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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3 (3667 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 07.12.2023 um 23:45 Uhr (Zitieren)
Platz für neue Fälle.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 08.12.2023 um 00:02 Uhr (Zitieren)
Missverstehen Sie mich richtig!

(Piet Klocke; YouTube, aufgerufen am 19.12.2022)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 09.12.2023 um 15:18 Uhr (Zitieren)
In gewissen Fällen von Pleonasmen stellt sich nicht semantische Redundanz ein, sondern unmittelbar der Verdacht, dass sie tatsächlich das Gegenteil bedeuten: z.B. Gratisgeschenk.

———
Rückverweise auf die Vorgängerthreads #1 & #2:

https://www.albertmartin.de/altgriechisch/forum/?view=302

https://www.albertmartin.de/altgriechisch/forum/?view=5181

Archivierst du die Sammlung nach wie vor offline?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 09.12.2023 um 15:32 Uhr (Zitieren)
Archivierst du die Sammlung nach wie vor offline?

Ja - obgleich das Buch dazu ja im Februar 2023 erschienen ist. Ich sammele weiter. Ich könnte die Datei zum Verschicken anbieten, aber da sie auch zahlreiche Bilder enthält, die hier nicht vorkommen, umfaßt sie inzwischen 50 MB, und da weiß ich nicht recht, wie man das als E-Mail-Anhang verschicken kann.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 09.12.2023 um 15:41 Uhr (Zitieren)
Dafür könntest du dich z.B. eines Dienstes wie https://wetransfer.com/ bedienen. Dort lädst du die Datei hoch, der angegebene Empfänger erhält nur den Downloadlink zum (bis zur Größe von 2 GB für beide kostenlosen) Upload. Die andere Überlegung wäre, die Sammlung in einer übersichtlicheren Form als hier anderswo online zu präsentieren.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 09.12.2023 um 17:08 Uhr (Zitieren)
Man kann sich damit beschäftigen, wenn jemand sein Interesse bekundet. Und auch wenn ich nicht gerne den Kauf meines Buches überflüssig machen möchte, wäre ich gerne bereit, filix, dem ich viel Hilfe verdanke, entgegenzukommen.

Mir ist aber noch eingefallen, daß ich damals in der Vorbereitung des Buches spezielle Dateien für die einzelnen Rubriken erstellt habe: Alltag, Antike, klassische Logik, Belletristik, Witze.
Diese Dateien sind kleineren Umfangs und als E-Mail-Anhang verschickbar, enthalten jedoch keine Bilder, weil die für das Buch nicht vorgesehen waren. Auch sie führe ich fort, d.h. aktualisiere sie immer wieder.

Auf das im Brill-Verlag neu erschienene Buch zum Thema habe ich schon aufmerksam gemacht, auch auf den Preis von 79 Euro für einen Pappband. Dieses Buch befaßt sich allerdings ausschließlich mit den klassischen logischen Paradoxien, die ich die akademischen nenne.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 09.12.2023 um 23:51 Uhr (Zitieren)
Dir Leser abspenstig machen wollte ich natürlich nicht, lediglich wissen, ob, was viele, du allen voran, hier zusammengetragen haben, wenigstens einigermaßen sicher vor der damnatio memoriae digitalis, die vielleicht nur einen Festplattencrash oder Serverausfall entfernt ist, verwahrt wird. Spinnen wir also diesen Faden weiter.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 10.12.2023 um 00:13 Uhr (Zitieren)
Gespeichert habe ich alles. Und wenn es für irgendjemanden ein Interesse oder ein Zugangsproblem gibt, können wir darüber reden.

Was ich mir schonmal bewußt mache, ist etwas anderes: Wenn bzw. falls der Webmaster diesen Laden hier einmal schließt, dann bricht damit jeder Kontakt unter uns ab - auch wenn er schon seit etlichen Jahren besteht.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 12.12.2023 um 17:49 Uhr (Zitieren)
Gore Vidal läßt in seinem Julian-Roman den Priscus über Julians Sparsamkeit bei den Staatsausgaben sagen, das sei "ein tugendhaftes Laster".
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 13.12.2023 um 13:32 Uhr (Zitieren)
Aus wachsender Gleichberechtigung folgt also nicht, dass Männer und Frauen einander ähnlicher werden – im Gegenteil. Dieser Zusammenhang wurde inzwischen in einer ganzen Reihe von Studien belegt. Nur warum?

https://www.spektrum.de/news/geschlechterunterschiede-das-paradox-der-gleichberechtigung/2071002
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Udo schrieb am 14.12.2023 um 09:10 Uhr (Zitieren)
Mich würde mal die Qualität solcher Studien interessieren? Wie objektiv sind sie?
Wie aussagekräftig sind die Kriterien?
Wo ist der Haken?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 19.12.2023 um 00:33 Uhr (Zitieren)
"Überwinder des Unüberwindlichen" nannte Heinrich von Kleist den Erzherzog Karl nach dessen Sieg über Napoleon bei Aspern am 21./22.5.1809.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 04.01.2024 um 21:34 Uhr (Zitieren)
Von der oratio (iusti) (d.h. dem Gebet des Gerechten) hieß es auch einmal, dass es vincit invincibilem, ligat omnipotentem. Meist Bernhard von Clairvaux zugeschrieben.


———

Bemerkung eines älteren Zaungastes einer hitzigen Diskussion über von der Gen Z ungebetenerweise an die Millennials erteilte Erziehungsratschläge:

Die besten Eltern waren schon immer die kinderlosen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 05.01.2024 um 18:07 Uhr (Zitieren)
Damals kannte ich [sc. der Ich-Erzähler Cyrus] Mardonius so gut, daß ich ihn, in einem gewissen Sinn, überhaupt nicht richtig kannte. Niemals studierte ich seinen Charakter, wie man es bei einem neuen Bekannten tut – oder bei jenen wichtigen Persönlichkeiten, die man aus einiger Entfernung beobachten darf.

(Gore Vidal: Ich, Cyrus, Enkel des Zarathustra. Hamburg 1986, S. 123)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 08.01.2024 um 18:50 Uhr (Zitieren)
Aus aktuellem Anlaß ein Beckenbauer-Zitat:
Ja gut, es gibt nur eine Möglichkeit: Sieg, Unentschieden oder Niederlage.

(Bildschirmtext der ARD)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Aurora schrieb am 09.01.2024 um 07:27 Uhr (Zitieren)
Weitere mögliche und unmögliche Sprüche des Kaisers:

https://fcbayern.com/en/news/2015/09/franz-beckenbauers-best-quotes-110915
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 12.01.2024 um 16:11 Uhr (Zitieren)
In dem historischen Roman „Ich, Cyrus, Enkel des Zarathustra“ wird Cyrus vom persischen Großkönig Dareios I. nach Indien geschickt, um dort Handelsverbindungen zu knüpfen und die Chancen für einen persischen Angriff zu sondieren. Cyrus lernt aber auch die dortigen Religionen kennen und diskutiert mit deren Vertretern, in diesem Falle zwei Buddhisten.
„Der Weise Herr [sc. Ahura Mazda] ist der einzige Gott“, sagte ich.
„Auch wir haben einzige Götter. Nicht wahr, Sariputra?“
„In Menge, mein Lieber.“
[...]
„Ich finde, das ist ein Widerspruch“, sagte ich steif.
„Wir haben solche auch“, beharrte König Pasenadi freundlich.
„Es ist ja das Leben selbst ein Widerspruch, wenn auch nur, weil –“ Sariputra ließ eine Art Kichern hören. „- die Geburt ausnahmslos die direkte Ursache des Todes ist.“
Die beiden alten Männer lachten zufrieden.

(Gore Vidal: Ich, Cyrus, Enkel des Zarathustra. Hamburg 1986, S. 262)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 20.01.2024 um 15:38 Uhr (Zitieren)
„Ein persischer Edelmann lügt nicht“, sagte Mardonius, ohne zu lächeln. „Nicht einmal dann“, fügte er hinzu, „wenn er’s tut.“

[Gore Vidal: Ich, Cyrus, Enkel des Zarathustra. Hamburg 1986, S. 343]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 20.01.2024 um 15:38 Uhr (Zitieren)
Wenn man unter Natur die vom Menschen nicht beeinflußte und bestimmte Welt versteht: Renaturieren.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Udo schrieb am 20.01.2024 um 16:15 Uhr (Zitieren)
„Ein persischer Edelmann lügt nicht“, sagte Mardonius, ohne zu lächeln. „Nicht einmal dann“, fügte er hinzu, „wenn er’s tut.“


Was ist, wenn er eine Lüge ankündigt, die wirklich eine ist?

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 20.01.2024 um 17:25 Uhr (Zitieren)
Das wäre, so wie ich es verstehe, unehrenhaft - das tut er nicht. In Vidals Roman wird das mehrfach betont, daß die Perser bei Lügen besonders empfindlich sind.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Johannes schrieb am 20.01.2024 um 18:06 Uhr (Zitieren)
Interessant in diesem Kontext:
Dareios und die Lügenkönige:
https://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%BCgenk%C3%B6nige
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 21.01.2024 um 19:38 Uhr (Zitieren)
Aus den FAQ eines Stundenhotels:


Diskretion ist in unserem Hause oberstes Gebot. Jeder Gast betritt das Hotel zum ersten Mal, egal wie oft er bereits hier war.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Udo schrieb am 22.01.2024 um 11:42 Uhr (Zitieren)
Jeder Gast betritt das Hotel zum ersten Mal,
Wie ist das in diesem Kontext zu verstehen?

Meine Deutung: Jeder Gast ist immer so zu behandeln, als käme er zum ersten Mal.
Und jeder Gast soll andere Gäste auch so behandeln.

Man stelle sich vor:
Die Dame an der Rezeption sagt: Hallo, Herr X.,
schön, dass Sie uns wieder beehrt haben.
Dann bis nächste Woche!

Insofern liegt kein Paradoxon vor, sondern eine
Metonymie.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 22.01.2024 um 13:20 Uhr (Zitieren)
Die soziale Verabredung, so zu tun und jemanden zu behandeln, als kenne man ihn nicht, obwohl man sehr genau weiß, wer er ist, verwandt meines Erachtens mit dem zeremoniellen oder diplomatischen Inkognito, erzeugt allemal einen Widerspruch, der einen Eintrag hier rechtfertigt.

