 24.11.2011 um 20:29 Uhr (Zitieren)

Und ja, denn nur A (also 1= ungerade) ist richtig.
Er denkt falsch und liegt damit richtig.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 24.11.2011 um 20:32 Uhr (Zitieren)
Aber wenn das, was C denkt, falsch ist, dann ist eine ungerade Anzahl der Gedanken wahr, nämlich nur A.
Also ist das, was C denkt, wahr ... wenn es falsch ist.

Das ist ja das Paradoxe daran.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 24.11.2011 um 20:33 Uhr (Zitieren)
Du hast es schon selber herausgefunden.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 24.11.2011 um 20:51 Uhr (Zitieren)

Auch dem Gedächtnis scheint ein Paradoxon inne zu wohnen:

Zu Amtszeiten können sich Politiker an nichts erinnern. Im Ruhestand schreiben sie dann ihre Memoiren.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 25.11.2011 um 15:39 Uhr (Zitieren)
Angenommen, jemand, dem Sie unbedingt vertrauen, stellt Sie vor eine Wahl: sie können entweder Kasten A oder Kasten B nehmen. Was auch immer geschieht, $ 100 sind in Kasten B, außerdem werden weitere $ 10000 in Kasten A sein, genau dann wenn Sie unvernünftig wählen. Was sollten Sie tun?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 25.11.2011 um 17:32 Uhr (Zitieren)

Ich suche mir einen C und verspreche ihm 100 $, wenn er mir den Kasten B ungeöffnet aushändigt. Dann wähle ich Kasten A und zahle ihm die 100 $, die darin sind.. Den Inhalt von Kasten B packe ich dann zuhause aus ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Εὐφροσύνη schrieb am 25.11.2011 um 19:56 Uhr (Zitieren)
Das Zahnrad-Paradox: http://www.zeno.org/Lueger-1904/A/Paradoxon+von+Ferguson
--> paradox, weil es sich "unerwartet" verhält.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 26.11.2011 um 17:00 Uhr (Zitieren)
Unerwartet, aber nicht logisch widersprüchlich.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 27.11.2011 um 14:45 Uhr (Zitieren)
A: „Die Ansichten vieler Menschen erscheinen mir sehr dumm!“
B: „Woher nimmst du dir das Recht, andere Menschen zu beurteilen?“
A: „Und was tust du soeben?“
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 06.12.2011 um 19:47 Uhr (Zitieren)

Ignoriere, was ich sage!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 06.12.2011 um 21:27 Uhr (Zitieren)
Ignore this sign!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 06.12.2011 um 21:44 Uhr (Zitieren)
Das ist von Paul Watzlawick überliefert. Kennt man den noch? War mal sehr berühmt (Konstruktivismus).
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 06.12.2011 um 21:52 Uhr (Zitieren)

Das ist der , der nicht nicht kommunizieren kann ...

Eine Frage zum Zeitparadoxon

Eigentlich sind beide Paradoxa bekannt, aber was passiert, wenn man sie verknüpft?
Wir verbinden das Zwillingsparadoxon, das eigentlich eine Reise eines Zwillings in die Zukunft mittels Rakete, die mit annähernd Lichtgeschwindigkeit reist, beschreibt, während der Bruder auf der Erde verbleibt, mit dem Vergangenheitsparadox, wo der Enkel den Großvater vor der eigenen Geburt tötet.
Wir nehmen also an, dass ein Zwilling 50 Jahre in die Vergangenheit reist und seinen eigenen Großvater erschießt, der andere Zwilling aber 80 Jahre zurückreist. Zu dem Zeitpunkt des Mordes müsste die Existenz beider Zwillinge unmöglich sein, was auch die Ermordung des Großvaters unmöglich macht. Das würde die Geburt der Zwillinge ermöglichen und damit auch den Mord. Nunja. In der 80 Jahre zurückliegenden Vergangenheit hat der Mord aber noch gar nicht stattgefunden. Der andere Zwilling müsste dann ja noch 30 Jahre existieren können, also bis zu dem Zeitpunkt, da sein Bruder den Großvater erschießt. Oder? Dann wären subjektive Realität (aus Sicht des Zwillings, der 80 Jahre zurückreist) und objektive Realität (aus Sicht des unbeteiligten Betrachters) parallel möglich, bis sich die Realitäten im Zeitpunkt des Mordes treffen. Oder hatte ich einen Riesling zuviel?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 07.12.2011 um 13:57 Uhr (Zitieren)
Einen Riesling zuviel. Oder ich einen zuwenig.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 07.12.2011 um 18:53 Uhr (Zitieren)
Das "Murmelparadoxon":

Ein Seil wird so zurecht geschnitten, dass es genau um ein Murmel passt. Nun nehmen wir das Seil und verlängern es um einen Meter. Wie viel Abstand hat das Seil jetzt von der Murmel?
Das Gleiche kann mit der Erde machen. Hier wird das Seil um den Äquator gelegt und anschließend auch um einen Meter verlängert. Und auch hier ist nach dem Abstand gefragt.

Das – scheinbar - Paradoxe ist, daß der Abstand in beiden Fällen gleich groß ist, also bei der Murmel mit knapp 16cm erstaunlich (relativ zur Läge des Seiles) klein und bei der Erde mit knapp 16 cm erstaunlich (relativ) groß.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Χρονος schrieb am 09.12.2011 um 02:26 Uhr (Zitieren)
Wie wäre es mit:

"vegetarisches Chili con Carne"
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 09.12.2011 um 15:07 Uhr (Zitieren)
Das Murmel- bzw. Erdumfang-Paradox habe ich nie verstanden, trotz der mathematischen Formel. Ist das schonmal getestet worden?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 09.12.2011 um 17:28 Uhr (Zitieren)
Ist das schonmal getestet worden?


Nein, braucht man auch nicht.

Hier die passende Erklärung in Form einer Rechnung:

Der gesuchte Abstand zwischen Erdoberfläche und Seil wird im Folgenden als s bezeichnet, r ist der Abstand zwischen Erdmittelpunkt und Erdoberfläche. U(a) steht für den alten Umfang des Seils.

Es gilt:

2 π r = U(a) (Formel für den Umfang eines Kreises)
2 π (r + s) = U(a) + 1 (Umfang des neuen, größeren Kreises)
<=> 2 π r + 2 π s = U(a) + 1
<=> 2 π s = 1
=> s = 1/(2 π )

Somit ergibt sich für s ein Wert von ungefähr 0,16m also 16cm.

Da die obenstehende Rechnung ohne konkrete Werte für r und U(a) auskommt, gilt dies für jede beliebige Kugel (jeden bel. Kreis) - ganz unabhängig davon, welche Größe sie besitzt. Somit gilt der gleiche Wert auch für eine Murmel, einen Tischtennisball, die Erde oder auch die Sonne.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 09.12.2011 um 19:26 Uhr (Zitieren)
[Frage:] Ist das schonmal getestet worden?

[Antwort:] Nein, braucht man auch nicht.

Selten habe ich den blinden Glauben an die Mathematik deutlicher ausgesprochen gefunden. Das experimentum crucis interessiert gar nicht mehr.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 09.12.2011 um 19:32 Uhr (Zitieren)
Das ist so wie bei Zenon: Ich zeige es logisch, und was wir sehen, interessiert mich nicht.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 09.12.2011 um 19:34 Uhr (Zitieren)

den blinden Glauben an die Mathematik


Wieso?

Man nehme eine Murmel, einen Fußball oder Medizinball und probiere es experimentell aus.
Das Ergebnis wird klar sein. Der Größe der Gegenstände setzt nur das Inventar des eigenen Haushalts Grenzen ... probiers aus!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 09.12.2011 um 21:05 Uhr (Zitieren)
den blinden Glauben an die Mathematik

Wieso?

Man nehme eine Murmel, einen Fußball oder Medizinball und probiere es experimentell aus.
Das Ergebnis wird klar sein.

Das meine ich.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 09.12.2011 um 21:31 Uhr (Zitieren)

Ja, hast du es ausprobiert?

Das ist keineswegs "blinder Glaube". Man kann es nachvollziehen und experimentell prüfen. Daher sagte ich: "das Ergebnis wird klar sein."

Übrigens leben Millionen Menschen in Deutschland in Gebäuden, obwohl sie sich "blind" auf die statischen Berechnungen der Ingenieure verlassen müssen. Bei der Überquerung von Brücken verlässt sich jeder auf die korrekte mathematische Berechnung. Man verlässt sich auf die Gewissenhaftigkeit der Statiker und setzt voraus, dass sie sich der mathematischen Methoden bedienen, die gesichert sind. Das ist doch nicht "blind". Die Resultate sind lediglich manchmal verblüffend oder erscheinen "paradox".

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 10.12.2011 um 08:03 Uhr (Zitieren)
Das Gleiche kann mit der Erde machen. Hier wird das Seil um den Äquator gelegt und anschließend auch um einen Meter verlängert. Und auch hier ist nach dem Abstand gefragt.

Inzwischen bin ich davon überzeugt, daß man das bei der Erde - wo es mich am meisten verblüfft - gar nicht überprüfen kann, wg. Bergen, Wäldern, Tälern und Meeren.
Es ist mehr ein Gedankenspiel, nicht wahr?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 10.12.2011 um 11:11 Uhr (Zitieren)

Natürlich kann man ein Seil praktisch kaum um die Erde oder Sonne legen. Aber es ist kein Gedankenspiel, sondern praktisch anwendbar, da man ja kleiner Gegenstände benutzen kann, um zu zeigen, dass der Abstand zum Objekt nicht von der Größe abhängt. Die Größenunterschiede lassen das Ergebnis nur paradox erscheinen. Die Erde ist natürlich als Kugel gedacht. Das ist dann ein Gedankenspiel - um die Verblüffung zu steigern.

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 10.12.2011 um 11:18 Uhr (Zitieren)
Mit dem "Glauben an die Mathematik" meine ich folgendes:
1. Die Mathematik entwickelt Vorstellungen, deren Gegenteil (so sagt es David Hume) unmöglich, nämlich in sich widersprüchlich ist. Darauf beruhen ihre Beweise. Aber warum soll es unmöglich sein, daß etwas sich widerspricht? Das ist ja gerade das Thema dieses Paradoxie-Komplexes hier. Manche Paradoxien mögen auflösbar, d.h. Schein-Paradoxien sein. Aber alle?

2. Die Mathematik ist eine Geisteswissenschaft, keine Naturwissenschaft. Sie beschreibt geistige Entitäten. Mit welchem Recht wird sie auf die Natur übertragen? (Diese Frage hat sich schon Einstein gestellt und es als das größte Rätsel bezeichnet, daß man das kann.) Nun, in der Regel funktioniert diese Übertragung ganz gut. Aber diese traumwandlerische Sicherheit, daß die Natur so sehr durch Mathematik bestimmt wird, daß es dazu im Einzelfall nichteinmal mehr des Experimentes bedarf ("Das Ergebnis wird klar sein."), woher stammt sie? Wodurch ist sie berechtigt?
Kant hat zur Sicherung und Rechtfertigung dieser Möglichkeit eine überaus komplexe Theorie synthetischer Urteile a priori entwickelt, die darauf hinausläuft, daß das erkennende Subjekt den Objekten seine Gesetzmäßigkeiten - u.a. die Mathematik - vorschreibt, um sie überhaupt erkennen zu können. Für die Natur an sich (die "Dinge an sich"), d.h. sofern sie nicht Gegenstand unserer Erkenntnis ist, gilt diese Übertragbarkeit klarerweise nicht bei Kant. Eine sehr komplexe Theorie, der heute - soweit ich sehe - kaum noch jemand folgen mag, insbesondere Mathematiker nicht, die Kants Ansicht, ihre Aussagen seien synthetische Sätze a priori, ablehnen.
Hingegen gibt es wohl noch etliche Mathematiker, die Platoniker sind - eine andere Art, die hier anstehende Frage zu beantworten.
Freilich ist der Platonismus alles andere als eine derartige Selbstverständlichkeit, daß er sich nicht mehr der experimentellen Bestätigung stellen müßte.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 10.12.2011 um 11:19 Uhr (Zitieren)
Und nun möchte ich gerne noch wissen, wie man eine Schnur um den Äquator legen kann.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 10.12.2011 um 11:19 Uhr (Zitieren)
Ich sehe da auch nichts von "blinden Glauben an Mathemathik". Andreas´Beispiel zeigt sehr schön, dass die Mathemathik (der sich ja gerade die Physik häufig bedient) klar zeigt, dass "s" völlig unabhängig von r und U(a) ist und dann ein scheinbares Paradoxon auflöst.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 10.12.2011 um 11:20 Uhr (Zitieren)
Ja, das zeigt die Mathematik. Aber Andreas hat eben nicht nur über mathematische Objekte, sondern über physische Gegenstände gesprochen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 10.12.2011 um 11:22 Uhr (Zitieren)
Viele Berechnungen in der Physik beziehen sich auf konkrete Objekte. Die Mathemathik benötigen wir auch zur Beschreibung eines Experiments.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 10.12.2011 um 11:22 Uhr (Zitieren)
Und wenn selbst Einstein darüber gestaunt hat, daß das möglich ist, dann darf doch auch ich staunen.

Übrigens trifft der Beweis doch auf Kreise und Kugeln zu, oder? Gibt es denn in der Natur mathematische Kreise und Kugeln? Die Erde ist keine.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 10.12.2011 um 11:24 Uhr (Zitieren)
Einstein hat sich gerade um Berechnungen theoretischer Art bemüht, die dann später experimentell bestätigt wurden.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 10.12.2011 um 11:26 Uhr (Zitieren)
So ist es. Diesen Weg empfinde ich als völlig korrekt. Sobald wir Mathematik auf die Natur anwenden, brauchen wir das Experiment. Wir dürfen die Gültigkeit nicht a priori voraussetzen - wie es hier geschehen ist: "Nein, braucht man auch nicht."
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 10.12.2011 um 11:29 Uhr (Zitieren)
Doch darf man. Da die Vorraussetzungen bereits geklärt sind.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 10.12.2011 um 11:32 Uhr (Zitieren)
Bei Einstein waren es Gedankengebäude, z.B. in der Relativitätstheorie, die völlig neu waren. Außerdem waren Experimente dazu nicht so einfach durchzuführen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 10.12.2011 um 11:46 Uhr (Zitieren)
D.h. man kann mithilfe von Mathematik Beweise in den Naturwissenschaften führen, welche das Induktionsproblem (Verallgemeinerungsproblem) unterlaufen?
Wenn etwas mathematisch notwendig so ist, dann wissen wir a priori, daß es auch in der Natur notwendig so ist - obwohl in der Natur keine mathematischen Entitäten (perfekte Kreise, Kugeln) vorkommen?

Dann hätte ja die ganze Diskussion ab Karl Poppers "Logik der Forschung" einen völlig falschen Weg eingeschlagen! Und all die hier versammelten Gedanken/Argumente, daß "alles alles beweist" (Goodman, Quine) wären irrig!?

Mir kommt das nach wie vor wie ein Glaube vor.
Ich lerne die Früchte dieses Glaubens vor allem in Form von Handwerkern und Technikern kennen. Manchmal schmunzeln wir gemeinsam, wenn das Gerät eben nicht das tut, was es nach allen Regeln der Kunst tun müßte. Speziell "Computer haben ihren eigenen Willen" - was ein Zitat eines dieser Fachleute ist.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 10.12.2011 um 11:50 Uhr (Zitieren)
Wenn alles, was schon geklärt ist, immer wieder nachgewiesen werden müsste, käme man z.B. in der Physik nicht weiter. Der Kugelumfang ist halt schon bekannt...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 10.12.2011 um 11:52 Uhr (Zitieren)
...man zieht dann weitere Schlüsse. Gerade im Bereich der Röntgenstrukturanalyse, in der mein Vater als Physiker gearbeitet hat, spielte das eine große Rolle.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 10.12.2011 um 11:54 Uhr (Zitieren)
Er sagte auch einmal: Leute, die die Mathematik nicht verstehen, bezweifeln diese auch immer.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 10.12.2011 um 11:58 Uhr (Zitieren)
die die Mathematik nicht verstehen, bezweifeln diese auch immer.

Ich ahne, worauf/auf wen Du das beziehst. Aber ich habe hier eigentlich nicht die Mathematik bezweifelt, sondern nur die Frage nach ihrer Anwendung gestellt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 10.12.2011 um 12:12 Uhr (Zitieren)
D.h. man kann mithilfe von Mathematik Beweise in den Naturwissenschaften führen, welche das Induktionsproblem (Verallgemeinerungsproblem) unterlaufen?


Nur, wenn man die Voraussetzungen nicht geklärt hat. Beispiel:
Aspirin (Acetylslicylsäure) ist ein normalerweise bei Menschen harmlos ( Unverträglichkeiten und Überdorsierungen natürlich ausgenommen). Dasselbe Medikament ist für Hunde oder Katzen sehr schädkich. Setzt man statt "Mensch" verallgemeinernd "Tier", weil der Mensch ja auch ein Tier ist, würde der Mathematiker aus der Kenntnis der Harmlosigkeit für Menschen eine allgemeine Aussage machen, die nicht zutrifft. Das hebelt aber nicht die Mathematik aus, sondern zeigt nur, dass man zuerst die Bestandteile kennen und genau definieren muss.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 10.12.2011 um 12:13 Uhr (Zitieren)
Dies von Andreas gehört doch eigentlich hierher, oder?
a2 ist a Quadrat; b2 ist b Quadrat

Angenommen a = b
Multiplikation mit a a2 = ab
Minus b2 a2 - b2 = ab - b2
Faktorisierung (a + b)(a - b) = b(a - b)
Division durch (a - b) a+b=b
Setzt man nun a=b=1:

also 2 = 1


Man kann das hier aber doch ganz normal schreiben ... Test: a², b².
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 10.12.2011 um 12:27 Uhr (Zitieren)
(a+b)(a-b)=b(a-b)
Wenn du jetzt durch (a-b) auf beiden Seiten dividierst,würde a+b=b herauskommen, aber du teilst bei a=b=1 durch 0, was nicht möglich ist.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 10.12.2011 um 12:54 Uhr (Zitieren)

Genau! Das ist der "Trick".

Behauptung: Alle Menschen sind glücklich!

Sei:

A = die Gesamtheit der Menschen
G= die Menge der glücklichen Menschen
U= die Menge der unglücklichen Menschen

So gilt:

A = G + U
(die Menge der glücklichen und unglücklichen Menschen ergibt die Gesamtmenge der Menschen)

A = G + U > Multiplikation mit (A - G)
A(A – G) = (G + U) * (A – G) > ausklammern
A2 – AG = GA – G2 + UA – UG > Subtraktion von UA
A2 – AG - UA = GA – G2 – UG > Klammern
A( A – G – U) = G ( A – G – U) > Kürzen : (A – G – U)
A = G

, d.h. die Gesamtheit der Menschen und die Menge der glücklichen Menschen sind gleich.
q.e.d. ???

... auch hier teil man durch Null!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 10.12.2011 um 22:58 Uhr (Zitieren)
Ich möchte auch noch ein Beispiel zeigen, wo Theorie vor der Praxis kam und eine große Bedeutung erlangte, obwohl der Urheber keine Ahnung vom "Experiment" hatte:
Die Maxwell-Gleichungen...
Maxwell sagte praktisch theoretisch mathematisch die Ausbreitung von elektromagnetischen Wellen voraus ....der Beweis erfolgte später.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 11.12.2011 um 01:02 Uhr (Zitieren)
Aber ich habe hier eigentlich nicht die Mathematik bezweifelt, sondern nur die Frage nach ihrer Anwendung gestellt.


Wenn man die Frage nach der Anwendung stellt, muß man auch die Mathematik verstehen. Wenn man Philosophie betreibt, sollte man das berücksichtigen. Ich bin deshalb so hartnäckig, weil ich das oft in der Philosophie bezweifle. Früher (Leibniz) war das anders.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 11.12.2011 um 01:13 Uhr (Zitieren)
Leibniz ist für mich auch einer der bedeutensten Wissenschaftler und Philosophen..
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.12.2011 um 07:49 Uhr (Zitieren)
Andreas' Beispiel mit dem Aspririn kommt meinem Problem schon recht nahe. Man darf dessen unbedenkliche Wirkung auf Menschen nicht auf Katzen übertragen, bloß weil beide Tiere sind.
[Am Rande gefragt: Wirkt Aspirin für alle Menschen unbedenklich? Ich kenne mich da überhaupt nicht aus - aber ich wette, daß es da einen Beipackzettel mit Warnungen gibt.]

Nun zitiere ich Andreas:
Das Gleiche kann mit der Erde machen. Hier wird das Seil um den Äquator gelegt und anschließend auch um einen Meter verlängert. Und auch hier ist nach dem Abstand gefragt.

Wird hier nicht etwas, das mathematisch für Kugeln [idealisierte mathematische Körper] bewiesen worden ist, auf die Erde übertragen, die bekanntlich keine Kugel ist?
Nebenbei: Ich weiß immer noch nicht, wie man bei der Erde dieses Experiment (über Berge hinweg, durch Täler, Meere, Dschungel, Städte) durchführen sollte - dieses Experiment, von dem gesagt wurde:
Nein, braucht man auch nicht.


Auf Βοηθός' Versuch einer Kritikimmunisierung, indem ich wg. mangelnder Mathematikkenntnisse als Gesprächspartner disqualifiziert werde, gehe ich nicht näher ein.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 11.12.2011 um 09:46 Uhr (Zitieren)
Kritikimmunisierung... Ok, dann halte ich mich aus dieser Diskussion raus .
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.12.2011 um 10:58 Uhr (Zitieren)
Ich kann nur meine Fragen wiederholen:

1. Gilt dies
2 π r = U(a) (Formel für den Umfang eines Kreises)
2 π (r + s) = U(a) + 1 (Umfang des neuen, größeren Kreises)
<=> 2 π r + 2 π s = U(a) + 1
<=> 2 π s = 1
=> s = 1/(2 π )

auch - wie behauptet! - für die Erde, die eben kein mathematischer Kreis und keine mathematische Kugel ist?

2. Falls ja, wie sollte man das messen (= experimentell überprüfen), wovon gesagt worden ist, das 'brauche man nicht' ?

3. Falls nein, gilt das mathematische Gesetz nicht nur für mathematische, d.h. idealisierte Kreise bzw. Körper?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 11.12.2011 um 11:35 Uhr (Zitieren)
Mein Beispiel mit der Erde sollte auch nur das Prinzip verdeutlichen. Man muss übrigens auch nicht messen, dass ein Mensch den Sturz aus 1000 m Fallhöhe auf Beton ungebremst nicht überlebt. Da reicht es, die Beschleunigung zu berechnen.

Natürlich gilt es für idealisierte mathematische Kreise bzw. Körper. Die Erde ist ja nun durch Satelliten vermessen worden und ähnelt ein wenig einer Kartoffel. Allerdings ist sie am Äquator doch nahezu kreisrund.

Da fällt mir so ein:
Wo müsste man den Spanngurt des Seils für die Erde eigentlich aufstellen? Welche Kräfte würden da wirken? Und würde das Seil mit der Atmosphäre machen, wenn es reißt?

Mein Beispiel mit der Erde sollte auch nur das Prinzip verdeutlichen. Man muss übrigens auch nicht messen, dass ein Mensch den Sturz aus 1000 m Fallhöhe auf Beton ungebremst nicht überlebt. Da reicht es, die Beschleunigung zu berechnen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.12.2011 um 11:42 Uhr (Zitieren)
O.k. Jetzt habe ich verstanden, was Du meinst. Und die Erdvermessung ist schwierig.

Der höchste freie Fall, den ein Mensch ungebremst überlebt hat, ist aus der Höhe von 3000 Metern erfolgt. Zwar ist er auf den Ozean aufgeprallt, aber im Zeitungsbericht stand ausdrücklich, daß es bei dieser Höhe zwischen Meerwasser und Beton keinen wesentlichen Unterschied gebe.
Dem Bericht zufolge hatte er so ziemlich jeden einzelnen Knochen gebrochen. Aber er hat überlebt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 11.12.2011 um 11:58 Uhr (Zitieren)

Ja, sowas passiert manchmal. In dem u.a. Beispiel führt der Mann, der den Sturz aus dem 39. Stock (170 km/h Aufprallgeschwindigkeit) überlebt hat, auf ein physikalisch nicht berechenbares Phänomen zurück: das Kruzifix in seiner Wohnung.

Ich hätte ja zuerst das Kruzifix fallen lassen und experimentell die Wirksamkeit getestet. Aber er ist ja nicht freiwillig gesprungen.

http://www.sueddeutsche.de/panorama/sturz-aus-metern-hoehe-ein-gluecksfall-1.995730
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.12.2011 um 12:04 Uhr (Zitieren)
Das sind Gläubige. Wenn 1000 Kruzifixinhaber aus dem Fenster stürzen und sterben, der 1001. aber überlebt, dann schauen sie einen mit leuchtenden Augen an und sagen: "Siehst du?!"
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 11.12.2011 um 12:17 Uhr (Zitieren)

Genau. Ein Strenggläubiger würde einfach über die 1000 Unglücklichen sagen: ihr Glaube war nicht stark genug.

Der Highlander würde sagen:"Es kann nur einen geben."
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.12.2011 um 12:25 Uhr (Zitieren)
Vielleicht rührt meine Skepsis gegenüber der Physik auch von daher - weil wir nämlich einen Physiklehrer hatten, dessen Experimente in aller Regel mißlangen, der aber bei jedem gelungenen Experiment strahlend sagte: "Seht ihr?!"
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.12.2011 um 12:26 Uhr (Zitieren)
Nunja, Physiker wie Philosophen sind auch nur Menschen ... und "errare humanum est".
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.12.2011 um 12:31 Uhr (Zitieren)
Ist dies auch eine Paradoxie?
[quote]"Menschen können irren, Computerprogramme nicht."[quote]
Das hat mir mal ein Informatiker gesagt, und der sah ziemlich menschlich aus.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 11.12.2011 um 13:02 Uhr (Zitieren)

Die Titanic war ja auch unsinkbar. Nur der Meeresspiegel hat verrückt gespielt.

P.S. Unser Physiklehrer hieß Wiemann. Seine Experimente waren legendär und erzeugten ein geflügeltes Wort unter uns Schülern:"Wie man`s macht macht Wiemann`s falsch." (er war recht beliebt).
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
διψαλέος schrieb am 13.12.2011 um 05:31 Uhr (Zitieren)
dessen Experimente in aller Regel mißlangen, der aber bei jedem gelungenen Experiment strahlend sagte: "Seht ihr?!"


Aus meiner Schulzeit:
Ein Experiment ist fehlgeschlagen.
Der Lehrer: "Sehen Sie, meine Herren, kein Ergebnis, Null!"
Unser Primus: "Herr Studienrat, auch 'Null' ist ein Ergebnis..."
Der Herr Studienrat hob den Zeigefinger: "Jawohl!"
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 13.12.2011 um 21:54 Uhr (Zitieren)
[...] was sich widerspricht, ist nichts. So richtig dies ist, so unrichtig ist es zugleich.
Widerspruch und Nichts sind doch wenigstens voneinander unterschieden. Der Widerspruch ist konkret, er hat noch einen Inhalt, er enthält noch solche, die sich widersprechen, er spricht sie noch, er sagt es aus, von was er der Widerspruch ist; das Nichts hingegen spricht nicht mehr, ist inhaltslos, das vollkommene Leere. Diese konkrete Bestimmung des einen und die ganz abstrakte des anderen ist ein sehr wichtiger Unterschied.
Ferner ist auch Nichts gar nicht der Widerspruch. Nichts widerspricht sich nicht, es ist identisch mit sich; es erfüllt daher den logischen Satz, daß etwas sich nicht widersprechen solle, vollkommen,
oder wenn dieser Satz so ausgesprochen wird: nichts soll sich widersprechen, so ist dies nur ein Sollen, das keinen Erfolg hat, denn Nichts tut das nicht, was es soll, es widerspricht sich nämlich nicht.
Wenn aber thetisch gesagt wird: nichts, was ist, widerspricht sich, so hat es damit unmittelbar seine Richtigkeit, denn das Subjekt dieses Satzes ist ein Nichts, was aber ist; aber Nichts selbst als solches ist nur einfach, die eine Bestimmung, die sich selbst gleich ist, sich nicht widerspricht.

So nur treibt die Auflösung des Widerspruches in Nichts, wie sie der Verstand macht, sich im Leeren oder näher im Widerspruche selbst herum, der durch solche Auflösung sich in der Tat als noch bestehend, als unaufgelöst kundgibt. [...]

[Quelle: G. W. F. Hegel, Werke in zwanzig Bänden. Herausgegeben von Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel. Frankfurt/M. 1969; Bd. 17, S. 482 f.]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 13.12.2011 um 21:55 Uhr (Zitieren)
Hegel über das Axiom vom zu vermeidenden Widerspruch ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 13.12.2011 um 22:27 Uhr (Zitieren)

Im Nirwana widerspricht sich nichts mehr. Auf beiden Seiten der Gleichung steht eine Null, also nichts.
Das ist trivial, oder?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 13.12.2011 um 22:56 Uhr (Zitieren)
Angenommen, ich habe 10 Äpfel, du nimmst 10 weg. Wie viele bleiben dann übrig? “
„Keiner.“
„Falsch, alle 10! Du hast sie ja nur weggenommen, nicht auf aufgegessen.
Angenommen, du isst alle 10 auf. Wie viele bleiben dann übrig?“
„Keiner.“
„Falsch: Keiner kann nicht übrig bleiben, da er ja keiner ist. Daher müssen alle übrigbleiben, nur nirgends!“

Denn nach Anselm kann das Nichtsein nicht sein, denn wenn es "ist", dann kann es nicht nicht sein.

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 24.12.2011 um 10:20 Uhr (Zitieren)
Die Lektüre von Paul Watzlawicks "Anleitung zum Unglücklichsein" hat mich mit einigen weiteren Paradoxien bekannt gemacht:
CLXXV.

Ein mit dem Etikett ‚Geisteskranker‘ Versehener gilt für verrückt, solange er die Beziehungsdefinition „Wir sind nor-mal, du bist verrückt“ stillschweigend hinnimmt, und für verrückt, wenn er sie in Frage stellt.


CLXXVI.

Ein wirksamer Störfaktor in Beziehungen besteht [...] darin, dem Partner nur zwei Möglichkeiten zur Wahl zu geben und, sobald er eine wählt, ihn zu beschuldigen, sich nicht für die andere entschieden zu haben.


CLXXVII.

Das inoffizielle Motto des Puritanismus: Du darfst tun, was du willst, solange es dir keinen Spaß macht.


CLXXVIII.

Sei spontan!
Vergiß X!
Schlafe tiefer!


CLXXIX.

Rousseau an Madame d’Houdetot: „Wenn Sie mein werden, so verliere ich, eben dadurch, daß ich Sie dann besitze, Sie, die ich ehre.“
Groucho Marx: „Es würde mir nicht im Traum einfallen, einem Klub beizutreten, der bereit wäre, jemanden wie mich als Mitglied aufzunehmen.“


CLXXX.

Ich achte mich selbst nicht.
Ich kann niemanden achten, der mich achtet.
Ich kann nur jemanden achten, der mich nicht achtet.


CLXXXI.

Alan Watts: „Das Leben ist ein Spiel, dessen Spielregel Nr. 1 lautet: Das ist kein Spiel, das ist todernst.“

Die einzige Regel, die dieses Spiel beenden könnte, ist nicht selbst eine seiner Regeln.

(Die Nummern beziehen sich auf meine Sammlung.)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 28.12.2011 um 19:13 Uhr (Zitieren)
Könnte aus der BILD Zeitung sein ...

Politiker fordern: Todesstrafe für Selbstmordattentäter!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 03.01.2012 um 20:49 Uhr (Zitieren)
Das gab's ja auch in unserer eigenen Tradition, bezogen auf Menschen, die einen Suizid versucht hatten; die Todesstrafe diente dabei 1. der sozialen Diskriminierung und 2. der Vermögensbeschlagnahmung zuungunsten der Verwandten. Für die vor allem war das also keineswegs ein schlechter Scherz.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 04.01.2012 um 22:53 Uhr (Zitieren)

Ein kontroverses Thema ist schon lange die Frage der Autorenschaft der 5 Bücher Mose.
Der jüdisch - christlichen Tradition zufolge war der Autor - Moses (wer sonst?).
Das 5. Buch Mose endet mit dem Tod des Autors - Moses (Dtn 34).
Paradox? Für manche nicht:
Laut orhodoxer jüdischer Auslegung hat Moses dies selbst offenbart, niedergeschrieben und dann wurde es von seinem Nachfolger - Josua - mit unwesentlichen Änderungen kopiert, nicht verfasst.
Damit bleibt die Autorenschaft bei Moses.

Aber, warum musste das dann noch einmal aufgeschrieben werden?







Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 05.01.2012 um 11:52 Uhr (Zitieren)
Daß die Niederschrift des eigenen Todes paradox ist, verstehe ich. Daß man sich das behelfsmäßig mit einer 'Prophezeiung', niedergeschrieben von Josua, erklärt hat, kann ich nachvollziehen.

Deine letzte Frage aber verstehe ich nicht. Die Niederschrift diente doch der 'Information' über den Tod des Moses, oder?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 25.01.2012 um 14:08 Uhr (Zitieren)
Wenn man einem (jungen) Menschen strikt verbietet zu lachen, kann man ihn dadurch zum Lachen bringen. Das daraufhin verschärfte Lachverbot steigert das Lachen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 25.01.2012 um 17:44 Uhr (Zitieren)
Das Unterbewußtsein filtert die Negation einfach aus; weswegen mentales Training (u. a.) aus positivem Denken bestehen muß. Gleichzeitig dürfte da auch der "Mechanismus" des
"Denken Sie jetzt _nicht_ an rosa Elefanten!",
also des als gedankliches Objekt notwendigerweise in die Vorstellung Gerufenen, wirksam sein.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 31.01.2012 um 20:57 Uhr (Zitieren)
Ost-Westfalen.
("Da weiß man ja überhaupt nicht, wo man hinfahren soll." Manfred Lütz)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 31.01.2012 um 21:08 Uhr (Zitieren)
Manfred Lütz arbeitet in einer psychiatrischen Klinik in Köln, rechtsrheinisch.
Autobahn-Ausfahrt: Köln-Wahn.
Das ist allerdings nicht paradox.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
διψαλέος schrieb am 31.01.2012 um 21:12 Uhr (Zitieren)
Manfred Lütz ist gut!

"Es gibt Menschen, die leben überhaupt nicht mehr richtig, die leben nur noch vorbeugend und sterben dann gesund, aber auch wer gesund stirbt, ist definitiv tot." - Interview vom 27. Juli 2006, CreditSuisse In Focus
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 31.01.2012 um 21:27 Uhr (Zitieren)
Die Leber wächst mit ihren Aufgaben, behauptet Eckart von Hirschausen. Gilt das nicht auch für das Gehirn? Der Kabarettist Jürgen Becker ist da anderer Auffassung. Er hält Bandwürmer evolutionär für fortgeschrittener, weil sie das Gehirn wieder abgeschafft hätten. Sie lebten als Schmarotzer im Darm, seien bestens ernährt und fühlten sich auch sonst sauwohl. Ein Gehirn sei da völlig überflüssig. Wir Menschen dagegen steckten voller Probleme. Wir hätten größte Schwierigkeiten, uns reibungslos zu ernähren, effektiv fortzupflanzen und auch sonst Spaß am Leben zu haben. Daher müssten wir ein Gehirn mit uns herumschleppen, das Probleme löst, die wir ohne dieses überflüssige Luxusorgan gar nicht hätten.

(Manfred Lütz: Irre! wir behandeln die Falschen. München 9. Aufl. 2011, S. XVI)

Sagt ein Gehirn!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 31.01.2012 um 21:27 Uhr (Zitieren)
(Eckart von Hirschhausen)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 31.01.2012 um 22:18 Uhr (Zitieren)
Ja, das Buch habe ich auch gerne gelesen.
Auf Seite 184 bestätigt er den Satz meiner Oma ("man soll sich nicht ständig von binnen bekieken"):

Vor allem sollte man sich nicht andauernd mit seiner Psyche befassen.

und schließt das Buch mit einem Zitat von Aldous Huxley:
"Die Medizin ist so weit fortgeschritten, dass niemand mehr gesund ist."


Es gibt eben keine Gesunden mehr, nur noch schlecht durchdiagnostizierte Patienten ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 08.02.2012 um 15:44 Uhr (Zitieren)
Heute im KStA:

Ein Kind, auf ein Eis eingeladen:" Nein, danke; ich bin laktose-intolerant."
Homer Simpson: "Ich dulde keine Intoleranz!"

;-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 08.02.2012 um 15:46 Uhr (Zitieren)
"Ich dulde keine Intoleranz!"

Sehr schön!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 08.02.2012 um 15:54 Uhr (Zitieren)
Ich weiß nicht, ob wir das schon hatten:
Spontanität will gut überlegt sein... ;-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 08.02.2012 um 16:06 Uhr (Zitieren)
"Hagenbuch hat jetzt zugegeben ...
...
Immer hatte der Leiter der Schule
In den verschiedenen Pausen kleiner und größerer Art
Sein Fenster mehrmals geöffnet
Und in den Hof hinuntergerufen
Ungezwungen seid ungezwungen
Kinder seid ungezwungen ungezwungen
Mehrmals am Tage habe
So Kastner
Der Leiter dieses Stück Wort in den Hof gerufen ..."

Muß ich dazu die Quelle angeben?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 28.02.2012 um 20:16 Uhr (Zitieren)
Lewis Carroll
(1832-1898)

DER PFARRHAUSSCHIRM
(ca. 1850; veröffentlicht postum 1898)

Die zwei Uhren

Welche ist besser: eine Uhr, die nur einmal im Jahr richtig geht, oder eine, die zweimal am Tag die richtige Zeit anzeigt?
„Die zweite“, antwortest du, „keine Frage.“
Sehr gut, jetzt sei aufmerksam. Ich habe zwei Uhren: eine geht überhaupt nicht, die andere geht jeden Tag eine Minute nach. Welche würdest du bevorzugen?
„Die, die nachgeht“, antwortest du, „ohne Zweifel.“
Jetzt gib acht: Die Uhr, die jeden Tag eine Minute nach-geht, muss zwölf Stunden nachgehen, oder 720 Minuten, bevor sie wieder richtig steht – also geht sie nur einmal in zwei Jahren richtig; die andere hingegen ist immer richtig, wenn die Zeit, die sie anzeigt, gekommen ist; dies geschieht zweimal am Tag. Somit hast du dir einmal widersprochen.
„Ah, aber“, sagst du, „was ist der Sinn dass sie zweimal am Tag richtig steht, wenn ich nicht sagen kann, wann die Zeit gekommen ist?“
Wieso? Nimm an, die Uhr zeigt auf acht Uhr, siehst du nicht, dass die Uhr um acht Uhr richtig ist? Demnach, wenn es acht Uhr wird, geht deine Uhr richtig.
„Ja, das sehe ich“, antwortest du.
Sehr gut, dann hast du dir zweimal widersprochen. Jetzt rette dich aus der Schwierigkeit, so gut es geht, und wider-sprich dir nicht noch einmal, wenn du es schaffst.
Du könntest weiter fragen: „Wie kann ich wissen, wann es acht Uhr ist? Meine Uhr wird es mir nicht sagen.“
Sei geduldig: Du weißt, dass deine Uhr, wenn es acht Uhr wird, richtig geht, sehr gut; dann ist deine Regel folgende: Behalte deine Uhr fest im Auge, und im gleichen Moment, in dem sie richtig steht, wird es acht Uhr sein.
„Aber ...“, sagst du.
Schluss, das soll reichen; je mehr du argumentierst, desto weiter gerätst du von der Sache ab, also können wir genauso gut aufhören.

[Quelle: http.//www.classicnovel.com/Books/Lewis%20Carroll/Complete Works; Übersetzung: Daniel Tiszay]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 02.04.2012 um 15:01 Uhr (Zitieren)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 03.04.2012 um 00:21 Uhr (Zitieren)
"O meine Freunde, es gibt keine Freunde mehr!"
( [Ein]Aristoteles [gelegentlich ins Nest geschmuggeltes Kuckucksei])
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 03.04.2012 um 11:54 Uhr (Zitieren)
Wo, bei wem ist dieses Kuckucksei denn gelegt worden?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 03.04.2012 um 12:41 Uhr (Zitieren)
Mir kommt das immer wieder unter, zuletzt im Zuge der Renaissance der Philosophie
der Freundschaft in den letzten 20 Jahren: "Mit dem Wort »Freund« verbindet man jetzt nicht mehr dieselben Ideen wie früher; deshalb kann man in unserem Jahrhundert mit Aristoteles ausrufen: »o meine Freunde, es gibt keine Freunde mehr!« " (Klaus-Dieter Eichler: Philosophie der Freundschaft, 1999 S.255) Derrida gebraucht es auch irgendwo.
Aber schon im 19.Jhdt. heißt es, in der "Allgemeine Zeitung München"
von Johann Friedrich von Cotta beispielsweise:
"Eine Denkschrift, Streitigkeiten zwischen dem Generaladvokaten bei dem Kassations-Gerichtshofe, Henri Lariviere, und Hrn. Fauche-Berel [...] betreffend, wurde neuerlich zu Paris ausgetheilt. Sie führt das angeblich aus Aristoteles genommene Motto: Freunde! es gibt keine Freunde mehr."
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 03.04.2012 um 13:17 Uhr (Zitieren)
Herzlichen Dank. Also offenbar kein antikes Kuckucksei.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 03.04.2012 um 13:48 Uhr (Zitieren)
Bitte - ich habe noch ein wenig recherchiert...es handelt sich offensichtlich um eine Paradoxie,
die die Aristoteles-Übersetzer vergangener Jahrhunderte aus einer Stelle erzeugt haben, die ursprünglich nur davon spricht, dass, wer viele Freunde, eigentlich keinen (richtigen) Freund hat.
http://tinyurl.com/cwmord8
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 03.04.2012 um 13:55 Uhr (Zitieren)
Oh, Montaigne, Kant ...!
Aristoteles, Eudemische Ethik 1245b 20: "Keinen Freund hat, wer viele Freunde hat." Aristoteles zitiert hier anscheinend; dem Kommentar zufolge hilft Diogenes Laertios V 21 weiter. Da schaue ich gleich nach.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 03.04.2012 um 14:12 Uhr (Zitieren)
Nein, Diogenes Laertios führt nicht hinter Aristoteles zurück, sondern schreibt nur, Favorin habe erwähnt, daß Aristoteles dies immer wieder gesagt habe: "Wer viele Freunde hat, hat keinen Freund."
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
διψαλέος schrieb am 10.05.2012 um 22:24 Uhr (Zitieren)
Ich muß diesen Thread beglücken.

Ein aktuelles Paradoxon:
Die FDP büßt in Schleswig-Holstein fast die Hälfte ihres Stimmenanteils ein, wird aber als Sieger gefeiert, bzw. feiert sich selbst als Sieger.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 10.05.2012 um 22:27 Uhr (Zitieren)
Oja, in diesem Bereich gibt es zahlreiche Paradoxien: Verlierer, die ihren Sieg feiern (weil die Niederlage nicht größer war) &c.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 10.05.2012 um 22:47 Uhr (Zitieren)
Es gab auch Sieger, die ihre Niederlage feierten ...

Graecia capta ferum victorem cepit et artes intulit agresti Latio ... Horaz
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.05.2012 um 15:27 Uhr (Zitieren)
"Sich widersprechen heißt fast immer: sich erinnern", sagt Butscha in Balzacs Roman Modeste Mignon.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Εὐφροσύνη schrieb am 12.05.2012 um 17:28 Uhr (Zitieren)
Soeben beim Bäcker:
"Ein halbes Mehrkornbrot, bitte!"
"Geschnitten oder im Ganzen?"
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 12.05.2012 um 17:52 Uhr (Zitieren)
(Da musste ich gerade länger drüber nachdenken als ich zugeben sollte.)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 12.05.2012 um 17:56 Uhr (Zitieren)
Kennt man vielleicht schon: http://www.youtube.com/watch?v=JwmqKa1KWlc
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 16.05.2012 um 11:12 Uhr (Zitieren)
Bertrand Russell: "Moore, sagst du immer die Wahrheit?"
George Edward Moore: "Nein. - Aber das ist bisher meine erste Lüge."
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 17.05.2012 um 12:42 Uhr (Zitieren)
"Ich sage nichts, und das sage ich." (John Cage)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 17.05.2012 um 13:10 Uhr (Zitieren)
Verbales Äquivalent zu "4:33".
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 17.05.2012 um 13:13 Uhr (Zitieren)
Gibt es einen vergleichbaren Fall, in dem Nichts eine solche Berühmtheit erlangt hat wie "4:33"?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 17.05.2012 um 13:18 Uhr (Zitieren)
Wie ist es mit dem isolierten "Niemand wird lesen, was ich hier schreibe [...]" aus dem wunderbaren unter dem Titel "Der Jäger Gracchus" bekannten Text Franz Kafkas? Man kann den Satz natürlich (den literarischen Kontext ignorierend) als bloße Prognose betrachten, die jedes Mal, wenn sie doch jemand liest, widerlegt wird - aber die selbstreferentielle Struktur ist gegeben und die
Widerlegung in der Lektüre unvermeidbar. Ersetzt man "wird lesen" durch "kann lesen" oder "liest" tritt das noch deutlicher hervor, wobei der Satz allerdings verliert.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 17.05.2012 um 14:05 Uhr (Zitieren)
Der Jäger Gracchus, das habe ich gleich nachgelesen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 01.07.2012 um 14:26 Uhr (Zitieren)
Der ganze Alltag ist paradox!

(1) Ich weiß, wo mein Auto geparkt ist (da ich es dort vor 20 Minuten selbst abgestellt habe).
(2) Ich weiß nicht, ob mein Auto in den letzten 20 Minuten gestohlen (oder abgeschleppt) wurde.
(3) Wenn ich nicht weiß, ob mein Auto in den letzten 20 Minuten gestohlen wurde, dann weiß ich auch nicht, wo mein Auto geparkt ist.
d.h.
(4) Ich weiß nicht, wo mein Auto geparkt ist. (3), (2), also: Widerspruch zu (1)

Daraus ergibt sie ein erkenntnistheoretisches Problem:

- Sollen wir eine skeptische Position einnehmen und wegen des Widerspruchs ganz normale Wissensansprüche des Alltags wie (1) aufgeben?

- Oder sollen wir die deduktive Abgeschlossenheit des Wissens bestreiten?
also:

Wenn ich weiß, wo man Auto geparkt ist, dann weiß ich auch, dass es nicht gestohlen wurde.


Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 01.07.2012 um 14:37 Uhr (Zitieren)
Mir scheint, (1) ist einfach falsch und müßte stattdessen lauten: "Ich weiß, wo ich mein Auto vor 20 Minuten geparkt habe."
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 01.07.2012 um 14:54 Uhr (Zitieren)

Ja. Und damit muss man jede Erkenntnis relativieren. Es gibt kein absolutes Wissen. Alles ist vorläufig und damit spekulativ im Hinblick auf die Realität. Schlüsse sind daher nicht möglich, mindestenz aber unsicher.
Die Deskription erlaubt keine beweisbare Schlußfolgerung.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 01.07.2012 um 14:57 Uhr (Zitieren)
Das Induktionsproblem, nicht wahr? Die Übertragung von Beobachtungssätzen auf die Folgezeit.
Das gilt freilich nur für empirische, nicht für a priori wahre Sätze (deren kontradiktiorisches Gegenteil einen Widerspruch enthält). Aber dies - ob es nicht wahre Widersprüche gebe - ist ja genau das Problem in diesem Thema hier.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 01.07.2012 um 14:59 Uhr (Zitieren)
Jedenfalls unterscheidet man traditionell analytische und synthetische Sätze ... obgleich auch diese Unterscheidung (von Quine z.B.) bestritten worden ist.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 01.07.2012 um 15:10 Uhr (Zitieren)

Hume würde wohl sagen, dass das Auto zwar dort parken sollte, aber nicht geschlossen werden kann, dass es das auch tut, nur weil es vor 20 min noch dort war. Überträgt man es auf die Ethik, gibt es keine übergeordnete Regel, die man aus der Vernunft ableiten könnte.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 01.07.2012 um 15:17 Uhr (Zitieren)
Die Übertragung auf die Ethik verstehe ich nicht, weil ethische Sätze präskriptiv (normativ) und nicht deskriptiv sind. Die Ableitung z.B. von Kants kategorischem Imperativ erfolgt rein logisch/vernünftig: um einen Widerspruch in den von mir vertretenen Handlungsregeln zu vermeiden.
Wer lügt, vertritt als Lügner die Regel "Man darf lügen", als potentielles Opfer von Lügen hingegen die Regel "Man darf nicht lügen". Deswegen ist die Maxime "Ich darf unter bestimmten Umständen lügen" keine widerspruchsfrei verallgemeinerbare Maxime.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 23.07.2012 um 18:06 Uhr (Zitieren)
Simpsons Paradox

Ein berühmter Statistik-Irrtum heißt "Simpsons Paradox", nach dem britischen Statistiker E. H. Simpson, der es 1951 zum erstenmal vorstellte. Ein Arzt will ermitteln, wie gut ein neues Medikament anschlägt. Er plant deshalb Versuche in den zwei Städten, aus denen seine Patienten vornehmlich stammen. In Goatville gibt er 1000 Patienten das herkömmliche Medikament und 10000 Menschen das neue. In Doortown macht er's absichtlich anders: 10000 Patienten werden behandelt wie bisher, und nur 100 Patienten bekommen das neue Medikament. Nach einiger Zeit sieht seine Erfolgsstatistik so aus:

Effektivität der Behandlung

a) Goatville

Herkömmlich (1000)
nicht effektiv: 950 (95 %)
effektiv: 50 (5 %)

Neu (10000)
nicht effektiv: 9000 (90 %)
effektiv: 1000 (10 %)

b) Doortown

Herkömmlich
nicht effektiv: 5000 (50 %)
effektiv: 5000 (50 %)

Neu
nicht effektiv: 5 (5 %)
effektiv: 95 (95 %)

Ein schönes Ergebnis: das neue Medikament ist offenbar effektiver. Der Arzt schickt seine Ergebnisse nicht nur an die Fachpresse, sondern auch an die Redaktion vom Generalanzeiger für Goatville, Doortown und Umgebung.
Ein Volontär will darüber schreiben und erhält vom Chefredakteur den Rat "Bringen Sie höchstens eine einzige Tabelle, alles andere verwirrt den Leser". Gesagt, getan, der Volontär addiert die Statistiken beider Städte und bekommt folgende Tabelle heraus:

Effektivität der Behandlung

Herkömmlich
nicht effektiv: 5950 (54 %)
effektiv: 5050 (46 %)

Neu
nicht effektiv: 9005 (89 %)
effektiv: 1095 (11 %)

- wonach das neue Mittel schlechter ist als das alte! Der Volontär entwirft deshalb einen Artikel mit der Überschrift: "Angebliches Wundermittel: Die statistischen Tricks der Pharma-Lobby".

(entnommen aus: Gero von Randow, Das Ziegenproblem. Denken in Wahrscheinlichkeiten. Reinbek 1992, S. 88 f.]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 24.07.2012 um 16:09 Uhr (Zitieren)
Die Auflösung habe ich nicht dazugeschrieben; auf die kommt Ihr ja selber.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 24.07.2012 um 17:31 Uhr (Zitieren)
Herk.: n. e. 72,5 % - e. 27,5 %
Neu: n. e. 47,5 % - e. 52,5 %
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 26.07.2012 um 12:52 Uhr (Zitieren)
Terenz Eun. 192: praesens absens

(Sinn: physisch da, doch im Geiste abwesend)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
διψαλέος schrieb am 26.07.2012 um 16:39 Uhr (Zitieren)
Kennst Du das nicht von Deinen Schülern?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 27.07.2012 um 11:45 Uhr (Zitieren)
Michael Clark
Paradoxien von A bis Z
Ditzingen 2012
Philipp Reclam jun. Verlag
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 15.08.2012 um 14:01 Uhr (Zitieren)
Die Cantor-Paradoxie:
Die Menge aller Mengen, S, ist sicherlich die größte Menge von Mengen, die es gibt. Aber die Potenzmenge der Menge aller Mengen ist größer als S.

[Quelle: Michael Clark, Paradoxien von A bis Z. Stuttgart 2012, S. 57-65]

Diese Paradoxie ist umstritten. Die Intuitionisten lehnen sie wegen des in ihr verwendetren Begriffs des Unendlichen ab; andererseits versaucht man, sie durch Verbot des selbstbezüglichen Begriffes einer Menge aller Mengen zu umgehen.

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 16.08.2012 um 17:36 Uhr (Zitieren)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 18.08.2012 um 11:32 Uhr (Zitieren)
Ist das nicht so ähnlich wie etwa die Frage, ob die Menge der natürlichen Zahlen größer sei als die Menge der Quadratzahlen?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 18.08.2012 um 11:40 Uhr (Zitieren)
Cantor beweist, daß die Potenzmenge der Menge aller Mengen größer ist als die Menge aller Mengen; darin liegt gerade die Paradoxie.
(Die Potenzmenge besteht aus allen möglichen Kombinationen der Elemente einer Menge.)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 18.08.2012 um 12:03 Uhr (Zitieren)
Aber das gilt ja nur für endliche Mengen. Von verschieden großen unendlichen Mengen zu sprechen, erscheint mir unzulässig.

So ja auch bei dem von mir angeführten Beispiel: wenn wir endliche Mengen vergleichen, etwa die Menge der natürlichen Zahlen < 100 (1000, 10000 ...) mit der Menge der Quadratzahlen < 100 (1000, 10000 ...), dann ist evident, dass letztere kleiner ist.

Wenn wir dagegen die unendlichen Mengen der natürlichen Zahlen und der Quadratzahlen vergleichen, dann erweist sich, dass beide Mengen gleich mächtig sind, denn jeder natürlichen Zahl a ist genau eine Quadratzahl b=a² zugeordnet.

Das verbindet sich auch mit der Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, den Begriff der Unendlichkeit zu gebrauchen, da er ja auf diese Weise zu einer Endlichkeit gemacht wird.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 18.08.2012 um 12:19 Uhr (Zitieren)
Der Beweis von Cantor umfaßt in der Darstellung von Clark mehrere Seiten. Er ist zweistufig: Zunächst beweist Cantor, daß die Menge aller Mengen und die Potenzmenge aller Mengen nicht gleichgroß sein können; dann beweist er, daß die Potenzmenge nicht kleiner sein kann; bleibt: größer.
Zu den Details muß ich Dich auch die Darstellung von Clark in seinem (lesenwerten und kostengünstigen) Buch verweisen.

Daß der hier verwendete Begriff der Unendlichkeit umstritten ist, trifft - wie ich erwähnt habe - zu: von den Intuitionisten wird er abgelehnt.

Dann verweist Clark noch darauf, daß Bertrand Russell durch Cantors Paradox zu seiner Mengenantinomie inspiriert worden ist. Seine Lösung ist bekannt: die Menge aller Mengen ist eine illegitime Menge. Die Probleme dieser Lösung sind sicherlich ebenfalls bekannt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 11.09.2012 um 23:05 Uhr (Zitieren)
Sprache birgt eine Vielzahl paradoxer Ausdrücke:

Wird die Regel "Ausnahmen bestätigen die Regel" durch Ausnahmen bestätigt?

Wundert man sich, wenn der Florist sagt: „Diese Blumen sind natürlich künstlich!“ ???

Wie erklärt man einem Engländer, dass das Wort "Kleinschreibung" großgeschrieben wird ? (das Wort "großgeschrieben" wird kleingeschrieben…)

Beunruhigt es Grundschüler, dass das Wort "Verb" kein Verb ist ?
Oder, dass das "Fremdwort" kein Fremdwort, ein "Lehnwort" kein Lehnwort ist ?

Ach, ja : Wenn Sachsen angeln - sind das dann Angelsachsen?

Ist ein Philologe irritiert, wenn man über eine „Doppelhaushälfte“ redet? Und nimmt ein Mathematiker diesen Ausdruck anders wahr ?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 12.09.2012 um 20:05 Uhr (Zitieren)
1. ist prima, logisch interessant.
3./4. ist der - auch im Englischen geläufige - Unterschied zwischen "homolog" und "heterolog".
6. ist lustig!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 18.10.2012 um 17:40 Uhr (Zitieren)
A: „Essen Sie eine Bratwurst mit mir?“
B: „Nein, ich esse kein Fleisch.“
A: „Sind Sie Vegetarier?“
B: „Nein, ich hasse es nur, Fleisch zu essen. Das einzige, was ich noch mehr hasse, als Fleisch zu essen, sind Vegetarier.“

(Harry Rowohlt)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 18.10.2012 um 19:30 Uhr (Zitieren)

Versündigt sich ein strenger Vegetarier, wenn er eine Venus-Fliegenfalle isst?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Anastasia schrieb am 18.10.2012 um 22:44 Uhr (Zitieren)
Als Vegetarier versündigt man sich nicht, weil es ja kein Fleischverbot gibt. Ich jedenfalls habe diesen Lebensstil höchst freiwillig gewählt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
διψαλέος schrieb am 19.10.2012 um 02:25 Uhr (Zitieren)
Die allermeisten Menschen sind unfreiwillig Vergetarierer.
Denn sie können sich keine fleischliche Nahrung leisten.
Das größte Verbrechen an der Menschheit ist die Börse in Chikago, der Lebensmittelbörse.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Anastasia schrieb am 19.10.2012 um 09:54 Uhr (Zitieren)
Genau das ist das Problem: Die meisten Menschen sind unfreiwillig Vegetarier. Würde die Mehrheit freiwillig einen vegetarischen Lebensstil wählen, gäbe es weniger Hunger auf der Welt, denn es ist ja bekannt, dass das siebenfache an Anbaufläche für sogenannte Fleischproduktion benötigt wird. Erfreulicherweise werden solche Zusammenhänge in letzter Zeit in der Öffentlichkeit stärker thematisiert.

Für mich stellt sich auch die Frage, mit welchem Recht wir mit Tieren so umgehen, wie wir es tun. Bestie Mensch, sorry to say!

Ohne Fleisch fehlt dir nichts!
Tiere sind kein Lebensmittel!

Anmerkung: So offensiv bin ich selten!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 19.10.2012 um 17:02 Uhr (Zitieren)

Das ist wirklich paradox!

Schuhe, Armbanduhr, Damentäschchen, Jacken, Mäntel, Hosen u.a. sind häufig aus LEDER. Das bekommt man aber nur, wenn Tieren buchstäblich das Fell über die Ohren zieht.
Essen ja, Schmuck und Kleidung nein .... naja. Wie überleben vegetarische Frauen ohne Schuhe und Handtasche? Wie kann ein Mann ein Auto ohne Lederlenkrad fahren?
Es greift etwas kurz, wenn man nur Lebensmittel mit Tieren in Verbindung bringt. Allerdings ist es natürlich richtig, dass Fleisch eine Verschwendung natürlicher Ressourcen ist. Weniger wäre ökologisch sicher besser.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 21.10.2012 um 19:43 Uhr (Zitieren)
Das ist eine Frage an Vegetarier. Manche werden an diesen Aspekt noch nicht gedacht haben, andere schon. Ein ähnliches Problem sind vermutlich auch Medikamente, die im Tierversuch getestet werden.

Am Rande: Der Verzicht auf Fleisch bedeutet nicht mehr glückliche Tiere, sondern weniger Tiere überhaupt, denn welcher Erzeuger wird Tiere halten, wenn er sie nicht vermarkten kann?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike (off topic)
διψαλέος schrieb am 21.10.2012 um 22:33 Uhr (Zitieren)
Was nützt es, wenn die paar Millionen Europäer
ihren Fleischkonsum einschränken oder gar
aufgeben, aber mit steigendem Wohlstand
die drei Milliarden Chinesen und Inder auf den
Geschmack kommen werden?
Nun, bei den Indern sehe ich auf Grund
der traditionellen Religionen eine gewisse
Hoffnung, daß sie sich zurückhalten.
(Wohlgemerkt, nicht alle Inder sind traditionell
aus religiösen Gründne Vergetarier.)

China kauft auf der ganzen Welt Anbauflächen für Futtergetreide an.
(Natürlich für chinesisches Vieh)
Wir könnten es noch erleben, daß die meisten Europäer
Zwangsvegetarier werden, weil der gemeine Europäer
sich finanziell den Fleischkonsum nicht mehr leisten werden kann.
----
Der Mensch ist nun mal ein Pantophage,
bzw. auf tierische Kost bzw. Produkte angewiesen.
Oder, was glaubt ein Vegetarier, was Muttermilch sei?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
διψαλέος schrieb am 21.10.2012 um 22:41 Uhr (Zitieren)
Tägliches Abendgebet eines Carnivoren:
"in Deo speravi non timebo quid faciat caro mihi"

B-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 27.10.2012 um 13:19 Uhr (Zitieren)
Oder, was glaubt ein Vegetarier, was Muttermilch sei?

Hier verwechselst Du m.E. Vegetarier mit Veganern.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Anastasia schrieb am 27.10.2012 um 21:35 Uhr (Zitieren)
Ich glaube nicht, dass Vegetarier und/oder Veganer etwas gegen Muttermilch haben, zumal sie keinen Einfluss darauf hatten, wenn sie als Säuglinge gestillt wurden.

Persönlich fände ich es schade, wenn fleischlose Ernährung erzwungen würde. Es geht schließlich um Einsicht!

Da ich die letzten Jahrzehnte, was die Ernährung anbelangt, recht gut über die Runden gekommen bin, keine Medikamente und keinen Arzt brauche, weiß ich, dass es hervorragend ohne geht.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
διψαλέος schrieb am 28.10.2012 um 02:42 Uhr (Zitieren)
Es geht um das Maß:
Man muß nicht jeden Tag ein Steak von der Größe eines Wagenrades essen.

Es bleibt dabei, und da wird mir ein in diesem Forum aktiver Doc bestimmt zustimmen:
Wichtig ist eine ausgewogene Ernährung,
zu der auch, im Normalfalle, auch eben "Fleisch" gehört.
Aber, wir "Westler" sind inzwischen Pervers geworden.

Ein Onkel von mir lebte mit seiner Familie in einer kleinen Stadt.
Die meisten Menschen in dieser Stadt,
ich schreibe von den 1950/60er Jahren,
hielten nebenbei auch Vieh, bzw. Kleinvieh.
Einmal im Jahr wurde im Hause meines Onkels eine Sau geschlachtet.
Hausschlachtung.
Am Ende war die Sau vollständig verwertet.
Sie war sozusagen vom Erdboden verschwunden.
Selbst die Knochen nahm der örtliche Tischler, um daraus Leim zu machen.
So eine Sau versorgte die Familie auf Monate hinaus mit Wurst und Fleisch.
Was machen wir heute?
"Wir" nutzen nur noch ca. 1/3, wenn nicht weniger eines Schlachttieres,
dafür bekommen wir aber im Erdbeerjoghurt eben Kunstprodukte serviert..
Pervers...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Anastasia schrieb am 28.10.2012 um 09:48 Uhr (Zitieren)
Ich kenne auch noch jene Zeiten. Nicht, dass wir einen Metzger in der Familie gehabt hätten, aber auch in unserer Familie ist der Fleischkonsum im Laufe der Jahrzehnte drastisch gestiegen.