Der wird, wenngleich in dem Kontext wohl verhältnismäßig schwach, auch als kognitive Dissonanz erlebt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 22.01.2024 um 13:25 Uhr (Zitieren)
Übrigens gilt hier im Forum, einem Stundenhotel des Geistes, eine verwandte Regel, behandeln doch die einen Habitués die anderen immer wieder so, als kennte man sie nicht längst.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Andreas schrieb am 22.01.2024 um 14:34 Uhr (Zitieren)
Es gibt zwei Ebenen: eine sprachliche und eine inhaltliche.
Auf ersterer ist es paradox, auf letzterer in meinen Augen nicht.
Die Botschaft ist klar und auf die kommt es endlich an.
Für mich schwingt da eine schmunzelnde Ironie mit.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 22.01.2024 um 15:02 Uhr (Zitieren)
Was du beschreibst, ist die Hegung der kognitiven Dissonanz, die durch so einen erlebten und in Sprachhandlungen ausagierten Widerspruch entsteht, weil man in diesem Fall voraussetzen kann, dass alle bei diesem Spiel über Regeln und Rollen Bescheid wissen und die Gründe dafür kennen, nicht seine Aufhebung. Mit ihr würde auch, worauf es manchem Gast ganz unironisch ankommen dürfte, fallen, das Gefühl nämlich, anonym seinem Vergnügen nachgehen zu können. Die Paradoxie besteht also durchaus in dem Konsum einer psychologischen Illusion, von der alle wissen, dass es eine ist.



Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 22.01.2024 um 16:44 Uhr (Zitieren)
Das mit der fingierten Anonymität verstehe ich, der Vergleich mit diesem Forum als "Stundenhotel des Geistes" aber kommt mir schief vor: Hier sind eigentlich alle anonym, mit mir als einziger Ausnahme; Stundenhotels hingegen werden m.W. gerne von Liebespaaren frequentiert, die anderweitig verheiratet sind, also nicht anonym. Und Prostituierte tun's für Geld, wovon man hier ebenfalls nicht reden kann.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 22.01.2024 um 17:22 Uhr (Zitieren)
Nun, die meisten checken hier stundenweise ein, um anonym ihrem, nehme ich mal an, intellektuellen Vergnügen nachzugehen, sie lassen dabei vordergründig sowohl den Betreiber als auch die anderen Gäste darüber mehr oder minder im Unklaren darüber, welche Motive und anderweitigen Bindungen (an die Thematiken oder Bildungseinrichtungen aller Art) sie haben. Gleichzeitig wird doch sehr viel Persönliches, ja Intimes kommuniziert. Wenn es um bezahlte Dienste geht, war man bei mir auch schon einmal an der richtigen Adresse.

Das scheint mir für einen Vergleich nach wie vor ausreichend, worauf ich aber eigentlich hinauswollte, war das merkwürdige Spiel, das seit Jahren hier läuft, bei dem innerhalb dieser Anonymität durch den ständigen Wechsel des Pseudonyms Anspruch auf eine Behandlung gemacht wird, wie das Stundenhotel im Ausgangsposting sie verheißt, dass nämlich jedem jedes Mal so begegnet wird, als wäre er zum ersten Mal da.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 22.01.2024 um 17:30 Uhr (Zitieren)
Übrigens gibt es Paare, die in Stundenhotels gehen, nicht, weil sie tatsächlich jemanden betrügen wollen, sondern um sich durch den Ort die erregende Illusion zu verschaffen, sie täten es.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 22.01.2024 um 17:39 Uhr (Zitieren)
Ich trug mich schon vorher mit dem Gedanken, über die Kommunikation hier unter dem Mantel der Anonymität und was sie bei mir auslöst, etwas zu schreiben.
Vielleicht tue ich das in Kürze auch.
Dabei ist für mich bestimmend aber nicht der Wechsel des Pseudonyms (den ich gar nicht beobachte: Bukolos bleibt Bukolos, filix filix, Johannes Johannes usw.), sondern etwas anderes:
- daß man überhaupt nichts über den Hintergrund der Person erfährt, mit der man kommuniziert;
- daß man jederzeit mit dem plötzlichen, unerwarteten Verstummen eines langjährigen Teilnehmers rechnen muß (Dipsaleos, Sappho, Philomathes usw.).
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 22.01.2024 um 17:44 Uhr (Zitieren)
Hier gibt es noch den Sonderfall, daß niemand irgendeinen Kontakt zum Webmaster hat, von dem die Existenz dieses Forums abhängt. Eines Morgens wacht man auf, und er hat den Laden dichtgemacht. Damit ist auch alles, was man ja als ein Archiv ansehen kann, weg.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 31.01.2024 um 10:28 Uhr (Zitieren)
Die Paradoxie zum Auftragen: Das No-Makeup-Makeup, i.e. eine Schminkprozedur, deren Ziel es ist, ungeschminkt schön auszusehen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 31.01.2024 um 14:41 Uhr (Zitieren)
Gut, erinnert mich an die Barfußschuhe.
Menschen, die anderen Menschen ständig den Dunning-Kruger-Effekt unter die Nase reiben, erliegen dem Dunning-Kruger-Effekt.

(von mir)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 04.02.2024 um 18:00 Uhr (Zitieren)
ἀποικία übersetzt Kitto als "das Zuhause in der Fremde".
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 04.03.2024 um 22:16 Uhr (Zitieren)
Heute hat die GDL unangekündigte Streiks angekündigt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 20.03.2024 um 17:32 Uhr (Zitieren)
Als die Dichterin Gertrude Stein auf dem Sterbebett lag, lehnte sich ihre Lebensgefährtin Alice B. Toklas zu ihr herab und flüsterte: "Wie lautet die Antwort, Gertrude?" Darauf Gertrude Stein: "Wie lautet die Frage?"

(Thomas Cathcart & Daniel Klein: Platon und Schnabeltier gehen in eine Bar ... Philosophie verstehen durch Witze. München 2008, S. 161)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Bukolos schrieb am 20.03.2024 um 21:19 Uhr (Zitieren)
Bei der Gelegenheit sei auch Steins Autobiography of Alice B. Toklas in diesem Thread erwähnt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 21.03.2024 um 16:22 Uhr (Zitieren)
Ich legte damals keinen Wert auf einen besonders guten Ruf und tat alles, was mir gefiel, nur daß mir das, was ich tat, nicht wirklich gefiel. Das war der Haken bei der Sache.

(Marlen Haushofer: Die Mansarde. Berlin 42011, S. 80)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Bukolos schrieb am 27.03.2024 um 11:16 Uhr (Zitieren)
Bedeutende Menschen nennen mich ein Kind, und ich wäre unartig, wenn ich das nicht auch selber glaubte. Freilich macht mich dieser Glauben oft ganz schwach. Ich dachte so ganz anders von mir. Uebrigens kann ich mich ja noch entwickeln.

Robert Walser, Mikrogramme 1925 (II) hg. Grossenbacher u. a., Basel 2021 (= KWA VI, 3), S. 13 (Mkg. 498r).
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 01.04.2024 um 04:59 Uhr (Zitieren)
Es ist ein Mandat. Ich kann meiner Natur nach nur ein Mandat übernehmen, das niemand mir gegeben hat.


Franz Kafka: Zur Frage der Gesetze und andere Schriften aus dem Nachlass, Frankfurt am Main 1994, S. 144
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Bukolos schrieb am 19.04.2024 um 15:21 Uhr (Zitieren)
After a little while I murmured to Picasso that I like his portrait of Gertrude Stein. Yes, he said, everybody says that she does not look like it but that does not make any difference, she will, he said.

[Gertrude Stein:] The Autobiography of Alice B. Toklas, New York 1933, S. 14.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 19.04.2024 um 23:23 Uhr (Zitieren)
Das erinnert mich an eine von Brechts "Geschichten vom Herrn Keuner":
Wenn Herr K. einen Menschen liebte

„Was tun Sie“, wurde Herr K. gefragt, „wenn Sie einen Menschen lieben?“ „Ich mache einen Entwurf von ihm“, sagte Herr K., „und sorge dafür, daß er ihm ähnlich wird.“ „Wer? Der Entwurf?“ „Nein“, sagte Herr K., „der Mensch.“

Aber das ist nicht paradox, sondern manipulativ.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 22.04.2024 um 23:58 Uhr (Zitieren)
Allein, wo gehen der Kot und die Abfälle hin? Was ist ihre letzte Bestimmung, wenn der Deckel wieder auf der Tonne liegt und die Spülung gezogen ist?

Wir wissen es nicht, zumindest nicht so genau, und dieses Unwissen enthält schon in nuce ein irritierendes Paradox der Moderne: Keine Zeit vor uns war so sauber, ja, so besessen von Sauberkeit, wie wir es sind. Die Dinge glänzen und duften, sind glatt und rein, wollen klar und eindeutig sein.

Zugleich gilt: Keine Zeit vor uns war so dreckig. Nicht nur stopfen wir alle Täler und jeden versteckten Winkel der Landschaft mit Abfall voll. Nein, der Müll ist inzwischen wirklich überall. Die fernsten Gletscher des Himalayas schwitzen Quecksilber und Pestizide aus, in Luft, Boden und Meeren verteilt sich das Mikroplastik über den gesamten Erdball und jedes Neugeborene hat schon im Mutterleib seine Giftdosis abbekommen.


Oliver Schlaudt: Zugemüllt. Eine müllphilosophische Deutschlandreise. München 2024, S. 7
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 23.04.2024 um 12:36 Uhr (Zitieren)
Hübsch. Was man vermeiden will, verschwindet ja nicht einfach.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 23.04.2024 um 12:37 Uhr (Zitieren)
Das [sc. die Reichsbürger] sind keine netten Onkels, die irgendwelche komischen Ideen haben. Im Grundsatz handelt es sich um Leute, die der Auffassung sind, dass es die Bundesrepublik nicht gibt und dass man sich gegen sie wenden muss.