Als "katholische" Familie wurde früher schon mal freitags kein Fleisch gegessen. Fleisch oder Wurst zum Frühstück war lange Zeit auch nicht üblich, es gab die traditionelle, selbstgemachte Marmelade. Fleisch war Beilage zu Gemüse, Pasta & Co., vorwiegend bei den Hauptmahlzeiten.

Später drehte sich das Verhältnis um, was ich als überzeugte Vegetarierin schade fand/finde.

Mit überzeugten Nicht-Vegetariern will ich mich aber hier auf keine Diskussion einlassen, ich bin keine Missionarin!

Jede(r) möge sich selbst Gedanken machen, wenn er/sie es für angebracht hält. Dokumentationen über "Fleischerzeugung", Tierhaltung, Tiertransporte, usw. gibt es ja schon.

Selbstredend haben diejenigen, die aus dem Leben der Tiere Kapital schlagen, kein Interesse, dass die Medien aufklären. Allerdings wird die Problematik in letzter im Zusammenhang mit Umwelt und Ressourcen immer häufiger angesprochen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 28.10.2012 um 10:19 Uhr (Zitieren)
Ein krasses und kaum zu leugnendes moralisches Problem sehe ich in der industrialisierten und rein nach ökonomischen Gesichtspunkten gestalteten Tierhaltung.

Nicht ganz so klar ist die Frage nach der moralischen Berechtigung, Tiere zum Zwecke der Ernährung zu töten: schmerzfrei (soweit möglich) und am Ende eines tiergemäßen Lebens. Die meisten Tierethiker, insbesondere Schopenhauer sowie die Utilitaristen (denen es es um Leidminimierung geht), sehen das als unbedenklich an - Buddhisten hingegen nicht.

Ich möchte nochmals darauf hinweisen, daß der völlige Verzicht auf Fleisch nicht eine größere Anzahl glücklicher Tiere bedeutet, sondern eine geringere Anzahl von Tieren; das halte ich für ein unterschätztes Argument.

Es gibt bei diesem Thema Extremisten der einen (Veganer) wie der anderen (die auf dem Jahrmarkt umstandslos eine Bratwurst kaufen und sie dann mangels Hunger halbgegessen wegwerfen) Seite - jene moralisch überempfindlich, diese moralisch unempfindlich. Moralischer Rigorismus führt zu Fanatismus, u.U. sogar zum Terror - Moralblindheit ebenfalls.

Vor Jahren habe ich in diesem Forum einmal den jüdischen Autoren Isaac B. Singer zitiert: "Was die Tiere angeht, sind wir alle Nazis. Für die Tiere ist jeden Tag Treblinka."
Das ist damals scharf abgelehnt worden; doch es trifft die Bedingungen der industrialisierten Massentötung sehr genau, meine ich.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Anastasia schrieb am 28.10.2012 um 22:37 Uhr (Zitieren)
Zitat von Γραικίσκος am 28.10.12, 10:19Ich möchte nochmals darauf hinweisen, daß der völlige Verzicht auf Fleisch nicht eine größere Anzahl glücklicher Tiere bedeutet, sondern eine geringere Anzahl von Tieren; das halte ich für ein unterschätztes Argument.


Es geht den Tierschützern, denke ich, nicht in erster Linie um eine möglichst hohe Anzahl glücklicher Tiere. Glück ist ohnehin ein hoher Anspruch.

Es geht, um es kurz zu fassen, um artgerechte Tierhaltung und um die Frage, wieviel Energie verwendet werden kann/darf, um "Fleisch" zu produzieren. Bekanntermaßen benötigt man ja dafür die siebenfache Bodenfläche und eine immens hohe Energiemenge, verglichen mit dem Anbau von Gemüse und Obst.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Anastasia schrieb am 28.10.2012 um 22:39 Uhr (Zitieren)
Korrektur: ..., verglichen mit dem Anbau (anderer) Nahrungs-/Lebensmittel.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 29.10.2012 um 18:57 Uhr (Zitieren)
Bedeutet dies nicht, nicht nur auf Fleisch, sondern überhaupt auf tierische Produkte zu verzichten, d.h. Veganer zu werden?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 29.10.2012 um 18:58 Uhr (Zitieren)
... wobei das jetzt mit Paradoxien gar nichts mehr zu tun hat. Wir sind durch Andreas' ironische Frage darauf gekommen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 07.11.2012 um 20:01 Uhr (Zitieren)
Wahlrecht paradox

Das Wahlmännersystem in den USA ist uns hier ja fremd. Aber auch unsere europäischen Nachbarn jenseits des Kanals zeigen immer wieder, wie paradox das Mehrheitswahlrecht ist.
Das Mehrheitswahlrecht führt zu gewaltigen Unterschieden in der Wirkung einer Wählerstimme.

Die Ergebnisse in Großbritannien aus 2010:

Conservative 305 Sitze = 49,2 %, aber bei 10 681 417 Stimmen = 36.1%
Labour 258 Sitze = 41,6 % , aber bei 8 601 441 Stimmen =29.1%
Liberale 57 Sitze = 9,2 % , aber bei 6 805 665 Stimmen =23.0%

Das bedeutet, wenn man umrechnet, dass die Liberalen pro Sitz 6 805 665/57=119398 Stimmen erringen mussten, während die Konservativen schon für 35021 Stimmen einen Sitz bekam und Labour sogar schon für 33339 Stimmen.

Mit anderen Worten: Die Liberalen brauchten mehr als dreimal so viele Stimmen für einen Sitz wie die beiden etwas größeren Parteien. Und das Paradoxe ist, dass diese Partei 1 Prozentpunkt Wählerstimmen gewonnen und 5 Sitze verloren hat.

http://news.bbc.co.uk/2/shared/election2010/results/

Das rückt die teilweise arrogante Haltung der auf ihre Demokratie so stolzen Briten gegenüber den Kontinentaleuropäern in ein anderes Licht, denke ich.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 07.11.2012 um 20:27 Uhr (Zitieren)
Bei einem "Mehrheitswahlrecht" kann jemand gewinnen, der gar nicht die Mehrheit der Stimmen erlangt hat - das ist die Paradoxie.
Er hat die knappe Mehrheit in den Wahlkreisen oder (wie in den USA) in den einzelnen Staaten errungen, aber nicht bei den Wählerstimmen insgesamt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 07.11.2012 um 21:13 Uhr (Zitieren)
Dabei sind Wähler natürlich etwas anderes als Wahlberechtigte. Die Wahlbeteiligung in den USA ist ja traditionell niedrig und bei uns tendenziell abnehmend. Ein eigenes Problem.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 07.11.2012 um 21:47 Uhr (Zitieren)
Produkt- Paradoxon:
Heute sah ich im Realmarkt ein neuartiges Produkt. Eine "Rollator-Klingel". Sie war übrigens nahezu baugleich meiner Fahrrad-Klingel. Vermutlich dient sie dem gleichen Zweck - langsamere Fußgänger oder andere vor meiner überlegenen Geschwindigkeit zu warnen.
Vor meinem geistigen Auge sehe ich gerade einen User, der geschwinden Schrittes Jugendlichen auf ihren skateboards seinen Überholvorgang ankündigt ...

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
διψαλέος schrieb am 07.11.2012 um 23:34 Uhr (Zitieren)
Ein weiteres Wahlrechts-Paradoxon:
http://de.wikipedia.org/wiki/Alabama-Paradoxon
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 09.11.2012 um 11:37 Uhr (Zitieren)
Hat sich nicht das BVerfG kürzlich mit dieser Frage im Rahmen des deutschen Wahlrechts befaßt?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 09.11.2012 um 17:50 Uhr (Zitieren)
Ja, die Frage der "Überhangmandate". Sie verzerren das Mehrheitswahlrecht. Die neue Regelung wird dazu führen, dass man zum Ausgleich der Direktmandate mehr Abgeordnete von den Listen nehmen muss. Das bläht unseren Bundestag noch weiter auf. Vermutlich brauchen wir 2013 ca. 670 Abgeordnete. China hat 1000 - allerdings vertreten die auch 1,3 Mrd. Menschen (zumindest theoretisch).
Deutschlands Parlament ist schon recht groß. Die Plenarsitzungen sehen allerdings erschreckend mager aus - all die leeren Sitze. Vermutlich halten währenddessen zahlreiche Abgeordnete Vorträge. Die Diäten reichen ja auch kaum zum Leben ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 09.11.2012 um 18:26 Uhr (Zitieren)
Medizin Paradox

Übergewicht ist ungesund, Ärzte prophezeien Dicken unermüdlich ein frühes Ableben. Mit Diätkampagnen sollen sie von ihrem Joch befreit werden. Doch mit dem Stand der Wissenschaft hat das nichts zu tun: Mollige Menschen leben sogar länger. Und sie vertragen mehr Stress. Was ist bloß mit den Dicken los? Sie wollen einfach nicht früher sterben als die Dünnen.


http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/neue-untersuchungen-dicke-leben-laenger-1.1513143

Das wusste wohl schon Caesar:

Laßt wohlbeleibte Männer um mich sein,
Mit glatten Köpfen und die nachts gut schlafen,...

Julius Caesar, 1. Akt. 2 Szene

Offenbar sind die nicht nur nicht gefährlich, sondern auch nicht gefährdet.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.11.2012 um 08:53 Uhr (Zitieren)
Manches, was paradox erscheint, ist es in manchen Situationen nicht. Der Satz „Ich spreche keine menschliche Sprache“ kann dann korrekt sein, wenn ein Babelfisch die Äußerung eines Aliens übersetzt. „Ich spreche nicht Deutsch“ kann ein Dolmetscher übersetzen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 29.11.2012 um 20:40 Uhr (Zitieren)
Wer immer glücklich ist, kann nicht glücklich sein (weil er nicht weiß, was Glück ist).
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 29.11.2012 um 23:01 Uhr (Zitieren)
Das Consalvi-Paradoxon:

In dem Konkordat vom 15. Juli 1801, das Napoleon als Vertreter der Ersten Republik und Kardinal Consalvi als Vertreter des Kirchenstaates unterzeichneten, erkannte Papst Pius VII. die Französische Republik, den Zivilstand der Katholischen Kirche und die von Napoleon angeordnete Entlassung aller Bischöfe an.
Die Zähigkeit, mit der Consalvi als Kardinalstaatssekretär die Verhandlungen führte, brachte Napoleon an den Rand der Verzweiflung. Eines Tages verlor er die Geduld und stellte Consalvi folgende Frage:

„ Ist Ihnen klar, Eminenz, dass ich Ihre Kirche jederzeit zerstören kann?“

Die Antwort von Consalvi war:

„Ist Ihnen klar, Majestät, dass nicht einmal wir Priester das in achtzehn Jahrhunderten fertiggebracht haben?“
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
διψαλέος schrieb am 30.11.2012 um 00:34 Uhr (Zitieren)
am 15. Juli 1801 war Napoleon noch nicht "Majästät", sondern "nur" "Erster Konsul"...
B-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 30.11.2012 um 15:38 Uhr (Zitieren)
Und wie wird ein Erster Konsul korrekt angesprochen? Ich meine nur, falls mir mal einer begegnet.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 24.02.2013 um 16:04 Uhr (Zitieren)
Die Erpressungsparadoxie:
- Einen Mann darüber zu informieren, daß seine Frau fremdgeht, ist legal.
- Eine Frau um Geld zu bitten, ist legal.
Wie kann die Kombination zweier legaler Handlungen illegal, nämlich Erpressung, sein?

[kürzlich in der FAZ gefunden]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 24.02.2013 um 16:14 Uhr (Zitieren)
Das ist natürlich ein ganz anderer Fall, als wenn jemand 10000 Euro von einem anderen Menschen fordert, sonst werde er dessen Kind töten. Hier ist die Illegalität eindeutig und leicht zu begreifen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
arbiter schrieb am 24.02.2013 um 16:33 Uhr (Zitieren)
die Bitte um Geld ist nur dann legal, wenn sie nicht mit der Androhung eines empfindlichen Übels verbunden ist. Dieses wird aber im konstruierten Fall unterstellt, die Bitte wäre also nicht legal.
Interessant - wenn auch nicht in der Frage der Paradoxie - wäre aber, ob die Androhung des Verpetzens vom Richter als empfindliches Übel klassifiziert werden könnte, da die Betroffene ja i.d.R. ohne weiteres standhalten könnte, was zur Verneinung einer Erpressung führen würde.
Fazit: Wer diese Art des Gelderwerbs ins Auge fasst, sollte Druckmittel zur Hand haben, die zweifelsfrei geeignet/wirkungsvoll sind.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 24.02.2013 um 16:33 Uhr (Zitieren)
Die Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einem verwerflichen Zweck, das ist Erpressung.
Der Erpresser muss also wissen, wie er dem Opfer schaden kann und das Opfer muss die angedrohten Folgen fürchten. Allerdings ist Erpressung bei vielen Verhandlungen gang und gäbe, dort aber -meist- erlaubt. Wissen ist ja auch Verhandlungsmasse. Das ist ein schönes weiteres Beispiel dafür, dass der Begriff "Gerechtigkeit" ganz unnütz, weil inhaltsleer und nicht definierbar ist.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 24.02.2013 um 16:42 Uhr (Zitieren)
Ist dann die Bitte um Geld für den von mir erteilten Nachhilfeunterricht, verbunden mit dem warnenden Hinweis "sonst bleibst du sitzen" (= empfindliches Übel), Erpressung?

Vermutlich dann, wenn ich dafür sorgen kann, daß jemand sitzenbleibt?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 24.02.2013 um 16:42 Uhr (Zitieren)
Ist dann die Bitte um Geld für den von mir erteilten Nachhilfeunterricht, verbunden mit dem warnenden Hinweis "sonst bleibst du sitzen" (= empfindliches Übel), Erpressung?

Vermutlich dann, wenn ich dafür sorgen kann, daß jemand sitzenbleibt?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
arbiter schrieb am 24.02.2013 um 16:58 Uhr (Zitieren)
im zweiten Fall sicher, im ersten nicht, da der Angesprochene ja ohne weiteres "standhalten" kann - das Sitzenbleiben in Kauf nehmen oder eines anderes Remedium suchen
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 24.02.2013 um 17:04 Uhr (Zitieren)
Daran verstehe ich etwas nicht: Wieso kann der Angesprochene im zweiten Falle nicht "standhalten"? Er kann es doch ebenso wie im ersten Fall, oder?
Ich hätte gedacht, daß das Entscheidende die Mitwirkung des Erpressers am Zustandekommen des empfindlichen Übels ist.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 24.02.2013 um 17:06 Uhr (Zitieren)
Nachhilfeunterricht ist natürlich ein ganz profanes Geschäft. Erpressung ist allenfalls der Stundenlohn, wenn die Alternative fehlt ...
Nachhilfe in Philosophie? Die braucht vermutlich jeder - es sieht nur keiner ein und zahlt dafür deshalb auch nix. Dann würde jedenfalls keiner Erpresungen veranstalten, oder?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 24.02.2013 um 17:09 Uhr (Zitieren)
Empfindlich ist ein Übel dann, wenn der in Aussicht gestellte Erfolg von solcher Erheblichkeit ist, dass seine Ankündigung geeignet ist, das bezweckte Verhalten so zu veranlassen, es sei denn, dass erwartet werden kann, dass das Opfer in besonnener Selbstbehauptung standhält.


vgl. BGH NStZ 1992, 278

Juristendeutsch kann wirklich schön sein!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 24.02.2013 um 17:20 Uhr (Zitieren)
Die Formulierung des BGH verstehe ich schon; und der Nachhilfeunterricht war nur ein ausgedachtes Beispiel - ich habe noch nie Nachhilfeunterricht gegeben. Die Fächer, in der Tat.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 24.02.2013 um 17:28 Uhr (Zitieren)
Neulich wurde Bahlsen erpresst, von einem blauen Krümelmonster. Es ging um einen Keks.
Bahlsen hat "in besonnener Selbstbehauptung" standgehalten und "spendet" nun Kekse an Kinderstationen. Ein Robin Hood - Schelmenstück in der Mürbegebäckindustrie.
Und eine perfekte Werbung.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 24.02.2013 um 17:31 Uhr (Zitieren)
Ein 42-jähriger Mann soll laut Anklage in seiner Wohnung den Hund einer Nachbarin eingesperrt und von der Frau zehn Euro für die Herausgabe des Tieres erpresst haben. ... Jetzt muss sich der Mann wegen Erpressung vor Gericht verantworten. Ihm drohen bis zu fünf Jahre Haft oder eine Geldstrafe. Für das Verfahren ist ein Verhandlungstag angesetzt.


http://www.derwesten.de/nrz/staedte/duesseldorf/kuriose-erpressung-vor-gericht-id2233856.html
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 26.02.2013 um 17:46 Uhr (Zitieren)
Nun habe ich den Artikel wieder gefunden (FAZ vom 13.2.2013: "Der paradoxe Erpresser".
Die Diskussion wird in den USA geführt, wo BGH-Urteile ja nicht viel gelten. Interessanterweise wird dieses Paradox dort durchaus ernst genommen, und einige Fachleute gehen "sogar bis zu der These, der einzige Weg, das Paradox aufzulösen, bestehe darin, Erpressung in diesen Fällen zu legalisieren". Der Jurist (Rechtsphilosoph) Jame R. Shaw argumentiert dagegen, wobei er recht umständlich argumentieren muß, um strafbare Erpressung vom mütterlichen Dessert-Entzug einerseits und von legaler Informationsveröffentlichung andererseits zu unterscheiden.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 26.02.2013 um 17:47 Uhr (Zitieren)
Erpresser".)
James
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 26.02.2013 um 21:16 Uhr (Zitieren)
§ 226 BGB löst dies Paradox zumindest im bürgerlichen Recht:

Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen.


Das ist das sog. "Schikaneverbot". Wer seinem Nachbarn damit droht, seine ehelichen Verfehlungen der holden Gattin zu verraten ("Handlungsfreiheit"), um ihn lediglich zu ärgern, hat ja auch kein berechtigtes Interesse wahrgenommen. Wenn dazu noch z.B. eine Bereicherungsabsicht besteht (das kostet was), ist es Erpressung. Das Recht hat neben der Ordnung- Ausgleichs- und Schutzfunktion ja auch eine Friedenfunktion. Der innere Frieden einer Gesellschaft soll gewahrt sein ("Gerechtigkeit").
Eine Auslegungsmethode des Rechts ist die Teleologie - ein schönes griechisches Wort. Sinn und Zweck einer VBestimmung sind zu ermitteln. Die rein grammatische oder sytematische Auslegung einer Gesetzesnorm reicht da nicht immer. Kurz: was will der Gesetzgeber eigentlich mit dem Gesetz erreichen. In Deutschland ist ein Gesetz eben nicht nur eine math. Formel. Sie ist zu interpretieren. Ist das Gesetz im konkreten Fall unsinnig oder "ungerecht", kann ein Richter teleologisch zu dem Schluss kommen, dass dem beabsichtigten Zweck des Gesetzes zuwidergelaufen wird. Die erlaubt, Rechtslücken zu füllen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 10.04.2013 um 13:32 Uhr (Zitieren)
[...] ich bin überzeugt, dass ich über das Lügen mehr weiß als jeder, der vor mir auf diesem Planeten gelebt hat. Ich glaube, dass ich der einzige Mensch bin, der vernünftig über dieses Thema reden kann. Seit siebzig Jahren bin ich damit vertraut. Die erste Äußerung, die ich je von mir gegeben habe, war eine Lüge, denn ich tat so, als ob mich eine Nadel gestochen hätte, was gar nicht stimmte. Seither interessiere ich mich für diese große Kunst. Seither übe ich mich in ihr, manchmal zum Vergnügen, meistens um einen Gewinn herauszuschlagen. Und bis zum heutigen Tag bin ich mir nicht immer sicher, wann ich mir selbst Glauben schenken darf und wann die Angelegenheit überprüft werden sollte.

[Quelle: Mark Twain, Meine geheime Autobiographie. Berlin 2012, S. 394 f.]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 16.04.2013 um 22:34 Uhr (Zitieren)
Nicht von Epimenides, dem Kreter, aber wahr ...

In meiner Bestürzung sagte ich: die Menschen lügen alle.


Psalter 116,11
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 30.05.2013 um 15:04 Uhr (Zitieren)
Mir hat mal ein Moslem gesagt, es stehe keinem Moslem zu, über andere Moslems zu urteilen, sie seien keine wahren Moslems. Ich erwiderte: „Wissen die anderen Moslems außer Dir das auch?“ Und er sagte: „Die wahren Moslems schon!“
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 26.06.2013 um 20:11 Uhr (Zitieren)

In der einschlägigen Nachschlageliteratur findet sich für „Tätigkeitswort“ folgende Definition der Bedeutung:
[1] Linguistik: deutsche Bezeichnung für Verb; Wortart, mit der eine Handlung (z.B. spielen, lachen, werfen), ein Zustand (glänzen, sich auflösen) oder ein Geschehen (regnen, schneien) ausgedrückt wird

… und was ist mit „faulenzen“ ?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 26.06.2013 um 22:09 Uhr (Zitieren)
Na, wenn das kein Zustandsverb ist! ;-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 27.06.2013 um 00:06 Uhr (Zitieren)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 29.10.2013 um 13:17 Uhr (Zitieren)
144000 Menschen werden nach Überzeugung der Zeugen Jehovas am Königreich Christi teilnehmen dürfen. Selbstverständlich nur gute Zeugen Jehovas ... allerdings nicht alle Zeugen Jehovas, denn es gibt und gab ja mehr davon als 144000 – ein gewisser Prozentsatz nur. Ein guter Zeuge Jehovas ist einer, der u.a. mehr Mitglieder für diese Gemeinschaft wirbt, was aber den Prozentsatz der zur Erlösung Zugelassenen vermindert.
Durch das Werben neuer Mitglieder vergrößert und verschlechtert also ein Zeuge Jehovas seine Aussichten auf das Königreich Christi.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 10.11.2013 um 13:13 Uhr (Zitieren)
Heute morgen schien mir, das Paradoxon der Zeugen Jehovas könne man auch physikalisch auflösen. Die Idee dazu vermittelte mir das sonntägliche Frühstücksei.
Grundlage meiner Überlegung ist das „Eierkocher-Paradox“.

Für mehr Eier wird weniger Wasser benötigt! Warum? In einem Eierkocher kondensiert der Wasserdampf an den Eiern (so wird die Wärmeenrgie auf die Eier übertragen). Die Menge des kondensierten Wassers ist proportional zu den im Gerät befindlichen Eiern (also mehr Eier gleich mehr Kondenswasser). Doch ist die vom Gerät erzeugte Dampfmenge pro Zeiteinheit konstant, daher kommt es bei geringer Eierzahl zu einem Überschuss an Energie, der dazu führt, dass der Dampf ungenutzt in die Umgebung entweicht, für den weiteren Prozess also nicht mehr zur Verfügung steht. Bei vollem Eierkocher, wird eine viel größere Menge Dampf pro Zeiteinheit kondensiert, so dass das gewonnene Wasser wieder in die Wanne zur erneuten Erhitzung zurück tropft. Es wird auch nicht mehr Energie insgesamt gebraucht, um alle Eier auf die gleiche Temperatur zu bringen, weil die optimale Kondensation (wegen der größeren Oberfläche vieler Eier) der überwiegende Effekt ist.
Übertragen auf die Zeugen Jehovas ist der Eierkocher die geschlossene Glaubensgemeinschaft, das Wasser ist die göttliche Gnade, die Eier sind die Gläubigen und die erforderliche Temperatur zur Herstellung genussfertiger Eier ist die Erlösung. Allerdings nur, wenn man zu den“ Hartgekochten“ 144.000 gehört (die weicher en Eier haben Pech). Je voller der Eierkocher, desto schneller geht es.
Die Zeugen Jehovas tauschen damit Zeit gegen die statistische Chance, erlöst zu werden.
Ganz schön abgekocht, diese Zeugen Jehovas.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 13.11.2013 um 18:24 Uhr (Zitieren)
Auf die Zeit mag es Einfluß haben, aber es ändert nichts an der maximalen Zahl der "Hartgekochten". Steigt die Zahl der Gläubigen, paßt ein geringerer Anteil von ihnen in den Eierkocher.
Lustiger Vergleich!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 14.11.2013 um 17:23 Uhr (Zitieren)
Du musst allerdings annehmen, dass der Akt, einen anderen zu werben, der nach deiner ursprünglichen Formulierung ja einen Zeugen (unter anderen Akten) zu einem
guten Zeugen macht, keine Auswirkung auf die Erlösungswahrscheinlichkeit hat, er also bei hypothetischem Gleichstand der Chancen, die zwei Zeugen durch sonstige Akte erwerben können, keinerlei Ausschlag gibt. Ist Werben jedoch Teil eines Bonussystems, das einerseits die Teilnehmeranzahl erhöht, die Chancen aber zugunsten des Werbenden verschiebt, so gilt das nicht mehr - am vereinfachten Beispiel:

Nehmen wir einmal an, DER GROSSE ANDERE offenbart den 26 Grundbuchstaben des dt. Alphabets, dass einer von ihnen erlöst werden kann, während alle anderen in ewige Verdammnis stürzen. Die endgültige Wahl desjenigen, der tatsächlich erlöst wird, erfolgt nach Verstreichen einer Frist durch Ziehung aus einer Urne, in der sich die Lose derer, die überhaupt erlöst werden wollen, befinden.

Dabei soll Folgendes gelten:

Nulla salus extra urnam - wer erlöst werden will, muss aktiv teilnehmen.
Dies kann auf zwei Weisen geschehen: durch Teilnahme aus freien Stücken ohne Aufforderung durch einen anderen Teilnehmer oder nach einer solchen Aufforderung. Für den zweiten Fall sieht das Reglement vor, dass sich durch diesen Akt der erfolgreichen Aufforderung zur Teilnahme die Anzahl der Lose des Werbenden um eines erhöht, die des Geworbenen hingegen unverändert eins bleibt, solange er nicht selbst durch Werbung eines dritten diese erhöht.

Am großen Tag der Ziehung bietet sich folgendes Bild:

Von den 26 haben 20 eine Teilnahme ausgeschlagen, so beispielsweise das A, weil es an solchen Firlefanz nicht glaubt und die Sache für Betrug hält, das G, weil es die Limitation der Plätze an der ewigen Sonne für grundsätzlich ungerecht hält und solches ihm zutiefst widerstrebt, O, P und R, weil sie schon an einem anderen derartigen Spiel teilnehmen, dessen Teilnahmebedingungen so etwas strikt untersagen, usf. Kurzum: lediglich B, C, D, E, M und Z wollen mitmachen, es gibt 6 Bewerber um einen Platz - einer wird gewinnen, die anderen fünf gehen mit den zwanzig Spielverweigeren leer aus.

Wie viele Lose sind nun in der Urne, in die DER GROSSE ANDERE blind greifen wird?
Zwischen 6 und 11. Es ist zunächst denkbar, dass jeder der sechs sein Los platziert hat, ohne von einem anderen Teilnehmer dazu bewogen worden zu sein, somit gemäß Reglement 6 Lose in der Urne liegen. Für diesen Fall beträgt die Wahrscheinlichkeit, gezogen zu werden, 1/6. Das Maximum von 11 Losen erklärt sich dadurch, dass maximal 5 erfolgreiche Werbungen stattgefunden haben können (nur Teilnehmer dürfen Nichtteilnehmer werben).

Wie wirkt sich nun das Verhalten, einen anderen geworben zu haben, auf die eigenen Chancen aus?
Gesetzt einer von ihnen, Z beispielsweise, hat die anderen fünf zur Teilnahme überredet, er erhält also für die Teilnahme von B, C, D, E, M zu seinem Startlos 5 weitere Lose - in Summe enthält die Urne folglich 11 Lose: B, C, D, E, M, Z, Z, Z, Z, Z, Z. Die Wahrscheinlichkeit für Z, gezogen zu werden, steigt somit von 1/6 auf 6/11, die von B, C, D, E, M hingegen sinkt von jeweils 1/6 auf 1/11. Das gilt auch für alle anderen Fälle von Werbung - selbst wenn nur einer der sechs einen anderen geworben hat, steigt die Wahrscheinlichkeit für ihn, gezogen zu werden, von 1/6 auf 2/7, während die derjenigen, die geworben wurden, um 1/42 auf 1/7 sinkt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 14.11.2013 um 17:51 Uhr (Zitieren)
Es gibt also nur einen Fall in dieser Anordnung, wo nicht geworben zu haben, einen Vorteil bringt: wenn man der einzige Teilnehmer ist. Da man aber nicht ausschließen kann, dass andere selbsttätig sich bewerben, wird ein Teilnehmer zu folgender Überlegung kommen: wenn nur ein zweiter teilnimmt, sinken meine Chancen von 1 auf 1/2 - werbe ich diesen Zweiten, steigen meine Chancen gemäß Bonussystem wenigstens wieder auf 2/3.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 14.11.2013 um 19:51 Uhr (Zitieren)
filix Überlegungen sind überwältigend.
Ich stelle mir gerade Gott vor wie er mit Rauschebart durch die Wolken blinzelt und sich am Glücksspiel seiner Anhänger ergötzt. Ein Schneeballsystem mit Wettbewerbscharakter und unsicherer Belohnung. Calvinisten im Wettbüro. Was machen die 144.000 Erlösten eigentlich nach dem Jüngsten Tag?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 15.11.2013 um 17:00 Uhr (Zitieren)
Daß der Werbeakt keine Auswirkungen auf die Erlösungswahrscheinlichkeit hat, habe ich nicht angenommen - deshalb habe ich von einem guten Zeugen Jehovas gesprochen.
Es mag also sein, daß er dadurch seine Chancen verbessert, zu den 144000 zu gehören, wovon ich auch ausgegangen bin.
Auf der anderen Seite verschlechtert er durch den neuen Gläubigen seine Erlösungswahrscheinlichkeit nicht nur in geringerem Maße, als er sie durch die Werbung verbessert - er verschlechtert sie auch im gleichen Maße, sofern der neue Gläubige ebenfalls ein guter Gläubiger ist und nach dem Schneeballprinzip seinerseits weitere Gläubige wirbt. Das wird häufiger der Fall sein.
Wie sich das mathematisch exakt auswirkt, ist für mich schwer zu sagen; doch das Paradox besteht nach meinem Eindruck weiterhin.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 15.11.2013 um 17:01 Uhr (Zitieren)
Was machen die 144.000 Erlösten eigentlich nach dem Jüngsten Tag?

Sie leben in einem Paradies unter der Leitung des himmlischen Königs.
Eine ziemlich langweilige Geschichte, wenn ich nach den Beschreibungen in "Wachtturm" und "Erwache!" gehe.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 15.11.2013 um 19:02 Uhr (Zitieren)
Ich gebe zu, dass ich diese Werke ("Wachturm", "Erwache!") nie gelesen habe. Wozu auch? Die meisten Religionen schließen ja alle übrigen vom Heil der eigenen aus. In einem Pferde-Wettbüro lässt man die Verlierer wenigstens unbehelligt.Aber Religionen nehmen den Zieleinlauf einfach vorweg noch bevor das Resultat feststeht und treiben Schabernack mit den Wettkollegen. Ein echtes Wettbüro würde man schließen!
Der Mensch ist das religiöse Tier. Er ist das einzige Tier, das die wahre Religion besitzt - sogar in mehreren Ausführungen.Er ist das einzige Tier, das seinen Nachbarn liebt wie sich selbst und ihm den Hals abschneidet, wenn dessen Theologie schiefliegt

Mark Twain
König Leopolds Selbstgespräch, Essays, Berichte,Skizzen.Ausgewählte Werke in 12 Bänden, Bd. 12. Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 1967,2008. S. 320
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 15.11.2013 um 19:26 Uhr (Zitieren)
Andere zu werben, gleich ob man selbst geworben wurde oder nicht, ist in dem System meines Beispiels - die Konstellation ausgenommen, dass man der einzige Teilnehmer bleibt, also gewiss erlöst wird - stets besser im Verhältnis zum Start mit gleichen Anteilen pro Teilnehmer. Die "Zeche" zahlen die, die nicht werben, ob sie nun geworben wurden oder aus freien Stücken sich zur Teilnahme entschlossen haben, sobald auch nur einer einen anderen wirbt und dafür den Bonus einfährt.

Man kann die Initiation als Dilemma entwerfen.

Der große Andere kommt eines Nachts zu einem Sterblichen und spricht:

"Sperr deine Ohren auf - du bist der Erste, dem ich dies offenbare. Nur einer von euch kann erlöst werden. Wer es sein wird, ist auch mir verborgen, sein Name wird durch die Ziehung aus einer Urne am jüngsten Tag bestimmt. Wer immer sich beteiligen will, erhält ein Los auf seinen Namen in diesem Gefäß, wer einem anderen diese Botschaft verkündet und ihn dazu veranlasst, teilzunehmen, bekommt ein zweites Los dazu - der Geworbene eines auf seinen Namen. Hast du mich verstanden?"
Der Sterbliche nickt, der große Andere schickt sich an zu entschwinden, hält aber kurze inne und erklärt lächelnd:
"Eines noch - ich werde, was ich dir eben sagte, jetzt noch einem anderen Sterblichen erzählen, danach verschwinde ich bis zum Tag der Ziehung in einer Wolke dunkler als alle Nacht."

Von da an ist die Sache ein Fall für die Spieltheorie.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 15.11.2013 um 19:26 Uhr (Zitieren)
Das ist der König Leopold, der für die Massaker im Belgischen Kongo verantwortlich ist?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 15.11.2013 um 22:44 Uhr (Zitieren)
Ja, Original:King Leopold’s Soliloquy - A Defense of His Congo Rule.
Eine sarkastisch-zynische Kritik an den Gräueln im Kongo und die US-Unterstützung für Leopolds Völkermord. Twain spricht Klartext. Das tat er ja immer.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
arbiter schrieb am 16.11.2013 um 02:26 Uhr (Zitieren)
apropos:
im beeindruckenden Kolonialmuseum in Brüssel gibt es eine (kleine) Sparte, die sich den mit der Kautschuk-Gewinnung verbundenen Greueln widmet. Angelegentlich wird dort konstatiert, dass sich die belgischen Behörden an die ortsüblichen vorkolonialen Bestrafungsmethoden angepasst hätten
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 16.11.2013 um 16:52 Uhr (Zitieren)
Das werden sie aber nicht dafür --> in Anspruch nehmen, oder?
[...] Tatsächlich gibt es in der ganzen, größtenteils noch ungeschriebenen Geschichte des Kolonialismus kaum ein finstereres Kapitel als das der sogenannten Erschließung des Kongo. Im September 1876 wird unter Verkündigung der denkbar besten Absichten und unter angeblicher Hintanstellung aller nationalen und privaten Interessen die Association Internationale pour l’Exploration et la Civilisation en Afrique ins Leben gerufen. Hochgestellte Persönlichkeiten aus allen Bereichen der Gesellschaft, Vertreter des Hochadels, der Kirchen, der Wissenschaft und des Wirtschafts- und Finanzwesens nehmen an der Gründungsversammlung teil, bei der König Leopold, der Schirmherr des vorbildlichen Unternehmens, erklärt, daß die Freunde der Menschheit keinen edleren Zweck verfolgen könnten als den, der sie heute vereine, nämlich die Öffnung des letzten Teils unserer Erde, der bislang von den Segnungen der Zivilisation unberührt geblieben sei. Es ginge darum, sagte König Leopold, die Finsternis zu durchbrechen, in der heute noch ganze Völkerschaften befangen seien, ja es ginge um einen Kreuzzug, der wie kein anderes Vorhaben angetan sei, das Jahrhundert des Fortschritts seiner Vollendung entgegenzuführen. Naturgemäß verflüchtigte sich in der Folge der hohe, in dieser Deklaration zum Ausdruck gebrachte Sinn. Bereits 1885 ist Leopold, der jetzt den Titel Souverain de l’Etat Indépendent du Congo trägt, der alleinige, niemandem zur Rechenschaft verpflichtete Herrscher über das am zweitlängsten Fluß der Erde liegende, eine Million Quadratmeilen und somit hundertmal die Fläche des Mutterlandes umfassende Territorium, dessen unerschöpfliche Reichtümer er nun ohne jede Rücksichtnahme auszubeuten beginnt. Die Instrumente der Ausbeutung sind Handelskompanien wie die Société Anonyme pour le Commerce du Haut Congo, deren bald legendäre Bilanzen beruhen auf einem von sämtlichen Aktionären und sämtlichen im Kongo tätigen Europäern sanktionierten Zwangsarbeits- und Sklavensystem. In manchen Regionen des Kongo wird die eingeborene Bevölkerung durch die erpreßte Arbeitsleistung bis auf geringe Reste dezimiert, und auch die aus anderen Teilen Afrikas oder aus Übersee Verschleppten gehen scharenweise an der Ruhr, am Sumpffieber, an den Blattern, an Beriberi, Gelbsucht, Hunger, körperlicher Erschöpfung und Auszehrung zugrunde. Zwischen 1890 und 1900 lassen jedes Jahr schätzungsweise fünfhunderttausend dieser namenlosen, in keinem Jahresbericht verzeichneten Opfer ihr Leben. Im selben Zeitraum steigen die Aktien der Compagnie du Chemin de Fer du Congo von 320 auf 2850 belgische Franken.
[...]

[Quelle: W. G. Sebald, Die Ringe des Saturn. Frankfurt/Main 8. Aufl. 2004, S. 143-145]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 17.11.2013 um 11:18 Uhr (Zitieren)
Leopold ist zwar ein besonders übles Beispiel der rücksichtslosen Kolonialpolitik, lenkt aber von der generellen Vorgehensweise europäischer Staaten ab. Die Engländer waren besonders begabt darin, ihre Ankunft an den Gestaden längst besiedelter Länder als Segnung für die ortsansässigen Völker zu propagieren. Die christliche Missionsarbeit diente dabei gern als moralische Tarnung. Nichts könnte paradoxer sein. Da betrachten sich die Ankömmlinge eher als Unternehmensberater. Allerdings: niemand hat sie gerufen, der Wissenszuwachs passt nicht zur Firma und das Honorar mindert die Wirtschaftskraft beträchtlich. Bis heute verfügen gerade die rohstoffreichen Entwicklungsländer oft nicht über die eigenen Ressourcen.
Wenn wir es nur versuchen, können wir leicht lernen, Unglück zu ertragen. Das Unglück anderer, meine ich. (1) ... Selbst die Tinte, mit der alle Geschichte geschrieben wird, ist nur flüssiges Vorurteil. (2)

Mark Twain, Reise um die Welt, ausgewählte Werke in 12 Bänden, Bd. 11, Aufbau Verlag, Berlin 1964. zu (1) S. 284; zu (2) S. 558

Οὐ κλέψεις.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 17.11.2013 um 11:38 Uhr (Zitieren)
Die Instrumentalisierung des wissenschaftlichen Interesses im Dienste humanitärer Absichten - Konferenz(en) inklusive - durch das Unternehmen Leopolds ist allerdings von einiger Perfidie.
Vielleicht verrät arbiter ja, ob er die Ausstellung "vor oder nach Hochschild" besucht hat. In dem berühmtesten literarischen Text, der aus diesen Greueln hervorgegangen ist (und sich, um an den Borgesthread zu erinnern, unter die vier großen Zyklen fällt) flackert der Horror übrigens als Randnotiz auf: exterminate all the brutes!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 17.11.2013 um 11:39 Uhr (Zitieren)
sich
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
arbiter schrieb am 17.11.2013 um 17:26 Uhr (Zitieren)
es ist schon ein paar Jahre her, aber sicher erst nach der Erstausgabe.
Ein weiteres Beispiel für die unbewältigte Kolonialvergangenheit ist das Denkmal in Belem, dem Vorort Lissabons - erst in den 60er Jahren errichtet und eine eindeutige Glorifizierung darstellend (Padrão dos Descobrimentos am Ufer des Flusses Tejo, seewärts gerichtet). Man mag einwenden, es stamme noch aus der Zeit der Diktatur - aus Gesprächen weiß ich aber, dass Portugiesen z. B. die Brasilianer ohne weiteres noch zu den Ihren zählen.
@andreas
ja, die Mission diente objektiv der Zurichtung der indigenen Bevölkerung für die Zwecke der Metropolen.
On the other hand: Wirtschaftskraft ist für die vorkolonialen Gegebenheiten Schwarzafrikas wohl ein unpassender Begriff, und über die Bewertung der heutigen ist ein einfaches Urteil kaum möglich.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 18.11.2013 um 22:13 Uhr (Zitieren)
Ein paar Fragen:

Ist ein Einbrecher, der ausbricht, immer noch ein Einbrecher?
Kann ein Bruder seine Schwester unverwandt ansehen?
Gibt es eingefleischte Vegetarier?
Warum SITZT ein VorSTAND vor? Kann es also Vorstandsvorsitzende überhaupt geben?
Können Damenräder herrenlos sein?
Kann es einen Verein für Vereinsgegner geben?
Wieso können sich die Mädels anziehend ausziehen?
Warum muss man bei windows auf "Start" drücken, um es zu beenden?
Ist es zulässig, dass eine Kuh einen Ochsen durch ein Bullauge anstiert?

Hat jemand darauf eine fragwürdige Antwort?

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 19.11.2013 um 08:15 Uhr (Zitieren)
Von dieser Art auch:
Ein Schriftsetzer muß stehen, ein Schriftsteller darf sitzen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 19.11.2013 um 20:36 Uhr (Zitieren)
Mal eine Frage zum Urheberrecht:

Wer darf sich als Autor der Bibel bezeichnen und darf man als Verlag eigentlich Herausgeber sein? Gibt es da ein Copyright? Der Koran hat ja eigentlich den selben Autor. Allerdings behaupten die Kommentatoren, sie seien alleinvertretungsberechtigt, können das aber nicht nachweisen. Wem stehen die Einnahmen zu, wenn die Existenz des Autors nicht bezweifelt wird, aber die beträchtlichen Tantiemen ganz offenkundig auf keinem Konto abholbereit gesammelt werden und auch nirgendwo ein Vertrag vorliegen kann, da zwar ein umfangreiches Management unterschiedlicher Institutionen vorhanden ist, die konkurrierend ihre Vertretungsmacht behaupten, aber trotz beträchtlicher Zeitspanne keine beweiskräftigen Dokumente vorweisbar sind.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 20.11.2013 um 17:30 Uhr (Zitieren)
Wie's beim Koran steht, weiß ich nicht; aber bei der Bibel liegt das Urheberrecht für die jeweilige Ausgabe beim Herausgeber bzw. Übersetzer. Notabene: Auch Übersetzer haben ein eigenes Urheberrecht.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 20.11.2013 um 18:17 Uhr (Zitieren)
Ich denke, ανδρέας will darauf hinaus, dass man spielerisch fragen könnte, ob Gott nach dem Schutzlandprinzip für Ausgaben in D. je nach Theologie der Inspiration der Schrift nicht wenigstens als Miturheber im Sinn des §8 UrhG zählt. Er wäre, da ja alle übrigen Kandidaten länger als 70 Jahre tot sind, auch der letzte, der dafür in Frage käme. Existiert Gott nicht oder aber ist er mehr als 70 Jahre tot (Die fröhliche Wissenschaft erschien 1882), so ist das Werk gemeinfrei, sonst stellte jede Ausgabe eine Verletzung dar: Völliger Verzicht auf Urheber- und Verwertungsrechte jenseits der Übertragung sind dem dt. Recht ja fremd, das Schulbuchprivileg nach §46 UrhG fällt für Gesamtausgaben aus, ob aus Stellen wie Mt. 28,18f*. eine Einräumung von Nutzungsrechten an besagtem Text anderen gegenüber noch dazu bis zum jüngsten Tag abgeleitet werde, ist fraglich - spricht dort doch Jesus, an dessen konkludenter Bevollmächtigung spätestens angesichts von Stellen wie Mt. 27,46 ** erhebliche Zweifel bestehen. Von der
Theorie der Trinität wird bei diesen Betrachtungen abgesehen.


* "Da trat Jesus auf sie zu und sagte zu ihnen: Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes,
und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt. "
** "Um die neunte Stunde rief Jesus laut: Eli, Eli, lema sabachtani?, das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?"


Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 20.11.2013 um 18:19 Uhr (Zitieren)
sind ist
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 20.11.2013 um 18:26 Uhr (Zitieren)
abgeleitet werden kann
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 20.11.2013 um 20:36 Uhr (Zitieren)
filix hat das Problem richtig dargestellt.
Nimmt man allerdings an, dass der Autor nicht mehr existent ist, es auch nie war, weil seine Existenz irreführend als ewig angenommen wurde, entfällt ja nunmal auch die Geschäftsgrundlage für das Buch. Die Behauptung falscher Tatsachen könnte aber nun bei den Käufern zu einem Schadensersatzanspruch führen, oder? Und dies nicht nur wegen des Kaufpreises, sondern darüber hinaus bei allen steuerpflichtigen Gläubigen, die auf der Grundlage dieses Buches ohne gültigen Anlass Ausgaben getätigt haben. Die Rückübertragung von Vermögen, die wegen der Behauptungen in Bibel und Koran usw. an die Vertretungsberechtigten transferiert wurden, wäre da ja auch noch zu klären.
Nimmt man aber die Existenz einfach an, fehlen alle Vorkehrungen für eine Gewinnbeteiligung. Das ist wenig glaubwürdig und entzieht der Sache - wie beschrieben - die Geschäftsgrundlage. Widersprüchlich ist das schon.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 20.11.2013 um 23:40 Uhr (Zitieren)
Wenn es gemeinfrei ist, sei es durch die Inexistenz Gottes, wegen seines Todes vor wenigstens 70 Jahren als des letztmöglichen Inhabers von Urheberrechten, oder weil dieser überhaupt nicht als Miturheber anerkannt wird, so ist es - mit einigen Einschränkungen wie z.B. dem Werktitelschutz, wenn ich nicht irre - sozusagen zum Abschuss freigegeben: es darf beliebig verändert, kopiert, veröffentlicht und zum Verkauf angeboten werden.
Du kannst also theoretisch ins Bibelgeschäft einsteigen.
Die erste Frage, die aufkommt, ist, ob gewisse Bearbeitungen wie die von Graeculus angesprochenen Übersetzungen ihrerseits als neue, schöpferische Werke zu betrachten sind, für die ihrerseits Urheberrechte geltend gemacht werden können. In der Regel sind Urheberrechtsverletzungen Antragsdelikte - es sei denn, dass "die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält." (UrhG §109) - d.h. der genannte möglicherweise noch existierende Miturheber müsste einen solchen Antrag stellen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 21.11.2013 um 18:58 Uhr (Zitieren)
Wie wäre es mit der Beibehaltung der Erzählstruktur und des Inhalts, wenn man lediglich die 3.te Person in die des Ich-Erzählers abwandelt? "Am Anfang schuf ICH Himmel und Erde. ... Und ICH sprach: es werde Licht ... usw.". Oder, wenn man lediglich die Namen handelnder Personen und die Orte usw. austauscht? Würde dies auch Übersetzungsurheberrechte betreffen? Das wäre ja keine echte Neuschöpfung. Landet man dann im Knast oder in der Psychiatrie? Interessant wäre die Frage, neue Inhalte - die Apokryphen - beizufügen, die ja nicht im biblischen Kanon enthalten sind. Unter dem Titel "Bibel" könnten da Probleme entstehen? Ist die Marke "Bibel" inhaltlich geschützt oder kann sich unter dieser Bezeichnung jeder Autor austoben?

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 21.11.2013 um 20:46 Uhr (Zitieren)
Ist die Marke "Bibel" inhaltlich geschützt oder kann sich unter dieser Bezeichnung jeder Autor austoben?

Ist wohl so. Ich habe hier "The Bhagwan Bible".
Heißt ja auch nur: Buch.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 21.11.2013 um 21:05 Uhr (Zitieren)
Zitat von ανδρέας am 21.11.13, 18:58Interessant wäre die Frage, neue Inhalte - die Apokryphen - beizufügen, die ja nicht im biblischen Kanon enthalten sind.


Im Rahmen der "Anderen Bibliothek" ist einst eine Apokryphen-Auswahl unter dem Titel "Die Andere Bibel" veröffentlicht worden.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 22.11.2013 um 17:02 Uhr (Zitieren)
Die Apokryphen gibt es in mehreren Ausgaben, u.a. bei Manesse.
Kennt jemand eine Original- oder zweisprachige Ausgabe?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 23.11.2013 um 10:17 Uhr (Zitieren)
Paradoxien sind zwar faszinierend, betreffen aber selten das menschliche Leben. Das Banach-Tarski-Paradoxon oder Eulers alternierende Reihen begegnen uns vermutlich im täglichen Leben nicht. Es soll sogar Menschen geben, die in ihren gesamten Leben niemals etwas davon gehört haben und dennoch nichts vermissen.
Dabei bietet das profane Dasein immer wieder überraschende Wendungen, die uns tatsächlich betreffen - mindestens deshalb, weil sie ärgerlich sind oder sogar eine Menge Geld kosten. Ein Beispiel:

Das Fledermaus - Paradoxon:

Die Anwesenheit von Fledermäusen verhindert oder verzögert in Deutschland rgelmäßig Bauvorhaben wie u.a. den Straßenbau, da die Tiere geschützt sind und also auch sichergestellt werden muss, dass sie nicht beeinträchtigt werden dürfen. Mitunter sind teure Umsiedlungsaktionen erforderlich. Das ist ökologisch.
Windkraftanlagen erzeugen Strom umweltfreundlich, weil sie CO2 vermeiden. Das ist auch ökologisch.
Pro Windanlage sterben in Deutschland jährlich 10 Fledermäuse, weil sie vom durch die Propeller erzeugten Luftdruck in ihrer Umgebung erfasst werden (direkte Kollisionen mit der Anlage kommen wegen des Ortungssystems der Fledermäuse kaum vor).
In Deutschland gibt es ca. 23.000 Windkraftanlagen. Das macht jährlich ca. 230.000 tote Fledermäuse.
Das ist nicht ökologisch.
Würde man die Windkraftanlagen in den Nachtstunden abschalten, wären die meisten Fledermäuse gerettet. Das wäre ökologisch, aber erhöht die CO2 Emission. Und das wäre nicht ökologisch.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 23.11.2013 um 10:56 Uhr (Zitieren)
Zitat von Γραικίσκος am 22.11.13, 17:02Die Apokryphen gibt es in mehreren Ausgaben ...

Ja, die heißen dann aber auch so. Solche Apokryphen-Ausgaben greifen die landläufige Vorstellung von der Bibel als einem Buch ohne Geschichte im Grunde nicht an. Ein Buch mit dem Titel Die Andere Bibel gibt dagegen zu verstehen, dass die unter dem Namen Bibel rubrizierte Sammlung von Schriften, die als kanonisch gelten, nur eine von vielen historisch möglichen ist.

In diese Richtung wirkt auch das 1999 im Insel-Verlag erschienene Neue Testament (im Nebentitel: und frühchristliche Schriften), worin kanonischen und apokryphen Schriften nicht nur gleiches Recht eingeräumt, sondern dadurch, dass man eine chronologische Anordnung versucht hat, auch eine bunte Vermischung aller erzeugt wird.

Ob man unter dem (unmodifizierten) Titel Die Bibel jeden beliebigen Inhalt herausgeben kann, weiß ich nicht. Es würden wahrscheinlich andere Punkte als das Urheberrecht juristisch wirksam werden (ähnlich wie bei der Veröffentlichung des angeblichen English-Hungarian Phrasebook im London der 1960er Jahre).
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 23.11.2013 um 14:34 Uhr (Zitieren)
Ich verstehe den Unterschied, den Du meinst.
Was der Klaus Berger mit Christiane Nord da ediert hat, ist beeindruckend. Er hat aber auch Probleme mit der Orthodoxie bekommen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 14.05.2014 um 16:52 Uhr (Zitieren)
Zur oben angeschnittenen Frage der Geltung von Urheberrechten in Spezialfällen der Inspiration:
http://www.spiegel.de/kultur/literatur/copyright-jesus-nicht-der-urheber-in-a-course-of-miracles-a-969379.html
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 14.05.2014 um 21:14 Uhr (Zitieren)
Eine schöne, originelle Sammlung:
Buchstabe ist ein Wort,
einsilbig und zweisilbig sind dreisilbig,
Jambus ist ein Trochäus,
lang ist kurz,
Verb und Adjektiv sind Substantive,
großgeschrieben wird kleingeschrieben,
untrennbar ist trennbar,
ungebeugt ist gebeugt,
englisch ist deutsch,
selten ist häufig,
falsch ist richtig,
und wortlos ist ein Wort -
wie soll man da überhaupt noch schreiben?

Dies ist kein Aphorismus.


[Möllerkies, http://www.keinverlag.de/texte.php?text=355551 am 11.12.2013]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 25.06.2014 um 14:24 Uhr (Zitieren)
Ein ausgesprochen interessanter Artikel über das Fermi-Paradox:
http://waitbutwhy.com/2014/05/fermi-paradox.html
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
ανδρέας schrieb am 29.06.2014 um 21:45 Uhr (Zitieren)
Ich habe noch ein Paradoxon aus der Mathematik gefunden: Gabriels Horn (oder Trompete)

Der von Evangelista Torricelli entdeckte Körper sieht aus wie ein lang gestrecktes Horn (oder eine Trompete mit der nach der Tradition der Erzengel Gabriel das Jüngste Gericht ankündigt), der eine unendliche Fläche, aber ein endliches Volumen besitzt.

Man bräuchte also unendlich viel Farbe, um die Innen- oder Außenfläche des Horns vollständig zu streichen, könnte aber das Innere des Horns mit einer endlichen Menge Farbe füllen.

Mathematisch konvergiert das Integral von 1/x (für Werte von 1 bis unendlich) gegen einen endlichen Wert, die Fläche unter der Kurve aber nicht.

Wenn man also ein gläsernes Fass dieser Form konstruieren könnte, würde man es z.B. mit endlich viel Bier vollständig füllen können und es sähe von außen betrachtet leer aus, weil die gleichmäßig verteilte Flüssigkeit nicht die Innenfläche sichtbar bedecken würde.

Gut, dass Schmuggler das nicht wissen ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 30.06.2014 um 15:51 Uhr (Zitieren)
Aha. Da muß ich mich mal erkundigen, wie das funktioniert. Durch Faltung der Oberfläche in immer kleineren Falten?
Es klingt interessant.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 30.06.2014 um 18:53 Uhr (Zitieren)
Falls es so ist, dann würden Farbe oder Bier aber nicht in beliebig kleine Falten passen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 01.07.2015 um 18:21 Uhr (Zitieren)
Wie wollen wir’s entscheiden? Wer ist für Abstimmen?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 09.03.2016 um 15:51 Uhr (Zitieren)
Ohne vacatio legis

Tagt das Verfassungsgericht, oder tagt es nicht?

Das polnische Paradox / Von Konrad Schuller

(Frankfurter Allgemeine vom 9. März 2016)

WARSCHAU, 8. März. [...] Die polnische Regierung unter der informellen Führung der nationalkonservativen Parteichefs Jaroslaw Kaczynski nämlich vertritt ehern die Ansicht, das „Konstitutionstribunal“ habe am Dienstag von Anfang an keine Befugnis gehabt, zu verhandeln.
Nach einem eilig durchgepeitschten Gesetz vom vergangenen Dezember nämlich hat die neue polnische Führung die Bedingungen für Beschlüsse des Verfassungsgerichts verschärft: Verfahren dürfen nicht mehr sofort begonnen werden, sondern nach einer Wartezeit von sechs Monaten, und auch dann nur in der Reihenfolge des Eingangs – also frühestens nach Jahren. Zusätzlich ist das Quorum der Kammer von neun auf 13 von insgesamt 15 Richtern heraufgesetzt worden, und Urteile können nur noch mit Zweidrittelmehrheit fallen. Gegen all diese Vorschriften hat eine Reihe von Institutionen geklagt – vom Obersten Gericht, der zweithöchsten Kammer Polens, über den Menschen-rechtsbeauftragten bis hin zu den Abgeordneten der Opposition. Das Verfassungsgericht stand damit vor der Frage, ob es die Klage schon nach den neuen, inkriminierten Vorschriften behandelt (also de facto gar nicht, weil gegenwärtig nur zwölf Richter einsatzbereit sind und nicht die erforderlichen 13) oder ob es das neue Gesetz der Nationalkonservativen, den Gegenstand der Klage, zunächst ignoriert. Es hat sich für das Letztere entscheiden: Am Dienstag ist die Kammer mit nur neun Richtern zusammengetreten, der „vollen Besetzung“ nach den alten Spielregeln, und das Gericht hat durch Vorziehen des Ver-fahrens auch die neuen Vorschriften über die Reihenfolge der Fälle ignoriert. [...] Regierung, Parlament und Generalstaatsanwaltschaft, die Institutionen unter Kontrolle der Nationalkonservativen, haben deshalb ihre geladenen Vertreter nicht zu der Verhandlung geschickt.
Ihr Boykott dreht die Eskalationsspirale zwischen Gericht und nationalkonservativer Exekutive wieder ein Stück weiter. Immer wieder haben die Vertreter der Regierung verkündet, das Verfassungsgericht sei die „letzte Bastion des Postkommunismus“, ein Hindernis für den „Volkswillen“. Diese Bastion müsse nun geschleift werden, hatte der Abgeordnete Stanislaw Piotrowicz ins Parlament gerufen, als es das umstrittene neue Verfassungsgesetz beschloss, und so hat Kaczynskis absolute Mehrheit im Parlament denn auch beschlossen, ihre Novelle, die nach Ansicht der Opposition das Verfassungsgericht blockiert, ohne die übliche Übergangszeit („Vacatio Legis“) in Kraft zu setzen: Alles gilt ab sofort, und wenn das Gericht seine neuen Regeln prüfen will, muss es sie bei der Prüfung schon anwenden.
Für den Vorsitzenden Rzeplinski entstand dadurch eine Situation, die der Vertreter der Anwaltskammer, Mikolaj Pietrzak, im Gerichtsflur als „Paradox“ bezeichnet hat: Das Gericht ist gezwungen, bei der Prüfung einer möglicherweise verfassungswidrigen Vorschrift diese Vorschrift schon anzuwenden. Und würde das Verfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit der Regeln feststellen, wäre die Feststellung damit ungültig – weil auf fehlerhafter Grundlage getroffen. Rzeplinski hat den gordischen Knoten dann am Dienstag mit Hilfe der Verfassung selbst durchschlagen: Dort nämlich sagt Artikel 195, sein Tribunal unterstehe „allein der Verfassung“ – also nicht der einfachen Gesetzgebung. Aber egal, was die Richter beschließen: Ministerpräsidentin Beata Szydlo hat schon angekündigt, dass sie die Rechtskraft des Urteils nicht anerkennen werde.

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 24.10.2016 um 22:01 Uhr (Zitieren)
Paradoxe Anweisung für Erdaushubarbeiten aus der Weltliteratur:

Mephistopheles:

Hier gilt kein künstlerisch Bemühn;
Verfahret nur nach eignen Maßen;
Der Längste lege längelang sich hin,
Ihr andern lüftet rings umher den Rasen;
Wie man’s für unsre Väter that,
Vertieft ein längliches Quadrat"
Aus dem Palast in’s enge Haus,
So dumm läuft es am Ende doch hinaus.


Goethe: Faust. Der Tragödie zweiter Teil.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 25.10.2016 um 18:19 Uhr (Zitieren)
Ich glaube, der größeren Hälfte der Leser würde da gar nichts seltsam vorkommen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 26.10.2016 um 20:24 Uhr (Zitieren)
Bleibt der kleineren Hälfte die Nachforschung. Der Kommentar von Trunz schweigt dazu, den von Schöne habe ich gerade nicht zur Hand. Friedrich Kainz stellt 1974 jedenfalls resigniert fest:

"Manchmal freilich versagen angesichts der souveränen Willkür, mit welcher der alte Goethe den Werkstoff der Sprache handhabt, auch derartige Interpretationskünste. Wenn Mephistopheles (Faust V. 11528) zu den grabschaufelnden Lemuren, diesen geflickten Halbnaturen sagt: Vertieft (vertiefen hier wörtlich »tief graben«) ein längliches Quadrat, so bleibt die Contradictio in adjecto bestehen. Ein längliches Quadrat ist kein Quadrat mehr, sondern ein Rechteck, ein längliches Quadrat kann es nicht geben, weil diese planimetrische Figur ex definitione vier gleichlange Seiten haben muß."

Es könnte sich allerdings um den Sprachgebrauch der Goethezeit handeln - so belehrt einen etwa die 1807 erschienene Jägerschule: ein Handbuch zur Selbstbelehrung für angehende Jäger und Forstmänner:

"Ein eigentliches Quadrat ist eine Figur, die vier gleiche Seiten und lauter rechte Winkel hat. Wenn aber nur die gegenüber stehenden Parallelseiten einander gleich sind, die Figur aber dennoch lauter rechte Winkel bildet; so ist dieß ein längliches Quadrat (oblongum)."


Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 26.10.2016 um 21:51 Uhr (Zitieren)
Zitat von filix am 26.10.16, 20:24Es könnte sich allerdings um den Sprachgebrauch der Goethezeit handeln

Auf den Gedanken war ich zunächst auch verfallen, hatte ihn aber nach einem Blick in den Adelung wieder verworfen. Vorschnell offenbar.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 27.10.2016 um 13:12 Uhr (Zitieren)
Das liegt doch auch deshalb recht nahe, weil die lateinischen Begriffe "quadratus, a, um", "quadratus, i, m." und "quadratum, i, n." "viereckig" bzw. "Viereck, Quadrat" bedeuten.

Daher meine Vermutung, daß Goethe hier "Quadrat" im Sinne von "Viereck" benutzt hat.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 27.10.2016 um 15:17 Uhr (Zitieren)
In etymologischer Perspektive ist die Sache natürlich klar, aber - wie Φιλομαθής oben schrieb - entspricht die Definition des Quadrats im Adelung von 1811 bereits dem heutigen Verständnis ("Eine geradlinige vierseitige reguläre Figur, welche lauter gleiche Seiten und lauter rechte Winkel hat"), wodurch sich besagte contradictio in adiecto eigentlich schon für die Entstehungszeit einstellen könnte. In Zedlers Universal-Lexicon (1732 -54) heißt es gleichfalls: "Quadrat, Quadratum, ein gleichseitiges und rechtwinckliges Vierecke". Es gibt für den Ausdruck "längliches Quadrat" zur Goethezeit auch nur sehr wenige Beispiele, mittlerweile darf man ihn als gänzlich ausgestorben betrachten.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 27.10.2016 um 15:18 Uhr (Zitieren)
... die Definition des Quadrats im Adelung von 1811 entspricht ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 27.10.2016 um 18:43 Uhr (Zitieren)
Es gälte Belege zu finden, in denen das Wort quadratus eine explizit nicht gleichseitige Figur bezeichnet, um zu zeigen, dass die Römer darunter nicht nur den engen Begriff fassten, den unser "Quadrat" bezeichnet. Unserem Verständnis gemäß wird es jedenfalls von Vitruv in seiner Darstellung des Satzes des Pythagoras (de archit. 9, pr. 6-7) verwendet. Dasselbe gilt für sein bekanntes Proportionsschema (den Vitruvianischen Menschen):
Non minus quemadmodum schema rotundationis in corpore efficitur, item quadrata designatio in eo invenietur. nam si a pedibus imis ad summum caput mensum erit eaque mensura relata fuerit ad manus pansas, invenietur eadem latitudo uti altitudo, quemadmodum areae, quae ad normam sunt quadratae. (de archit. 3, 3)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 28.10.2016 um 00:20 Uhr (Zitieren)
Varro rust. 3.5.10 hat

Inter quas locus qui est ornithonis deformatus ad tabulae litterariae speciem cum capitulo, forma qua est quadrata, patet in latitudinem pedes XLVIII, in longitudinem pedes LXXII ...