(Andreas Singer, Präsident des Stuttgarter Oberlandesgerichts; zitiert nach Frankfurter Allgemeine vom 22. April 2024)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 25.04.2024 um 00:24 Uhr (Zitieren)
Ich möchte Ihnen auf diesem Wege, mit diesen um Äonen verspäteten Zeilen danken, aufrichtig danken dafür, dass Sie meine unausrottbare Undankbarkeit all die Jahre so geduldig ertragen haben. Wenn Ihnen dies paradox erscheint, ausgezeichnet, so nähern Sie sich nur dem Wesen meiner Undankbarkeit, die doch in Wahrheit nur bis zur Unaussprechlichkeit tiefe Dankbarkeit für all die unvergoltenen Dienste, die Sie mir erwiesen haben, ist. Mir scheint solches Ungenügen der Wörter nämlich der schlimmste Betrug an der Sache, die auszudrücken sie nicht vermögen, was natürlich augenblicklich auf dieses Schreiben zurückfällt, das ich nicht anders als weiteres Beispiel meines groben und unentschuldbaren Undanks auffassen kann. Er ist doch, wie der Mörder Dmitri in der Schulzeit Jesu sagt, eine schreckliche Sünde, ja, die schlimmste überhaupt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 25.04.2024 um 12:34 Uhr (Zitieren)
Von wem stammt das?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 25.04.2024 um 20:14 Uhr (Zitieren)
Das stammt von mir (einschließlich der Schlamperei: … nicht anders denn als weiteres Beispiel …).
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Marcella schrieb am 27.04.2024 um 18:43 Uhr (Zitieren)
War das schon da? Kater Hinze in "Der gestiefelte Kater" von Tieck spricht plötzlich elaboriert. Hinze erklärt (I,1) :

Was muß der Hund nicht alles tun und lernen! Wie wird das Pferd gemartert! Es sind dumme Tiere, daß sie sich ihren Verstand merken lassen, sie müssen ihrer Eitelkeit durchaus nachgeben; aber wir Katzen sind noch immer das freieste Geschlecht, weil wir uns bei aller unsrer Geschicklichkeit so ungeschickt anzustellen wissen, daß es der Mensch ganz aufgibt, uns zu erziehen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 27.04.2024 um 22:57 Uhr (Zitieren)
Nein, das gab's noch nicht, kannte ich auch nicht.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Marcella schrieb am 28.04.2024 um 15:52 Uhr (Zitieren)
Irgendwo gab´s auch die Kurzfassung des Kater-Dictums (Den Ort finde ich gerade nicht): "Was sind doch die Pferde so dumm, dass sie so klug sind."

Wäre das nicht das passende Motto für das kommende Aaachener Springreitertunier CHIO?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 30.04.2024 um 15:20 Uhr (Zitieren)
Danke für den Hinweis - eine schöne Stelle.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 02.05.2024 um 16:20 Uhr (Zitieren)
Wo sind die falschen Zähne meines Vaters geblieben? Sie waren das Echteste an ihm und er hat sie so scheu und keusch verwahrt.


(Albert Drach: O Catilina. Ein Lust- und Schaudertraum. München/Wien 1995, S.9)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 03.05.2024 um 14:46 Uhr (Zitieren)
Noch zu Marcella:
Laut Brehms Tierleben behaupten „die Javaner […], dass die Affen wohl reden könnten, wenn sie nur wollten, es jedoch nicht täten, weil sie fürchteten, arbeiten zu müssen.“

http://www.biolib.de/brehm/band1/high/IMG_6014.html
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Marcella schrieb am 06.05.2024 um 11:14 Uhr (Zitieren)
Interessant fand ich auch in Wilhelm Tell, IV,3, Vers 2585 ff. folgende Worte im Monolog des Tell im Hohlweg, als er Geßler auflauert:

"Damals gelobt´ ich mir in meinem Innern,
Mit fuchtbarm Eidschwur, den nur Gott gehört,
Daß meines nächsten Schusses erstes Ziel
Dein Herz sein sollte - Was ich mir gelobt
In jenes Augenblickes Höllenqualen,
Ist eine heil´ge Schuld - ich will sie zahlen!"

Die "heil´ge Schuld" ist obendrein noch schön doppeldeutig.
Ist das nicht eher ein Oxymoron?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 06.05.2024 um 12:46 Uhr (Zitieren)
Das meine ich zunächst nicht. "Schuld" ist ja hier nicht im Sinne von Sünde gebraucht, sondern etwas, das man aufgrund eines Eides/Gelübdes Gott schuldet.
Ob ein solcher Eid die Tötung eines Menschen beinhalten darf, ist eine theologische Frage, aber m.E. nicht paradox.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Bukolos schrieb am 06.05.2024 um 17:52 Uhr (Zitieren)
Si licet, hoc sine fraude, Vari dulcissime, dicam:
‘dispeream, nisi me perdidit iste Pothus.’
sin autem praecepta vetant me dicere, sane
non dicam, sed: ‘me perdidit iste puer.’

Wenn ich darf, liebster Varius, werde ich es offen sagen:
»Ich will tot umfallen, wenn mich nicht dieser Pothus zugrunde gerichtet hat.«
Wenn aber die Regeln mir verbieten, es zu sagen, werde ich es freilich
nicht sagen, sondern: »Dieser Knabe hat mich zugrunde gerichtet.«


(Ps.-)Vergil, Catalepton 10 (7), Übers. N. Holzberg.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 10.05.2024 um 23:25 Uhr (Zitieren)
O Gewissen! Bist du nur ein Phantom der Einbildungskraft oder die Angst vor den Strafen der Menschen? Ich frage mich, lege mir diese Frage vor: Wenn du bloß durch den Wunsch einen Mann in China töten und sein Vermögen in Europa erben könntest, in der übernatürlichen Überzeugung, dass man nie etwas davon erfahren wird, würdest du dann diesen Wunsch hegen?
(Génie du christianisme, I.VI.2)

Dieses von Chateaubriand ersonnene Gedankenspiel - das im Englischen als Mandarin paradox bekannt ist - über in Angst vor Strafe, ethnischer bzw. kultureller und räumlicher Distanz gründenden Voraussetzungen moralischen Handelns hat nicht nur Balzac inspiriert, der es mit seiner Erwähnung in Père Goriot, einem Lear des 19. Jahrhunderts, populär gemacht hat, sondern auch den portugiesischen Schriftsteller José Maria Eça de Queiroz (1845 - 1900) zu seiner Novelle O Mandarim (1880).

In ihr tötet der Referendar Theodor durch spukhafte Fernwirkung seinen Mandarin Ti-Tschin-fu, worauf er bald in Geld schwimmt und sich allerlei Ausschweifungen hinzugeben beginnt, die vorher außerhalb seiner ökonomischen und erotischen Reichweite lagen. Sein Opfer vom anderen Ende der Welt sucht in jedoch bald heim:


Jedes Mal, wenn ich nach Hause kam, wich ich schaudernd vor derselben Vision zurück: auf der Türschwelle liegend oder quer über das goldene Brett gestreckt, fand ich jene korpulente, schwarzbezopfte Gestalt, die ein gelbes Gewand trug und einen Papagei in Armen hielt … Es war der Mandarin Ti-Tschin-fu. Mit erhobener Faust stürzte ich hinein und der Spuk verschwand.

Dann sank ich vernichtet, schweißtriefend in einen Lehnstuhl. Die Kerzen der Kronleuchter ließen den roten Seidendamast in blutigem Schein erglühen, und ich murmelte in das lastende Schweigen des Zimmers: »Ich muss diesen Leichnam töten!«


(José Maria Eça de Queiroz: Der Mandarin. Berlin 1997, S. 42)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 11.05.2024 um 00:32 Uhr (Zitieren)
*ihn
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 20.05.2024 um 14:48 Uhr (Zitieren)
FAS vom 19.5.2024, "Am Rande der Gesellschaft" von Hauck & Bauer:
Da steht ein Mann. Vor ihm sitzt ein Hund. Der Mann: "Gib Pfötchen!"
Der Hund macht nichts.
Der Mann: "Mach Männchen!"
Der Hund macht nichts.
Der Mann: "Mach nix!"
Der Hund macht nichts.
Der Mann: "Komisch, bei 'Mach nix' gehorcht er."
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 21.05.2024 um 14:45 Uhr (Zitieren)
Paradoxe Formeln im gegenwärtigen Versuch, die Differenz zwischen einer Erfindung und ihtem Erfinder auszumachen:


Alles wissen und nichts verstehen, alles berechnen, aber nicht Beseeltes erschaffen können – über Sein und Schein der künstlichen Intelligenz.


(https://www.nzz.ch/meinung/kuenstliche-intelligenz-alles-wissen-und-nichts-verstehen-ld.1738247)


Künstliche Intelligenz weiß alles und begreift nichts.


(https://www.handelsblatt.com/meinung/kolumnen/kolumne-out-of-the-box-kuenstliche-intelligenz-weiss-alles-und-begreift-nichts/100009142.html)

Greenberger: Ich denke, KI kann alle möglichen Dinge erzeugen, aber sie weiß nicht, was sie weiß.



("Warum ist unser Gehirn in der Lage, Quantenphysik zu betreiben?" Gespräch mit Anton Zeilinger und Daniel Greeneberger, Der Standard, 21.5.2024)

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 21.05.2024 um 16:38 Uhr (Zitieren)
The other day somebody stole everything in my apartment and replaced it with an exact replica. When my roommate came home I said, "Roommate, someone stole everything in our apartment and replaced it with an exact replica." He looked at me and said, "Do I know you?"


(Steven Wright)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 21.05.2024 um 16:58 Uhr (Zitieren)
Das klingt nach einem Einfall von Philip K. Dick.
Kannst Du, bitte, die genaue Stelle bei Wright angeben, auf daß ich es in meine Sammlung aufnehme?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 21.05.2024 um 17:12 Uhr (Zitieren)
Steven Wright hat zwar zuletzt ein Buch (Harold) geschrieben, seine wahrscheinlich abertausenden Oneliner (“I'd kill for a Nobel Peace Prize.”) und Miniaturen sind meines Wissens nur in Zitatensammlungen im Internet verstreut oder als Aufzeichnungen seiner Shows erhalten.

Das Beispiel oben bringt er u.a.in dem Fernsehauftritt, der ihn 1982 über Nacht berühmt gemacht hat in den USA:

https://m.youtube.com/watch?v=4GGyQNMPDkk
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 22.05.2024 um 00:13 Uhr (Zitieren)
Herzlichen Dank. Den kannte ich nicht.

Auch das ist paradox: "I almost had a psychic girlfriend but she left me before we met."
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Marcella schrieb am 25.05.2024 um 15:02 Uhr (Zitieren)
Die "Vorwärtsverteidigung"

Neu?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 25.05.2024 um 15:21 Uhr (Zitieren)
"Angriff ist die beste Verteidigung" - das ist taktisch dermaßen einleuchtend, daß ich es gar nicht als paradox empfunden habe. Aber man kann eine Paradoxie darin sehen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 30.05.2024 um 12:56 Uhr (Zitieren)
Friedensstreiter
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 04.06.2024 um 22:43 Uhr (Zitieren)
Auch die männliche Libido ist weiblich.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 04.06.2024 um 23:32 Uhr (Zitieren)
Seltsamerweise ist dagegen der weibliche Geschlechtstrieb männnlich ...
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 05.06.2024 um 16:26 Uhr (Zitieren)
Stimmt, auch das noch.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 15.06.2024 um 17:04 Uhr (Zitieren)
In dem Roman „2666“ diskutieren der Verleger Jacob Bubis und seine Angestellten über eine Reihe von literarischen Stilblüten. Hier eine Auswahl:
1. „Arme Marie! Jedes Mal, wenn sie das Getrappel eines nahenden Pferdes hört, denkt sie, ich sei es.“ (Chateaubriand: Vie de Rancé)
2. „Die Besatzung des von den Wellen verschlungenen Schiffes bestand aus fünfundzwanzig Mann, die Hunderte zu bitterer Armut verurteilte Witwen hinterließen.“ (Chéri-Bibi: Les cages flottantes)
3. „Der Graf erschien, gefolgt von seinem vorauseilenden Gefolge.“ (Alphonse Daudet: Briefe aus meiner Mühle)
4. „Mit auf dem Rücken gefalteten Händen ging Henri im Garten auf und ab und las den Roman seines Freundes.“ (Rosny: Le Cataclysme)
5. „Mit dem einen Auge las, mit dem anderen schrieb er.“ (Auback: An den Ufern des Rheins)
6. „Die Leiche wartete still auf ihre Autopsie.“ (Octave Feuillet: Der Günstling des Glücks)
7. „Ich blicke nicht mehr durch, sagte die arme Blinde.“ (Balzac: Béatrix)
8. „Nachdem sie ihn einen Kopf kürzer gemacht hatten, begruben sie ihn bei lebendigem Leibe.“ (Henri Zvedan: Montgomers Tod)
9. „Er hatte kalte Hände wie eine Schlange.“ (Ponson du Terrail, ohne Stellenangabe)
10. „Vorwurfsvoll blickte die Leiche zu den um-stehenden Passanten auf.“
11. „Unglücklicherweise verzögerte sich die Hochzeit um vierzehn Tage, in welcher Zeit die Braut mit dem Kapitän durchbrannte und ihm acht Kinder gebar.“
12. „Ausflüge von drei oder vier Tagen waren für sie an der Tagesordnung.“

(Roberto Bolaño: 2666. München 2009, S. 1023 f.)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 15.06.2024 um 19:33 Uhr (Zitieren)
Posting unter einem Artikel über die Zahlungsunfähigkeit eines einst erfolgreichen Autors:

Ich stehe seit 35 Jahren morgens auf, gehe arbeiten und bezahle meine Rechnungen. Darüber schreibt niemand.


———

Ad Bolaño - wie werden keine dieser Perlen in den angegebenen Austern finden, oder?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 15.06.2024 um 19:34 Uhr (Zitieren)
*wir
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 16.06.2024 um 00:02 Uhr (Zitieren)
Bei dem Hamburger Verleger habe ich mich gefragt, ob es sich um Ernst Rowohlt handelt.

Zumindest einige der genannten Bücher gibt es. Ob sich darin die betreffenden Zitate finden? Ich weiß es nicht.

An sich habe ich den Eindruck, daß Bolaño sehr präzise recherchiert hat. Aber hier mag er sich einen Scherz erlaubt haben.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 16.06.2024 um 03:15 Uhr (Zitieren)
Den Scherz dürfte sich sich ursprünglich Francisco Grandmontagne Otaegui (1866 - 1936) erlaubt haben, der für die argentinische Zeitschrift Caras y Caretas, die auf politische Satire, Humor und die Behandlung tagesaktueller Themen spezialisiert war, schrieb. In einem Beitrag für die Nummer 1650, die 1930 herauskam, finden sich zahlreiche der Zitate wieder, auch die angebliche Anthologie von Max Sengen, das Museo de errores taucht dort auf.

https://archive.org/details/Caras_y_Caretas_Buenos_Aires_1930-05-17_N_1650/page/n23/
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 16.06.2024 um 13:39 Uhr (Zitieren)
Daraus die eines Eintrags hier durchaus würdige Einleitung, die vermuten lässt, dass ein gewisser Meßkircher (Wer groß denkt, muß groß irren) heimlicher Abonnent des Blattes gewesen ist:

Los grandes escritores son los que han estampado, junto a los más sublimes pensamientos,
las disparates más formidables. Y ello se explica fácilmente: la genialidad es tan pujante y vigorosa en el acierto como en el error.

Las equivocaciones de un astrónomo son siempre infinitamente mayores que las de un tenedor de libros, si bien sus consecuencias económicas son
más inofensivas.

La zona obscura de las inteligencias luminosas suele ser más cerrada que aquellas de los entendimientos grises y vulgares.

Por eso los disparates del tonto son pequeños, mientras los del hombre de talento son magnos.



Die großen Schriftsteller sind diejenigen, die neben den erhabensten Gedanken auch den größten Unsinn gedruckt haben. Das ist leicht erklärt: Das Genie ist in beim Treffen genauso kraftvoll und stark wie im Fehlgehen.

Die Fehler eines Astronomen sind immer unendlich viel größer als die eines Buchhalters, auch wenn ihre wirtschaftlichen Folgen harmloser sind.

Die dunkle Zone heller Geister ist gewöhnlich in sich geschlossener als die des grauen und vulgären Verstandes.

Deshalb sind die Dummheiten des Narren klein, während die eines begabten Mannes groß sind.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 16.06.2024 um 14:06 Uhr (Zitieren)
Der Meßkircher ... den wir im Studium den "Seinsmystiker aus dem Schwarzwald" genannt haben.

Kann man seinen Antisemitismus bei einem jüdischen Lehrer (Edmund Husserl), einer jüdischen Geliebten (Hannah Arendt) und einem jüdischen Meisterschüler (Karl Löwith) dumm nennen?

Eher nehme ich an, daß Karl Löwith, den ich sehr schätze, groß geirrt hat.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 16.06.2024 um 17:33 Uhr (Zitieren)
-in

Schon eigentümlich wie sich dieses Verhältnis von Glanzleistung und Unfug von der milden Kritik der Alten, wonach selbst Homer bisweilen schlafe, zur möglichen Gleichrangigkeit der beiden als Ausdruck des Genialischen fortentwickelt (auch wenn der Text vordergründig satirisch ist), bis endlich das eine nicht mehr ohne das andere zu denken sei.

Nebenbei - kann jemand La zona obscura de las inteligencias luminosas suele ser más cerrada que aquellas de los entendimientos grises y vulgares besser übertragen?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Johannes schrieb am 16.06.2024 um 19:04 Uhr (Zitieren)
Was findet ihr an Heideggers Philosophie besonders "daneben".
Was werft ihr ihm inhaltlich konkret vor?
Über seine Sprache und was er damit macht, kann
man sicher streiten, etwa über seine eigenwilligen Etymologien und Wortschöpfungen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 17.06.2024 um 14:05 Uhr (Zitieren)
In Kürze: keine logische Analyse, keine Argumente, stattdessen Seinsmystik.

Sein Antisemitismus ist mir widerwärtig. Karl Löwith, früh ins Exil gegangen, berichtet, H. habe bei einem Treffen mit ihm in Rom das Parteiabzeichen getragen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Marcella schrieb am 17.06.2024 um 14:24 Uhr (Zitieren)
Ist Wabern Philosophie?
Die Heidegger-Argumentation zu den Nazis hat Hanna Arendt erfahren. Darauf angesprochen, warum diese Nähe zu den Nazis, warum die hoffnungsgetränkte Rektoratsrede, warum er die vielen Verbrechen des Regierungsantrittes ignoriere, warum er überhaupt für Hitler eintrete, hat er das alles eingeräumt, aber soll dem entgegengehalten haben: "Aber sehen Sie doch nur seine (=Hitlers) Hände."
Welch ein Argumentationsniveau !
Gottfried Benn hat im ähnlichen Kasus ähnlich reagiert.
Die sumpfige Flucht in Mystik und Faszination ist eines Seins-und Welterklärers nicht würdig.
Benn ist später nach alldem wenigstens ein bisschen auf seine Kritiker eingegangen. Heidegger meines Wissens nicht.
(Die Safranski-Biographie habe ich schon vor Jahren entsorgt. Ich bin bis zur Hälfte gekommen, dann kam das mit den Nazis, und ich
konnte nicht mehr weiter. Daher kann ich die Angaben momentan nicht präzisieren.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 17.06.2024 um 16:04 Uhr (Zitieren)
Das Safranski-Buch habe ich noch. Bei Bedarf kann ich daher mit näheren Angaben behilflich sein.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 17.06.2024 um 16:10 Uhr (Zitieren)
Was man den Menschen der 30er Jahre zugute halten muß, ist der Umstand, daß der Nationalsozialismus für sie nicht das bedeutete, was er für uns - in Kenntnis der 40er Jahre - bedeutet.

Aber antisemitisch und brutal im Umgang mit seinen Gegnern war er immer. Für den Rest benötigte man in den 30ern wohl eine feine Nase.

Es war Arthur C. Danto, der darauf hingewiesen hat, daß der Unterschied zwischen uns und den Menschen früherer Zeiten darin besteht, daß wir ihre Zukunft kennen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 19.06.2024 um 14:46 Uhr (Zitieren)
Zerknirschung nach der Begegnung mit den Dichtern, die es wirklich sind. Sie sind das Unerreichbare, weil sie einem so nahe sind.

———

O traurige Interpretation! Tod der Gedichte, die an Entkräftung eingehen, wenn ihnen alles entnommen wird, was sie nicht enthalten.


(Elias Canetti: Aufzeichnungen 1992 - 1993, München Wien 1996, S. 92)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 19.06.2024 um 14:58 Uhr (Zitieren)
Das über die Gedichte ist gut!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 20.06.2024 um 02:11 Uhr (Zitieren)
Habara stellte sich zahllose Neunaugen vor, die im Wasser wie Pflanzen hin und her wogten. Das Bild erschien ihm irgendwie wirklichkeitsfern. Dabei wusste er, dass die Wirklichkeit bisweilen wirklichkeitsfern ist.

(Haruki Murakami: Scheherazade; in: Von Männern, die keine Frauen haben. Köln 2014, S. 135)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 04.07.2024 um 00:01 Uhr (Zitieren)
Prompt aus dem Geist eines travestierten Genieideals:

KI, auf welchen Namen du immer hören magst, schreib mir ein Buch, das nur ich geschrieben haben könnte.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 07.07.2024 um 14:10 Uhr (Zitieren)
Fußball spielen ist einfach. Das Schwierigste ist jedoch, Fußball einfach zu spielen.