In ling. 5.125 taucht auch das lat. Pendant zum länglichen Quadrat in der Beschreibung eines cartibulum genannten Tisches auf:

altera vasaria mensa erat lapidea quadrata oblonga una columella
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθἠς schrieb am 28.10.2016 um 16:27 Uhr (Zitieren)
Das wäre dann geklärt. Danke!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 28.10.2016 um 16:47 Uhr (Zitieren)
Eine, vermutlich laienhafte, Frage habe ich noch:
Reicht es für den gesuchten Sprachgebrauch der Goethezeit nicht aus, daß Goethe selbst es so gebraucht hat? (Zumal dann, wenn noch das Jägerhandbuch hinzukommt!)
Es gibt doch nur zwei Möglichkeiten, Goethes Ausdrucksweise zu verstehen:
- als sprachliche Stümperei bis hin zum offenen (vom Autor nicht erkannten?) Widerspruch oder
- als eben diesen Sprachgebrauch zur Goethezeit.
Nun halte ich es so, daß ich, vor die Wahl gestellt, einem Autor Dummheit oder eine bewußte Wortwahl zu unterstellen, mich immer zugunsten des Autors entscheide. Vor allem, wenn der Goethe heißt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 28.10.2016 um 17:40 Uhr (Zitieren)
Um den Nachweis von Stümperei ging es mir nicht, sondern zunächst nur um die Vorstellung, Fausts Grab hätte sozusagen paradoxe Gestalt.

Über den Grad der Widersprüchlichkeit entscheidet der Autor keineswegs allein - wäre es ein Hapax legomenon aus Goethes Feder, stünde dem aber von Zedler über Adelung (bis Wikipedia) ungebrochen eine mit dem Adjektiv unvereinbare Definition von Quadrat gegenüber (und vernachlässigt man die etymologische Perspektive), so träte der Widerspruch doch nur umso deutlicher hervor. Dass es jedoch zur Goethezeit auch noch andere Belege für den Ausdruck gibt, schwächt diesen wieder ab.

Man könnte für das Lat. noch untersuchen, ob nicht nach Varro und Vitruv eine ähnliche Verengung des Begriffs quadratus auf den Spezialfall stattgefunden hat.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 29.10.2016 um 11:14 Uhr (Zitieren)
Zitat von Γραικίσκος am 28.10.16, 16:47Es gibt doch nur zwei Möglichkeiten, Goethes Ausdrucksweise zu verstehen:
- als sprachliche Stümperei bis hin zum offenen (vom Autor nicht erkannten?) Widerspruch oder
- als eben diesen Sprachgebrauch zur Goethezeit.

Unter der ersten Möglichkeit fasst du kurzerhand drei alternative Möglichkeiten zusammen:
1.1 den Verstoß gegen sprachliche Normen,
1.2 den Verstoß gegen die Logik, für diesem wiederum die Möglichkeit
1.2.1 des beabsichtigten und die
1.2.2 des unabsichtlichen Verstoßes statuierend.

Die im Schlusssatz eingeführte Kategorie der Dummheit ist aber für keine der genannten Wahlmöglichkeiten (nicht einmal 1.2.2) relevant. Wenn wir also darauf bauen, dass der Autor wusste, was er schreibt, haben wir neben der Möglichkeit eines dem Sprachgebrauch (zumindest eines Teils der potentiellen Leser) konformen Ausdrucks, die des absichtlichen Verstoßes gegen den Sprachgebrauch (der oben zitierte Fr. Kainz spricht von "souveräner Willkür" in der Handhabung des Werkstoffs Sprache) und die des absichtlichen Verstoßes gegen die Logik, die filix in Betracht gezogen hat.

Und die Seltsamkeiten der fraglichen Passage erschöpfen sich ja nicht in Fragen der Geometrie. Ins Stutzen gerate ich auch darüber, dass Mephistopheles zu den Lemuren von "unsren Vätern" spricht.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 05.02.2017 um 18:28 Uhr (Zitieren)
Der Traum kennt nicht Land und Zeit; ich war eben da.

Jean Paul: Der Traum einer Wahnsinnigen
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 05.02.2017 um 20:33 Uhr (Zitieren)
Wenn er nun noch behauptet hätte, dass es im Traum auch keine Identität gäbe, wäre die Paradoxie vollkommen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 28.02.2017 um 18:13 Uhr (Zitieren)
[Der Physiker Wolfgang Pauli:] „Ja, ja, unser Freund [Paul] Dirac hat eine Religion; und der Leitsatz dieser Religion lautet: ‚Es gibt keinen Gott, und Dirac ist sein Prophet.‘“
[Quelle: Werner Heisenberg, Der Teil und das Ganze. Gespräche im Umkreis der Atomphysik. München 1969, S. 119]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 28.02.2017 um 18:13 Uhr (Zitieren)
[Der Physiker Wolfgang Pauli:] „Ja, ja, unser Freund [Paul] Dirac hat eine Religion; und der Leitsatz dieser Religion lautet: ‚Es gibt keinen Gott, und Dirac ist sein Prophet.‘“

[Quelle: Werner Heisenberg, Der Teil und das Ganze. Gespräche im Umkreis der Atomphysik. München 1969, S. 119]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Βοηθὸς Ἑλληνικός schrieb am 01.03.2017 um 10:37 Uhr (Zitieren)
Ich habe das Buch auch, nur die dtv Ausgabe 903:
Da ist es auf Seite 106 zu finden. Mußte etwas blättern... ;-)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Βοηθὸς Ἑλληνικός schrieb am 01.03.2017 um 10:39 Uhr (Zitieren)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 01.03.2017 um 12:30 Uhr (Zitieren)
Dieser Einwand gegen den Atheismus - er sei im Grunde auch eine Religion - begegnet einem in ähnlicher Form öfter; er beruht allerdings ja auf der unzulässigen Gleichsetzung einer Aussage wie Er glaubt nicht, dass Götter existieren mit einem Er glaubt, dass Götter nicht existieren.

Möglicherweise wollte Pauli auch nur ein gewisses Gebaren, mit dem Dirac seine Ansichten vorzutragen pflegte, kennzeichnen. (Ich kenne den Zusammenhang nicht.)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 01.03.2017 um 12:48 Uhr (Zitieren)
- Er glaubt nicht, dass Götter existieren = Er ist ein Agnostiker.
- Er glaubt, dass Götter nicht existieren = Er ist ein Atheist.

Nun wird (der noch junge) Paul Dirac von Heisenberg als leidenschaftlicher Atheist dargestellt.
Wenn man es unbedingt will, kann man das als eine Art von Glauben und damit eine Art von Religion bezeichnen (in einem etwas besserwisserischen Sinn, wie ich meine).

Aber die Paradoxie entsteht ja dadurch, daß Wolfgang Pauli nicht sagt: "... und der Leitsatz dieser Religion lautet: ‚Es gibt keinen Gott', und Dirac ist ihr Prophet."
Er sagt: "sein Prophet".

Wie aber kann ein gar nicht existierender Gott usw.?
_____

An Βοηθὸς Ἑλληνικός:
Ich hätte das Kapitel angeben sollen anstelle der Seite.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 01.03.2017 um 17:34 Uhr (Zitieren)
Zitat von Γραικίσκος am 1.3.17, 12:48Er sagt: "sein Prophet".

Da wäre mir glatt die Pointe entgangen.

Zitat von Γραικίσκος am 1.3.17, 12:48- Er glaubt nicht, dass Götter existieren = Er ist ein Agnostiker.
- Er glaubt, dass Götter nicht existieren = Er ist ein Atheist.

Da müsste man glaubt durch weiß ersetzen.


Wenn unter wir einem Atheisten jemanden verstehen, für den der Glaube als Erkenntnisweise nicht infrage kommt, dürfte ein Satz, der mit Ich glaube, dass ...* beginnt, gleichgültig, ob die hiervon abhängige Aussage affirmativ oder negativ ist, nicht zu seinem Repertoire gehören. Lediglich ein in Abgrenzung zu religiösen Bekenntnissen geäußertes Ich glaube nicht, dass ... wird man aus seinem Mund erwarten.

Andernfalls, wenn man den Atheismus nur aus einem Verhältnis zu Gott (den Göttern) und nicht aus einem Verhältnis zum Glauben heraus bestimmen wollte, könnte man natürlich auch von einer Atheismus-Religion sprechen, deren Credo Ich glaube, dass ein Gott nicht existiert lautete.

* was sich selbstverständlich nur auf ein in religiösem Sinn verstandenes Glauben bezieht.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 01.03.2017 um 17:36 Uhr (Zitieren)
Wenn unter wir ... > Wenn wir unter ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 03.03.2017 um 20:06 Uhr (Zitieren)
Da müsste man glaubt durch weiß ersetzen.


Das hilft nur bedingt - denn dem Agnostiker wird man doch zubilligen, dass er wissentlich eine Position des Nichtwissen(können)s bezieht. "Er weiß nicht, dass X existiert" lässt sich aber auch über einen Ignoranten sagen, dem die Existenz von X schlicht entgangen ist, ohne dass er daraus eine religiöse oder weltanschauliche Haltung gemacht hätte. Man sagt deswegen auch gewöhnlich vom Agnostiker, dass er behaupte, nicht zu wissen, ob Gott existiere (oder nicht).

Das Problem bei der Zuordnung der beiden Sätze zu bestimmten Überzeugungen in puncto Existenz göttlicher Wesen, die Γραικίσκος vorgenommen hat ohne sie weiter zu begründen, liegt m.E. in der Verschmelzung der Frage nach dem Bedeutungsspektrum von "glauben" (welches sehr weit ist) mit der nach möglicher Erzeugung logisch-semantischer Differenzen durch das sogenannte neg-raising, also das Aufsteigen der Negation in den Matrixsatz.

Vielleicht erläutert er uns seine Sicht auf diesen Zusammenhang noch.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 09.07.2017 um 16:59 Uhr (Zitieren)
Die Vorstellung zu reisen erfüllt mich mit Ekel. Ich habe bereits alles gesehen, was ich nie gesehen habe. Ich habe bereits alles gesehen, was ich noch nicht gesehen habe.

F. Pessoa: Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 10.07.2017 um 13:30 Uhr (Zitieren)
Schön, daß diese Sammlung noch fortgesetzt wird. Pessoa ist ein Schatz.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 10.07.2017 um 14:09 Uhr (Zitieren)
Wenn eintrat, was ich erwartete, kam es stets unerwartet.

F. Pessoa: Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares.

Diese 'literarischen' Paradoxien sind, was die formale Seite ihrer Erzeugung angeht, nicht besonders aufregend, halten aber Empfindungen und Erlebnisweisen fest, die sich, meine ich, nicht so widersprüchlich anfühlen, wie sie sich im Text darstellen. Man hat weniger den Eindruck, einen gordischen Knoten oder ein unlösbares Rätsel präsentiert zu bekommen, das den Verstand narrt, als das Gefühl der treffenden Charakterisierung eines Bewusstseinszustandes - ähnlich wie bei Jean Pauls Perle oben, die mir aus der Zwischenwelt des Erwachens zu stammen scheint.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.07.2017 um 12:51 Uhr (Zitieren)
Ein Ehepaar. Der Mann sitzt vor dem Fernseher und schaut sich eine Talkshow an.
Sie: „Du guckst diese Sendung doch nur, damit du morgen im Büro mitreden kannst. Warum versuchst du bloß immer, jemand zu sein, der du nicht bist?“
Er: „Ich bin eben so.“

[Hörzu 27 vom 30.6.2017]

Das hätte Hegel in seiner Dialektik von Schein und Wesen nicht trefflicher ausdrücken können.

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 17.07.2017 um 20:50 Uhr (Zitieren)
Die Pforte zum Unsichtbaren muß sichtbar sein.

René Daumal: Der Analog. Ein nicht-euklidischer, im symbolischen Verstand authentischer alpinistischer Abenteuerroman.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 17.07.2017 um 21:20 Uhr (Zitieren)
- Le plan de l’univers ? Qu’en pensez-vous ?
- Et toi que penses-tu de l’étoile de Sirius ? penses-tu mieux connaître les hommes que les habitants de la lune ? l’histoire même est un mensonge réel.
- Qu’est-ce que cela veut dire ?
- Cela veut dire que les faits mentent, qu’ils sont et qu’ils ne sont plus, que les hommes vivent et meurent, que l’être et le néant sont deux faussetés qui n’en font qu’une, qui est le toujours.
- Je ne comprends pas, maître.
- Et moi encore moins, répondit Mathurin.
- Cela est bien profond, dit Jacques aux trois quarts ivre, et il y a sous ce dernier mot une grande finesse."

"Der Plan des Universum? Wie denkt Ihr darüber?"
"Und du? Was denkst du über der Sirius? Denkst du die Menschen besser zu kennen als die Bewohner des Mondes? Die Geschichte selbst ist eine wirkliche Lüge."
"Was soll das heißen?"
"Das soll heißen, dass die Tatsachen lügen, dass sie sind und nicht mehr sind, dass die Menschen leben und sterben, dass das Sein und das Nichts zwei Falschheiten sind, die nur eine einzige bilden, das Immer.
"Ich verstehe nicht, Meister."
"Und ich noch weniger", erwiderte Mathurin.
"Das ist sehr tiefgründig," sagte Jacques dreiviertel voll, "und hinter diesem letzten Wort steckt großer Scharfsinn."


G. Flaubert: Les funérailles du docteur Mathurin.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 11.09.2017 um 12:02 Uhr (Zitieren)
Das Grab des Komponisten Alfred Schnittke auf dem Nowodewitschi-Friedhof ziert ein Gedenkstein, der in einer Notenzeile eine Fermate über einer ganzen Pause mit der dynamischen Vortragsbezeichnung fff kombiniert: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Schnittke-Grab_2.jpg
Eine Art metaphysischer Pausenlärm.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.09.2017 um 13:31 Uhr (Zitieren)
Das ist schön. Erinnert mich an John Cage, der ja auch mit solchen Ideen gespielt hat.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 07.10.2017 um 13:35 Uhr (Zitieren)
In der Vita Apollonii des Philostrat sagt der Wundertäter Apollonius in Bezug auf seine eigene Gefangennahme: "Wenn du mich für einen Zauberer hältst, wie willst du mich fesseln? Wenn du mich aber fesselst, wie kannst du behaupten, ich sei ein Zauberer?" („εἰ μὲν γόητά με ἡγῇ, πῶς δήσεις; εἰ δὲ δήσεις, πῶς γόητα εἶναι φήσεις;“).
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 06.11.2017 um 14:48 Uhr (Zitieren)
"Der kälteste Winter, den ich jemals erlebt habe, war ein Sommer in San Francisco."

[Mark Twain]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 24.11.2017 um 23:52 Uhr (Zitieren)
Paradoxie der Vermeidung

Der Turmbau zu Babel der Moderne hatte zahlreiche Verächter, nicht zuletzt unter den Schriftstellern. Maupassant, der ihn le phare d'une kermesse internationale (den Pharos/Leuchtturm eines internationalen Jahrmarkts) nennt, soll nach Roland Barthes auf die Frage, warum er, obwohl er das Bauwerk verabscheue, doch immer wieder im Restaurant des Eiffelturms speise, geantwortet haben: C'est le seul endroit de Paris où je ne la vois pas (Das ist der einzige Ort in Paris, wo ich ihn nicht sehe).
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 29.03.2018 um 21:02 Uhr (Zitieren)
Paradoxie der Initiative

Gib Bescheid, wenn ich dich zuerst anschreiben soll.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 30.03.2018 um 14:19 Uhr (Zitieren)
Gut, daß das noch fortgesetzt wird. Ich sammle weiter.
Der dogmatische oder akademische Skeptiker vertritt den Standpunkt, es gebe nachweislich kein sicheres Wissen, weil jede mögliche Ansicht widerlegt bzw. zu jeder möglichen Ansicht gleichstarke Gegenargumente angegeben werden könnten.
Der alte Einwand dagegen besteht in der Frage, ob dies dann nicht auch für den (dogmatischen) skeptischen Standpunkt gelten müsse.
Es fragt sich aber, ob dieser Einwand gegen oder für diesen skeptischen Standpunkt spricht. Das ist, so scheint mir, eine Paradoxie.

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 30.03.2018 um 22:16 Uhr (Zitieren)
Ὦ φίλοι, οὐδεὶς φίλος.

Diese Paradoxie wird als Ausspruch des Aristoteles bei Diogenes Laërtios (5, 25) überliefert. Allerdings erklärte 1583 ein naseweiser, junger Griechischprofessor aus Basel¹, hier sei nicht ὦ φίλοι, sondern ᾧ φίλοι zu lesen, da Diogenes Laërtios als Parallelstelle das siebte Buch der Ethik angebe und man in der Eudemischen Ethik den gleichen, lediglich um das Wörtchen πολλοὶ erweiterten Satz finde (durch dessen Auslassung der Spruch nur gewinne)². Zwar widerstanden die Herausgeber des Diogenes Laërtios in den folgenden Jahrhunderten³ noch der verführerischen Kraft des Arguments, doch das prosaische 19. Jahrhundert hat das resignative Aristoteleswort schließlich geopfert⁴, ohne sich darum zu kümmern, dass es längst zu einem Lieblingszitat der Philosophen avanciert war⁵.

__________
1 Isaacus Hortusbonus [d. i. Casaubon], Notae ad Diogenis Laërtij libros ..., Morgiis [= Morges] 1583, S. 162.
2 οὐθεὶς φίλος, ᾧ πολλοὶ φίλοι (EE, 1245b 20)
3 zu nennen sind Henricus Stephanus d. Ä. (Basel ²1593), Marcus Meibom (Amsterdam 1692), Paul Daniel Longolius (Hof 1739). Stephanus, Schwiegervater des Casaubon, gab seiner DL-Ausgabe von 1593 die Notae immerhin als Anhang bei; auch Meibom nahm Casaubons Bemerkungen in den Kommentar seiner Ausgabe auf.
4 Seit der Edition von Heinrich Gustav Hübner (Leipzig 1828) steht im Text der DL-Ausgaben ᾧ φίλοι.
5 Montaigne: … le mot qu’Aristote avoit tres-familier : « O mes amis, il n’y a nul amy » (Essais 1, 28).
Helvétius: ... on peut donc, en ce siecle, s’ écrier avec Aristote : O mes amis ! il n’est plus d’amis (De l’esprit, Paris 1758, S. 356).
Kant: ... wogegen Aristoteles sagt: meine lieben Freunde, es giebt keinen Freund! (Die Metaphysik der Sitten, AA VI, S. 470; daneben: Anthropologie in pragmatischer Hinsicht, AA VII, S. 152 und die nachgelassenen Reflexionen zur Anthropologie, AA XV, S. 433)
Auch Nietzsche (der zeitweilig selbst plante, den Diogenes Laërtios herauszugeben) zitiert den Satz (Menschliches, Allzumenschliches I, 376, KSA 2, S. 263), allerdings nicht mehr als Auspruch des Aristoteles, sondern eines unbestimmten Weisen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 31.03.2018 um 15:06 Uhr (Zitieren)
Auch Nietzsche ist ja zu einem solchen naseweisen (?) jungen Griechischprofessor in Basel geworden, und zwar - wenn ich recht informiert bin - aufgrund einer Seminararbeit "De fontibus Diogenis Laërtii", also ohne förmliche Promotion und Habilitation.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 31.03.2018 um 18:48 Uhr (Zitieren)
Amüsante Parallele. Ja, Nietzsche (der mit der Veröffentlichung der Geburt der Tragödie seinen Hörsaal schlagartig entvölkert hat) kann man geradezu als den fleischgewordenen Konflikt zwischen Philologie und Philosophie ansehen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 31.03.2018 um 20:59 Uhr (Zitieren)
Korrektur:
Zitat von Φιλομαθής am 30.3.18, 22:163 zu nennen sind Henricus Stephanus d. Ä. Henricus II. Stephanus ...


Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 04.04.2018 um 21:07 Uhr (Zitieren)
Time present and time past
Are both perhaps present in time future,
And time future contained in time past.

T. S. Eliot: Burnt Norton (Four Quartets)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 10.04.2018 um 13:38 Uhr (Zitieren)
An einem Tag gibt ein Mensch zu, launisch zu sein; an einem anderen Tag bestreitet er das vehement. Ist das Teil seiner Launen?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 10.04.2018 um 13:38 Uhr (Zitieren)
Wer etwas glaubt, hat den Zweifel im Nacken. Wer aber zweifelt, muß auch etwas glauben.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 16.04.2018 um 21:46 Uhr (Zitieren)
Das 1970 veröffentlichte Doppelalbum der Byrds trägt den Titel (Untitled).
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 17.04.2018 um 12:39 Uhr (Zitieren)
Oja.
In der Malerei ist "Ohne Titel" als Titel ja sogar weit verbreitet.

***

Barfußschuhe.
(Die gibt es wirklich. Und gemeint ist nicht, daß man keine Socken darin trägt.)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 17.04.2018 um 21:02 Uhr (Zitieren)
Zitat von Γραικίσκος am 17.4.18, 12:39In der Malerei ist "Ohne Titel" als Titel ja sogar weit verbreitet.

Das stimmt wohl. Aber wie erkennt man, wann die Bezeichnung Ohne Titel mitteilt, dass ein Bild den Titel Ohne Titel trägt und wann, dass es tatsächlich unbetitelt ist?

Zitat von Γραικίσκος am 17.4.18, 12:39Barfußschuhe.

Als Zielgruppe dafür kommen wahrscheinlich Leute infrage, die zum Laufen ein Laufband benötigen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 17.04.2018 um 22:53 Uhr (Zitieren)
Meine Frau läuft damit durch den Wald. Es fühlt sich, sagt sie, an wie Barfußlaufen minus spitze Steine unterm Fuß.
Die Bezeichnung "Barfußschuh" ist vermutlich etwas übertrieben wie so vieles in der Werbung. Doch es geht in diese Richtung.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 17.04.2018 um 22:59 Uhr (Zitieren)
- Das Byrds-Album, fällt mir ein, habe ich mal besessen. Meiner Erinnerung nach war da von der Originalbesetzung der "Byrds" keiner mehr dabei. In welchem Sinne waren das dann noch "The Byrds"?
- Falls "Ohne Titel" der Titel eines Bildes sein soll, dann haben sehr viele Bilder denselben Titel.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 17.04.2018 um 23:02 Uhr (Zitieren)
Das Problem einer Band mit Namen "The Byrds", bei der nach und nach alle Mitglieder ersetzt werdne, nicht jedoch der Name, das ist das Schiff-des-Theseus-Problem.
(Ich nehme an, das steht hier in diesem inzwischen etwas unübersichtlichen Thread schon irgendwo.)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 17.04.2018 um 23:22 Uhr (Zitieren)
Ich jedenfalls besitze kein Laufband. Solche Minimalschuhkonzepte, die mit der Vorstellung des unbeschwerten Barfußlaufens vorzugsweise durch eine taunasse Wiese kokettieren, beruhen im Wesentlichen darauf, alles am herkömmlichen Schuh zu reduzieren, was den Kontakt zum Boden behindert und die Beweglichkeit des Fußes unnötig einschränkt, worauf dieser im Idealfall ganz anders mit dem Untergrund kommuniziert, gefordert wird und reagieren kann.

--

Ist "Mit Titel" eigentlich weniger paradox als "Ohne Titel"?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 18.04.2018 um 10:26 Uhr (Zitieren)
Gut, ich glaube den Nutzen des Barfußschuhs (kann man von Hornhautprothesen sprechen?) verstanden zu haben.


Zitat von Γραικίσκος am 17.4.18, 23:02Das Problem einer Band mit Namen "The Byrds", bei der nach und nach alle Mitglieder ersetzt werden, nicht jedoch der Name, das ist das Schiff-des-Theseus-Problem.

Am Theseusschiff Byrds blieb zumindest die - um im Bild zu bleiben - Galionsfigur Roger McGuinn samt Rickenbackersound unangetastet.


Zitat von filix am 17.4.18, 23:22Ist "Mit Titel" eigentlich weniger paradox als "Ohne Titel"?

Unter der Voraussetzung, dass das Wort Titel sich auf die titelgebende Äußerung, in der es enthalten ist, beziehen darf (ich meine, das ist zulässig), ja.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 18.04.2018 um 13:11 Uhr (Zitieren)
(kann man von Hornhautprothesen sprechen?)


Träger von Flurschadenbrettern, Kindersärgen, Knobelbechern, Pflasterpanzern und Co dürfen das natürlich. ;)

Unter der Voraussetzung, dass das Wort Titel sich auf die titelgebende Äußerung, in der es enthalten ist, beziehen darf (ich meine, das ist zulässig), ja.


"Ohne Titel" und "Mit Titel" erscheinen, vergleicht man sie mit den Erwartungen an gewöhnliche Titel, die werkspezifisch aussagekräftig und möglichst einzigartig sein sollen, gleichermaßen mangelhaft.

Verknüpft man diesen Defizienzaspekt mit der Selbstreferenzialität, so wird der Widerspruch im Titel "Ohne Titel" eigentlich gemildert, denn in der Tat besitzt es, wie behauptet, keinen richtigen, während besagter Mangel im Titel "Mit Titel" dessen Widerspruchsfreiheit untergräbt.

Explizite Titellosigket ist auch als Ausdruck eines künstlerischen Habitus mittlerweile so etabliert, dass er als voll genommen wird, während man bei "Mit Titel" geneigt ist, nachzufragen: Ja, aber welcher?


Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 18.04.2018 um 13:31 Uhr (Zitieren)
Explizite Titellosigket ist auch Explizite Titellosigkeit wird andererseits als Ausdruck ...

Wann kommt endlich die Edit-Funktion für das Altgriechischforum?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 18.04.2018 um 14:34 Uhr (Zitieren)
Der Umweg ist der kürzeste Weg, sagen die Chinesen. Ob es sich wirklich um ein chin. Sprichwort handelt, konnte ich nicht eruieren.

Longest way round is the shortest way home heißt es jedenfalls beim Chinesen der Moderne (Ulysses 13.1110f.), ein Spruch der auch schon seit 1580 unterwegs ist: https://books.google.de/books?id=ULFJDIF9cNgC&pg=PA166
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 19.04.2018 um 14:25 Uhr (Zitieren)
"Nichts ist so sehr zum Scheitern verurteilt wie der Erfolg", habe ich einmal als chinesisches Sprichwort gelesen.
Zum taoistischen Denken des "Erreiche Yang durch Yin" passen beide Zitate.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 20.04.2018 um 22:00 Uhr (Zitieren)
Ich bin dabei nur begierig, wie sich Rom schämen und benehmen wird, das mich in den letzten Tagen so schmerzhaft verkannte, daß ich wahrlich immer daran denken muß, um es nur zu vergessen.

Jean Paul, Der Komet, in: ders., Sämtliche Werke, hg. von Norbert Miller, Abt. I, Bd. 6, Darmstadt 2000, S. 934.

[...], und es war schmeichelhaft für jeden und ihn selber, daß er sich den zweiten Kaiser Karl den Fünften nannte, der auf allen seinen Reisen einen Maler mit sich führte und der von Tizian dreimal die Unsterblichkeit empfangen zu haben versicherte, nach seinem dreimaligen Abmalen; [...]

A. a. O., S. 938.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 02.05.2018 um 19:33 Uhr (Zitieren)
O, es is' ein bitteres Gefühl,
wenn man oft so hungrig is',
daß man vor Durst nicht weiß,
wo man die Nacht schlafen soll!

Johann Nestroy: Frühere Verhältnisse (1862), 6. Szene, Monolog des Hausknechts Muffl.


Bekannter dürfte die Zuspitzung durch Leonhard Frank sein, die er 1932 seinem Roman Von drei Millionen drei als Motto voranstellte:

Ich hab so einen Hunger,
daß ich vor Durst nicht weiß,
wo ich heut nacht schlafen soll,
so friert's mich.

(Nestroy)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 02.05.2018 um 20:04 Uhr (Zitieren)
Das ist anscheinend in den Volksmund übergegangen, denn mein Vater (Jahrgang 1917) sagte öfters: "Ich hab' einen solchen Durst, ich könnt' ein halbes Schwein essen, so müd' bin ich."
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 05.05.2018 um 13:04 Uhr (Zitieren)
Hier der alte Witz. Man kommt zum Irrenhaus, klopft an, der Wärter brummt durch die Tür: »Was ist los? Was wollen Sie?« Und ich sage: »Ich bin verrückt.« Und dann sagt er: »Sie sind wohl verrückt!« Und schließt nicht auf.

Wolfgang Koeppen: Ich bin gern in Venedig warum. Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1996, S. 19
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 06.05.2018 um 02:41 Uhr (Zitieren)
Der Witz an sich ist natürlich von mäßigem Unterhaltungswert. Mir schien aber die Art und Weise, in der Koeppen ihn bringt, der Sache noch einen kleinen Wahnsinn hinzuzufügen. Der Wechsel von "man" und "ich" und die sperrige Parataxe haben für mich etwas Dissoziatives.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 13.05.2018 um 23:26 Uhr (Zitieren)
Bei Sebastian Sick gelesen:

Professur (W2) für Nachhaltigkeit

Die Stelle ist auf 5 Jahre befristet

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 14.05.2018 um 11:29 Uhr (Zitieren)
Sehr schön.

Ein Sportreporter sagte einmal:
Foul? Elfmeter? - Nein, es war nichts, und was nicht war, war auch noch außerhalb des Strafraums.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 06.06.2018 um 17:50 Uhr (Zitieren)
Ein Ehepartner nach eingetretenem Mißgeschick: „Ich will jetzt nicht sagen: Ich habe dich gewarnt!, denn das wäre besserwisserisch und herablassend. Aber gewarnt habe ich dich.“
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 14.07.2018 um 18:33 Uhr (Zitieren)
Auf dem Höhepunkt seiner Macht, so eine Anekdote, lud der argentinische Präsident Juan Perón (1895 bis 1974) einen Neffen in die Casa Rosada ein, um ihn in die Geheimnisse der Politik einzuführen. Am ersten Tag verfolgte der junge Mann im Präsidentenpalast im Herzen von Buenos Aires ein Treffen Peróns mit einer Delegation von Kommunisten. Zum Abschied sagte Perón: „Ihr habt ganz recht.“ Tags darauf empfing der Präsident eine Abordnung von Faschisten, denen er zum Abschluss des Gesprächs beschied: „Ihr habt ganz recht.“ Hernach fragte Perón seinen Besucher, was er über die Begegnungen denke. Der Neffe erwiderte: „Du hast mit zwei Gruppen gesprochen, die entgegengesetzte Positionen vertreten haben, und du hast beiden recht gegeben. Das ist vollkommen inakzeptabel!“ Antwort Peróns: „Du hast ganz recht.“
Perón machte aus der Widersprüchlichkeit eine Kunstform der politischen Herrschaft: Weil er mit allem und allen übereinstimmte, konnte er nach Gutdünken jede Maßnahme durchsetzen. Er perfektionierte den populistischen Personenkult und den Machterhalt ohne ideologisches Unterfutter.