(Johan Cruyff; zitiert nach: Frankfurter Allgemeine vom 6. Juli 2024)

Zwar habe ich keine Ahnung, was das bedeuten soll, aber paradox ist es.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 08.07.2024 um 18:01 Uhr (Zitieren)
Das mag paradox klingen, ist es meiner Ansicht nach aber nicht. Der Satz, so wie ich ihn verstehe, trägt seinen Ton auf dem letzten Wort:
Fußball spielen ist einfach. Das Schwierigste ist jedoch, Fußball einfach zu spielen.

Will sagen: Schwierig, nein, das Schwierigste überhaupt ist es, über allen Regeln, Strategien, Aufstellungen etc. das spielerische Element, das Cruyff offenbar als das entscheidende ansieht, im Zentrum aller Aktionen wirksam sein zu lassen, sozusagen absichtslos und mit quasi-kindlicher Freude am Spielen zu agieren, sich dem Spielen hinzugeben.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 08.07.2024 um 23:05 Uhr (Zitieren)
So wird es gemeint sein.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 09.07.2024 um 02:30 Uhr (Zitieren)
Nach der vielzitierten englischen Version Playing football is very simple, but playing simple football is the hardest thing there is handelt es sich wohl doch eher um das ursprünglich in der Kunst angesiedelte und mittlerweile auf fast alles übertragene Ideal jener die Mittel beherrschenden, jedwedes Beiwerk hinter sich lassenden Einfachheit, in der höchste Meisterschaft sich ausdrückt, als um Spielfreude. Schließlich wähnte Cruyff sich offenbar ähnlich unverstanden wie Rembrandt (der späte?) und Van Gogh.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 09.07.2024 um 08:23 Uhr (Zitieren)
Müßte, wenn diese Interpretation stimmt, der Satz dann nicht (wie auf englisch) lauten: "... einfachen Fußball zu spielen"? Und wenn Herr Cruyff ihn ursprünglich auf englisch gesagt hat (was ihn nicht idiomatischer macht), wäre immer noch zu fragen, wie er ihn auf niederländisch gesagt hätte (und ob der Übersetzer ins Deutsche/Englische dies adäquat wiedergegeben hat).
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 09.07.2024 um 11:40 Uhr (Zitieren)
Voetballen is heel simpel, maar het moeilijkste wat er is, is simpel voetballen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 09.07.2024 um 12:02 Uhr (Zitieren)
In Johan Cruijff - mijn verhaal: de autobiografie steht simpel voetballen is het moeilijkste wat er is, das spricht also gegen die Deutung von einfach als Partikel.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Johannesῳ schrieb am 11.07.2024 um 15:50 Uhr (Zitieren)
Henry Thoreau:
Ich habe keine Zeit zu hetzen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 13.07.2024 um 12:37 Uhr (Zitieren)
Thoreau, wahlweise Igor Strawinsky, zumindest behauptete das u.a. der Cellist Piatigorsky.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Udo schrieb am 14.07.2024 um 12:11 Uhr (Zitieren)
Ich bin zufällig auf diese gestoßen:
Das Geheimnis des Glücks ist, zu akzeptieren, dass man nicht glücklich sein kann."
(Modernes philosophisches Paradoxon)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 14.07.2024 um 14:52 Uhr (Zitieren)
Gibst Du bitte Autor und Fundstelle an?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Udo schrieb am 14.07.2024 um 17:18 Uhr (Zitieren)
Es soll von Camus sein.
Meine KI sagt allerdings auf Nachfrage:

Es ist wichtig zu beachten, dass Zitate manchmal fälschlicherweise bestimmten berühmten Persönlichkeiten zugeordnet werden. Ohne eine genaue Quellenangabe kann ich nicht mit absoluter Sicherheit bestätigen, dass dieses Zitat tatsächlich von Camus stammt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Udo schrieb am 14.07.2024 um 17:21 Uhr (Zitieren)
PS:
So definiert sie Glück:

Glück ist ein komplexer und vielschichtiger Begriff, der sich wie folgt definieren lässt:
Glück ist ein Zustand des Wohlbefindens und der Zufriedenheit, der sich sowohl auf emotionaler als auch auf kognitiver Ebene manifestiert. Es kann als vorübergehendes Gefühl intensiver Freude oder als anhaltender Zustand der Lebenszufriedenheit erlebt werden.
Einige Kernaspekte von Glück sind:

Positive Emotionen: Freude, Zufriedenheit, Dankbarkeit
Sinnhaftigkeit: Das Gefühl, dass das eigene Leben bedeutungsvoll ist
Engagement: Aktive Beteiligung an Aktivitäten und Beziehungen
Erfüllung: Erreichen persönlicher Ziele und Verwirklichung des eigenen Potenzials
Soziale Verbundenheit: Positive Beziehungen zu anderen Menschen

Die Definition von Glück kann je nach kulturellem, philosophischem oder persönlichem Kontext variieren. Für manche ist es ein flüchtiger Moment der Euphorie, für andere ein dauerhafter Zustand inneren Friedens und Zufriedenheit.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 14.07.2024 um 17:43 Uhr (Zitieren)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 14.07.2024 um 18:07 Uhr (Zitieren)
In einem Brief Flauberts an Alfred Le Poittevin findet sich Vergleichbares: Pour moi, je suis vraiment assez bien depuis que j’ai consenti à être toujours mal. (Milan, 13 mai [1845]) - Was mich betrifft, geht es mir tatsächlich ziemlich gut, seit ich damit einverstanden bin, dass es mir immer schlecht geht.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 14.07.2024 um 23:30 Uhr (Zitieren)
Das ist gut ... und mit Quellenangabe.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 18.07.2024 um 23:50 Uhr (Zitieren)
Ich muß aber gestehen, daß ich sehr wenig vom frühen Orphismus weiß, und je mehr ich über ihn lese, desto geringer wird meine Kenntnis.

[Erec Robertson Dodds: Die Griechen und das Irrationale. Darmstadt 1970, S. 83]
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 02.08.2024 um 17:55 Uhr (Zitieren)
König Eumenes Philadelphos sagte seinen Brüdern wiederholt: „Wenn ihr mir als eurem König gegenübertretet, werde ich euch als Brüder behandeln, wenn ihr mich aber als Bruder einstuft, werde ich euch als König begegnen.“

(Gnomologium Vaticanum 293)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 05.08.2024 um 01:12 Uhr (Zitieren)
Auf Extras zu verzichten, muss man sich bisweilen leisten können - Oscar Wilde über die paradoxe Erziehung zum Luxus an seinen zeitweiligen Geliebten und späteren Nachlassverwalter Robert Baldwin Ross aus Berneval-sur-Mer im Juni 1897:


As regards people living on me, and the extra bedrooms: dear boy, there is no one who would stay with me but you, and you will pay your own bill at the hotel for meals; and as for your room, the charge will be nominally 2 francs 50 centimes a night, but there will be lots of extras such as bougie, bain and hot water, and all cigarettes smoked in the bedrooms are charged extra. And if any one does not take the extras, of course he is charged more:

Bain, 25 C.
Pas de bain, 50 C.
Cigarette dans la chambre à coucher, 10 C. pour chaque cigarette.
Pas de cigarette dans la chambre à coucher, 20 C. pour chaque cigarette.

This is the système in all good hotels.


Den Brief finde ich in The Albatross Book of English Letters, Hamburg, Paris, Bologna 1936, S. 420. Dem jüdisch dominierten und britisch finanzierten Verlag, dessen Bücher auch ästhetisch bestechen, gelang es u.a. James Joyce, Virginia Woolf und D.H. Lawrence unter den Nazis erscheinen zu lassen. Diesem verlegerischen Husarenstück wurde sogar eine Monographie gewidmet:

https://www.europa-verlag.com/down.asp?Name=%7BQUNIQJLUTZ-217202294951-XSMNKFDIVP%7D


Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 05.08.2024 um 10:54 Uhr (Zitieren)
Abgesehen davon, daß man sehen kann, wie die Zeiten sich ändern, da heute das Rauchen im Hotelzimmer bestraft wird, habe ich mir überlegt, wie die damaligen Regeln gemeint waren.
Ich nehme an, daß die Zigaretten zum Angebot gehörten wie heute der Inhalt der Minibar (also der Konsum im Interesse des Betreibers ist) und daß bei einem, sagen wir einwöchigen Aufenthalt mehr als eine Zigarette geraucht wurde. Bei 20 Zigaretten = 200 Centimes wirkt die Strafe fürs Nichtrauchen nicht mehr so disproportional resp. paradox.
Entsprechend fürs Baden.

Falls ich das richtig verstanden habe.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 05.08.2024 um 11:31 Uhr (Zitieren)
Das ist gewiss eine rationale Betrachtung, ich bin aber an der Formulierung 20 C. pour chaque cigarette. hängengeblieben, denn wenn die Unterlassung einer Handlung in beliebigen Zeiträumen immer nur als einmalig angesehen und also berechnet wird, warum setzt er dann den Preis für jede (nicht-gerauchte) Zigarette hinzu? Wie zählt man das? Item beim Bad, wobei es kaum im Interesse eines good hotel sein dürfte, dass knausrige Gäste, die le système m.E. abschrecken soll, wochen- oder monatelang ungewaschen für einmalig 50 Centimes Pönale logieren.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 05.08.2024 um 11:38 Uhr (Zitieren)
Stimmt, da steht "für jede nicht gerauchte Zigarette".
Das bringt meinen Versuch zu verstehen (und jeden anderen, der mir einfällt), zum Scheitern.
Ob Wilde sich da einen Scherz erlaubt hat?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 05.08.2024 um 11:51 Uhr (Zitieren)
Annahme: Stehen 50 Zigaretten im Zimmer in einer Schachtel bereit, kostet es das Doppelte, sie nicht anzurühren, als sie in Rauch aufgehen zu lassen, beim Bad, das ja nicht nur eine Tätigkeit beschreibt, sondern auch die sanitäre Anlage (die heute selbstverständlich ist in der Hotellerie, aber wohl nicht 1897) kostet es vermutlich täglich das Doppelte, darauf zu verzichten. Da der Brief ein harscher Angriff auf Geiz und Kleinlichkeit des Adressaten ist, liegt nahe, dass die Ausführung augenzwinkernd zu verstehen sind. Ist es als charakterliche Schule des Luxus daher weniger paradox?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 05.08.2024 um 11:52 Uhr (Zitieren)
*Ausführungen
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Patroklos schrieb am 05.08.2024 um 13:30 Uhr (Zitieren)
Oscar Wilde at his best:
All women become like their mothers. That is their tragedy. No man does. That‘s his.
(The Importance of Being Earnest)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 05.08.2024 um 14:07 Uhr (Zitieren)
Ist es als charakterliche Schule des Luxus daher weniger paradox?

Nein, selbstverständlich nicht.

Und wer Paradoxa sucht - Patroklos deutet es schon an -, wird bei Wilde vielfach fündig.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 08.08.2024 um 23:18 Uhr (Zitieren)
Bei einer Prüfung war ein Jüngling unter allen schweigsam. Da sagte Bias: „Wenn du trotz vorhandener Bildung schweigst, bist du ungebildet. Wenn du wegen fehlender Bildung schweigst, dann bist du gebildet.“

(Gnomologium Vaticanum 159)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 11.08.2024 um 00:33 Uhr (Zitieren)
In einem Museum in Europa, vor einem Blatt aus Otto Dix' Mappe Tod und Auferstehung.

Das Schildchen verrät den Titel Der Lustmord (1922). Wir sehen auf einem Bett eine brutal zugerichtete Frauenleiche, die Beine gespreizt, Blut überall, es hat ihre Augen überlaufen und unkenntlich gemacht. Am rechten Bildrand kopulieren zwei Hündchen a tergo, das schwarze heult gleichfalls blicklos ins Leere, das weiße darunter starrt den Betrachter aus zwei Knopfaugen an.

Unvermittelt richtet eine sichtlich irritierte Nachbarin vor der Radierung das Wort an mich:
Is this title appropriate? Ich zögere kurz vor dem Abgrund zwischen zwei Kontinenten der Betrachtung und antworte: Wouldn't any appropriate title be completely inappropriate? Sie legt die Stirn in Falten, nickt aber schließlich, obschon wenig begeistert.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 17.08.2024 um 23:44 Uhr (Zitieren)
Fragt man die Leute, welchen Tod sie sich wünschen, so antworten die meisten, sie wollten im Schlaf sterben. Doch wenn sie wüßten, daß Gevatter Tod das Rendezvous für die nächste Nacht festgesetzt hat ... dann könnten sie nicht einschlafen.

(Wolfgang Weimer)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 17.08.2024 um 23:49 Uhr (Zitieren)
Je undurchsichtiger die Welt, desto größer die Konjunktur der vermeintlich klaren Antworten.

(Wolfgang Weimer)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 17.08.2024 um 23:54 Uhr (Zitieren)
Ein intelligenter Mensch kann sich erfolgreich dümmer stellen, als er es ist.

(Wolfgang Weimer)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 18.08.2024 um 15:42 Uhr (Zitieren)
Das osteologische Paradoxon: „Der Begriff wurde von dem Forscher James Wood und Kollegen geprägt, um den sehr heiklen Sachverhalt zu beschreiben, dass Bioarchäologen für die Untersuchung vergangener Leben als Belege eigentlich nur vergangene Tode zur Verfügung stehen.“ Da Menschen meist in fortgeschrittenem Alter sterben, ist das Leben junger Menschen systematisch unterrepräsentiert.


(Brenna Hassett: Warum wir sesshaft wurden und uns seither bekriegen, wenn wir nicht gerade an tödlichen Krankheiten sterben. Darmstadt 2018, S. 212)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Andreas schrieb am 18.08.2024 um 15:56 Uhr (Zitieren)
Je undurchsichtiger die Welt, desto größer die Konjunktur der vermeintlich klaren Antworten.

An welche klaren Antworten denkst du da z.B.?

Was ist für dich eine klare Antwort z.B. auf die Sinnfrage im Allgemeinen und für dich persönlich?

Ich kenne eine Antwort, die auch paradox anmutet: Die Sinnfrage ist sinnlos.
Man müsste zudem Sinn erst defnieren und Kriterien angeben. Was wäre deine?

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 18.08.2024 um 17:06 Uhr (Zitieren)
Ich sprach nur von vermeintlich klaren Antworten; ich hätte auch "angeblich" sagen können.
Sie begegnen mir überall. Ich selbst habe keine.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 19.08.2024 um 21:54 Uhr (Zitieren)
In einem Nachruf des jüngst verstorbenen Ausstellungsmachers Kaspar König begegnet mir ein Zitat »Das Museum gehört allen und keinem«, das sich einer beliebten paradoxen Formel bedient, die alle individuellen Ansprüche an einem Gemeingut ebenso zurückweisen wie dieses vor seiner totalen Verfügbarkeit durch ein schnödes Kollektiv retten will. Ein paar Beispiele:

Der Besitz des Klosters gehört allem und keinem (Magisterregel)

In der Dirne begegnet uns die extremste Form der Flaneuse: sie gehört allen und keinem. (Nana - Mythos und Wirklichkeit, Hamburger Kunsthalle 1973)

Das Leben auf der Erde gehört allem und keinem. (Autor der Wahl einsetzen)

Ein Mensch der Tat kann von seinem Unternehmen sagen: Dies gehört mir. Nicht aber der Wissenschaftler. Sobald er die Wahrheit entdeckt hat, ist sie nicht mehr in seinem Besitz. Sie gehört allen und keinem. (Sartre)



Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 19.08.2024 um 22:20 Uhr (Zitieren)
Zum osteologischen Paradoxon finde ich erwas andere, mir nachvollziehbar scheinende Darstellungen - z.B.

Wood et al. äußerten jedoch den Verdacht, dass Faktoren wie versteckte Heterogenität in individuellem Krankheitsrisiko oder selektive Mortalität die Untersuchung von archäologischen Skelettserien beeinflussen würden, sodass keine verlässlichen Rückschlüsse auf den allgemeinen Gesundheitszustand einer ganzen Population gezogen werden könnten.

Anzeichen von Erkrankungen am Skelett würden außerdem nicht die „Schwäche", sondern die „Stärke" des Immunsystems bezeugen, denn damit sich eine Krankheit am Knochen manifestieren kann, muss ein Individuum diese Stressperiode lange genug überlebt haben.

Dieser Gedanke führte zur Formulierung des „Osteologischen Paradoxon", welches eben besagt, dass Spuren krankhafter Veränderungen am Skelett als Hinweis auf individuelle Stärke und Gesundheit zu interpretieren seien.

[http://austriaca.at/0xc1aa5576%200x00325c24.pdf]



Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 19.08.2024 um 23:34 Uhr (Zitieren)
Das klingt nach einer besseren Erklärung; ich habe "meine" ungeprüft aus dem genannten Buch übernommen. Wobei dessen Autorin Bioarchäologin ist.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 20.08.2024 um 03:00 Uhr (Zitieren)
Beansprucht der Satz »Es gibt nur Halbwahrheiten«, eine volle Wahrheit zu sein, wird er gleichzeitig durch seinen eigenen Widerspruch zur Halbwahrheit, bestätigt sich also selbst auf paradoxe Weise.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 20.08.2024 um 11:22 Uhr (Zitieren)
Das stimmt ... und gehört damit in die ehrwürdige Klasse von Paradoxa, deren Königin Russells Mengen-Antinomie ist.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 21.08.2024 um 00:07 Uhr (Zitieren)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 22.08.2024 um 12:33 Uhr (Zitieren)
https://www.spiegel.de/karriere/raetsel-der-woche-ein-perfekter-satz-a-e1f0fc5c-6723-4d98-a058-c701b7d4ea62[/quote]

Könnte man gegen die Lösung nicht, da der Autor am Ende ausdrücklich den Begriff der Zahl von der Ziffer scheidet, einwenden, dass er die Produkte in die Selbstreferenzialiät auch einbeziehen muss? I.e. 2 Mal die Zahl 3 = 6, aber 1 Mal die Zahl 6, ... usf.)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 22.08.2024 um 15:16 Uhr (Zitieren)
Ein Paradox im Liberalismus:
Einerseits lehnt er unkontrollierte Macht ab, will also alle Macht kontrollieren; andererseits will er Kontrolle zugunsten von Selbstregulierungskräften abbauen: also mehr Institutionen und weniger Institutionen, mehr Kontrolle und weniger Kontrolle.
Es ist nun nicht so, daß diese Kontrollkompetenz sich auf verschiedene Seiten beziehen ließe (passiv auf die Staatsorgane, aktiv auf das Volk), denn es ist nicht einzusehen, wieso die Macht des Volkes weniger einer Mißbrauchstendenz unterliegen sollte.

(Wolfgang Weimer)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 24.08.2024 um 17:20 Uhr (Zitieren)
"älteres Jungpaläolithikum" (Hermann Müller-Karpe: Grundzüge früher Menschheitsgeschichte)

Es ist klar, was gemeint ist, aber alt-jung-alt klingt seltsam.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 24.08.2024 um 17:47 Uhr (Zitieren)
"Spätes [also junges] Altneolithikum" gibt es ebenfalls.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Patroklos schrieb am 24.08.2024 um 19:18 Uhr (Zitieren)
Herzls „Altneuland“ darf hier erwähnt werden, auch wenn es den Bezug zur Prager Synagoge gibt.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 24.08.2024 um 19:36 Uhr (Zitieren)
Die Schriftsteller sind die Zöglinge ihrer Amme, der Sprache; aber die Milchbrüder zeugen und bilden wieder Ammen. Wer von ihnen bringt nun eine grammatische Altneuerung oder ein Neualtes am besten in Gang?

Am wenigsten der Dichter, der zwar leicht neue Weltansichten und allgemeine Stimmungen verbreitet, aber ungern und daher selten eine Sprachänderung weiterträgt, da deren unzeitiges Hervortreten den freien runden Eindruck seiner Gestalten entstellt.

Aber besser vermögen es die Zeitungschreiber, welchen man erstlich jedes Deutsch verzeiht, und welche zweitens als die größten Vielschreiber Ohr und Auge durch das Wiederholen bändigen und versöhnen.


(Jean Paul: Über die deutschen Doppelwörter)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 24.08.2024 um 22:33 Uhr (Zitieren)
In Düsseldorf bestellt man sich sogar ein neues Alt.

(Das ist, zugegeben, ein Kalauer.)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 27.08.2024 um 19:41 Uhr (Zitieren)
"Definitely Maybe" heißt das erste Album von Oasis.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 28.08.2024 um 15:19 Uhr (Zitieren)
Definitely Maybe


Erzeugen die beiden epistemischen Modalitäten wirklich einen unvermeidbaren inneren Widerspruch oder drücken sie nicht nur aus, dass es an der Unentschiedenheit oder Unentscheidbarkeit keinen Zweifel gibt?