[Matthias Rüb; Ihr habt alle ganz recht; in: Frankfurter Allgemeine vom 14. Juli 2018]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 14.07.2018 um 19:01 Uhr (Zitieren)
In den Probeaufnahmen zum Duett Under Pressure mit Annie Lennox erzählt David Bowie folgenden Witz in das Auge der Kamera:

"Two psychiatrists ... no, no ... two psychics pass each other in the street. One says to the other: "You're doing all right. How am I?"
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 14.07.2018 um 19:46 Uhr (Zitieren)
Matthias Rüb meint im weiteren Verlauf seines Artikels, in dieser Hinsicht sei Papst Franziskus Peronist.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 22.07.2018 um 15:07 Uhr (Zitieren)
σπεῦδε βραδέως (i.e. festina lente)

(Augustus)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 22.07.2018 um 15:46 Uhr (Zitieren)
Ein Ehepartner nach eingetretenem Mißgeschick: „Ich will jetzt nicht sagen: Ich habe dich gewarnt!, denn das wäre besserwisserisch und herablassend. Aber gewarnt habe ich dich.“
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.09.2018 um 23:27 Uhr (Zitieren)
Ein Hunde-Paradox:

Ich herrsche den Hund an: „Geh auf deinen Platz!“ Er sitzt bereits auf seinem Platz und ist völlig verwirrt.
Können Hunde schizophren werden?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 12.09.2018 um 11:42 Uhr (Zitieren)
Das liest sich nach einer (soften) Seligmanschen Versuchsanordnung ("learned helplessness").
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 21.09.2018 um 20:44 Uhr (Zitieren)
Mit Bezug auf die lykurgische Verfassung in Sparta schreibt Plutarch (Lyk. 13): Μία μὲν οὖν τῶν ῥητρῶν ἦν, ὥσπερ εἴρηται, μὴ χρῆσθαι νόμοις ἐγγράφοις. ("Eine der Rhetren lautete nun, wie gesagt: Es dürfen keine niedergeschriebenen Gesetze angewendet werden.")

Leider teilt er nicht mit, was geschah, als jemand dieses Gesetz aufschrieb.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 22.09.2018 um 13:13 Uhr (Zitieren)
Das erinnert an "Befolge diesen Befehl nicht!".
Ich danke für den Hinweis.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 21.10.2018 um 16:22 Uhr (Zitieren)
Οἱ Αἰγυπτίων βασιλεῖς κατὰ νόμον ἑαυτῶν τοὺς δικαστὰς ἐξώκριζον ὅτι κἂν βασιλεύς τι προστάξῃ κρῖναι μὴ δικαίων, οὐ κρινοῦσι.

The kings of the Egyptians, in accordance with a rule of their own, used to require their judges to swear that, even if the king should direct them to decide any case unfairly, they would not do so.

(Plutarch: Moralia 174C)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 30.10.2018 um 13:56 Uhr (Zitieren)
Seitensprung? Und wie er das darf!

Von Bunte befragt, ob sie einen Seitensprung verzeihen könnte, entgegnet sie [sc. die Schauspielerin Anna Schudt]: „Und wie ich dem verzeihen würde! Das interessiert mich überhaupt nicht. Ich bin da sehr tolerant.“ Und sie fügt hinzu: „Das Lustige ist, dass das Bedürfnis, mit jemand anderem ins Bett zu gehen, rapide abnimmt, wenn man es darf.“ Schudts Ehemann wird nun womöglich rätseln, wie er mit den Informationen umgehen soll: Einerseits erteilt sie ihm die Absolution, andererseits behauptet sie, er werde dann ja eh keine Lust haben. Steckt darin dann nicht doch wieder implizit ein Verbot, welches ihn wiederum anspornen müsste? Vertrackte Situation.

[Quelle: Jörg Thomann in Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 28. Oktober 2018]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 03.11.2018 um 17:21 Uhr (Zitieren)
Die Weisen führen den Staat, indem sie Belohnungen, Strafen und Anweisungen vereinheitlichen. Vereinheitlicht man Belohnungen, dann wird das Heer keinen ebenbürtigen Gegner haben; vereinheitlicht man Strafen, dann werden die Verordnungen befolgt; vereinheitlicht man Anweisungen, dann hören die Untertanen auf die Obrigkeit.
Nun, stellt man Belohnungen klar, entstehen keine Kosten; stellt man Strafen klar, folgen keine Hinrichtungen; stellt man Anweisungen klar, gibt es keine Abweichung, das Volk kennt seine Aufgaben, und im Lande herrschen keine unterschiedlichen Gebräuche. So führt das Klarstellen von Belohnungen letztlich zur Abschaffung von Belohnungen; das Klarstellen von Strafen führt letztlich zur Abschaffung von Strafen; und das Klarstellen der Anweisungen führt zur Abschaffung von Anweisungen.

[Der Herausgeber nennt dies das „Paradox des Politischen Realismus“.]

[Quelle: Shangjun shu – Schriften des Fürsten von Shang. Übersetzt und kommentiert von Kai Vogelsang. Stuttgart 2017, S. 203]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 03.11.2018 um 20:32 Uhr (Zitieren)
Was soll Vereinheitlichung und Klarstellung hier genau bedeuten?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 04.11.2018 um 14:23 Uhr (Zitieren)
Der Verfasser gilt als der Macchiavelli Chinas, auch wenn er ca. 1000 Jahre vor dem Florentiner gelebt hat.

Was er mit "Vereinheitlichung" meint, erläutert er im folgenden Abschnitt (17.2 f.):
"Belohnungen vereinheitlichen" bedeutet, dass Vorteile und Einkünfte, Ämter und Ränge allesamt dem Militärdienst entspringen und auf keine andere Weise vergeben werden. So werden gewiss alle, ob klug oder dumm, ehrenhaft oder ehrlos, mutig oder feige, würdig oder ungeeignet, sämtliches Wissen in ihrer Brust ausschöpfen, alle Kräfte in ihren Gliedern aufbieten und im Dienst für die Obrigkeit in den Tod gehen.
[...]
"Strafen vereinheitlichen" bedeutet, dass Strafen ohne Rücksicht auf Ränge oder Stufen gelten. Vom Premierminister und General bis hin zu Würdenträgern und einfachen Leuten soll jeder, der den Befehlen des Königs nicht folgt, gegen staatliche Verbote verstößt oder gegen die Bestimmungen der Obrigkeit rebelliert, ohne Pardon zum Tode verurteilt werden.

Der Herausgeber kommentiert:
In einem Staat, der perfekt funktioniert, herrschen keine unterschiedlichen Gebräuche mehr, es gibt keinerlei Abweichungen von der Norm, so dass der Staat seine Herrschaftsinstrumente zwar weiterhin besitzt, sie aber nicht mehr anzuwenden braucht.

Ich hoffe, daß dies Deine Frage beantwortet.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 07.11.2018 um 13:25 Uhr (Zitieren)
Le superflu, chose très nécessaire.

Voltaire: Le Mondain, Vers 22.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 07.11.2018 um 14:14 Uhr (Zitieren)
In J. J. L. Duyvendaks Übersetzung liest sich die Passage für mich verständlicher so:

The way in which a sage administers a state is by unifying rewards, unifying punishments, and unifying education. The effect of unifying rewards is that the army will have no equal; the effect of unifying punishments is that orders will be carried out; the effect of unifying education is that inferiors will obey superiors. Now if one understands rewards, there should be no expense; if one understands punishments, there should be no death penalty; if one understands education, there should be no changes, and so people would know the business of the people and there would be no divergent customs. The climax in the understanding of rewards is to bring about a condition of having no rewards; the climax in the understanding of punishments is to bring about a condition of having no punishments; the climax in the understanding of education is to bring about a condition of having no education.


Der Namensgeber dieser legalistischen Schrift, der schon circa 1800 Jahre vor dem Florentiner gelebt hat (und dessen Lektüre ihm seinen gewaltsamen Tod vielleicht erspart hätte), prognostiziert also einen unvermeidlichen gesamtgesellschaftlichen Lernprozess, der einsetzen soll, wenn man die Steuerungsmechanismen von Lohn und Strafe so handhabt, wie er sich das vorstellt, und sie überflüssig macht. Als paradox würde ich aber bestenfalls den letzten, von dir nicht zitierten Satz "the climax in the understanding of education is to bring about a condition of having no education" ansehen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 07.11.2018 um 14:22 Uhr (Zitieren)
"von dir nicht zitierten Satz", soll heißen, dass ich ihn in der Vogelsangschen Übersetzung nicht wiedererkenne.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 07.11.2018 um 14:43 Uhr (Zitieren)
Der entsprechende Satz in Vogelsangs Übersetzung lautet (oben zitiert): "und das Klarstellen der Anweisungen führt zur Abschaffung von Anweisungen."
Kannst Du die englische Version darin nicht wiedererkennen?

Die Angabe, der Autor habe ca. 1000 Jahre vor dem Florentiner gelebt, war ein Lapsus meinerseits, bei dem ich u.Z. und v.u.Z. verwechselt habe.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 07.11.2018 um 14:48 Uhr (Zitieren)
Nicht wirklich, eine Anweisung ist wohl kaum dasselbe wie eine Unterweisung, vom bei "education" sich einstellenden umfassenden Bildungsbegriff ganz zu schweigen. Es stellt sich für mich bei "Anweisung" auch keine paradoxe Struktur her, wie das bei (sinngemäß) "die höchste Form der Bildung ist, keine zu besitzen" der Fall ist.
Ich kann aber die Qualität der Übersetzungen mangels Sprachkenntnissen nicht beurteilen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 07.11.2018 um 17:02 Uhr (Zitieren)
Es ist sicherlich derselbe chinesische Satz, der hier in zwei Versionen übersetzt wurde; ich hatte Dich so verstanden, daß Du ihn bei Vogelsang gar nicht findest.
Gut.
Die Qualität der jeweiligen Übersetzung können wir nicht beurteilen.
Die Paradoxie, von der Vogelsang ja selber schreibt, ist die m.E. analog zu der des "war to end all wars".
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 08.11.2018 um 12:42 Uhr (Zitieren)
Dann verfiele eigentlich jede auf Prävention setzende Strafzwecktheorie dieser Art Paradoxie, wenn ihr Endziel ein durch den Lerneffekt von Bestrafung erwirkter gesellschaftlicher Zustand ist, in dem sich alle gesetzeskonform verhalten. Ich nehme aber an, dass der Widerspruch zwischen Behauptung und (aus der Kenntnis der Geschichte gespeister) Erwartung im Falle des Krieges, der alle Kriege beenden soll, als stärker betrachtet wird.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 08.11.2018 um 16:34 Uhr (Zitieren)
So wird es sein.

Vielleicht von ähnlicher Art ist Poppers "Paradox der Toleranz":
Weniger bekannt ist das Paradox der Toleranz: Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die unbeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.
Damit wünsche ich nicht zu sagen, daß wir z. B. intolerante Philosophien auf jeden Fall gewaltsam unterdrücken sollten; solange wir ihnen durch rationale Argumente beikommen können und solange wir sie durch die öffentliche Meinung in Schranken halten können, wäre ihre Unterdrückung sicher höchst unvernünftig. Aber wir sollten für uns das Recht in Anspruch nehmen, sie, wenn nötig, mit Gewalt zu unterdrücken; denn es kann sich leicht herausstellen, daß ihre Vertreter nicht bereit sind, mit uns auf der Ebene rationaler Diskussion zusammenzutreffen, und beginnen, das Argumentieren als solches zu verwerfen; sie können ihren Anhängern verbieten, auf rationale Argumente - die sie ein Täuschungsmanöver nennen - zu hören, und sie werden ihnen vielleicht den Rat geben, Argumente mit Fäusten und Pistolen zu beantworten.
Wir sollten daher im Namen der Toleranz das Recht für uns in Anspruch nehmen, die Unduldsamen nicht zu dulden. Wir sollten geltend machen, dass sich jede Bewegung, die Intoleranz predigt, außerhalb des Gesetzes stellt, und wir sollten eine Aufforderung zur Intoleranz und Verfolgung als ebenso verbrecherisch behandeln wie eine Aufforderung zum Mord, zum Raub oder zur Wiedereinführung des Sklavenhandels.

[Quelle: Karl R. Popper: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. 2 Bde. Bern 2. Aufl. 1970, Bd. 1, S. 359]

So berühmt sie ist, sie ist versteckt in einer Anmerkung des genannten Buches, und im Internet findet man kaum einmal die genaue Stellenangabe.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 08.11.2018 um 23:46 Uhr (Zitieren)
Das Simile-Prinzip der Homöopathie gehört dann wohl auch in diese Klasse.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 10.11.2018 um 11:12 Uhr (Zitieren)
Das Mittel, dessen sich die Natur bedient, die Entwickelung aller ihrer Anlagen zu Stande zu bringen, ist der Antagonism derselben in der Gesellschaft, so fern dieser doch am Ende die Ursache einer gesetzmäßigen Ordnung derselben wird.

Ich verstehe hier unter dem Antagonism die ungesellige Geselligkeit der Menschen, d. i. den Hang derselben in Gesellschaft zu treten, der doch mit einem durchgängigen Widerstande, welcher diese Gesellschaft beständig zu trennen droht, verbunden ist.

Hiezu liegt die Anlage offenbar in der menschlichen Natur. Der Mensch hat eine Neigung sich zu vergesellschaften, weil er in einem solchen Zustande sich mehr als Mensch, d. i. die Entwickelung seiner Naturanlagen, fühlt.
Er hat aber auch einen großen Hang sich zu vereinzelnen (isoliren): weil er in sich zugleich die ungesellige Eigenschaft antrifft, alles bloß nach seinem Sinne richten zu wollen, und daher allerwärts Widerstand erwartet, so wie er von sich selbst weiß, daß er seinerseits zum Widerstande gegen andere geneigt ist.

Dieser Widerstand ist es nun, welcher alle Kräfte des Menschen erweckt, ihn dahin bringt seinen Hang zur Faulheit zu überwinden und, getrieben durch Ehrsucht, Herrschsucht oder Habsucht, sich einen Rang unter seinen Mitgenossen zu verschaffen, die er nicht wohl leiden, von denen er aber auch nicht lassen kann.

Immanuel Kant: Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht (1784), Vierter Satz.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Οὔτις schrieb am 10.11.2018 um 11:30 Uhr (Zitieren)
Strindberg prägte den schönen Ausdruck „unpersönlicher Bekanntenkreis“. Er meinte damit Menschen, die man häufig sieht (Ubahn, Supermarkt), ohne sie näher zu kennen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 12.11.2018 um 14:14 Uhr (Zitieren)
Die Kant-Stelle ist bekannt.
Das Bedürfnis des Menschen, "sich einen Rang unter seinen Mitgenossen zu verschaffen, die er nicht wohl leiden, von denen er aber auch nicht lassen kann", befriedigt er aber nicht an seinem "unpersönlichen Bekanntenkreis" (an sich ein schöner Ausdruck) - nennt man solche Leute nicht "Kollegen"?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 12.11.2018 um 18:21 Uhr (Zitieren)
Forenhabitués sind dem unpersönlichen Bekanntenkreis folglich auch zuzurechnen. Wo genau bei Strindberg findet man den Ausdruck eigentlich?

Im Internet kursiert seit geraum Zeit eine angeblich auf Walter Slezsak zurückgehende Variante des von Kant benannten Zwiespalts im Zeitalter des fortgeschrittenen kreditfinanzierten Konsumismus:

Leute kaufen Sachen, die sie nicht brauchen, mit Geld das sie nicht haben, um Leuten zu imponieren, die sie nicht mögen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 12.11.2018 um 18:24 Uhr (Zitieren)
... geraumer Zeit... / ... Geld, das ...

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Οὔτις schrieb am 12.11.2018 um 19:33 Uhr (Zitieren)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 13.11.2018 um 13:31 Uhr (Zitieren)
In den ersten Minuten des Features erfährt man, dass der Ausdruck auf Strindbergs Novelle Einsam zurückgeht:

Ich habe mir nun auch einen unpersönlichen Umgang verschafft, auf eine sehr billige Art. Auf meinem Morgenspaziergang habe ich diese unbekannten Bekanntschaften gemacht, die ich nicht grüße, weil ich sie nicht persönlich kenne.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 14.11.2018 um 00:54 Uhr (Zitieren)
Bei Strindberg wird man auch gleich zu Anfang seiner Novelle fündig:
Die junge Generation drang drohend vor und nahm von den Taten der Aelteren keine Notiz; ja, das Aergerlichste war, daß die Jungen dieselben Entdeckungen machten, die wir gemacht hatten; und, was schlimmer war, sie trugen ihre alten Neuigkeiten vor, als habe man die noch nie geahnt.

[i](August Strindberg: Einsam, 1. Kap.)[/quote]

Alte Neuigkeiten ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 14.11.2018 um 13:51 Uhr (Zitieren)
Robert Havemann (1910-1982) war ein Naturwissenschaftler und Freund Wolf Biermanns (Biermann war mit dessen Tochter liiert), der als Dissident in der DDR lebte, die dortigen Verhältnisse vom Standpunkt eines humaneren Sozialismus aus kritisierte, sich aber bewußt für ein Bleiben in der DDR entschieden hatte. Bevor er eine abweichende Einstellung entwickelte, war Havemann SED-Mitglied und Mitglied der Volkskammer der DDR gewesen und mit dem Nationalpreis der DDR ausgezeichnet worden. Als Mitglied einer Widerstandsgruppe in der NS-Zeit, die Juden versteckt hatte, hat Robert Havemann postum 2005 vom Staat Israel die Auszeichnung „Gerechter unter den Völkern“ erhalten.
Zu Robert Havemanns maßloser Enttäuschung ist sein Sohn Florian (geb. 1952), nachdem er 1968 wegen öffentlicher Unterstützung des „Prager Frühlings“ in der CSSR inhaftiert worden war, 1971 aus der DDR geflohen.
Wolf Biermann ist 1976 gegen seinen Willen aus der DDR ausgebürgert worden und durfte nach einem Konzertauftritt in der Bundesrepublik nicht dorthin zurückkehren.

Der kleine Flori Have-
Zwei-Meter-Mann, das brave
das uralt kluge Kind
Ist abgehaun nach Westen
Mit seiner derzeit Festen
- wie die wohl rüber sind?

Er ist hinüber – enfant perdu
Ach, kluge Kinder sterben früh
Von Ost nach West – ein deutscher Fall
Laß, Robert, laß sein
Nee, schenk mir kein‘ ein!
Abgang ist überall

[...]


"Enfant perdu" heißt dieses eindrucksvolle Lied.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 15.11.2018 um 23:29 Uhr (Zitieren)
Was wir meiner Erinnerung nach noch nicht hatten, ist das politische Paradoxon. Hier ist eines:
Die Brexit-Paradoxie: Großbritannien soll aus der EU austreten. Nordirland soll Teil von Großbritannien bleiben. Die Republik Irland soll in der EU bleiben. Zwischen Nordirland und der Republik Irland soll es keine EU-Außengrenze geben.

In der Tradition des "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß".
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 16.11.2018 um 21:25 Uhr (Zitieren)
Indes, wie sagte Albrecht Fabri? - "Ein unlösbares Problem ist keins."
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 17.11.2018 um 15:48 Uhr (Zitieren)
Wer war es, der einst zu Nero (oder Caligula?) sagte: "Du kannst jeden umbringen, aber nicht deinen Nachfolger"?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 18.11.2018 um 00:33 Uhr (Zitieren)
Das soll Seneca zur Nero gesagt haben (Cassius Dio 61, 18).
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 18.11.2018 um 12:04 Uhr (Zitieren)
Dazu fällt mir - sagen wir mal spontan - ein, dass Bazon Brock in einer Wortmeldung nach einem Vortrag von G .Heinsohn sinngemäß behauptet hat, der Atomkrieg zwischen Russen und Amerikanern habe letztlich nicht stattgefunden, weil beide zu der Einsicht gelangt wären, dass selbst bei Einsatz des verfügbaren Arsenals eine Auslöschung der gesamten Menschheit nicht garantiert werden könne. O-Ton des Emeritus bei der Zusammenfassung der damaligen Überlegungen der weltgeschichtlichen Akteure: "Wieso sollen wir uns auslöschen, damit ein paar Tschuschen im Urwald übrigbleiben und die ganze Evolution für die Katz' war?".
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Οὔτις schrieb am 18.11.2018 um 13:38 Uhr (Zitieren)
Treffender Vorname, der ihm verliehen wurde.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 18.11.2018 um 17:16 Uhr (Zitieren)
Das soll Seneca zur Nero gesagt haben (Cassius Dio 61, 18).

Ich mache daraus mal einen eigenen Thread, weil meine Frage nichts mehr mit der Paradoxie als solcher zu tun hat.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 19.11.2018 um 10:55 Uhr (Zitieren)
Die Lust an der Provokation, sich (in der Wiedergabe der Gedanken anderer) unkorrekter Wortwahl zu bedienen, ist bei Bazon Brock offensichtlich, auch wird man darin kaum eine umfassend befriedigende Erklärung der Dynamik des Kalten Kriegs sehen können. Dass aber in den informellen Gesprächen der beiden Seiten derartige rassistische Erwägungen zu den Nachfolgern, die man selbst mit Atomwaffen nicht töten kann, aufgetaucht sind, bin ich zu glauben sofort bereit.

---
Nachlese zum uralt-klugen Kind Havemann und dem tausendseitigen Echo dieser Zeit:
https://www.deutschlandfunk.de/eine-andere-familiengeschichte.730.de.html?dram:article_id=102991
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 20.11.2018 um 21:29 Uhr (Zitieren)
Dilemma der Präkognition
Καίτοι τί φημι; πάντα προυξεπίσταμαι
σκεθρῶς τὰ μέλλοντ᾽, οὐδέ μοι ποταίνιον
πῆμ᾽ οὐδὲν ἥξει. τὴν πεπρωμένην δὲ χρὴ
αἶσαν φέρειν ὡς ῥᾷστα, γιγνώσκονθ᾽ ὅτι
τὸ τῆς ἀνάγκης ἔστ᾽ ἀδήριτον σθένος.
ἀλλ᾽ οὔτε σιγᾶν οὔτε μὴ σιγᾶν τύχας
οἷόν τέ μοι τάσδ᾽ ἐστί.

[Aischylos, Prometheus vinctus 101 ff.]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Legens schrieb am 21.11.2018 um 18:12 Uhr (Zitieren)
Sofern noch nicht bekannt, das Paradox der Hässlichkeit von Nelson Goodman.

Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Paradox_der_H%C3%A4sslichkeit
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 21.11.2018 um 19:31 Uhr (Zitieren)
Zitat von Legens am 21.11.18, 18:12Paradox der Hässlichkeit

Eine Beobachtung, die bereits Mark Aurel gemacht hatte (Selbstbetrachtungen 3, 2).
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 22.11.2018 um 12:14 Uhr (Zitieren)
Die sprache ist allen bekannt und ein geheimnis.

Jacob Grimm: Vorrede zum Deutschen Wörterbuch, Erster Band (A - Biermolke), Sp. XII.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 22.11.2018 um 15:12 Uhr (Zitieren)
Danke vor allem für den Hinweis auf Marc Aurel; im Anfang von III 3 erwähnt er ja noch eine andere Paradoxie:
Hippokrates heilte viele Krankheiten, dann wurde er selber krank und starb. Die Chaldäer weissagten von vielen den Tod; dann packte sie selber das Verhängnis.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 23.11.2018 um 15:31 Uhr (Zitieren)
Als Paradoxie der Forderung könnte man die folgenden Äußerungen im Rahmen eines New Strafverfahrens gegen einen mehrfachen Mörder bezeichnen:
Mörder: „Ich bin schuldig, ich bereue meine Tat, ich habe die Todesstrafe verdient.“
Verteidiger: „Er zeigt Reue, er hat sich gebessert, man kann auf die Todesstrafe verzichten.“

[Quelle: Dokumentarfilm „Tödliche Mischung – New Yorks erstes Todesurteil“ (1999)]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 23.11.2018 um 20:28 Uhr (Zitieren)
Riskiert die Forderung der Todesstrafe für die eigene Person nicht, den Eindruck von Reue gleich wieder zu verspielen?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Legens schrieb am 25.11.2018 um 16:52 Uhr (Zitieren)
Joachim Ringelnatz: "Sicher ist, dass nichts sicher ist. Selbst das nicht."

Das bereits Marc Aurel das Paradox der Hässlichkeit erwähnte, wusste ich auch noch nicht. Vielen Dank!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Οὔτις schrieb am 25.11.2018 um 18:16 Uhr (Zitieren)
Zum Sonntagabend:
Noch nicht mal ignorieren. (Valentin)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 25.11.2018 um 18:42 Uhr (Zitieren)
Die Suchfunktion sagt, daß wir das hier tatsächlich noch nicht hatten. Gut, daß Du es hinzugefügt hast. Möge es nicht ignoriert werden.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 26.11.2018 um 23:22 Uhr (Zitieren)
Bob Dylan ist mit drei Liedzeilen dabei:
She knows there’s no success like failure
And that failure’s no success at all.

(Love Minus Zero/No Limit)
You always got to be prepared but
You never know for what.

(Sugar Baby)
All the truth in the world adds up to one big lie.

(Things Have Changed)

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 26.11.2018 um 23:26 Uhr (Zitieren)
Alle wollen immer von allen verstanden werden, mir dagegen reicht es schon, wenn niemand mich versteht.

[Herbert Achternbusch, zitiert nach Frankfurter Allgemeine vom 23. November 2018]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Οὔτις schrieb am 27.11.2018 um 10:00 Uhr (Zitieren)
Aus einem Buch der Paradoxa, Alice im Wunderland, ein forumsrelevantes Zitat, Ende Kapitel 9., wo die Mock Turtle sagt: „He taught Laughing and Grief.“ Christian Enzensberger macht daraus „Viechisch im Verein“. Also, good grief!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 27.11.2018 um 11:42 Uhr (Zitieren)
Achternbusch? Da darf das in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangene

Du hast keine Chance, aber nutze sie!


nicht fehlen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 02.12.2018 um 17:12 Uhr (Zitieren)
Der Nonsense vieler Sponti-Sprüche geht in diese Richtung, etwa:
Wissen ist Macht.
Wir wissen nichts.
Macht nichts.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Οὔτις schrieb am 02.12.2018 um 21:01 Uhr (Zitieren)
Ohne unhöflich sein zu wollen, möchte ich zu Alice im Wunderland doch noch anmerken, dass „Laughing and Grief“ eine Verballhornung von „Latin and Greek“ darstellt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 02.12.2018 um 21:42 Uhr (Zitieren)
Ich muss leider zugeben, dass diese Anmerkung an mich nicht verschwendet war. In Flann O'Briens Auf Schwimmen-zwei-Vögel werden zwei Griechen namens Timothy Danaos und Dona Ferentes erwähnt, was ich glücklicherweise ohne Anmerkung verstanden habe.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Οὔτις schrieb am 02.12.2018 um 22:05 Uhr (Zitieren)
Wenn ich kurz abschweifen darf: von L. Carroll stammt auch die großartige philosophische Verballhornung „Take care of the sense and the sounds will take care of themselves.“ (pence/pounds)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 03.12.2018 um 13:09 Uhr (Zitieren)
In einer Schilderung der Auschwitz-Erinnerungsstätte:
Fotos von Menschen, die auf Pritschen liegen. Erwachsene Frauen, die nur noch 35 Kilo wiegen. Sie bestehen buchstäblich nur noch aus Haut und Knochen. Ihre Blicke sind leer, ihre Seelen zerbrochen.

Hier wird der eindeutig metaphorische Gebrauch von „nur noch aus Haut und Knochen bestehend“ durch „buchstäblich“ dementiert.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 04.12.2018 um 13:41 Uhr (Zitieren)
Ad "Laughing and Grief": Nabokov lässt in Pnin "Lethean and Fenugreek" unterrichten.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Οὔτις schrieb am 04.12.2018 um 16:24 Uhr (Zitieren)
Schöner Hinweis, Danke. In der Übers. von Curt Meyer-Clason: ... obskure und vergessene Zungen...

Das ist doch schwach und schade. Und der Witz angeblicher, benannter Sprachen ist dahin. „Lethean“ erlaubt allerhand Sprachspiel. „Fenugreek“ ist griechisches Heu; dt. Bockshornklee“.

Mir liegt nur diese Übers. vor. Es gibt andere. Wer kann helfen? Die Stelle befindet sich im 6. Kapitel, am Anfang des 5. Abschnitts, kurz nachdem Olga Krotki erwähnt wird.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 04.12.2018 um 19:36 Uhr (Zitieren)
Dieter E. Zimmer (in der Werkausgabe) bleibt mit "Lethisch und Fenugräc" relativ nah am Text. Bei Fenugreek klingt wohl auch Fenno-Ugric an.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Οὔτις schrieb am 04.12.2018 um 20:01 Uhr (Zitieren)
Wirklich schöne Lösung! Als Dank nochmals Carrolls Mock Turtle.

The master was an old turtle - we used to call him Tortoise....

We called him Tortoise because he taught us.“
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Οὔτις schrieb am 04.12.2018 um 20:53 Uhr (Zitieren)
Diese Wortspiele gehören eigentlich nicht zum Rubrum Paradoxa. Gibt es derartige witzige Wortverdrehungen im Altgriechischen?

Zur Erheiterung hier ein (US) Klassiker:

"Shake and shake / the catsup bottle / none will come / and then a lot'll."

Ggf. wäre ein neuer Faden zu eröffnen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 09.12.2018 um 13:07 Uhr (Zitieren)
Dieser Sphäre von Kultur und Geschäft liegt ein bemerkenswerter, aber konstitutiver Widerspruch zugrunde. Die Reiseindustrie verspricht die Fremde und die Ferne. Sie erschließt sie und macht sie zu ihrem Produkt. Indem sie diese idealen Orte verfügbar macht – und dem Reisenden der Moderne die körperlichen Mühen, die Unbill an Unvorhersehbarkeiten, ja die beständigen Lebensgefahren des mittelalterlichen Reisenden einer straßenlosen Welt pauschal ersparen – nimmt sie freilich Zug um Zug auch das weg, was die Fremde fremd und die Ferne fern macht. Weil das, was den Warencharakter des Orts touristischer Erwartung erst herstellt, darin gründet, dass er für jeden immerzu erreichbar ist, ist die Touristik ein Geschäft, das im Vertrautmachen der Fremde seine eigenen Voraussetzungen beseitigt.

Wolfgang Scheppe: Reisen als Lebensentwurf in Thomas Steinfeld (Hrsg.): Die Zukunft des Reisens, S. Fischer 2012, S. 28f.


Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 09.12.2018 um 13:16 Uhr (Zitieren)
1945

Wenn das Frühjahr kommt, wird die Trauer der Deutschen ein unerschöpflicher Brunnen sein, und es wird sie von den Juden nicht mehr viel unterscheiden. Hitler hat die Deutschen zu Juden gemacht, in wenigen Jahren, und 'deutsch' ist nun ein Wort geworden, so schmerzlich wie 'jüdisch'.

Elias Canetti: Aufzeichnungen 1942 - 1948, dtv 1969, S. 83
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 09.12.2018 um 21:54 Uhr (Zitieren)
Ipsi illi philosophi etiam in eis libellis quos de contemnenda gloria scribunt nomen suum inscribunt; in eo ipso in quo praedicationem nobilitatemque despiciunt praedicari de se ac se nominari volunt.