Do you want to sleep with me? Maybe. Are you sure you don't know? Yes, for sure, it's a definite maybe. But maybe means no, so you don't want to. No, it just means that I'm undecided and not too cowardly to say no.


Do you want to sleep with me? Maybe. Are you sure you don't know? Maybe. Ah, so maybe a maybe. But maybe today means no, and maybe maybe is a double negation, so ...
Oh, shut the fuck up.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 28.08.2024 um 15:46 Uhr (Zitieren)
Ich habe an den Spruch "Ich hab mir das überlegt, mich entschieden und sage: vielleicht" gedacht. Das reagiert ja auf eine Bitte, sich zu entscheiden, d.h. es kommt in einem kommunikativen Kontext vor. Die Entscheidung ist aber die zu einer Nicht-Entscheidung. Das halte ich für paradox, ja. Und ich möchte wetten, daß dies als provokanter Effekt bewußt für den Albumtitel eingesetzt worden ist.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 28.08.2024 um 15:48 Uhr (Zitieren)
Gedachter Dialog:

A: "Bitte entscheide dich jetzt endlich einmal!"
B: "Gut, ich habe mich jetzt entschieden und sage: vielleicht."
A: (rauft sich die Haare)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 28.08.2024 um 16:00 Uhr (Zitieren)
Man kann das aber auch als Zurückweisung oder Suspendierung der Entscheidungsforderung deuten, die Bestimmtheit hinsichtlich der Unentschiedenheit kommuniziert.

Ich denke nicht, dass man die Entscheidung (in welchem Sinn ist es denn überhaupt eine?), sich nicht zu entscheiden, mit derselben Stringenz als paradox verstehen kann, wie das bei der Unmöglichkeit, nicht zu kommunizieren (keine Antwort ist auch eine), der Fall ist.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 28.08.2024 um 16:04 Uhr (Zitieren)
Außerhalb solcher Kontextualisierung finde ich jedenfalls maybe maybe paradoxer, denn da unterminiert doch eine epistemische Modalität die andere.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Patroklos schrieb am 28.08.2024 um 16:48 Uhr (Zitieren)
Maybe/may be, je nach Adverb oder Verb.
Im Deutschen als Ellipse, (es) mag sein. Adverbial sagt man „vielleicht“ oä.
Ok?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 28.08.2024 um 17:46 Uhr (Zitieren)
Ich verstehe die Frage nicht ganz. Im Deutschen wie im Englischen können solche Modaladverbien allein vollgültige Antworten auf Entscheidungsfragen bilden (Kommst du morgen? Vielleicht.) Sie können prinzipiell auch ihresgleichen modifizieren, wobei meist affirmative Verstärkung angestrebt wird. Bei vielleicht vielleicht oder maybe maybe kann man also fragen, ob hier eine solche Verstärkung gerade dadurch erreicht wird, dass Unsicherheit hinsichtlich der Unsicherheit ausgedrückt wird oder ob dadurch mitgeteilt werden soll, dass man sich gar nicht so unsicher ist.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 29.08.2024 um 22:31 Uhr (Zitieren)
Deine Freunde: Ordentlich durcheinander

Komm, geh mal weg
Du musst dich langsam mal beeilen
einfach schwer
voll leer
richtig falsch
genau daneben
schrecklich fröhlich
ruhig laut sein
gerade krumm
warte mal schnell
unglaublich ehrlich
schrecklich nett
furchtbar lieb
ganz kaputt
schön hässlich
Dir wird heißkalt
fast perfekt
wir sind hin & weg
Fruchtfleisch
es kann losgehen, wir sind fertig
unheimlich vertraut

Das hat mir ein Kind zitiert; unter Kindern ist diese Band anscheinend sehr populär.
Allein "Fruchtfleisch" ... daß ich darauf noch nicht gekommen bin!
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 02.09.2024 um 16:57 Uhr (Zitieren)
Wolfgang Weimer an Lord Russell:
Was sollen wir von folgender Aussage halten: „Diese Aussage ist sinnlos.“?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 02.09.2024 um 17:05 Uhr (Zitieren)
Laut Russells Typentheorie sind Aussagen, die sich auf sich selbst beziehen, sinnlos.

Diese Aussage bezieht sich auf sich selbst.

Also ist sie sinnlos.

Genau das behauptet sie aber.

Also ist sie nicht sinnlos, sondern wahr.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 02.09.2024 um 17:11 Uhr (Zitieren)
Die morgige Seeschlacht:
Die morgige Seeschlacht:
Aristoteles: „Aussagen über die Zukunft sind niemals entscheidbar.“

Ego: „Mit ‚niemals’ schließt du die Zukunft ein. Deine Aussage ist also selbst eine Aussage über die Zukunft. Wir wissen nicht, ob wir in Zukunft Aussagen über die Zukunft werden entscheiden können.“

Aristoteles: „Aber dies ist doch ebenfalls eine Aussage über die Zukunft! Müßtest Du nicht alle Aussagen über die Zukunft in der Schwebe lassen ... und dich selbst dementieren, sofern du dir das logischerweise ja nur für die Zukunft vornehmen kannst?“

(Wolfgang Weimer)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 03.09.2024 um 17:42 Uhr (Zitieren)
A: „Du hast die Dinge stark vereinfacht dargestellt.“
B: „Ich habe mich auf das Wesentliche beschränkt.“
A: „Das Wesentliche besteht doch gerade in der Komplexität der Dinge!“
B: „Das Wesentliche? Da hast du die Dinge aber stark vereinfacht!“

(Wolfgang Weimer)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Andreas schrieb am 03.09.2024 um 18:03 Uhr (Zitieren)
„Das Wesentliche besteht doch gerade in der Komplexität der Dinge!“

Wieso das?
Dafür gibt es sicher viele Gegenbeispiele.
Zudem sagt Wittgenstein:
Alles was überhaupt gedacht werden kann, kann klar gedacht werden. Alles was sich aussprechen läßt, läßt sich klar aussprechen.

Ich glaube, das gilt auch für die Quantenwelt u.a.
deren Prinzipien einfach und klar gesagt werden können.
Natürlich kann man alles aufblähen, bis es keiner mehr wirklich versteht.
Ein gutes Beispiel ist Religion und Ökonomie.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 03.09.2024 um 18:10 Uhr (Zitieren)
Weil alle Dinge, so kompliziert sie auch sein mögen, bei näherem Hinsehen noch viel komplizierter werden.

Wer das noch nicht festgestellt hat, hat der schon geforscht?

Das Wittgenstein-Zitat stammt aus seiner Frühschrift, dem TLP - dem einzigen abgeschlossenen Buch, das er je zustande gebracht ... und von dem er sich später distanziert hat. Was danach kam, war offenbar dermaßen kompliziert, daß er es nie zu einer abgeschlossenen Darstellung hat entwickeln können.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 03.09.2024 um 18:11 Uhr (Zitieren)
Für die Quantenmechanik gibt es aktuell fünf oder sechs verschiedene Deutungsmodelle. Ohne eine Aussicht, darüber experimentell entscheiden zu können.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 03.09.2024 um 18:35 Uhr (Zitieren)
Oder nehmen wir einmal die Mathematik, die im 20. Jhdt. eine Grundlagenkrise mit Mengenantinomie und Unvollständigkeitstheorem erlebt hat.

Die Dinge werden einfach, sobald sie vereinfacht werden - etwa indem man von einer zweiwertigen Logik ausgeht, für die es freilich keinen Beweis gibt oder geben kann. Zieht man aber eine mehr- oder gar n-wertige Logik in Betracht, dann wird's kompliziert. Inzwischen gibt es sogar eine Unschärfe-Logik (fuzzy logic).
Das alles sieht schlecht aus für den in der Mathematik so wichtigen indirekten Beweis: Wer eine Aussage beweist durch Widerlegung ihres Gegenteils, geht offenbar von nur zwei Möglichkeiten aus.

Auch 17 + 9 ist einfach ... solange man vom Rechnen in Restsummen-Systemen absieht.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 05.09.2024 um 18:11 Uhr (Zitieren)
Ce que je voudrais être ? - Romain Gary, mais c'est impossible.


Die Antwort auf besagte Frage des berühmten Questionnaire de Proust stammt von Romain Gary. Den Hintergrund der vordergründigen Paradoxie bildet die Lebensaufgabe Garys, geboren als Roman Kacew, die Persona eines berühmten Künstlers, die seine Mutter für ihren Sohn erträumte, zu seiner Identität werden zu lassen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 08.09.2024 um 15:56 Uhr (Zitieren)
Das vermeintliche Spiel mit dem Paradox hat gar nicht so selten einen ernsten Hintergrund.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 10.09.2024 um 16:38 Uhr (Zitieren)
Der ‚Epimenides’ und all die anderen Paradoxa sind doch nur Späße im Vergleich zu dem Lehrer, der seinen Schülern voller Ernst sagt: „Folgt mir nicht!“

(Wolfgang Weimer)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 10.09.2024 um 17:09 Uhr (Zitieren)
Aus der Reihe "Leben live":

Jemand bricht ein Versprechen. Um den anderen zu beruhigen und gnädig zu stimmen, gibt er ihm ein neues Versprechen. Mißtraut der andere dem, sagt er ihm: „Was willst du? Ich habe es dir doch versprochen!“

(Wolfgang Weimer)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 12.09.2024 um 15:57 Uhr (Zitieren)
Ein Koan:
Wenn jede Frage falsch ist, wie lautet dann die Antwort?

(Wolfgang Weimer)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Andreas schrieb am 12.09.2024 um 18:22 Uhr (Zitieren)
Ein tiefes Durchatmen

Ein Lächeln

eine Gegenfrage, die die Grundannahme in Frage stellt: "Wer sagt, dass jede Frage falsch ist?"

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 12.09.2024 um 18:36 Uhr (Zitieren)
Oder: Warum stellst du mir dann eine Frage?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 23.09.2024 um 17:57 Uhr (Zitieren)
Fortschritt wie Rückschritt benötigen einen Maßstab, anhand dessen sie festgestellt werden können.
Gemessen an dem Wunsch zu leben, ist jeder weitere Tag ein Fortschritt und ein Rückschritt zugleich.

(Wolfgang Weimer)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 01.10.2024 um 00:37 Uhr (Zitieren)
Denn Bloom ist in einem sehr bedeutsamen Sinne Odysseus. Er ist auf keinen Fall ein Spießer. Unser Begriff des Durchschnittsmenschen, l'homme moyen sensuel, ist ein von Sinclair Lewis und nicht von Joyce eingeführter Begriff. Er ist ein Begriff, der Irland nicht angemessen ist. Mehr noch als die Amerikaner und Engländer neigen die Iren zu Extrentritäten. Durchschnittlich zu sein bedeutet in Irland schon, exzentrisch zu sein.