Cicero, Pro Archia 26
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.12.2018 um 01:32 Uhr (Zitieren)
Ambrose Bierce hat sich in feiner Selbstironie als "bekanntesten unbekannten Schriftsteller der Welt" bezeichnet.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.12.2018 um 01:35 Uhr (Zitieren)
Ich bezweifle, daß er die Cicero-Stelle gekannt hat. Aber es zeigt, daß man dessen Paradox zumindest ironisieren kann, wenn auch nicht aufheben.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Οὔτις schrieb am 11.12.2018 um 08:50 Uhr (Zitieren)
Bierce mag die Quelle für S. Maugham gewesen sein:

Er sah sich „in the very first row of second class writers“.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.12.2018 um 11:40 Uhr (Zitieren)
Das kommt Bierce zumindest sehr nahe.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.12.2018 um 11:42 Uhr (Zitieren)
Drei Stellen aus dem lyrischen Werk des DDR-Dichters Richard Leising:
Ich weiß keinen Weg, und den gehe ich.

***

Und wird kein Traum sein
In dem du nicht bist
Aber da ist kein Traum.

***

Und dieses Land darin ich leben will
Aber muss

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.12.2018 um 11:44 Uhr (Zitieren)
Quelle nachgetragen:
Richard Leising: Gebrochen deutsch. München 1990

Ein schmaler Lyrik-Band, der einzige, der zu seinen Lebzeiten erschienen ist - aber er hat es in sich.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 11.12.2018 um 12:45 Uhr (Zitieren)
Eine stille, behutsame Annäherung an diesen wahrhaften Dichter, der in seinem Leiden an der unwirtlichen Realität (und sich darin) und im Versuch, dessen Wirkung im Wort zu beschreiben und damit aufzuheben (in beiderlei Sinne), für mich einem Hölderlin an die Seite zu stellen ist:
http://www.planetlyrik.de/richard-leising-die-rotzfahne/2014/07/
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 11.12.2018 um 14:32 Uhr (Zitieren)
Da ist viel Material enthalten, das ich noch nicht kannte und mit Freude gelesen habe. Herzlichen Dank!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 12.12.2018 um 13:04 Uhr (Zitieren)
Five years after the Good Friday Agreement (GFA), I was in Belfast again for work. This time there was no border, no indignity and no fear.
Hearing my Dublin accent, a man in his sixties asked, “Are you Catholic or Protestant?”
“Neither, I’m atheist!” I said triumphantly.
“Yes, but are you a Catholic atheist or a Protestant atheist?”
Religion in Northern Ireland is like the Hotel California*, I was told. You can check out, but you can never leave.

Tess Finch-Lees: Anyone who thinks Brexit won't bring back violence to Ireland doesn't understand the Good Friday Agreement. The Independent, Tuesday 10 April 2018 - https://tinyurl.com/y9hazyr9[/sub]
---
* https://www.youtube.com/watch?v=EqPtz5qN7HM[/sup]



Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 12.12.2018 um 14:12 Uhr (Zitieren)
Das ist ein ernster Beitrag.
Als Hintergrund möchte ich den Text des 1957, beim Aufflammen des irischen Bürgerkriegs, entstandenen Liedes "The Patriot Game" beisteuern:
Come all you young rebels
And list[en] while I sing
For love of one’s land
Is a terrible thing
It banishes fear
With the speed of a flame
And makes us all part of
The patriot game

My name is O’Henlon
I’m just gone sixteen
My home is in Monagh
And there I was weaned
I learned all my live
Cruel England to blame
And so I’m a part of
The patriot game

It’s barely a year
Since I wandered away
With a local batallion
Of the bold IRA
I’ve read of our heroes
I wanted the same
To play up my part in
The patriot game

This Ireland of mine has
For long been half free
Six counties are under
John Bull’s tyranny
But yet de Valera
Is greatly to blame
For shirking his part in
The patriot game

They told me how Conally
Was shot in a chair
His wounds from the fighting
Are bleeding and bare
His fine body twisted
All battered and lame
They soon made me part of
The patriot game

I don’t mind a bit
If I shoot down police
They’re lackeys for war
Never guardians of peace
But yet at these affairs
I never let in
The rebels who sold out
the patriot game

And now as I lie here
My body all holes
I think of those traitors
Who bargained and sold
I’m sorry my rifle
Has not done the same
For the Quislings who sold out
The patriot game


Background: Tune: “One Morning In May”, or “God on Our Side”. This song was written by Dominic Behan, brother of Brendan. It tells the story of Fergal O’Hanlon from Ballybay, Co Monaghan, who tried to abolish the border between the Six Counties and the Republic. He was killed during the Brookborough attack at the age of 17. The song has become world famous. Undoubtedly one of the best ballads ever to come out of the Irish struggles.

Weit über Irland hinaus bekannt geworden ist dieses Lied durch die Version von Bob Dylan: "With God on Our Side".
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Οὔτις schrieb am 12.12.2018 um 14:24 Uhr (Zitieren)
Martin Amis ist als Autor ebenso großartig wie sein Vater Kingsley.

Martin besuchte einmal die Eltern einer Freundin (Enkelin von Winston Churchill; country home!). Der Vater sagt zu Kingsley: „Would you like to wash your hands before we go in?“ Dieser antwortet: „No thanks, I washed them behind a bush on the way down.“

Paradoxale Metapher (?)

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Οὔτις schrieb am 12.12.2018 um 14:27 Uhr (Zitieren)
Tut mir leid, dass diese Anekdote auf den ernsten Eintrag folgt. Zeitgleich verfasst. Zufall.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 23.12.2018 um 22:43 Uhr (Zitieren)
Bei der Frage, mit welchem Programm autonome Autos ausgestattet werden sollen, bevorzugt die Mehrzahl der Befragten für Konfliktfälle den Schutz der größeren Zahl und von Kindern. Kaufen will die Mehrzahl aber nur ein Auto, das stets den Insassen den Vorzug gibt.

[Quelle: Spektrum der Wissenschaft 1/19, S. 37]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 30.12.2018 um 23:38 Uhr (Zitieren)
Alexanders Gespräch mit den Gymnosophisten

Von den Gymnosophisten nahm Alexander [sc. der Große] diejenigen gefangen, die vor allen den Sabbas zum Abfall beredet und den Makedonen den größten Schaden zugefügt hatten. Es waren ihrer zehn; sie standen in dem Ruf, sehr geschickt und knapp alle Fragen zu beantworten. Darum legte Alexander ihnen unlösbare Fragen vor und verkündete, er werde jeden töten, der nicht richtig antworte; „einen von euch werde ich darüber urteilen lassen, er wird euer Richter sein. Wenn er richtig antwortet, wird er als einziger lebend davonkommen.“ Einer der Gymnosophisten fragte, ob sie der Antwort jeweils eine Begründung hinzufügen dürften. Alexander gestand das zu.
(1) Er fragte den ersten, ob nach seiner Meinung die Lebenden oder die Toten zahlreicher seien. Der antwortete: „Die Lebenden. Denn es ist nicht möglich, daß die, welche nicht sind, mehr sind als die, welche sind.“
(2) Danach fragte er den folgenden, ob die Erde oder das Meer mehr Tiere ernähre. Der antwortete: „Die Erde, denn das Meer selbst ist auf der Erde.“
(3) Den dritten fragte er, welches nach seiner Meinung das verschlagenste Tier sei. Der antwortete: „Dasjenige, das kein Mensch kennt.“
(4) Den vierten, ihren Anführer Sabeilo, fragte er, warum er ihrem König dazu geraten habe, gegen ihn Krieg zu führen. Der antwortete: „Damit er entweder in Ehren lebe oder in Ehren sterbe.“
(5) Den fünften fragte er, ob der Tag oder die Nacht früher entstanden sei. Der antwortete: „Der Tag um eine Nacht früher.“ Als der Inder sah, daß Alexander daraus nicht klug wurde, sagte er: „Die Antworten auf unlösbare Fragen sind notwendig ebenfalls unlösbar.“
(6) Den sechsten fragte er, was man tun müsse, um von den Menschen in höchstem Maß geliebt zu werden. Der antwortete: „Man muß der Mächtigste, aber niemandem furchtbar sein.“
(7) Den siebenten fragte er, was man tun müsse, um Gott zu werden. Der antwortete: „Man muß das vollbringen, was für einen Menschen unmöglich ist.“
(8) Den achten fragte er, ob der Tod oder das Leben stärker sei. Der antwortete: „Das Leben. Denn das Leben macht aus dem, was nicht ist, etwas, das ist; der Tod aber aus dem, was ist, etwas, das nicht ist.“
(9) Vom letzten verlangte er, er solle sagen, wie lange zu leben für den Menschen gut sei. Der antwortete: „So lange, wie er nicht den Tod für besser hält als das Leben.“
Nun war noch einer übrig, der über die Antworten urteilen sollte, und Alexander fragte ihn, wer von ihnen am schlechtesten geantwortet habe. „Doch glaube nicht“, sagte er, „daß ich es durchgehen lasse, wenn du nur nach Gunst urteilst!“ Jener wollte nicht, daß durch ihn auch nur einer zu Tode komme, und antwortete, einer habe immer schlechter geantwortet als der andere. Da sagte Alexander: „Also werdet ihr alle sterben, und du nach deinem Urteil als erster.“ Jener aber sagte: „Nicht doch, Alexander! Es ist nicht Art eines Königs, sein Wort zu brechen. Du hast verkündet, nur den zu töten, der nicht richtig antworte. Diese Bedingung schützt uns. Und davor, daß wir zu Unrecht getötet werden, müssen nicht wir uns vorsehen, sondern du!“ Darauf entschied Alexander, diese Männer seien wirklich weise. Er befahl, ihnen allen Kleider zu schenken und sie freizulassen.

[Quelle: Leben und Taten Alexanders von Makedonien. Der griechische Alexanderroman nach der Handschrift L. Hrsg. von Helmut van Thiel. Darmstadt 1983; Anhang II, S. 243-245]

Die Paradoxie besteht darin, daß der zehnte Gymnosophist, dessen Urteil die Grundlage für Alexanders Entscheidung sein soll, seine eigene Aussage als die schlechteste von allen bezeichnet hat; sollte Alexander sie als wahr einstufen, gäbe er damit zu, daß alle anderen bessere Antworten gegeben hätten und damit nicht todeswürdig seien.

(Die Sprache des Originals ist Griechisch.)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 07.01.2019 um 13:47 Uhr (Zitieren)
Ein Taschenbuch wurde verbilligt angeboten mit dem Stempel Preisreduziertes Mängelexemplar. Ich fragte den Buchhändler: „Worin besteht denn der Mangel?“ Er erwiderte: „In dem Stempel.“
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 07.01.2019 um 14:45 Uhr (Zitieren)
Paradoxe Speisung

Simon Wiesenthal, Architekt, überlebt die Zeit im Ghetto. Er entgeht knapp einer Erschießung. Er begeht Selbstmordversuche. Er überlebt einen Todesmarsch nach Buchenwald, einen Transport nach Mauthausen. Im sogenannten Todesblock des Konzentrationslagers befindet er sich jetzt, im Frühjahr 1945, und hungert. Er ist 1,80 groß und wiegt weniger als 50 Kilo. Die Befreiung ist nah. Amerikanische Flugzeuge fliegen über das Lager hinweg. Aber weiterhin sterben täglich Menschen im Block.

Wiesenthal kommt mit einem polnischen Essensträger ins Gespräch: Eduard Staniszewski. Sie kennen sich aus Posen. Staniszewski plant, nach Kriegsende ein Lokal zu eröffnen. Er bittet Wiesenthal, ihm Pläne für diese Gaststätte anzufertigen. Bleistifte und Papier bringt er ihm. Wiesenthal entwirft. Er macht eine Vielzahl von Skizzen, genug für ein ganzes Buch. Selbst die Kleidung der Kellnerinnen zeichnet er. Im Todesblock sterben die Häftlinge. Ihre tägliche Essensration beträgt zweihundert Kalorien. Euard Staniszewski bringt Wiesenthal mehr Brot, im Austausch für seine Ideen. Sie reden darüber, welche Form die Tische des Lokals haben sollten. Sie diskutieren über Teppiche und ihre Farben.

Auch nach der Befreiung Mauthausens sterbende Tausende von Häftlingen an Unterernährung. Eduard Staniszewski wird die Skizzen Wiesenthals jahrzehntelang aufbewahren. Das Lokal wird nie eröffnet. Aber Simon Wiesenthal überlebt.

Christoph Ribbat: Im Restaurant. Eine Geschichte aus dem Bauch der Moderne. S.62.


Das Jüdische Museum Wien zeigt ab Ende Mai 2019 die Entwürfe in einer Ausstellung: http://www.jmw.at/de/exhibitions/cafe-das-ueberleben-des-simon-wiesenthal
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 07.01.2019 um 14:57 Uhr (Zitieren)
Das "Kriminalitätsfurcht"-Paradox

Bei der einfachen Gegenüberstellung von objektiven Belastungsziffern und subjektiven Furchtwerten hat sich gezeigt, dass gerade diejenigen Bevölkerungsgruppen, die gemäß der Angaben aus der polizeilichen Kriminalstatistik weniger stark belastet sind, mehr Furcht äußern, als diejenigen Gruppen, für die eine hohe Viktimisierung ausgemacht werden kann.
Ältere Menschen äußern häufiger Furcht als jüngere und Frauen häufiger als Männer, obwohl ältere Menschen und Frauen laut amtlicher Daten und der Ergebnisse der Viktimisierungssurveys wesentlich seltener Opfer krimineller Handlungen werden.

Frauke Kreuter: Kriminalitätsfurcht: Messung und methodische Problem. Springer 2002, S. 25
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 10.01.2019 um 16:42 Uhr (Zitieren)
Ich freue mich immer über weitere Fälle.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 12.01.2019 um 12:36 Uhr (Zitieren)
A: „Es ist schade, daß wir uns so schlecht verstehen.“
B: „Warum fängst du auch immer wieder Streit an?“
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 13.01.2019 um 12:03 Uhr (Zitieren)
We, therefore, the Representatives of the United States of America, in General Congress, Assembled, appealing to the Supreme Judge of the world for the rectitude of our intentions, do, in the Name, and by Authority of the good People of these Colonies, solemnly publish and declare, That these United Colonies are, and of Right ought to be Free and Independent States; that they are Absolved from all Allegiance to the British Crown, and that all political connection between them and the State of Great Britain, is and ought to be totally dissolved; and that as Free and Independent States, they have full Power to levy War, conclude Peace, contract Alliances, establish Commerce, and to do all other Acts and Things which Independent States may of right do.

[Aus der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika]

Das gute Volk verpflichtet sich und nur sich, wenn es selber seine Erklärung unterzeichnet. Das Wir, das in der Erklärung spricht, spricht «im Namen des Volkes».
Aber dieses Volk existiert nicht, nicht vor dieser Erklärung, nicht als solches. Durch jene Unterzeichnung bringt es sich als freies und unabhängiges Subjekt, als möglicher Unterzeichner zur Welt. Die Unterschrift erfindet den Unterzeichner. Dieser kann sich erst dann zur Unterzeichnung ermächtigen, wenn er, wenn man so sagen kann, mit seiner Unterzeichnung mittels einer wundersamen Rückkopplung ans Ende gekommen ist. Seine erste Unterschrift ermächtigt ihn zu unterzeichnen.

[Aus: J. Derrida, Unabhängigkeitserklärungen, Üb. F. Kittler, in: J. Derrida / F. Kittler, Nietzsche - Politik des Eigennamens, Berlin 2000, S. 13 f.]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 13.01.2019 um 13:11 Uhr (Zitieren)
Ah ja.
Das nimmt offenbar einen Gedanken von Thomas Hobbes auf, wenn er im Leviathan begründet, warum der Souverän seine Einsetzung nicht einem Vertrag mit dem Volk verdanken kann.
Es ist dasselbe Argument: weil das Volk erst durch diesen Vertrag entsteht.

Bei der Analyse, ob der Souverän seinen Untertanen gegenüber zu irgendetwas verpflichtet sein könnte, findet Hobbes noch weitere Zirkelschlüsse.

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
οὔτις schrieb am 13.01.2019 um 13:13 Uhr (Zitieren)
Ich verstehe den Text nicht.

Die Delegierten der 13 Kolonien unterzeichnen im Namen der jeweiligen „good people“ die Unabhängigkeitserklärung, also die Unabhängigkeit von der Krone und den Zusammenschluss (also Staatenbund).

Wo liegt das Paradoxon?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 13.01.2019 um 13:44 Uhr (Zitieren)
Das Volk, so sagt Hobbes (und ich bin überzeugt, daß es sich um einen Gedanken von Hobbes handelt), entsteht erst durch den Zusammenschluß, ist dessen Resultat und kann daher nicht das Subjekt sein, von dem der Zusammenschluß ausgeht.

Es ist das Paradox der Autopoiese.

So stellt sich mir das Problem dar; aber vielleicht äußert sich Φιλομαθής noch dazu. Hobbes und Derrida können es ja nicht mehr.

Deine Bedenken, lieber οὔτις, beziehen sich anscheinend darauf, daß hier nicht ein Volk gemeint ist, sondern die Völker der beteiligten 13 Kolonien.

Löst das die Paradoxie, oder verschiebt es sie?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
οὔτις schrieb am 13.01.2019 um 14:16 Uhr (Zitieren)
Die 13 Staaten waren crown colonies, ausgestattet mit einer royal charta, geographisch wohl definiert. Diese entsandten Delegierte zum Kontinentalkongress etc.

Zur Unterhaltung:

John Hancock, einer der reichsten Männer der Kolonien, war Präsident des Kontinentalkongresses, was wohl der Grund dafür war, dass er als erster, mittig und überdimensioniert, die Unabhängigkeitserklärung unterschrieb. Diese Wichtigkeitsgeste führte dazu, dass „unterschreiben Sie hier“ in US „sign your John Hancock“ heißt.

Einer unbestätigten Anekdote nach soll Hancock derart groß unterschrieben haben, damit König Georg die Unterschrift ohne Brille lesen könne.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 13.01.2019 um 14:43 Uhr (Zitieren)
Ah! Müßte man dann nicht "the good People of these Colonies" mit "die guten Völker dieser Kolonien" übersetzen? Sie sind dann das definierte Subjekt, welches die neue Entität begründet.
Derrida geht offenbar von einem Singular, also einem Gesamtvolk aus. Das entsteht allerdings erst als Resultat des Aktes.

In Thomas Jeffersons Entwurf der Unabhängigkeitserklärung hatte m.W. übrigens "of these States" gestanden. Das ist dann in "Colonies" geändert worden.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 13.01.2019 um 19:15 Uhr (Zitieren)
Ich kann das Gesagte nur noch variieren. Die Paradoxie besteht darin, dass die Representatives of the United States of America, als die die Unterzeichner hier auftreten, mit ihrer Unterschrift erst das erschaffen, was sie darstellen.

Die Frage, ob people als Singular oder als Plural übersetzt werden sollte, rührt an eine begriffliche Schwierigkeit der deutschen Sprache, in der Volk einerseits für den Demos und andererseits das Ethnos stehen kann. Das englische people bezeichnet den Demos, der innerhalb eines Staates nur in Einzahl auftritt (im Gegensatz zum Ethnos) und auch nicht geteilt werden kann. Entsprechend tritt auch das deutsche Wort Volk da, wo es den Demos meint, nur im Singular auf.

Wenn von der Authority of the good People of these Colonies gesprochen wird, dann ist es für unseren Fall unerheblich, ob hier das Volk des aus diesen Kolonien hervorgegangenen Staatenbundes oder kollektiv der Demos jedes einzelnen der zu gründenden Staaten bezeichnet wird. Entscheidend ist, dass dieses Volk, in dessen Namen die Unterzeichner sprechen, nicht das unter britischer Krone stehende ist. Es ist ein künftiges, aber bis zum Setzen der Unterschriften noch nicht existierendes.

Anzumerken ist, dass Derrida für seinen Vortrag den Text der Unabhängigkeitserklärung – nehmen wir einmal an, der Deutlichkeit halber – derart zusammengestrichen hat, dass es so erscheint, als spräche diese eindeutig von einem Volk der Vereinigten Staaten. Dass er einen Hobbesschen Gedanken aufnimmt, erwähnt Derrida nicht.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 14.01.2019 um 14:30 Uhr (Zitieren)
Mir stellt sich das inzwischen so dar: Laut Hobbes' im Leviathan ausführlich begründeter Ansicht kann ein Volk seinen Souverän nicht rechtmäßig absetzen, wie auch der Souverän keinen Vertrag mit seinem Volk schließen kann, an den er sich halten müßte.

Etliche Details dieses Verhältnisses kann man hierbei außen vor lassen, aber eines ist klar: Wenn die Untertanen der einzelnen Kolonien einen Souverän haben (den britischen König) und diesem den Gehorsam aufkündigen, dann bedeutet dies die Rückkehr in den Naturzustand, d.h. den Krieg als bellum omnium contra omnes.

Einen neuen Souverän (wer auch immer das 1776 gewesen sein mag) können sie nicht rechtmäßig als ein Volk einsetzen, auch nicht als jeweils ein Volk für jede Kolonie.
Denn das Ein-Volk-Sein haben sie durch den revolutionären Akt aufgekündigt und sind wieder eine regellose Menge von Individuen.

Dieser Argumentation von Hobbes ist John Locke nicht gefolgt (und zwar in einer Weise, die bei mir den Verdacht entstehen läßt, daß er Hobbes nicht verstanden hat); Rousseau und Kant sind ihm gefolgt und haben sich überlegt, wie ein Souverän beschaffen sein muß, damit aus Hobbes' Argumenten nicht das Problem eines inakzeptablen, aber mit absoluter Macht ausgestatteten Souveräns entstehen kann.
Rousseaus und Kants Lösungen sind einander sehr ähnlich: Der Souverän darf weder eine Person noch eine Personengruppe noch eine Mehrheit des Volkes sein - sondern der durch diese Formel gebildete allgemeine Wille:
Oft ist ein großer Unterschied zwischen dem Willen aller und dem allgemeinen Willen; letzterer geht nur auf das allgemeine Beste aus, ersterer auf das Privatinteresse und ist nur eine Summe einzelner Willensmeinungen. Zieht man nun von diesen Willensmeinungen das Mehr und Minder, das sich gegenseitig aufhebt, ab, so bleibt als Differenzsumme der allgemeine Wille übrig.

Fazit: Was die amerikanischen Kolonisten gemacht haben, war ein revolutionärer, kein rechtlicher Akt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 14.01.2019 um 14:40 Uhr (Zitieren)
Wenn ich es recht sehe, dann kennt die Verfasung der USA keinerlei Bestimmungen, die nicht von einer Mehrheit geändert werden können.
(Anders das GG der Bundesrepublik, das in Art 79, 3 die föderale Gliederung sowei Art. 1 und 20 als unabänderlich feststellt.)
Das bedeutet, daß in den USA nicht der allgemeine Wille --> Menschenrechte (Rousseau, Kant), sondern die Mehrheit (Locke) als Souverän gilt. Das Problem, was zu geschehen hat, wenn der Souverän irrt oder sonstige Fehler macht, bleibt dadurch ungelöst. Denn natürlich kann auch eine Mehrheit irren - im Gegensatz zum allgemeinen Willen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 14.01.2019 um 14:43 Uhr (Zitieren)
Eine Frage, deren Beantwortung mir jetzt gerade zu hoch ist, ist die, ob die Sezession der CSA nicht genau das wiederholt, was die Kolonisten 1776 für sich in Anspruch genommen haben.
Jedenfalls ist der Kriegszustand im einen wie im anderen Falle die logische Folge.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 14.01.2019 um 19:13 Uhr (Zitieren)
Aber dieses Volk existiert nicht, nicht vor dieser Erklärung, nicht als solches.


In der Formulierung verbirgt sich wohl die Frage, ob es bestimmte kollektive Strukturen als Vorbedingungen dieser paradoxen Ermächtigung geben muss, ohne die auch nicht auf so paradoxe Weise ein solcher Souverän hervortreten kann.


Fazit: Was die amerikanischen Kolonisten gemacht haben, war ein revolutionärer, kein rechtlicher Akt.


Kaum aus deren Sicht, denn die behaupten ja in der Präambel gerade den legitimen Widerstand dieses Volkes gegen eine Regierungsform, die die eingangs postulierten Menschenrechte als Endzweck von Regentschaft überhaupt missachtet.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 15.01.2019 um 13:27 Uhr (Zitieren)
Es ist mir nicht klar, an welchen Souverän die Kolonisten überhaupt dachten. Ich vermute, daß sie die Mehrheit des Volkes als solchen ansahen.
Aber so tief durchdacht wie Hobbes haben sie das Problem, einen bereits existierenden Souverän abzusetzen, anscheinend nicht ... oder es war ihnen gleichgültig, d.h. sie haben den Kriegszustand in Kauf genommen.
Der Krieg aber, so sagt uns Kant, setzt an die Stelle des Rechts die Gewalt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 16.01.2019 um 16:56 Uhr (Zitieren)
A: „Ich habe zwei Nachrichten für Sie, eine gute und eine schlechte.“
B: „Oh, wirklich? Dann bitte zuerst die gute!“
A: „Wir werden Ihr Gehalt erhöhen.“
B: „Großartig, ich freue mich! Und die schlechte Nachricht?“
A: „Die erste Nachricht ist nicht wahr.“

Obwohl es natürlich paradox und selbstbezüglich ist, funktioniert es: es löst zunächst Freude aus (= gute Nachricht), dann Ärger (= schlechte Nachricht).

Ist es eine Lüge, was A sagt?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσλος schrieb am 29.01.2019 um 12:35 Uhr (Zitieren)
Ich bin in diesem Monat ein ganzes Jahr älter als heute vor zwölf Monaten, und da ich, wie Sie sehen, schon bald die Mitte meines vierten Bandes erreicht habe und noch nicht weiter als bis zum ersten Tag meines Lebens gekommen bin, so ist es klar, daß ich schon jetzt dreihundertvierundsechzig Tage mehr zu schreiben habe, als da ich zuerst begann, so daß ich, statt wie ein gewöhnlicher Schriftsteller in meinem Werk mit dem, was ich daran getan habe, weiterzukommen, vielmehr ebenso viele Bände zurückgeworfen worden bin. Sollte noch jemals ein Tag in meinem Leben so geschäftig sein wie dieser – und warum nicht? – und die Schilderung der Ereignisse und Meinungen an demselben soviel Zeit wegnehmen – und aus welchen Gründen sollten sie kürzer abgefertigt werden? –, so muß, da ich auf diese Weise genau dreihundertvierundsechzigmal geschwinder lebe, als ich schreibe, mit Euer Gnaden Erlaubnis daraus folgen, daß ich um so mehr zu schreiben habe, je mehr ich schreibe, und daß somit Euer Gnaden um so mehr zu lesen haben.

(Laurence Sterne: Das Leben und die Meinungen des Tristram Shandy IV 13)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 30.01.2019 um 14:12 Uhr (Zitieren)
Xeniades von Korinth, den auch Demokrit erwähnt, folgt nach Möglichkeit derselben philosophischen Richtung wie Xenophanes, weil er gesagt hat, alles sei falsch und jede Vorstellung und Meinung sei Täuschung und alles Entstandene entstehe aus dem Nichtseienden und alles Vergängliche vergehe ins Nichtseiende.

[Sextus Empiricus: Adversus Mathematicos VII 53]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 04.03.2019 um 12:07 Uhr (Zitieren)
Die Frage, auf welche spezifische Quelle Recht zurückgeführt wird, ob und welche Änderungsregeln es gibt und auf welche Weise eine praktische „Anwendung“ und Durchsetzung erfolgt, ist für die Frage, ob eine Normordnung „Recht“ ist, im Grundsatz gleichgültig: Als Recht können Regeln gelten, die angeblich göttlich gesetzt und unveränderbar sind; aber auch solche, deren Geltung ganz und gar „positivistisch“, also als schlichte „Gesetztheit“ begründet wird. Wenn man die Geltungslinie von Recht zu Ende denkt, stößt man auf die paradoxe Erkenntnis „Recht kann nur durch Recht entstehen – jede Anerkennungsregel, die aus einer normativen Erwartung „Recht“ macht, muss ihrerseits schon Recht sein, um selbst Geltung zu erlangen.

[Thomas Fischer, Über das Strafen. München 2018, S. 57]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 05.03.2019 um 14:42 Uhr (Zitieren)
Man sollte nie "nie" sagen.

Ist ja uralt, kam aber hier m.W. noch nicht vor. Also der Vollständigkeit halber ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 10.03.2019 um 18:18 Uhr (Zitieren)
Was man anfängt, das sollte man auch zu Ende
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 11.03.2019 um 21:55 Uhr (Zitieren)
Der obdachlose Protagonist in Isaac B. Singers Erzählung Der Schmuggler erklärt: "Man hat mir ein Ego gegeben, das immer etwas braucht und wünscht, und ich kämpfe gegen es an. Es will essen, aber ich sage ihm, es soll fasten. Es will Ehre, und ich überhäufe es mit Schande. Ich tue alles, um es zu ärgern. Es will frische Brötchen zum Frühstück, und ich gebe ihm altes Brot. Es hat gern starken Kaffee, und ich gebe ihm lauwarmes Wasser aus dem Hahn zu trinken. Es träumt noch von jungen Mädchen, bleibt aber eine Jungfrau. ... Aus Bosheit laß ich es alte Zeitungen lesen, die ich in der Untergrundbahn am Boden gefunden habe. Gott sei Dank, bin ich der Stärkere oder zum mindesten stark genug, um es zu ärgern."
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Hylebates schrieb am 12.03.2019 um 22:09 Uhr (Zitieren)
Neulich habe ich mich mit jemandem darüber unterhalten, welche persönlichen Ziele es gibt und wieso man sie manchmal so schwer erreicht. Da sagte diese Person: "Eigentlich möchte ich dieses Ziel erreichen, aber ich schaffe es aus diesem Grund nicht." Worauf ich meinte, dass man ja eigentlich das tue, was man wolle.
Genau wie Dein Text, Φιλομαθής, musste ich darüber nachdenken, wer denn das ist, der ein Ziel erreichen will, und wer das ist, der es nicht schafft. Ist es das selbe Ego, das das eine will, aber dann doch auch das andere?

Vielleicht zitiere ich mal irgendwann Dein Zitat hier. Danke dafür.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 16.03.2019 um 14:55 Uhr (Zitieren)
Menschen, die von Grund aus falsch und hohl sind, versuchen nur selten, diese Laster vor sich selbst zu verbergen; und dennoch erheben sie durch die Tatsache, daß sie sie offen bekennen, Anspruch auf gerade die Tugenden, die sie vorgeben am meisten zu verachten. „Denn“, so sagen sie, „dies eben ist die Ehrlichkeit, dies eben ist die Wahrheit. Alle Menschen sind so wie wir, aber sie haben nicht den Mut, es einzugestehen.“ Je mehr sie vorgeben, das Vorhandensein der Ehrlichkeit in der Welt zu leugnen, um so mehr schreibt man sie ihnen in ihrer kühnsten Form zu; und dies ist ein unbewußtes Kompliment an die Wahrheit gerade seitens jener Philosophen, die am Tage des Gerichts verhöhnt und verlacht sein werden.

[Charles Dickens: Barnaby Rudge. München 1963, S. 263 f.]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 23.03.2019 um 15:08 Uhr (Zitieren)
Ein Titel der Kaiser Chiefs: Love's Not a Competition (But I'm Winning).
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 24.03.2019 um 12:10 Uhr (Zitieren)
Geheimniskrämerei paradox

[...] der Stern des Bundes war zuerst gedacht für die freunde des engern bezirks und nur die erwägung dass ein verborgen-halten von einmal ausgesprochenem heut kaum mehr möglich ist hat die öffentlichkeit vorgezogen als den sichersten schutz. [...]