(Richard Ullmann: James Joyce, Suhrkamp 1994, S. 543)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 01.10.2024 um 00:38 Uhr (Zitieren)
Richard Ellmann natürlich.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 01.10.2024 um 00:41 Uhr (Zitieren)
Sowie Exzentrizitäten.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Patroklos schrieb am 01.10.2024 um 08:50 Uhr (Zitieren)
Man mag es als Blooms schärfstes Paradoxon auffassen, wenn er sagt „Christus war Jude wie ich“, worauf der irische Nationalist eine Keksdose nach ihm wirft. Das ganze Kapitel wird „Kyklops“ genannt, und die Keksdose ist sozusagen ein Kyklopenfelsen en miniature.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 01.10.2024 um 10:27 Uhr (Zitieren)
Ende September 1940 lehnt die kantonale Fremdenpolizei Joyce' , dessen Selbstporträt als reife persona nach Ellmann und anderen Bloom ist, Ansuchen um Visa und Aufenthaltsgenehmigung in Zürich auf Dauer des Krieges zunächst ab. Begründung: Joyce sei Jude. Was dieser in einem Brief mit C'est le bouquet, vraiment quittierte.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 01.10.2024 um 12:40 Uhr (Zitieren)
When the Central Bank of Ireland issued a ten euro James Joyce commemorative coin on 10 April 2013, (Stephen James) Joyce described the coin and the circumstances of its issue as "one of the greatest insults to the Joyce family that has ever been perpetrated in Ireland". He complained of a lack of consultation over the coin; he objected to an error in a Joycean quotation inscribed on the coin; he was upset by the design of the portrait on the coin, calling it "the most unlikely likeness of Joyce ever produced";


(Engl. Wikipedia)


Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Patroklos schrieb am 01.10.2024 um 14:06 Uhr (Zitieren)
Darf ich, unparadoxisch, filix um Rat bitten, da er naturgemäß auch den „Ulysses“ näher kennt? Es gibt im Kapitel „Aeolus“, Sektion/Überschrift „Italia, magistra artium“ eine Passage, die mir seit sehr langer Zeit rätselhaft erscheint, wie aus dem Kontext herausgefallen. Auch Experten in Frankfurt und Zurich mussten passen. Hier also:
Messenger took out his matchbox thoughtfully and lit his cigar.

I have often thought since on looking back over that strange time that
it was that small act, trivial in itself, that striking of that match,
that determined the whole aftercourse of both our lives.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Udo schrieb am 01.10.2024 um 16:31 Uhr (Zitieren)
Ohne mich einmischen zu wollen (Paradoxox):

Vlt. regt dich das an, was KI dazu sagt:

Ein paar Gedanken zu dieser Passage:

Stilistischer Bruch: Der Abschnitt erinnert stark an einen anderen Stil oder eine andere Stimme als die sonstigen, oft fragmentarischen oder poetischen Elemente von Ulysses. Die Erzählweise ist auf einmal fast traditionell, mit einem anekdotischen Ton, der im Kontrast zu den experimentellen Stilmitteln des restlichen Buches steht. Vielleicht handelt es sich um eine bewusste stilistische Einlage, um die Leser zu überraschen oder aus dem Fluss des Textes herauszureißen.

Meta-Literarisches Spiel: Es könnte auch sein, dass Joyce hier mit der Vorstellung eines „romantisierten“ Narrativs spielt, das plötzlich mitten in das chaotische und fließende Geschehen von Ulysses eingebettet wird. Diese Art von Einschüben, die bewusst literarische oder erzählerische Konventionen aufgreifen, finden sich oft in Ulysses, als ob Joyce sich über die Formen der Erzählkunst lustig macht oder sie gleichzeitig feiert.

Ironie und Bedeutungslosigkeit: Die Betonung eines „trivialen“ Aktes – das Anzünden eines Streichholzes – und die Vorstellung, dass dieser kleine Moment das Schicksal der Figuren bestimmt, könnte auch ein ironischer Kommentar sein. Joyce spielt oft mit der Idee der Sinnlosigkeit oder der Überhöhung von alltäglichen Handlungen, um die Banalität des Lebens und die Unsicherheit der menschlichen Existenz hervorzuheben.

Mögliche Anspielung: Einige Leser sehen in dieser Passage eine subtile Anspielung auf einen anderen literarischen Text oder eine historische Begebenheit, die im Kontext der Geschichte von Irland, Italien (durch die Überschrift „Italia, magistra artium“) oder der politischen Situation Europas von Bedeutung sein könnte.

Es bleibt unklar, ob Joyce hier absichtlich Verwirrung stiften will, eine Art narrativen Bruch einfügt oder einfach nur einen Kommentar zu den willkürlichen Wendungen des Schicksals gibt. So wie Ulysses generell funktioniert, könnte die Antwort auf dieses Rätsel in seiner Vieldeutigkeit liegen.
________________________________________
Andere KI:
Kontext: Das Kapitel "Aeolus" spielt in einer Zeitungsredaktion und ist voller journalistischer und rhetorischer Verweise. Die Überschrift "Italia, magistra artium" bedeutet "Italien, Lehrmeisterin der Künste".
Unerwarteter Wechsel: Die von Ihnen zitierte Passage stellt einen abrupten Wechsel im Erzählstil dar. Sie wirkt wie ein Einschub oder eine Erinnerung, die plötzlich auftaucht.
Bedeutung des Zündens: Das Anzünden einer Zigarre, ein scheinbar trivialer Akt, wird hier als schicksalhaft dargestellt. Dies könnte eine Anspielung auf die Macht kleiner Gesten oder Entscheidungen sein, die große Auswirkungen haben können.
Mögliche Interpretationen:

Es könnte sich um eine Anspielung auf ein anderes literarisches Werk handeln.
Die Passage könnte als Metapher für den kreativen Prozess oder journalistisches Schaffen verstanden werden.
Sie könnte auch als Kommentar zur Natur des Schicksals oder der Kausalität dienen.


Joyce's Stil: Solche scheinbar zusammenhanglosen Einschübe sind typisch für Joyce's Schreibstil im "Ulysses". Er spielt oft mit Perspektiven, Zeitebenen und assoziativen Gedankensprüngen.
Verbindung zum Titel: "Italia, magistra artium" könnte sich auf die kunstvoll verschlungene Natur des Textes selbst beziehen, wobei Joyce hier die "Kunst" des abrupten Perspektivwechsels demonstriert.

Da diese Passage selbst Experten Rätsel aufgibt, gibt es keine eindeutige Interpretation. Es ist möglich, dass Joyce bewusst eine mehrdeutige, rätselhaft Stelle eingefügt hat, um den Leser zum Nachdenken anzuregen oder die Komplexität des Lebens und der Literatur zu unterstreichen.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Patroklos schrieb am 01.10.2024 um 17:10 Uhr (Zitieren)
Danke! Die Ansätze sind schon gut, bieten Spielraum. Die fiktive Situation wird durchbrochen durch eine Metaebene, von der aus retrospektiv interpretiert wird. Eher trivial. Ein Streichholz brennt, doch nicht „Notre-Dame“. Und wer sind die beiden Personen? Ich habe schon mal an die Szene gedacht mit Joyce und Beckett und dem berühmten „Come in!“ Also außerliterarisch. Ob irgendwie „Ulysses“ im Spiel ist;;))??
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
filix schrieb am 02.10.2024 um 16:20 Uhr (Zitieren)
Ich werde doch kein Guinness nach Dublin schiffen, überfliegt man die zahllosen Interpretationen der Stelle, entsteht der Eindruck, man könnte an ihr die Entwicklung literaturwissenschaftlicher Moden und Methoden der letzten 80 Jahre nachzeichnen. Einen recht werknahen Versuch, angestrengt in die Streichholzflamme zu blicken, findet man z.B. auf The Joyce Project: http://m.joyceproject.com/notes/070005trivial.html

Es mag mir entgangen sein, aber mein Eindruck ist, dass die Anhänger der These des Doppelselbstporträts des Autors als Dedalus & Bloom relativ wenig aus der Zwischenüberschrift machen, kaum Bezüge zu ITALIA, MAGISTRA ARTIUM, also der künstlerischen Entwicklung des Autors in und durch Italien herstellen. Und ist nicht MichelANGELO, um dessen dislozierten Moses es ja u.a. an der Stelle geht (Was macht der im Vatikan, gilt A man of genius makes no mistakes. His errors are volitional and are the portals of discovery [9.228-29]?) auch ein messenger, über dessen Identität sich die Interpreten ebenfalls uneins sind?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Patroklos schrieb am 02.10.2024 um 17:36 Uhr (Zitieren)
Danke für den Hinweis. Ein scharfsinniger, das Triviale aufwertender Aufsatz. Ein Dankeschön dafür bezieht sich nicht auf den „Ulysses“, sondern auf Odysseus. Warum verweilt er sieben Jahre auf Ogygia, ereignislos? Weil Telemach erbfähig zu werden hat. Erst dadurch bekommt der Plan der Freier bzw dessen Abwehr seinen Sinn.
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 04.10.2024 um 15:03 Uhr (Zitieren)
Je älter man wird, desto weniger weiß man. Vorausgesetzt, man lernt dazu.

(Wolfgang Weimer)
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 06.10.2024 um 16:09 Uhr (Zitieren)
1. FC Union Berlin vs. Borussia Dortmund:

Auch wenn Schlotterbeck das anders sieht, da gibt es keine zwei Meinungen. Das ist Elfmeter!

(Sportschau am 5. Oktober 2024)


Bayer O4 Leverkusen feiert sein 120jähriges Vereinsjubiläum:

120 Jahre lang keine Tradition.

(Sportschau am 5. Oktober 2024)

Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Udo schrieb am 06.10.2024 um 16:55 Uhr (Zitieren)
Ist nicht auch der Ausspruch: Ich weiß, dass ich nichts weiß, paradox bzw. unlogisch?
Wer nichts weiß, kann auch das nicht wissen, oder?
Re: Paradoxien, nicht nur aus der Antike #3
Γραικύλος schrieb am 06.10.2024 um 17:45 Uhr (Zitieren)
Das kam sicher schon ganz früh vor. Schau doch mal in dem Paradoxien-Thread #1:

https://www.albertmartin.de/altgriechisch/forum/?view=302#957
 
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