Stefan George: Werke, Ausgabe in zwei Bänden, Bd. I, Stuttgart 1984, S. 347.

Ähnlich Aristoteles bei Gellius (20, 5, 12):

Ἀριστοτέλης βασιλεῖ Ἀλεξάνδρῳ εὖ πράττειν. ἔγραψάς μοι περὶ τῶν ἀκροατικῶν λόγων οἰόμενος δεῖν αὐτοὺς φυλάττειν ἐν ἀπορρήτοις. ἴσθι οὖν αὐτοὺς καὶ ἐκδεδομένους καὶ μὴ ἐκδεδομένους· ξυνετοὶ γάρ εἰσιν μόνοις τοῖς ἡμῶν ἀκούσασιν. ἔρρωσο, Ἀλέξανδρε βασιλεῦ.

Aristoteles wünscht dem König Alexander Wohlergehen! Du schriebst mir in Bezug auf die Vorlesungen, dass du der Meinung seist, sie sollten unter den Geheimlehren verwahrt bleiben. Daher sollst du wissen, dass sie veröffentlicht und nicht veröffentlicht sind. Verständlich sind sie nämlich nur denen, die bei uns gehört haben. Leb wohl, König Alexander!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 24.03.2019 um 14:18 Uhr (Zitieren)
Ähnlich hat sich doch Edgar Allen Poe in seiner bekannten Kriminalgeschichte einer Paradoxie des Versteckens (eines Briefes) bedient.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 25.03.2019 um 21:30 Uhr (Zitieren)
Tot und nicht tot

Εἰμὶ νεκρός· νεκρὸς δὲ κόπρος, γῆ δ' ἡ κόπρος ἐστίν·
εἰ δ᾽ ἡ γῆ θεός ἐστ᾽, οὐ νεκρός, ἀλλὰ θεός.

Ich bin tot. Ein Toter aber ist Kompost und Kompost ist Erde. | Wenn aber Ge (Erde) eine Gottheit ist, bin ich nicht tot, sondern eine Gottheit.


Dieses Epigramm wird in einem Ilias-Scholion unter dem Namen Epicharms überliefert. Es hat sich eine lateinische Grabinschrift erhalten (CIL 6, 35887), in der dieselbe Argumentationskette aufgestellt wird:

Cara meis uixi. uirgo uitam reddidi. | mortua heic ego sum et sum cinis. is cinis terrast. | sein est terra dea, ego sum dea, mortua non sum. | rogo te, hospes, noli ossa mea uiolare. | Mus, uixit annos XIII.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γρααικίσκος schrieb am 26.03.2019 um 23:14 Uhr (Zitieren)
Kommt mir vor wie ein Sophisma. Jedenfalls müßte man sich mal über die Bedeutung von "ich" unterhalten. Ich bin Erde?

Aber sag: sein --> si, oder? Diese Rechtschreibprogramme!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 27.03.2019 um 21:21 Uhr (Zitieren)
Die Schreibungen <sein> und <heic> konservieren einen altlateinischen Diphthong, für den zur vermuteten Entstehungszeit der Inschrift längst ein langes /ī/ eingestreten war. Ursprünglich hatte der Steinmetz sogar mieis geschrieben, was dann aber mäßig erfolgreich auszubessern versucht wurde. Über das Arachne-Projekt der Uni Köln sind die älteren Bände des CIL online gestellt worden. Die Grabinschrift der Mus hier:
https://arachne.uni-koeln.de/arachne/images/image.php?key=4230973

Eine Photographie der Steintafel findet man über die Datenbank von Clauss-Slaby:
http://db.edcs.eu/epigr/bilder.php?bild=PH0005596;pp

Zitat von Γρααικίσκος am 26.3.19, 23:14Jedenfalls müßte man sich mal über die Bedeutung von "ich" unterhalten.

Ja, das scheint der springende Punkt zu sein. In Verbindung damit wohl auch die Polysemie von γῆ/terra/Erde: Stoff(gemisch) bzw. Element (nach antiker Vorstellung), der Weltkörper, die Gottheit.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 28.03.2019 um 13:29 Uhr (Zitieren)
sein: und das "n", um den Hiat zu vermeiden?

Ja, γῆ wird äquivok gebraucht.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Φιλομαθής schrieb am 28.03.2019 um 22:11 Uhr (Zitieren)
Zitat von Γραικίσκος am 28.3.19, 13:29sein: und das "n", um den Hiat zu vermeiden?

Sin steht zwar meist nach einem si-Satz, aber selbst bei Cicero findet man Abweichungen hiervon. Metrische Gründe für die Wahl der Konjunktion sind denkbar, allerdings hat sich der Verseschmied auch an dem Hiat mortua || heic nicht gestört, und auch sonst wurden keine allzustrengen Maßstäbe angelegt: der erste Vers ist ein Spondiakus (zudem mit als Länge gemessener zweiten Silbe bei reddidi), ego erscheint als Doppellänge und et muss dem Metrum zuliebe sein t abwerfen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 12.05.2019 um 18:32 Uhr (Zitieren)
Wir sind nicht in einem Film, das hier ist die Wirklichkeit!

[Columbo: „Mord im Bistro“]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 06.06.2019 um 11:05 Uhr (Zitieren)
Zitat von Γραικίσκος am 12.5.19, 18:32Wir sind nicht in einem Film, das hier ist die Wirklichkeit!

[Columbo: „Mord im Bistro“]


Das lässt mich an eine Formel denken, die Schlingensief gebrauchte, um in einer Situation einen Irrealisierungseffekt zu evozieren, er warf dann Jetzt ist Film! dazwischen. Das ist, wenn ich nicht irre, auch irgendwo auf Filmmaterial im weitesten Sinne festgehalten.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 06.06.2019 um 11:07 Uhr (Zitieren)
Et ne fut jamais au monde deux opinions pareilles, non plus que deux poils ou deux grains. Leur plus universelle qualité, c'est la diversité.
Montaigne: Essais II, 37


Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 13.06.2019 um 12:17 Uhr (Zitieren)
[...] Wie damals bei Daimler [sc. durch die Übernahme von Chrysler] wurden auch jetzt bei Bayer [sc. durch die Übernahme von Monsanto] gigantische Vermögen vernichtet, weil die, denen die Unternehmen gehören, ebenfalls keine zwingende Logik in den Akquisitionen, dafür aber die Risiken erkannten, und die Unternehmen fluchtartig verließen: den Kurs binnen zwei Jahren mehr als zu halbieren (19. Juni 2017: 121,34 Euro, heute 56,47 Euro), muss man auch erst einmal hinbekommen (und da will ich gar nicht an den Höchstkurs in den letzten fünf Jahren (143,87 Euro am 10. April 2015) erinnern.

Hans Arno Simon, Erfurt

(Leserbrief in der Frankfurter Allgemeinen vom 12. Juni 2019)

Diese Floskel "ohne daran zu erinnern, daß ..." findet man häufig.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 16.06.2019 um 12:51 Uhr (Zitieren)
Orthorexie, d.h. das zwanghafte Bedürfnis, sich richtig zu ernähren, ist eine psychische Krankheit.

(Das Richtige ist nicht das Richtige.)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 17.06.2019 um 13:59 Uhr (Zitieren)
Zenon von Kition, der nachmalige Begründer der stoischen Schule, ist durch einen Schiffbruch, bei dem er sein Vermögen einbüßte, zum Nachdenken und zur Philosophie gekommen. Dies kommentierte er: "νῦν εὐπλόηκα, ὃτε νεναυάγηκα." (Das ist doch nun eine glückliche Fahrt gewesen, als ich Schiffbruch erlitt.)

Überliefert von Diogenes Laërtios VII 4.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 17.06.2019 um 14:11 Uhr (Zitieren)
Es gibt nichts Unnützes in der Natur, nicht einmal das Unnütze selbst.

[Montaigne: Essais III 1]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
mitleser schrieb am 18.06.2019 um 18:13 Uhr (Zitieren)
Wortspiele: Paradox ist, wenn man sich im Handumdrehen den Fuß bricht.
... wenn Einbrecher ausbrechen
... wenn Frauen ihren herrenlosen Schlüssel suchen
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 19.06.2019 um 15:43 Uhr (Zitieren)
Das Paradox des Leichnams:
[Das Paradox des Leichnams:]
Viele, die zum ersten Mal mit einem menschlichen Leichnam konfrontiert werden, behalten diese Erfahrung als etwas zutiefst Irritierendes im Gedächtnis. Ein radikaler Absturz hat stattgefunden – so radikal, dass das Kategoriensystem, mit dem wir uns die Welt verständlich machen, ein Stück weit in Unordnung gerät. Einerseits ist der Körper, aus dem das Leben gewichen ist, eben dies: ein Körper, ein Stück Materie, eine Ansammlung von vollständig physikalisch und chemisch beschreibbaren Teilen. Nicht nur hat dieser Körper Selbstbewusstsein und Bewusstsein eingebüßt, auch die rein vegetativen Lebensprozesse, von denen beide abhängen, sind zum Stillstand gekommen. Andererseits ist er aber ganz ohne Zweifel auch die Person, deren Leben zu Ende gegangen ist. Er ist nicht der Nachfolger, der Schatten oder ein wie immer geartetes Abbild dieser Person, sondern ist mit ihr identisch, und zwar aufgrund des härtesten und unverbrüchlichsten Identitätskriteriums, des Kriteriums der raumzeitlichen Kontinuität. Die Kontur der ansonsten für unsere Sicht auf die Welt fundamentalen Unterscheidung zwischen Personen, Tieren und Sachen verschwimmt. Der menschliche Leichnam ist weniger als eine Person, aber er ist auch mehr als eine bloße Sache.

[Dieter Birnbacher: Tod. Berlin/Boston 2017, S. 159]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 26.06.2019 um 13:06 Uhr (Zitieren)
Eine sonderbare Wirtszeche

Manchmal gelingt ein mutwilliger Einfall, manchmal kostet’s den Rock, oft sogar die Haut dazu. Diesmal aber nur den Rock. Denn obgleich einmal drei lustige Studenten auf einer Reise keinen roten Heller mehr in der Tasche hatten, alles war verjubelt, so gingen sie doch noch einmal in ein Wirtshaus, und dachten, sie wollten sich schon wieder hinaushelfen, und doch nicht wie Schelmen davonschleichen, und es war ihnen gar recht, daß die junge und artige Wirtin ganz allein in der Stube war. Sie aßen und tranken guten Mutes, und führten miteinander ein gar gelehrtes Gespräch, als wenn die Welt schon viele tausend Jahr alt wäre, und noch ebenso lang stehen würde, und daß in jedem Jahr, an jedem Tag und in jeder Stunde des Jahr alles wieder so komme und sei, wie es am nämlichen Tag und in der nämlichen Stunde vor sechstausend Jahren auch gewesen sei. „Ja“, sagte endlich einer zur Wirtin – die mit einer Strickerei seitwärts am Fenster saß und aufmerksam zuhörte, - „ja, Frau Wirtin, das müssen wir aus unsern gelehrten Büchern wissen.“ Und einer war so keck, und behauptete, er könne sich wieder dunkel erinnern, daß sie vor sechstausend Jahren schon einmal dagewesen seien, und das hübsche freundliche Gesicht der Frau Wirtin sei ihm noch wohlbekannt. Das Gespräch wurde noch lange fortgesetzt, und je mehr die Wirtin alles zu glauben schien, desto besser ließen sich die jungen Schwenkfelder den Wein und Braten und manche Bretzel schmek-ken, bis eine Rechnung von 5 fl. 16 kr. auf der Kreide stand. Als sie genug gegessen und getrunken hatten, rückten sie mit der List heraus, worauf es abgesehen war.
„Frau Wirtin“, sagte einer, „es steht diesmal um unsere Batzen nicht gut, denn es sind der Wirtshäuser zu viele an der Straße. Da wir aber an Euch eine verständige Frau gefunden haben, so hoffen wir als alte Freunde hier Kredit zu haben, und wenn’s Euch recht ist, so wollen wir in 6000 Jahren, wenn wir wiederkommen, die alte Zeche samt der neuen bezahlen.“ Die verständige Wirtin nahm das nicht übel auf, war’s vollkommen zufrieden, und freute sich, daß die Herren so vorliebgenommen, stellte sich aber unvermerkt vor die Stubentüre, und bat, die Herren möchten nur so gut sein, und jetzt einstweilen die 5 fl. 16 kr. bezahlen, die sie vor 6000 Jahren schuldig geblieben seien, weil doch alles schon einmal so gewesen sei, wie es wiederkomme. Zum Unglück trat eben der Vorgesetzte des Ortes mit ein paar braven Männern in die Stube, um miteinander ein Glas Wein in Ehren zu trinken. Das war den gefangenen Vögeln gar nicht lieb. Denn jetzt wurde von Amts wegen das Urteil gefällt und vollzogen: „Es sei aller Ehren wert, wenn man 6000 Jahre lang geborgt habe. Die Herren sollten also augenblicklich ihre alte Schuld bezahlen, oder ihre noch ziemlich neue Oberröcke in Versatz geben.“ Dies letzte mußte geschehen, und die Wirtin versprach, in 6000 Jahren, wenn sie wiederkommen, und besser als jetzt bei Batzen seien, ihnen alles, Stück für Stück, wieder zuzustellen.
Dies ist geschehen im Jahre 1805 am 17. April im Wirtshaus zu Segringen.
[1808]

[Johann Peter Hebel, Das Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes; in: Poetische Werke. Darmstadt (München) 1968, S. 101-103]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Ailourohoophilos schrieb am 26.06.2019 um 19:38 Uhr (Zitieren)
Ausgezeichnet. :D
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 29.06.2019 um 14:33 Uhr (Zitieren)
Die Störung der Naturordnung ist für den Menschen das Natürlichste überhaupt.

[Dieter Birnbacher: Natürlichkeit. Berlin/New York 2006, S. 153]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 07.07.2019 um 13:10 Uhr (Zitieren)
Willige Rechtspflege

Als ein neu angehender Beamter zu Zeiten der Republik das erstemal zu Recht saß, trat vor die Schranken seines Richterstuhls der untere Müller, vortragend seine Beschwerden gegen den obern, in Sachen der Wasserbaukosten. Als er fertig war, erkannte der Richter: „Die Sache ist ganz klar. Ihr habt recht.“ Es verging eine Nacht und ein Räuschlein, kam der obere Müller und trug sein Recht und seine Verteidigung auch vor, noch mundfertiger als der untere. Als er ausgeredet hatte, erkannte der Richter: „Die Sache ist so klar als möglich. Ihr habt vollkommen recht.“ Hierauf als der Müller abgetreten war, nahte dem Richter der Amtsdiener. „Gestrenger Herr“, sagte der Amtsdiener, „also hat Euer Herr Vorfahrer nie gesprochen, solange wir Urteil und Recht erteilten. Auch werden wir dabei nicht bestehen. Es können nicht beide Parteien den Prozeß gewinnen, sonst müssen ihn auch beide verlieren, welches nicht gehen will.“ Darauf antwortete der Beamte: „So klar war die Sache noch nie. Du hast auch recht.“

[Johann Peter Hebel: Poetische Werke. Darmstadt (München) 1968, S. 444 f.]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 09.07.2019 um 11:31 Uhr (Zitieren)
Ich wußte nichts von der Lust, so das Gesetz nicht hätte gesagt, laß dich nicht gelüsten!

[Johann Peter Hebel, Poetische Werke. Darmstadt (München) 1968, S. 536]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 09.07.2019 um 11:32 Uhr (Zitieren)
Ein Büblein klagte seiner Mutter: „Der Vater hat mir eine Ohrfeige gegeben.“ Der Vater aber kam herzu und sagte: „Lügst du wieder? Willst du noch eine?“

[das., S. 521]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 21.07.2019 um 12:27 Uhr (Zitieren)
Plastikstrohhalm
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 24.07.2019 um 16:09 Uhr (Zitieren)
Hat man einmal begriffen, daß man nichts ist, so ist das Ziel aller Anstrengungen, nichts zu werden.


[Quelle: Simone Weil; zitiert nach: Michael Krüger, Der große Bewunderer – Stimme der Literatur: Zum Tod des Journalisten, Essayisten und Dichters Peter Hamm; in: Frankfurter Allgemeine vom 24. Juli 2019]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 28.07.2019 um 11:28 Uhr (Zitieren)
Sich das Rauchen abzugewöhnen, ist kinderleicht. Das habe ich schon hundertmal geschafft.


(Mark Twain)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 31.07.2019 um 17:11 Uhr (Zitieren)
Dass ein älterer Mann jünger als ein alter, ein jüngerer aber älter als ein junger Mann ist, der absolute Gebrauch des Komparativs gemessen an dessen gewöhnlicher Funktion also paradox wirkt, war schon der Antike eine Randnotiz wert. So heißt es bei Servius (Ad Aen. 5,409):

Secundum Varronem senior et iunior (al. iuvenior) comparativi sunt per imminutionem. [...] Ergo senior non satis senex, sicut iunior non satis iuvenis intra iuvenem, sicut pauperior intra pauperem. Dicit autem hoc Varro in libris ad Ciceronem.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 02.08.2019 um 13:04 Uhr (Zitieren)
Als der Diamantenhändler Salomon Rossbach vom Empire State Building sprang, hinterließ er eine geheimnisvolle Botschaft: "Kein Oben, kein Unten mehr, so springe ich ab."

Gottfried Benn: Altern als Problem für Künstler in: Gottfried Benn: Das Hauptwerk. Zweiter Band, S. 361.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 02.08.2019 um 13:51 Uhr (Zitieren)
Schön! Zufällig besitze ich diese Ausgabe, aber ich finde das Zitat nicht - weder auf S. 361 noch sonstwo in diesem Essay.
Kannst Du bitte nochmal nachschauen, damit ich ohne Zweifel dieses Paradoxon meiner Sammlung hinzufügen kann?

Auf S. 361 finden sich Zitate von Lorenzo Lotto, Edward Burne-Jones und Hugo von Hofmannsthal.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 02.08.2019 um 18:04 Uhr (Zitieren)
Ich habe mich in der Seite geirrt, es steht auf S. 382, in dem Passus, dem du das Zitat im anderen Thread zu Benn entnommen hast.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 02.08.2019 um 18:05 Uhr (Zitieren)
S. 382 S. 383
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 02.08.2019 um 18:35 Uhr (Zitieren)
Stimmt, auf der nämlichen Seite. Jetzt habe ich es.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 05.08.2019 um 18:36 Uhr (Zitieren)
Nimm mich so, wie ich bin!

Zunächst enthält diese Forderung das moralische Problem, daß der andere mit einer Forderung konfrontiert, also nicht so genommen wird, wie er ist. Dieser moralische Fehler wird jedoch durch den Inhalt der Forderung sogleich exkulpiert.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 14.08.2019 um 18:33 Uhr (Zitieren)
„Rabulistik“ gehört lediglich zu meinem passiven Wortschatz.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 15.08.2019 um 20:24 Uhr (Zitieren)
Et mortuus est dei filius: prorsus credibile est, quia ineptum est. Et sepultus resurrexit: certum est, quia impossibile.
Tertullian: De carne Christi V
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 18.08.2019 um 13:03 Uhr (Zitieren)
A: "Ich schlafe."
B: "Sie schlafen doch gar nicht!"
A: "Mit ihnen rede ich nicht."
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 18.08.2019 um 21:58 Uhr (Zitieren)
Mit ihnen --> Mit Ihnen

Stammt das von Dir?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 18.08.2019 um 22:00 Uhr (Zitieren)
Ich frage, weil ich Paradoxien sammle/speichere und gerne die Quelle dazu angebe.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 19.08.2019 um 11:53 Uhr (Zitieren)
Ja, diese Miniatur stammt (einschließlich Tippfehler - obwohl ...) von mir. Klassifizierst du deine Sammlung eigentlich?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 19.08.2019 um 12:09 Uhr (Zitieren)
Bisher ist die Sammlung ein Sammelsurium - so wie mir die Beispiele einfallen oder über den Weg laufen.
Da sie inzwischen umfangreicher ist als alles, was ich sonst zu dem Thema kenne (mehr als 430 Fälle), überlege ich mir vorsichtig, ob man das etwas draus machen könnte. Da müßte ich mich freilich bei vielen Leuten bedanken, u.a. bei Dir.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 19.08.2019 um 12:10 Uhr (Zitieren)
Hier ist was von mir, bei dem ich mir nicht sicher bin, ob es sich um eine Paradoxie oder schlicht um Blödsinn handelt:
A.: „Für mich ist Essen eine Strafe.“
B.: „Und warum nimmst du dann immer noch zu?“
A.: „Ich bestrafe mich damit für meinen Masochismus.“

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 19.08.2019 um 23:33 Uhr (Zitieren)
Worauf zu antworten wäre: Bitte, nichts zu danken (gehört auch in die Sammlung, oder?).

***

Was änderte sich für dich, wenn B stattdessen fragte: "Und warum bist du noch nicht verhungert?".
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 20.08.2019 um 13:34 Uhr (Zitieren)
Das ginge m.E. ebenfalls, zumal Gewichtszunahme ja ein Spezialfall von Nicht-Verhungern ist.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 20.08.2019 um 13:35 Uhr (Zitieren)
Du, das ist jetzt nicht negativ gemeint, sondern nur eine sachliche Feststellung: Du hast Mundgeruch.

Kann man da von einem psychologischen Paradox sprechen?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 20.08.2019 um 15:35 Uhr (Zitieren)
Zum ersten Fall: Unauflösliche Widersprüche im psychischen Erleben, dessen sprachliche Kolonisierung ja ein Grundzug unserer Epoche ist, sind m.E. wichtige Kandidaten für eine dialetheistische Theorie, die darin nicht bloß epistemische Mängel oder semantische Unschärfen (oder einfach Lügen, wobei die Selbstlüge ja eine nicht minder paradoxe Sache ist) erkennt, sondern die Natur dieser Wirklichkeit selbst vermutet.

Bei der Sache mit dem Mundgeruch konterkariert der vorgreifende, ausdrückliche Versuch des Sprechers, kontrollieren zu wollen, wie die Mitteilung aufgefasst wird, die beste Intention dahinter - es ist ein wenig wie bei Freud (ich weiß nicht mehr genau, wo das steht), wo der Analysand unaufgefordert seine Erzählung sinngemäß mit "Es ist nicht die Mutter!" begleitet, worin der Analytiker natürlich den durch die Negation suspendierten eigentlichen Sinn sieht.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 21.08.2019 um 17:42 Uhr (Zitieren)
Dialetheistische Theorie, das ist gut, das merke ich mir.

Schön auch der Fall von Sigmund Freud.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 21.08.2019 um 17:45 Uhr (Zitieren)
Gefunden in der FAS vom 18.8.2019 als Comicstrip von Hauck & Bauer:

Ein Mann sitzt am Eßtisch. Vor ihm der bettelnde Hund.
Der Mann, belehrend: "Es gibt nichts vom Tisch!"
Der Hund bettelt weiter.
Der Mann: "Nein, es gibt nichts vom Tisch!"
Resigniert (oder gehorsam?) legt sich der Hund nieder.
Darauf der Mann, stolz auf seinen folgsamen Hund: "Da, komm her!" und reicht ihm als Belohnung einen Happen vom Tisch.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 21.08.2019 um 18:27 Uhr (Zitieren)
dialetheistisch - das dürfte wohl das sein, was man meist "dialektisch" nennt. Oder gibt es da einen Unterschied?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 21.08.2019 um 19:22 Uhr (Zitieren)
Der Begriff dialetheism kommt aus der englischsprachigen Philosophie (G. Priest et al.) und behandelt die Frage, wie die Wahrheit widersprüchlicher Aussagen zu denken wäre, also im Grunde Deutungen von Welten und Zeichensystemen, in denen der Satz vom augeschlossenen Widerspruch nur bedingte Geltung hat. Sainsbury streift in seinem Buch über Paradoxes (das auf Dt. auch im Reclam-Verlag erschienen ist) diese Theoriebildung kurz.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 21.08.2019 um 19:30 Uhr (Zitieren)
Kann die Stadt Bielefeld, die neuerdings durch ihre Marketingabteilung demjenigen eine Million Euro als Prämie verspricht, der einen Beweis der sogenannten Bielefeld-Verschwörung liefert, welche besagt, dass es diese Stadt gar nicht gebe, deren Existenz nur vorgetäuscht werde, die Auszahlung für den Fall, dass ein solcher Beweis, wie immer er aussehen mag, vorgelegt und anerkannt wird, mit der Begründung verweigern, dass ebenso wenig wie die Stadt auch ihre Verwaltung oder Marketingabteilung existiere?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 22.08.2019 um 11:47 Uhr (Zitieren)
„Ich komme sofort zu Ihnen!“ sagt der Kellner/Verkäufer, während er sich einen anderen Gast/Kunden zuwendet.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 22.08.2019 um 11:49 Uhr (Zitieren)
einen --> einem
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 22.08.2019 um 16:03 Uhr (Zitieren)
Der Begriff dialetheism kommt aus der englischsprachigen Philosophie (G. Priest et al.) und behandelt die Frage, wie die Wahrheit widersprüchlicher Aussagen zu denken wäre, also im Grunde Deutungen von Welten und Zeichensystemen, in denen der Satz vom augeschlossenen Widerspruch nur bedingte Geltung hat.

Dazu möchte ich zwei Bücher empfehlen:

- Manuel Bremer: Wahre Widersprüche - Einführung in die parakonsistente Logik. Sankt Augustin 1998
(Verf. ist Provatdozent in Düsseldorf.)

Und natürlich das altbekannte:
- Gotthard Günther: Idee und Grundriß einer nicht-Aristotelischen Logik. Hamburg ²1978

Gotthard Günther war ein ausgesprochen origineller und vielseitiger Kopf.

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 23.08.2019 um 12:39 Uhr (Zitieren)
Frage an Günther Jauch: Ihr Lebensmotto?
Antwort: Zum Glück habe ich keins.

Das "zum Glück" macht mich stutzig.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 23.08.2019 um 17:42 Uhr (Zitieren)
Manuel Bremer ist inzwischen apl. Professor.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 29.08.2019 um 01:58 Uhr (Zitieren)
Nur Gott könnte einen Selbstmord begehen; denn wir sterben doch alle von selber.

Jean Paul: Ideengewimmel, Eichborn (1996), S. 240.


Die Menschen sind so dumm, dass sie Gott selber kaum begreifen kann.

Ebendort, S. 205.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 29.08.2019 um 13:24 Uhr (Zitieren)
Gin ist ein entfernter Stiefzwilling von Genever.

Kurt Tucholsky: Panter, Tiger & Co., Rowohlt 1954, S. 79


Bei antiken Stiefzwillingen denkt man an Herakles, von Zeus, und Iphikles, von Amphitryon gezeugt, die gemeinsam in Alkemene heranwachsen.

Durch die zunehmende Verbreitung von Vaterschaftstest hat sich allerdings herausgestellt, dass es Stiefzwillinge tatsächlich gibt, die Mediziner nennen die Sache heteropaternale Superfekundation. Das zähmt die pornographischen Assoziationen zum Entstehungsprozess allerdings nur bedingt.

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 29.08.2019 um 13:26 Uhr (Zitieren)
Vaterschaftstests, allerdings auch nur ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 29.08.2019 um 17:21 Uhr (Zitieren)
Meine Lebensversicherung ist der Tod.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 30.08.2019 um 16:10 Uhr (Zitieren)
"Ideengewimmel" kommt in meiner sechsbändigen Aufgabe nicht vor. Das ist nicht schön. Aber Du gibst ja die Quelle präzise an, auch wenn ich das jetzt nicht im Kontext nachschauen kann.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 30.08.2019 um 18:00 Uhr (Zitieren)
Das liegt daran, dass Ideengewimmel sich aus dem zur Zeit seiner Erscheinens unveröffentlichten Nachlass speist, der in Form von Heftkonvoluten in der Preußischen Staatsbibliothek verwahrt wird. Mittlerweile dürften diese in der historisch-kritischen Ausgabe sämtlicher Werke in den Bänden 6 bis 10 der zweiten Abteilung (Nachlass) greifbar sein. Kostenpunkt: 100 bis 140 Euro pro Band, ein Fall für den Westflügel.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 30.08.2019 um 18:09 Uhr (Zitieren)
seiner seines
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 31.08.2019 um 12:58 Uhr (Zitieren)
Diese Buchpreise sind nicht mehr ganz ungewöhnlich, vor allem bei hist.-krit. Ausgaben. Die Hegel-Ausgabe bringt es noch auf weit höhere Beträge.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 01.09.2019 um 19:31 Uhr (Zitieren)
εἰ μὴ ταχέως ἀπωλόμεθα, οὐκ ἂν ἐσώθημεν.

Wären wir nicht so schnell untergegangen, wären wir nicht gerettet worden.

Polybios Hist. 38.12
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 01.09.2019 um 23:39 Uhr (Zitieren)
Ein schönes Zitat, aber ich finde es nicht, jedenfalls nicht an der angegebenen Stelle.
"Wenn sie Männer wären, würden sie Bundesgenossen in Menge haben, wenn Entmannte, Herren" ist ja ganz und gar etwas anderes.
Wirklich XXXVIII 12?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 01.09.2019 um 23:49 Uhr (Zitieren)
Gefunden!
XXXVIII 18!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 02.09.2019 um 00:31 Uhr (Zitieren)
Ich gelobe Besserung.


Im Briefchen an meine Frau: dein gehorsamster - Herr.

Jean Paul: Ideengewimmel, Eichborn (1996), S. 191



Traum: alles sei ihm gestorben, er sterbe auch und finde alles wieder im Himmel -
da er erwacht, und alles findet, denkt er sich in dem Himmel.

Ibidem, S. 266
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
filix schrieb am 02.09.2019 um 00:51 Uhr (Zitieren)
Der Thread wird allmählich unübersichtlich. Er ist auch durch Ergänzungen, Abschweifungen, Diskussionen und Korrekturen, deren Verlauf überdies mangels einer Baumstruktur nicht gut abgebildet wird, so verschlackt, dass wohl kaum ein Interessent sich da noch durchzukämpfen bereit ist.
Sollte man daher nicht eine separate Fortsetzung, auf die hier verlinkt wird, anlegen, um zu verhindern, dass eine Textdeponie entsteht, bei der nur noch die ältesten und neuesten Beiträge Leser finden?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικίσκος schrieb am 02.09.2019 um 15:06 Uhr (Zitieren)
Ich behelfe mir - wie auch beim Forum überhaupt, das ja nicht weniger unübersichtlich "strukturiert" ist - mit der Suchfunktion; aber dazu muß man natürlich erstmal etwas konkret suchen.

Zum Stöbern ist das alles wenig geeignet. Versuchen wir es also mit einem Forsetzungs-Thread.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #1
Γραικίσκος schrieb am 02.09.2019 um 15:08 Uhr (Zitieren)
Dieser bekommt dann also die No. 1.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #1
Γραικίσκος schrieb am 02.09.2019 um 21:55 Uhr (Zitieren)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike
Γραικύλος schrieb am 20.05.2021 um 00:20 Uhr (Zitieren)
Unser mit fast 40000 Aufrufen erfolgreichster Thread - man findet ihn nicht mehr über die Suchfunktion, weil deren Kapazität offensichtlich beschränkt ist. Sie zeigt lediglich die ca. 59 neuesten Beiträge an, in diesem Falle zu "Paradoxien".
Ich hoffe, ihn hiermit unter die aktuellen Artikel zu bringen.
 
Antwort
Titel:
Name:
E-Mail:
Eintrag:
Spamschutz - klicken Sie auf folgendes Bild: Schwert

Aktivieren Sie JavaScript, falls Sie kein Bild auswählen können.